Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

22.02.2013

Geschäftszahl

B358/12 ua

Leitsatz

Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung von Devolutionsanträgen zur Entscheidung über Berufungen gegen die Zurückweisung der Anträge auf Ausstellung von Partnerschaftsurkunden

Rechtssatz

Die Beschwerdeführer beantragten die Ausstellung von Partnerschaftsurkunden, wobei sie ausdrücklich die Ausstellung in einer insofern von der in der Anlage zur Personenstandsverordnung vorgesehenen Vorlage abweichenden Form begehrten, als sie beantragten, dass ihre "Zunamen" nicht als "Nachnamen", sondern als "Familiennamen" ausgewiesen werden sollen.

Die im ersten Rechtsgang erlassenen, diese Anträge als unzulässig zurückweisenden Berufungsentscheidungen wurden vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. In diesen Entscheidungen weist der Verwaltungsgerichtshof zum einen darauf hin, dass §34a PersonenstandsG ein Recht auf Ausstellung von Partnerschaftsurkunden einräumt und dass somit Anträge auf Ausstellung von Partnerschaftsurkunden nicht als solche unzulässig sind.

Zwar bietet ein Devolutionsantrag nur Rechtsschutz gegen die Säumnis einer Behörde bei der Erlassung eines Bescheides. Ein Antrag auf Ausstellung einer Urkunde, auf deren Ausstellung ein Rechtsanspruch besteht, schließt aber stets auch den Antrag mit ein, die Behörde möge feststellen, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung der beantragten Urkunde vorliegen. Ebensowenig wie daher ein Devolutionsantrag, mit dem von der Oberbehörde - anstelle der säumigen ersten Instanz - die Ausstellung einer Urkunde beantragt wird, unzulässig ist, ist ein Devolutionsantrag unzulässig, mit dem der Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Berufung gegen einen, einen solchen Antrag auf Ausstellung einer Urkunde zurückweisenden Bescheid begehrt wird. Da auf die Ausstellung einer Partnerschaftsurkunde - wie der Verwaltungsgerichtshof in den den vorliegenden Beschwerden zugrunde liegenden Verfahren ausdrücklich ausgesprochen hat - ein Rechtsanspruch besteht, hätte die Bundesministerin für Inneres die Devolutionsanträge der Beschwerdeführer nicht als unzulässig zurückweisen dürfen, sondern hätte anstelle des säumigen Landeshauptmannes von Niederösterreich über die Berufungen gegen die erstinstanzlichen Zurückweisungen - in Entsprechung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes - eine Sachentscheidung hinsichtlich dieses Verfahrensgegenstandes treffen müssen. Indem die belangte Behörde somit durch die Zurückweisung der an sie gerichteten Devolutionsanträge zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat, wurden die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG verletzt.