Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

30.06.2016

Geschäftszahl

E449/2016 ua

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Feststellung der Zuständigkeit Italiens sowie Anordnung der Außerlandesbringung infolge Unterlassens eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens bzw Außerachtlassens des konkreten Sachverhalts; keine hinreichende individuelle Zusicherung der geeigneten und gemeinsamen Unterbringung

Rechtssatz

Keine hinreichende, nach dem Urteil des EGMR vom 04.11.2014 im Fall Tarakhel, Appl 29217/12, erforderliche individuelle Zusicherung der Unterbringung und des Zusammenbleibens der syrischen Beschwerdeführer (Vater und drei minderjährige Söhne) durch die italienischen Behörden.

Außerachtlassen des gesundheitlichen Zustands des Zweitbeschwerdeführers (posttraumatische Belastungsstörung) im Hinblick auf die individuelle Zusicherung der geeigneten und gemeinsamen Unterbringung, zumal sich die bereits auf Grund der Minderjährigkeit des Zweitbeschwerdeführers bestehende besondere Verletzlichkeit seiner Person wegen seines gesundheitlichen Zustandes noch erhöht und im konkreten Einzelfall einen noch strengeren Maßstab an die Zusicherung durch die italienischen Behörden erfordert.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen bzw den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen und damit Willkür geübt. Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend die übrigen Beschwerdeführer durch.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:E449.2016