Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

23.06.2010

Geschäftszahl

B1048/09

Sammlungsnummer

19112

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Zurückweisung einer Beschwerde durch die Datenschutzkommission; Verneinung der Zuständigkeit zu Recht; Behandlung von parlamentarischen Anfragen iSd Geschäftsordnung des Nationalrates sowie Veröffentlichung der Anfragen auf der Parlaments-Homepage kein Verwaltungshandeln sondern Akte der Gesetzgebung

Rechtssatz

Schriftliche Anfragen eines Abgeordneten zum Nationalrat an einzelne Bundesminister (Art52 B-VG in Verbindung mit §90, §91 GOG NR) stellen - ebenso wie jene an die Präsidentin des Nationalrates (§89 GOG NR) - eine dem Bereich der Gesetzgebung zuzuzählende Tätigkeit eines gesetzgebenden Organs dar.

Derartige Anfragen sind gemäß §21 Abs3 in Verbindung mit §22 GOG NR Gegenstände bzw Bestandteile der Verhandlungen des Nationalrates und genießen als solche sachliche Immunität (Art33 B-VG). Vervielfältigung sowie Verteilung der schriftlichen Anfragen an die Abgeordneten sowie weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung durch Präsident/in des Nationalrates (siehe §23, §52 GOG NR) zum Zweck der Information der Öffentlichkeit iSv Transparenz und Nachvollziehbarkeit parlamentarischer Vorgänge.

Zur Veröffentlichung auf der Parlaments-Homepage:

Website von Parlamentsdirektion betrieben, diese der/dem Präsident/in des Nationalrates unterstellt; Handlung der/dem Präsident/in zuzurechnen; Veröffentlichungen der/dem Präsident/in "anheimgestellt" (s §14 Abs8 GOG NR).

Die Entscheidung über die Publizierung parlamentarischer Anfragen auf der Parlamentswebsite fällt daher in den Kompetenzbereich der Präsidentin des Nationalrates, der die Parlamentsdirektion untersteht.

Soweit eine Datenanwendung im Rahmen der Parlamentsverwaltung gemäß Art30 B-VG erfolgt, ist sie gemäß Art30 Abs3 und Abs6 B-VG dem Präsidenten des Nationalrates zuzurechnen und wird unter seiner Verantwortung als Auftraggeber vergleiche §56 DSG 2000) gesetzt; solche Datenanwendungen unterliegen der Kontrolle der DSK. Zuständigkeit der DSK daher hinsichtlich der dem Präsidenten des Nationalrates zukommenden Administrativaufgaben.

Die Veröffentlichung parlamentarischer Anfragen auf der Homepage des Parlaments ist allerdings nicht als derartiges Verwaltungshandeln zu beurteilen, sondern dem Bereich der Gesetzgebung zuzurechnen (siehe hiezu Art30 Abs3 B-VG hinsichtlich der Unterstützung der parlamentarischen Aufgaben, sowie Art32, Art33 und Art52 B-VG in Verbindung mit den Bestimmungen des GOG NR sowie unter Berücksichtigung des hinter der Datenanwendung stehenden "Auftraggebers" vergleiche auch VwGH 23.01.07, 2006/06/0283, und OGH 08.09.09, 4 Ob 101/09w, je in Bezug auf die Zuständigkeit des OGH zur Veröffentlichung von Entscheidungen im RIS; OGH 16.04.04, 1 Ob 38/04a, betreffend den TV-Auftritt eines Volksanwaltes). Der Umstand, dass Veröffentlichungen im Internet eine weitaus größere Breitenwirkung haben als andere Publikationsformen, ist für die Beurteilung der Frage der Zuordnung eines Aktes zur Kategorie "Gesetzgebung" oder zu jener der "Vollziehung" ohne Bedeutung.

Die Präsidentin des Nationalrates hat somit hinsichtlich der Veröffentlichung der in Rede stehenden Anfragen auf der Website des Parlaments als Organ der Gesetzgebung im funktionellen Sinn gehandelt vergleiche auch VfGH 07.10.58, B204,205/58, VfSlg 11882/1988 und VwGH 11.11.98, 98/01/0152).