Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

23.06.2014

Geschäftszahl

B1081/2013 ua

Sammlungsnummer

19884

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des BDG 1979 betreffend die Möglichkeit einer abschlagsfreien Ruhestandsversetzung von Beamten und Beamtinnen des Geburtsjahres 1954 erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres bzw die mit Abschlägen in der Pensionshöhe verbundene Pensionsantrittsvariante "Langzeitbeamtenpension"; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens; Bestimmungen betreffend den "Pensionskorridor" nicht präjudiziell

Rechtssatz

Die als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen haben zur Folge, dass Beamte des Geburtsjahrganges 1954 nach geltender Rechtslage eine abschlagsfreie Versetzung in den Ruhestand nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelerklärungspension gemäß §15 in Verbindung mit §236c BDG 1979) im Jahr 2019 oder eine mit (einfachen) Abschlägen in der Pensionshöhe verbundene Versetzung in den Ruhestand nach Vollendung des 62. Lebensjahres bei Vorliegen einer beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit von 42 Jahren ("Langzeitbeamtenpension" gemäß §15 in Verbindung mit §236d BDG 1979) im Jahr 2016 bewirken können (Weitere Möglichkeit betr den "Pensionskorridor" im vorliegenden Fall nicht maßgeblich).

Keine Verletzung des Vertrauensschutzes; kein plötzlicher und intensiver Eingriff in erworbene Rechtspositionen.

Eine abschlagsfreie Ruhestandsversetzung mit Vollendung des 60. Lebensjahres (dh im Jahr 2014) war für Beamte des Jahrganges 1954 zuletzt nach der bis 30.09.2000 geltenden Rechtslage (sohin vor Inkrafttreten des PensionsreformG 2000) möglich. Seit der ab 01.01.2004 (In-Kraft-Treten des BudgetbegleitG 2003) geltenden Rechtslage können Beamte des Jahrganges 1954 eine abschlagsfreie Versetzung in den Ruhestand nur noch nach Vollendung des 65. Lebensjahres (dh im Jahr 2019) bewirken vergleiche §15 Abs1 BDG 1979 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 71 aus 2003,). Somit standen den Betroffenen vor dem ursprünglich erwarteten Pensionsantritt (im Jahr 2014) 14 bzw zehn Jahre zur Verfügung, um sich auf die geänderte Rechtslage in Bezug auf eine abschlagsfreie Versetzung in den Ruhestand einzustellen.

Die Einbeziehung von Beamten des Geburtsjahrganges 1954 in die "Hacklerregelung" (§236b BDG 1979) erfolgte lediglich für einen Zeitraum von sechs Jahren, war während des gesamten genannten Zeitraumes an das Erfordernis der Vollendung des 64. Lebensjahres geknüpft und für Angehörige des Geburtsjahrganges 1954 durchgehend mit Abschlägen in der Pensionshöhe verbunden.

Der Vertrauensschutz kann sich grundsätzlich nur aus Erwartungshaltungen in Bezug auf geltende Rechtsnormen und nicht auf mögliche künftige Rechtsentwicklungen ergeben.

Im Falle einer Ruhestandsversetzung nach §15 in Verbindung mit §236d BDG 1979 ("Langzeitbeamtenpension") nach Vollendung des 62. Lebensjahres und bei Vorliegen einer beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit von 42 Jahren kommt die Abschlagsregelung des §5 Abs2 PG 1965 zum Tragen. Für einen Pensionsantritt im Jahr 2016 wird jedoch gemäß §90a Abs1 in Verbindung mit Abs1b PG 1965 eine Beschränkung der Einbußen bei der Pensionshöhe von 8 % gegenüber dem zuvor errechneten Vergleichsruhebezug wirksam (sog "Verlustdeckelung").

Bei Inanspruchnahme der abschlagsgebundenen (vorzeitigen) Pensionsantrittsvariante "Langzeitbeamtenpension" kann auf Grund der Beschränkung der Einbußen bei der Pensionshöhe von 8 % jedenfalls nicht von einer "drastischen Einkommensreduzierung" gesprochen werden.

Die Bestimmung des §15c in Verbindung mit §237) BDG 1979 wurde seitens der jeweiligen Behörden bei Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht angewendet bzw wäre von diesen auch nicht anzuwenden gewesen, weil die beschwerdeführenden Parteien allesamt die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der - für sie günstigeren - "Langzeitbeamtenpension" erfüllen, weshalb die Präjudizialität besagter Normen betreffend den "Pensionskorridor" nicht gegeben ist.

Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn er sich angesichts demographischer Entwicklungen zur langfristigen Finanzierung des öffentlichen Pensionssystems grundsätzlich dafür entscheidet, zukünftig ein Regelpensionsantrittsalter von 65 Lebensjahren vorzusehen. Dem Gesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten, wenn er im Übergangsregime in Form verschiedener Pensionsantrittsoptionen stufenweise an dieses Regelpensionsantrittsalter von 65 Lebensjahren heranführt, solange der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nicht verletzt wird. In diesem Sinn handelt es sich bei §236c BDG 1979 um eine Übergangsbestimmung, die den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung mit einer quartalsweisen Erhöhung an das Regelpensionsantrittsalter von 65 Lebensjahren heranführt. §15 in Verbindung mit §236b BDG 1979 ist demgegenüber eine vom Gesetzgeber im Rahmen des Übergangsrechts geschaffene Option eines früheren Pensionsantritts, deren Inanspruchnahme der Gesetzgeber freilich nur einer Personengruppe eröffnet hat, die vor einem bestimmten Stichtag, nämlich nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor dem 01.01.1954, geboren ist.

Der Gleichheitssatz verlangt vom Gesetzgeber auch, im Übergangsregime die mit der Enttäuschung ursprünglicher Erwartungshaltungen verbundenen Belastungen nach sachlichen Kriterien vorzunehmen. Im Hinblick insbesondere auf die, für die beschwerdeführenden Parteien seit Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2003 unverändert feststehende Möglichkeit, abschlagsfrei mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Pension zu gehen, und angesichts der für die beschwerdeführenden Parteien in §90a PG 1965 bei einem vorzeitigen Pensionsantritt vorgesehenen Beschränkung der Einbußen bei der Pensionshöhe (sog "Verlustdeckelung") hat der Gesetzgeber im vorliegenden Fall den ihm zukommenden Spielraum bei der Festsetzung von Stichtagen nicht überschritten.

Ein Vergleich zwischen Beamten und ASVG-versicherten Frauen (bis zum Jahrgang 1958) kann nicht gezogen werden, weil es sich beim Pensionssystem der (Bundes-)Beamten und anderen Systemen dieser Art, im Besonderen dem der Sozialversicherung, ungeachtet der in den letzten Jahren vorgenommenen Angleichungsmaßnahmen grundsätzlich noch um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete handelt.

Die Regelungen betreffend die Erhöhung des Pensionsanfallsalters bewirken keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Da die beschwerdeführenden Parteien nur die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet haben, ist nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt. Abweisung der Beschwerden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B1081.2013