Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

12.12.2011

Geschäftszahl

B1672/10

Sammlungsnummer

19586

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung eines Verstoßes des ORF gegen das Trennungs- und Erkennbarkeitsgebot für Werbung durch Ausstrahlung eines Spots der Arbeiterkammer mit dem unzutreffenden Hinweis "Einschaltung im öffentlichen Interesse"

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §13 Abs3 und Abs5 ORF-G.

Zwar Eingriff der gesetzlichen Beschränkungen für Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Rechte des ORF nach Art10 EMRK durch Beschränkung seiner Disposition über die Vergabe von Sendezeiten für Werbung; jedoch legitimes Ziel der Beschränkungen: Schutz der Rechte anderer; auch Art10 Abs1 Satz 3 EMRK, Präzisierung in ArtI Abs2 BVG-Rundfunk, zu berücksichtigen: Gewährleistung der Objektivität und Unabhängigkeit der Berichterstattung sowie der Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Erfüllung der Aufgabe Rundfunk betraut sind.

Verhältnismäßigkeit der aus §13 ORF-G erfließenden Beschränkungen bei der Vergabe von Sendezeiten und der Gestaltung ihrer Ausstrahlung.

§13 Abs3 ORF-G ist verfassungskonform dahingehend zu verstehen, dass er auch nicht-kommerzielle, ideelle Werbung erfasst; dies entspricht auch dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen.

Vor diesem Hintergrund belastet weder das durch das Trennungsgebot gestützte Erkennbarkeitsgebot des Abs3, noch die Begrenzung der Ausnahmen in Abs5 auf Eigenhinweise und Begleitmaterialien sowie insbesondere auf Beiträge im Dienste der Allgemeinheit und kostenlose Spendenaufrufe den ORF mit Nachteilen, die im Vergleich zum Gewicht der rechtfertigenden Gründe außer Verhältnis stünden.

Keine Unterstellung eines verfassungswidrigen Inhalts.

Feststellung nicht bloß einer Verletzung des §13 Abs5 ORF-G allein, sondern in Zusammenhang mit §13 Abs3 ORF-G. §13 Abs5 ORF-G insofern als gesetzliche Grundlage für die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung, ob es sich bei dem "Spot" der Arbeiterkammer um einen Beitrag im Dienste der Allgemeinheit handelt.

Wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass es sich auch bei Beiträgen im Dienste der Allgemeinheit um (wenn auch nicht kommerzielle) Werbung handelt, auf die der Trennungs- und Erkennbarkeitsgrundsatz des §13 Abs3 ORF-G anzuwenden ist, und es dementsprechend für die Frage eines Verstoßes gegen §13 Abs3 ORF-G gar nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Beitrag im Dienste der Allgemeinheit handelt, so wendet sie die Regelung zumindest nicht denkunmöglich an. Jedenfalls bei Beiträgen, die ihrem Inhalt und ihrer Aufmachung nach eine inhaltliche Botschaft aufweisen, mit der für bestimmte Leistungen, Produkte oder Ideen geworben wird, kann der VfGH der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie ein Kennzeichnungsgebot annimmt.

Restriktive Auslegung des Begriffs der Beiträge im Dienste der Allgemeinheit vor dem Hintergrund des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen nicht verfassungswidrig.

Möglichkeit der Ausstrahlung einer Informationskampagne eines Selbstverwaltungskörpers durch §13 ORF-G nicht in Frage gestellt. Aus den Bestimmungen über die nichtterritoriale Selbstverwaltung (Art120a bis Art120c B-VG) folgt insbesondere nicht, dass die Annahme der Anwendbarkeit des Trennungs- und Erkennbarkeitsgebots iSd §13 Abs3 ORF-G verfassungswidrig ist.