Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

10.12.2014

Geschäftszahl

E10/2014

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Verhängung eines Aufenthaltsverbots wegen unzureichender Interessenabwägung

Rechtssatz

Das Verwaltungsgericht Wien hat im konkreten Fall eine Interessenabwägung durchgeführt, dabei jedoch keine nachvollziehbar begründete Gewichtung der maßgeblichen Kriterien vorgenommen, indem erhebliche Punkte unberücksichtigt blieben bzw bei Gegenüberstellung der Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet und den öffentlichen Interessen an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme aktenkundige Umstände übergangen oder unrichtig bewertet wurden. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht Wien dem kriminellen Verhalten sehr hohen Stellenwert eingeräumt, jedoch dem (teils sehr) langen Zurückliegen der Taten, deren überwiegend geringem Gewicht und der offenkundig durch die damalige Alkoholabhängigkeit mitbedingten Motivlage (einschließlich des Vorbringens über erfolgreich abgeschlossene therapeutische Maßnahmen) keine ausreichende Bedeutung beigemessen. Es wird vom Verwaltungsgericht Wien nicht plausibel dargelegt, inwieweit die rund zehn Jahre zurückliegende Straffälligkeit des Beschwerdeführers für die Annahme des Vorliegens öffentlicher Interessen an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme noch in einer Weise maßgeblich sein kann, dass ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erforderlich ist.

Das Verwaltungsgericht Wien hat sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob im Rahmen seines mehr als 24 Jahre (davon 16 Jahre rechtmäßigen) - und damit rund die Hälfte seines Lebens - währenden Aufenthalts im Inland eine private wie berufliche Bindung des Beschwerdeführers zu Österreich entstanden ist, der ein entsprechender Verlust der Bindungen zu seinem ursprünglichen Heimatstaat gegenübersteht.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:E10.2014