Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

09.06.2006

Geschäftszahl

B735/05

Sammlungsnummer

17853

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot durch befristeten Führerscheinentzug und Verhängung einer Geldstrafe wegen Lenkens eines PKW samt Verursachung eines Verkehrsunfalles in alkoholisiertem Zustand sowie Freispruch im gerichtlichen Strafverfahren wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit; Festlegung unterschiedlicher Alkoholisierungsgrade im Verwaltungsrecht und im Strafrecht; Unrechts- und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung durch das gerichtliche Strafverfahren nicht vollständig erschöpft

Rechtssatz

Freispruch im gerichtlichen Strafverfahren wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit aufgrund der Annahme eines wesentlich geringeren Alkoholisierungsgrades (0,59 Promille statt 1,45 Promille aufgrund der Blutprobe).

§81 Abs1 Z2 StGB stellt eine besondere Übernahmsfahrlässigkeit unter Strafe: Der Täter ist zur Tatzeit durch ein berauschendes Mittel zwar in seinen körperlichen oder geistigen Funktionen beeinträchtigt, nicht aber zurechnungsunfähig. Eine Beeinträchtigung des Fahrzeuglenkers wird im gerichtlichen Strafverfahren ab einem Blutalkoholgehalt von 0,8‰ oder einem Alkoholgehalt der Atemluft ab 0,4 mg/l unwiderleglich vermutet.

Im vorliegenden Zusammenhang finden sich zwei verschiedene Straftatbestände mit jeweils unterschiedlichen Schutzzwecken. Die Tatbestandselemente der beiden Delikte gehen unter anderem von unterschiedlichen Alkoholisierungsgraden aus, nämlich von einem verwaltungsrechtlich relevanten Blutalkoholgehalt von über 0,5‰ (§14 Abs8 FührerscheinG) und einem strafrechtlich relevanten von über 0,8‰ (siehe auch §5 Abs1 StVO). Die Tatbestände des StGB und die des FührerscheinG unterscheiden sich somit in wesentlichen Elementen.

Keine Bedeutung der Frage eines Alkoholisierungsgrades von unter 0,8 Promille im gerichtlichen Strafverfahren (siehe §5 Abs1a StVO).

Der Umstand, dass das Bezirksgericht das Vorliegen einer Alkoholisierung von mehr als 0,8‰ verneint hat, hindert die Verwaltungsbehörde nicht zu beurteilen, ob eine Alkoholisierung von mehr als 0,5‰ vorlag. Denn die unterschiedlichen Beweisergebnisse ändern nichts an der Verschiedenheit der beiden (auch unterschiedliche Schutzzwecke verfolgenden) Delikte.

Der Beschwerdeführer wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Gefährdung der körperlichen Sicherheit in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand freigesprochen, weil das Strafgericht es nicht als erwiesen ansah, dass seine Alkoholisierung so schwer war, dass sie gegen die zulässige Grenze nach dem StGB (0,8‰) verstoßen habe.

Hingegen führte sein unbestritten die 0,5‰-Grenze übersteigender Alkoholisierungsgrad zu Recht zu einer Bestrafung nach den Verwaltungsvorschriften. Der Beschwerdeführer wurde somit nicht zweimal wegen ein und desselben Straftatbestandes verfolgt: Der Unrechts- und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung war vielmehr durch das gerichtliche Strafverfahren nicht vollständig erschöpft. Es bestand daher hinsichtlich dieser Übertretung ein weitergehendes Strafbedürfnis vergleiche VfSlg 15821/2000).