Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

16.06.1979

Geschäftszahl

B421/77

Sammlungsnummer

8575

Rechtssatz

Die Behörde nimmt an, der Wortlaut des Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 2, Kapitalverkehrsteuergesetz sei (arg. "gehören") so klar, daß er die Heranziehung weiterer Interpretationsbehelfe erübrige. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des VwGH, der im Erk. vom 4. März 1971, Ziffer 779 /, 70,, die Gründung einer GesmbH durch ein Bundesland und eine zur Gänze in dessen Hand befindliche Aktiengesellschaft nicht als begünstigt angesehen und dabei ausgesprochen hat, eine mittelbare Beteiligung genüge für die Steuerbefreiung deshalb nicht, weil der Gesetzgeber sonst anstelle des Wortes "gehören" die Worte "beteiligt ist" verwendet hätte. Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um die Frage, ob es für die Steuerbefreiung genügt, wenn Gesellschaftsanteile einer Gesellschaft zustehen, die ihrerseits einer Gebietskörperschaft gehört. Es ist daher auch nicht zu prüfen, inwieweit allgemein auf die Beteiligungsverhältnisse an einer Gesellschaft durchgegriffen werden kann. Zu beantworten ist vielmehr nur die Frage, ob die von der Stadtbetriebe Linz GesmbH übernommene Aktie angesichts des Treuhandverhältnisses i. S. des Paragraph 24, Absatz eins, Litera c, BAO der Stadt Linz als Treugeber zugerechnet werden muß. Nach dieser Gesetzesstelle werden Wirtschaftsgüter, die zur treuen Hand für einen Treugeber erworben worden sind, dem Treugeber zugerechnet, soweit in den Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Auch und gerade wenn also die Zurechnung an den Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft wegen der grundsätzlichen Selbständigkeit der juristischen Person nicht in Betracht kommt, kann ein Treuhandverhältnis i. S. des {Bundesabgabenordnung Paragraph 24,, Paragraph 24, BAO} von Bedeutung sein.

Die Wortwahl in Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 2, KVStG kann gegen eine Anwendung des {Bundesabgabenordnung Paragraph 24,, Paragraph 24, BAO} schon deshalb nicht ins Treffen geführt werden, weil diese Generalklausel für ihren Anwendungsbereich die Zurechnung an den Treugeber auch im Hinblick auf die Begriffe Eigentum oder Vermögen (auf die durch Wendungen wie "gehören" verwiesen ist) gebietet.

Daß aber der Sinn des Befreiungstatbestandes eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschlösse, kann der VfGH nicht finden. Die These der bel. Beh., der sonst im Steuerrecht allgemein zu beachtende Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ({Bundesabgabenordnung Paragraph 21,, Paragraph 21, BAO}) sei im Kapitalverkehrsteuerrecht schlechthin unbeachtlich, ist in dieser Allgemeinheit unbegründet. Kein Abgabenrechtsgebiet ist von vornherein zur Gänze von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgeschlossen vergleiche Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 110 ff., und Die Bundesabgabenordnung 5 30 f., sowie Gassner, Interpretation und Anwendung der Steuergesetze, 34 f.; zum KVStG vergleiche auch Torggler, "Wirtschaftliches Eigentum" im Steuerrecht, ÖStZ 1972, 58 ff., 75) . Da Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 2, KVStG seiner Funktion nach gerade auf wirtschaftliche Merkmale, nämlich darauf abstellt, daß der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens ausschließlich die Gebietskörperschaft trifft, ist auch die Anwendung des {Bundesabgabenordnung Paragraph 24,, Paragraph 24, BAO} geboten. Nach Sinn und Zweck der Regelung wäre es schlechthin unverständlich, wenn infolge der Notwendigkeit mindestens zweier Gründer ({Aktiengesetz 1965 Paragraph 2,, Paragraph 2, Absatz 2, Aktiengesetz}) die in Paragraph 7, KVStG beabsichtigte Förderung von Versorgungsunternehmen bei Errichtung einer Gesellschaft niemals zum Tragen kommen könnte. Daß die steuerbaren Tatbestände selbst formalrechtlicher Natur sind, hat mit dem Inhalt der Befreiungsvorschrift nichts zu tun. Die Verweigerung der Zahlungsbefreiung ist einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten.

Die Verweigerung einer gesetzlichen Steuerbegünstigung stellt einen Eingriff in das Eigentumsrecht dar (Slg. 6158/1970 mit weiteren Nachweisen) . Da sie hier in denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes erfolgte, wurde die bf. Gesellschaft im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:1979:B421.1979