Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

27.02.2014

Geschäftszahl

B1179/2013

Sammlungsnummer

19844

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer politischen Partei gegen einen an deren organschaftlichen Vertreter adressierten Bescheid mangels Legitimation; keine Befugnis der Bundesministerin für Inneres zur Feststellung der (Un)Wirksamkeit der freiwilligen Auflösung einer Partei; keine allgemein verbindliche oder incidente Beurteilung der Rechtspersönlichkeit einer Vereinigung bei Dokumentation der erfolgten Satzungshinterlegungen

Rechtssatz

Beschwerdeführende Partei ist die Piratenpartei Tirol (PPT). Dies kommt durch ihre Bezeichnung als beschwerdeführende Partei im Rubrum, die Darstellung des Sachverhaltes sowie durch den Schluss der Beschwerde mit den Worten "Piratenpartei Tirol" zweifelsfrei zum Ausdruck. Wolfgang SAMSINGER tritt ausschließlich in seiner Funktion als organschaftlicher Vertreter der beschwerdeführenden Partei auf.

Der bekämpfte Bescheid der BMI richtet sich demgegenüber ausdrücklich an Wolfgang SAMSINGER. Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich auch nicht, dass die belangte Behörde die Absicht gehabt hätte, diesen an die beschwerdeführende Partei zu richten und Wolfgang SAMSINGER nur als deren Vertreter anzuführen. Die beschwerdeführende Partei ist somit nicht Adressatin des bekämpften Bescheides, weshalb sie durch diesen Bescheid auch in keinem subjektiven Recht verletzt sein kann.

Keiner Behörde räumt das Gesetz - insbesondere auch nicht §1 PartG - die Befugnis ein, allgemeinverbindlich (bescheidmäßig) festzustellen, dass eine politische Partei Rechtspersönlichkeit erlangt hat oder nicht; vielmehr haben alle Verwaltungsbehörden und alle Gerichte für Zwecke der bei ihnen anhängigen Verfahren nach Maßgabe der ihnen auf Grund ihrer allgemeinen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel incidenter zu beurteilen, ob eine Vereinigung durch Hinterlegung ihrer Satzung als politische Partei Rechtspersönlichkeit erlangt hat vergleiche zB VfSlg 11761/1988).

Auch diese Frage, ob eine politische Partei ihre seinerzeit erworbene Rechtspersönlichkeit - etwa infolge freiwilliger Auflösung - wieder verloren hat ist von jeder Verwaltungsbehörde und jedem Gericht für Zwecke der bei ihnen anhängigen Verfahren incidenter zu beantworten. Der BMI kommt daher keine Befugnis zu, die Entgegennahme der Bekanntgabe einer freiwilligen Auflösung, zu welcher politische Parteien nunmehr gemäß §1 Abs5 PartG ermächtigt sind, zu verweigern oder allgemeinverbindlich die (Un)Wirksamkeit der freiwilligen Auflösung festzustellen.

Es verschlägt auch der Umstand nichts, dass das BMI gemäß §1 Abs4 PartG seit 01.07.2013 ein öffentlich einsehbares Verzeichnis zu führen hat, das den Namen der politischen Partei und das Datum der Hinterlegung der Satzung zu enthalten hat. Zweck dieses Verzeichnisses ist nämlich ausschließlich die (öffentlich einsehbare) Dokumentation der erfolgten Satzungshinterlegungen. Daher hat das BMI auch bei Durchführung dieser - von jener zur Entgegennahme von Satzungshinterlegungen zu unterscheidenden - Aufgabe die Rechtspersönlichkeit der Vereinigungen, die Satzungen hinterlegt haben, nicht - also weder allgemeinverbindlich noch incidenter - zu beurteilen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B1179.2013