Verfassungsgerichtshof
09.12.2015
E50/2015 ua
20031
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Bestrafung der Beschwerdeführer wegen Übertretung einer ortspolizeilichen Verordnung betreffend ein Alkoholverbot in Innsbruck; Alkoholverbot an bestimmten Orten der Stadt verhältnismäßige Maßnahme zur Eindämmung der mit dem Alkoholkonsum einhergehenden konkreten örtlichen Missstände
Keine Bedenken gegen die AlkoholverbotsV der Stadt Innsbruck vom 30.09.2008 und 12.06.2014 (im Folgenden: Alkoholverbots-VO).
Das Alkoholverbot ist eine Maßnahme, deren Erlassung als Angelegenheit der örtlichen Sicherheitspolizei nach Art118 Abs3 Z3 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt. Dass Alkoholmissbrauch ein "generelles Problem" und kein "Innsbruck-spezifisches" sei, wie der Erstbeschwerdeführer meint, steht der Regelung dieser Angelegenheit im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei nicht entgegen vergleiche VfSlg 19665/2012), ist doch bloß maßgeblich, dass auch die sonstigen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung erfüllt sind.
Die Regelung ist geeignet, das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände (Inanspruchnahme von Sitzgelegenheiten durch Gruppe von alkoholsuchtkranken Personen; Zurücklassung ausgetrunkener [zerschlagener] Flaschen und Dosen; Belästigung von Passanten; Verunreinigung durch Notdurft und Erbrochenem, ...) zu bekämpfen.
Auch verstößt die Alkoholverbots-VO nicht gegen bestehende Bundes- oder Landesgesetze. Zwar erfasst das Tir Landes-PolizeiG, Landesgesetzblatt 60 aus 1976,, Verhaltensweisen, die (auch) durch die ortspolizeiliche Alkoholverbots-VO hintangehalten werden sollen, wie die Erregung ungebührlichen Lärms, die Verletzung des öffentlichen Anstandes oder aufdringliches oder aggressives Betteln. Diese allgemeinen gesetzlichen Regelungen reichen jedoch in bestimmten Teilen der Landeshauptstadt Innsbruck nicht aus, um dem mit dem Alkoholkonsum einhergehenden konkreten örtlichen Missstand in Innsbruck abzuhelfen.
Dass das Verbot in den von der Verordnung erfassten Bereichen sogar das Trinken bloß eines Glases Wein verbietet, macht die Verordnung nicht verfassungswidrig.
Wenn die Beschwerdeführer unter dem Titel der Unsachlichkeit ins Treffen führen, dass in den im Verbotsbereich liegenden Gewerbebetrieben der Konsum von Alkohol demgegenüber gestattet sei, übersehen sie, dass Gastgewerbetreibende zahlreiche Verpflichtungen treffen, die geeignet sind, übermäßigen Alkoholkonsum und dessen Folgen zu bekämpfen (zB §112 Abs5 GewO), weshalb die Ausnahme sachlich gerechtfertigt ist.
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte.
§1 der Alkoholverbots-VO verbietet den Konsum von Alkohol auf in der Verordnung bezeichneten öffentlichen Flächen. Die Beschwerdeführer haben, wie schon die Selbstanzeige zeigt, auf einer dieser Flächen Alkohol getrunken. In Ansehung dieses Sachverhaltes und des Wortlautes der Alkoholverbots-VO ist die Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass die Beschwerdeführer durch ihr Verhalten den Tatbestand des §1 Alkoholverbots-VO erfüllt haben, jedenfalls denkmöglich.
Gleiches trifft auf die Verneinung des Vorliegens von die Strafbarkeit der Beschwerdeführer ausschließenden Umständen zu. Dass der vorgebrachte Beweggrund für die Übertretung der Alkoholverbots-VO, gegen das Alkoholverbot zu protestieren, an der Strafbarkeit nichts ändert, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden; andernfalls wäre es nämlich nur allzu leicht, das als verfassungskonform erkannte Verbot in der Praxis zu unterlaufen.
ECLI:AT:VFGH:2015:E50.2015