Entscheidende Behörde

Bundesvergabeamt

Entscheidungsdatum

12.07.2012

Geschäftszahl

N/0060-BVA/12/2012-19

Text

BESCHEID

Das Bundesvergabeamt hat durch den Senat 12, bestehend aus Dr. Michael Etlinger als Vorsitzenden sowie MR Mag. Franz Pachner als Mitglied der Auftraggeberseite und Mag. Manfred Katzenschlager als Mitglied der Auftragnehmerseite im Nachprüfungsverfahren gemäß Paragraph 312, Absatz 2, Ziffer 2, BVergG 2006 betreffend das Vergabeverfahren "IKT Verkabelung RL 3, Aktenzahl: 10-96-60-999999-3" des Auftraggebers Universität Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 1, 1010 Wien, vertreten durch X***, eingeleitet über Antrag der A***, vertreten durch Y***, vom 5. Juni 2012, wie folgt entschieden:

Spruch

römisch eins.

Der Antrag, "das Bundesvergabeamt wolle die am 1. Juni 2012 bekannt gegebene Ausscheidung des Angebots der A*** im Vergabeverfahren 10-96-60-999999-3 IKT Verkabelung RL 3 für nichtig erklären", wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: Paragraphen 2, Litera a, Sub-Litera, a, a,, 19 Absatz eins,, 129 Absatz eins, Ziffer 7,, 312 Absatz 2, Ziffer 2,, 320 Absatz eins und 321 Absatz eins, BVergG 2006

römisch II.

Der Antrag, "das Bundesvergabeamt wolle die am 1. Juni 2012 bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung zugunsten der B*** für nichtig erklären", wird zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage: Paragraph 320, Absatz eins, BVergG 2006

römisch III.

Der Antrag, "das Bundesvergabeamt wolle der Antragstellerin den Ersatz der von der Antragstellerin entrichteten Gebühren in der gesetzlichen Höhe gegenüber der Auftraggeberin zuerkennen, dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution", wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: Paragraph 319, BVergG 2006

Begründung

Die Antragstellerin stellte am 5. Juni 2012, beim BVA am 8. Juni 2012 eingelangt, die im Spruch ersichtlichen Begehren und brachte zur Begründung insbesondere nachfolgendes vor:

Der Antragstellerin sei mit 16.5.2012 die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers (zu ihren Gunsten) mitgeteilt worden. Per 23.5.2012 sei die Antragstellerin gemäß Paragraph 323, Absatz 4, BVergG davon verständigt worden, dass die B*** einen Antrag auf Nichtigerklärung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beim BVA (N/0057-BVA/12/2012) eingebracht habe. Im Weiteren sei die Antragstellerin mit Mail vom 1.6.2012 davon verständigt worden, dass deren (ursprünglich für den Zuschlag vorgesehenes) Angebot im Vergabeverfahren ausgeschieden werden müsse. Die am 16.5.2012 übermittelte Bekanntgabe der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung sei damit gegenstandslos und der Auftraggeber beabsichtige nunmehr, der B*** den Zuschlag zu erteilen.

Die Ausscheidung des Angebotes der Antragstellerin sei auf zwei Gründe gestützt worden:

  1. Ziffer eins
    Das von der Antragstellerin in der Position 190313C angebotene Produkt weise zwar Kabelabgänge von 90° auf, diese würden jedoch nicht seitlich, sondern - aus der Steckrichtung gesehen - oberhalb und unterhalb des Moduls liegen. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt entspreche daher nicht den Ausschreibungsbestimmungen.
  2. Ziffer 2
    Für die Positionen 190313C LV sowie 190314C LV sei als Kriterium für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des angebotenen (vom Referenzprodukt abweichenden) Produkts mit dem angegebenen Referenzprodukt eine Einbautiefe von maximal 40 mm gefordert worden. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt habe jedoch eine Einbautiefe von 41,4 mm ausgewiesen. Zum ersten Ausscheidenstatbestand brachte die Antragstellerin vor, dass aus ihrer Sicht - rein technisch - ein Kabelabgang auch nach unten aus der Steckrichtung möglich sei. Es gehe - vom Zweck der Ausschreibung - ausschließlich um die Erreichung der vom Kabelhersteller vorausgesetzten Biegeradien. Der Biegeradius im vorliegenden Fall könne sowohl durch einen Kabelabgang nach links und/oder rechts in der Steckrichtung als auch nach unten erfolgen. Die Antragstellerin könne aber in all diesen Fällen den Biegeradius des Kabels im eingebauten Zustand erreichen. Zum zweiten Ausscheidenstatbestand wurde ausgeführt, dass die Angabe der Einbautiefe mit 41,4 mm und der Eintrag des Buchstabens "N" irrtümlich erfolgt seien. Es sei eine technische Zeichnung der C*** zur Bestätigung dahingehend vorgelegt worden, wonach die Einbautiefe des sogenannten C***-Jacks 36 mm betrage und daher das Gleichwertigkeitskriterium bei weitem erfüllt sei. Nach Ansicht der Antragstellerin handle es sich hier um einen bloßen Schreibfehler, dessen Behebung auch nicht zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung des Bieters sowie zu einer materiellen Verbesserung der Position der Antragstellerin gegenüber ihren Mitbietern führen würde. Es sei ja keine Änderung des Produkts vorgenommen, sondern lediglich dargelegt worden, dass die Einbautiefe tatsächlich 36 mm betrage. Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung brachte die Antragstellerin vor, dass bestritten werde, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin die verlangten Referenzlisten ordnungsgemäß ausfüllen habe können. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei nach Kenntnis der Antragstellerin erst seit einem Jahr sogenannter "TYCO-Partner" und habe die erforderlichen Referenzprojekte nicht realisiert. Ebenso seien die geforderten Großprojekte mit 25 Jahre Garantie nicht verwirklicht worden. Daher sei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, insbesondere mangels technischer Leistungsfähigkeit sowie mangels Vorliegen von Referenzen auszuscheiden.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erhob am 15. Juni 2012 begründete Einwendungen gemäß Paragraph 324, Absatz 3, BVergG und brachte vor, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten allesamt nicht vorliegen würden. Vielmehr seien bei der Antragstellerin sogar noch zusätzlich zwei weitere Ausscheidensgründe vorhanden.

Zum Kabelabgang in Position 190313C bestätige die Antragstellerin selbst, dass das von ihr angebotene Produkt die Voraussetzung nicht erfülle. Die von der Antragstellerin als Begründung für die "Dennochzulässigkeit" herangezogenen Aspekte seien allesamt nicht zutreffend. Die Antragstellerin berufe sich darauf, dass insgesamt die "freie Fabrikatswahl" bei der Ausschreibung als Grundidee vorausgesetzt wäre. Der Auftraggeber habe sich jedoch für die Position 190313C (berechtigter Weise) entschieden, eine konkrete Festlegung zu treffen und Mindestanforderungen zu definieren. Diese Festlegung gehe aber jedenfalls als lex specialis einer allfälligen lex generalis zur freien Fabrikatswahl vor.

Die von der Antragstellerin zu den beiden Positionen 190313C und 190314C im Angebot genannten Produkte würden - auch nach deren eigenen Angaben - der Ausschreibung widersprechen (bzw. liege fehlende Gleichwertigkeit vor). Bei Ausschreibungswidersprüchen (hier technischer Art) sei aber keine Mängelbehebung möglich. Als erster zusätzlicher Ausscheidensgrund erfüllten die angebotenen Produkte nicht die erforderliche 25-jährige Systemgarantie. Als zweiter vom Auftraggeber nicht herangezogener (aber tatsächlich vorliegender) Ausscheidensgrund fehle es den von der Antragstellerin angebotenen Produkten an der erforderlichen Staubschutzklappe.

Zur bekämpften Zuschlagsentscheidung wurde ausgeführt, dass die von Seiten der Antragstellerin behauptete mangelnde Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin offenbar nur ein Schutzvorbringen darstelle. Dies belege schon der Umstand, dass unsubstantiiert - und auch alternativ - die fehlende Befugnis, finanzielle, wirtschaftliche bzw. technische Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit behauptet werde. Ergänzt sei, dass das etwas nähere Vorbringen der Antragstellerin zu den Referenzen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht zutreffend sei und vom Auftraggeber daher rechtsrichtig als erfüllt angesehen werde.

Der Auftraggeber erstattete am 18. Juni 2012 eine Stellungnahme und führte insbesondere nachfolgendes aus:

Sowohl für die Pos 190313C des Leistungsverzeichnisses als auch die Pos 190314C des Leistungsverzeichnisses werde als Mindest-Kriterium für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des angebotenen (vom Referenzprodukt abweichenden) Produktes mit dem angegebenen Referenzprodukt eine Einbautiefe von maximal 40 mm gefordert. Die Antragstellerin habe aber im von ihr übermittelten Angebot samt Leistungsverzeichnis vom 26.3.2012 in der Pos 190313C LNr. 03 betreffend die Einbautiefe ausdrücklich "N [Nein] (41,4 mm)" angegeben. Ebenso sei in der Pos 190314C LNr. 03 betreffend die Einbautiefe ausdrücklich "N [Nein] (41,4 mm)" angegeben worden. Die Antragstellerin habe somit bei Angebotslegung selbst erklärt, dass ihr Angebot den Ausschreibungsbestimmungen widerspreche. Ein anderer objektiver Erklärungswert könne dem Angebot nicht beigemessen werden. Die Erklärung eines Bieters, ein den Vorgaben der Ausschreibung widersprechendes Angebot abzugeben, sei auch nicht aufklärbar. Das Angebot der Antragstellerin sei daher gemäß Paragraph 129, Absatz eins, Ziffer 7, BVergG wegen Widerspruchs zu den Ausschreibungsbestimmungen auszuscheiden gewesen. Der Antragstellerin komme daher jedenfalls keine Antragslegitimation zur Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zu.

Das Leistungsverzeichnis in der Position 190313C würde einen Kabelabgang 90° festlegen. Mit der Bieterfragenbeantwortung des Auftraggebers vom 19. März 2012 sei (bestandfest) festgelegt worden, dass dieser Kabelabgang seitlich nach links oder rechts (aus der Steckrichtung gesehen) vorliegen müsse. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt weise zwar Kabelabgänge von 90° auf. Allerdings würden diese Kabelabgänge nicht seitlich liegen, sondern, aus Steckrichtung gesehen, oberhalb und unterhalb des Moduls. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt widerspreche daher den bestandfesten Festlegungen der Ausschreibung.

Gemäß Pkt. 2.1.14 Weißbuch "Kommunikationsverkabelung und Infrastruktur" werde für das installierte Verkabelungssystem eine 25-jährige Systemgarantie direkt vom Hersteller gefordert. Laut Leistungsverzeichnis in Verbindung mit dem Weißbuch sei ausdrücklich eine Garantie des Herstellers und nicht eines Vertriebspartners gefordert gewesen. Die von der Antragstellerin übermittelte "Systemgarantie" widerspreche den Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen: Mit dem Schreiben werde nur bestätigt, dass die Antragstellerin als zertifizierter Partner berechtigt sei, eine 25-jährige Systemgarantie zu geben. Die Erklärung des Herstellers, die Antragstellerin dürfe eine Garantie geben, entspreche jedoch keinesfalls einer (direkt) vom Hersteller gewährten Garantie. Genau dies sei aber vom Auftraggeber gefordert worden. Daher widerspreche das Angebot der Antragstellerin auch in diesem Punkt den Ausschreibungsbestimmungen und sei daher (auch) aus diesem Grund gemäß Paragraph 129, Absatz eins, Ziffer 7, BVergG auszuscheiden.

Die Zuschlagsentscheidung zugunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei rechtskonform erfolgt, da diese die in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Referenzliste vorgelegt habe. Die angegebenen Referenzen würden die Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen erfüllen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe zu den angegebenen Referenzen auch die Referenzbestätigungen mit einer Bestätigung der Referenz durch den Auftraggeber bzw. Kunden vorgelegt. Folglich gebe es keinen Grund für den Auftraggeber an der Richtigkeit der Angaben bzw. der Referenzen zu zweifeln.

Am 11. Juli 2012 fand vor dem BVA eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. In dieser wurden die unterschiedlich angebotenen Produkte ("D***" von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie "C***" von der Antragstellerin) dem Senat zur Schau gestellt. Die Antragstellerin wies auf die Funktionalität ihres Produktes hin, welches als gleichwertig anzusehen sei. Zur Anfragebeantwortung des Auftraggebers vom 19.3.2012 führte die Antragstellerin aus, dass es diesbezüglich am Markt nur ein einziges Produkt, nämlich das Tyco-Produkt, gebe.

Die Antragstellerin legte dem Senat das angebotene Produkt zur Position 190314C vor und führte aus, dass dieses exakt 36 mm betrage. Der Auftraggeber entgegnete und brachte vor, dass dies nicht das unter der Position 190314C angebotene Produkt sei. Der Auftraggeber legte die Nachreichung des zweiten Datenblattes der Antragstellerin vom 25.04.2012 vor. Daraus sei ersichtlich, dass dieses tatsächlich eine Länge von 46,8 mm ausweise. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin legte ein original verpacktes C***-Produkt (Art-Nr. 130 B11-E) vor und brachte vor, dass dieses eine Länge von über 40 mm aufweise, auch weil die Zugentlastung (weißer Teil) ein integrierter Bestandteil des Moduls sei und daher in der Länge mit einberechnet werden müsse. Die Antragstellerin brachte vor, dass die Zugentlastung auf die Einbautiefe keine Relevanz habe.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen, Stellungnahmen der Parteien sowie der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung wurde nachfolgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Der Auftraggeber hat die gegenständlichen Leistungen im Wege eines offenen Verfahrens mit anschließender elektronischer Option ausgeschrieben. Die österreichweite Bekanntmachung in der Onlineausgabe des Lieferanzeigers erfolgte am 5.3.2012.

Die Ausschreibungsbedingungen regeln unter Punkt A3. FRAGEN ZUM VERFAHREN/BERICHTIGUNGEN DER UNTERLAGEN folgendes:

Bieter, Bewerber oder Interessierten haben die Möglichkeit bis zur am Beschaffungsportal (http://univie.vemap.com) angegebenen Frist Fragen zum Verfahren zu stellen. Fragen sind grundsätzlich über das Beschaffungsportal (http://univie.vemap.com) zu stellen. Allfällige Fragebeantwortungen oder auch Berichtigungen der Ausschreibungsunterlagen werden vom Auftraggeber über das Beschaffungsportal mitgeteilt. Bieter und Bewerber sind verpflichtet, diese allfälligen Fragebeantwortungen bzw. Berichtigungen in ihren Angeboten bzw. Teilnahmeanträgen zu berücksichtigen.

Die Position 190313C Z Modul RJ45 gesch. Kat.6 in 19 lautet auszugsweise:

......

oder gleichwertig, Kriterien für die Gleichwertigkeit: Bauform

Modul:

......

(J/N) Einbautiefe max. 40mm

......

(J/N) Kabelabgang 90°

Die Position 190314C Z Modul RJ45 gesch. Kat.6 in 19 lautet

auszugsweise:

......

oder gleichwertig, Kriterien für die Gleichwertigkeit: Bauform

Modul:

......

(J/N) Einbautiefe max. 40mm

......

(J/N) Kabelabgang 90°

......

Angeboten: Fabrikat:

.................

Type:

.................

Am 15.3.2012 stellte die präsumtive Zuschlagsempfängerin zur Pos 190313C (90° Kabelabgang beim Modul) nachfolgende Anfrage:

Verstehen wir es richtig, dass das angebotene RJ45- Modul einen 90° Kabelabgang, wie das Leitprodukt vom Weißbuch Kommunikationsverkabelung und Infrastruktur Vers. 1.5 vom 11.11.2011 seitlich nach links oder rechts aus der Steckrichtung gesehen haben muss?

Antwort: JA Anmerkung beantwortet am 19.3.2012)

Im Leistungsverzeichnis der Antragstellerin (Datum 26.3.2012) ist in den Positionen 01 190313C sowie 01 190314C nachfolgendes ersichtlich: LNr. 3 N (41,4mm)

Im nachgereichten Leistungsverzeichnis der Antragstellerin (Datum 11.4.2012) ist in der Position 01 190314C wie folgt vermerkt: LNr. 3 N (41,4mm), LNr. 24 C***, LNr. 25 130B11-E

Das seitens des Auftraggebers im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegte Datenblatt der E*** weist die Bestell-Nr 130B11-E mit einer Länge von 46,8 mm aus.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein originalverpacktes Produkt der Firma C*** mit der Art-Nr.: 130 B11-E vor. Dieses weist - wie aus der Skizze in Verbindung mit der Produktbeschreibung des Datenblattes der E*** hervorgeht - eine sog. Zugentlastung direkt am Ladestück auf. Beim seitens der Antragstellerin - ebenfalls in der mündlichen Verhandlung - vorgelegten (nicht originalverpackten) C***-Produkt fehlt eine solche Zugentlastung.

Die Angebotsöffnung erfolgte am 26.3.2012, 11.00 Uhr. Es langten insgesamt 7 Angebote ein.

Am 16.5.2012 erging seitens des Auftraggebers eine Zuschlagsentscheidung zugunsten der (nunmehrigen) Antragstellerin. Die (nunmehrige) präsumtive Zuschlagsempfängerin stellte daraufhin einen Antrag auf Nachprüfung beim BVA und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass die von der Antragstellerin angebotenen Produkte nicht den Vorgaben der Ausschreibung entsprechen würden. In weiterer Folge ersuchte der Auftraggeber die Kanzlei X*** um Erstellung eines Oberprüfberichts zur Ausschreibungskonformität des Angebotes der Antragstellerin. Dieser kam zum Ergebnis, dass mit der Bieterfragenbeantwortung durch den Auftraggeber vom 19.3.2012 eindeutig und bestandfest festgelegt worden sei, dass der Kabelabgang seitlich nach links oder rechts aus der Steckrichtung gesehen vorliegen müsse. Das von der Antragstellerin in Pos. 190313C angebotene Produkt entspreche daher nicht den Ausschreibungsbestimmungen und sei daher wegen Widerspruchs gemäß Paragraph 129, Absatz eins, Ziffer 7, BVergG auszuscheiden. Zur Einbautiefe wurde festgehalten, dass in den Pos. 190313C sowie 190314C eine maximale Einbautiefe von 40mm gefordert worden sei. Im von der Antragstellerin übermittelten Leistungsverzeichnis vom 26.3.2012 seien in den beiden genannten Positionen die Einbautiefe mit "N [Nein] (41,4mm)" angegeben worden. Die Erklärung eines Bieters, sein Angebot weiche von der Ausschreibung ab, sei nicht aufklärbar. Die Angabe hätte sohin zum sofortigen Ausscheiden des Angebotes führen müssen. Die nachträglich von der Antragstellerin vorgenommene Änderung der Angaben würden im Fall einer vergabekontrollbehördlichen Nachprüfung als unzulässige Angebotsänderung qualifiziert werden.

Mit Email vom 1.6.2012 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Angebot gemäß Paragraph 129, Absatz eins, Ziffer 7, BVergG 2006 aus folgenden Gründen ausgeschieden werden muss.

  1. Ziffer eins
    Das von A*** in Pos 190313C angebotene Produkt (Fabrikat C*** Type: 130B12-E) weist (wie aus dem Angebotsprüfbericht, dem Vergabevorschlag und dem übermittelten Datenblättern ersichtlich) zwar Kabelabgänge von 90° auf, diese liegen jedoch nicht seitlich, sondern aus Steckrichtung gesehen oberhalb und unterhalb des Moduls. Das von A*** in der Pos 190313C angebotene Produkt entspricht daher nicht den Ausschreibungsbestimmungen.

  1. Ziffer 2
    Sowohl für die Position 190313C LV als auch die Pos. 190314C LV wird als Kriterium für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des angebotenen (vom Referenzprodukt abweichenden) Produktes mit dem angegebenen Referenzprodukt eine Einbautiefe von maximal 40mm gefordert. Im vom A*** übermittelten Leistungsverzeichnis vom 26.3.2012 (Angebotsbestandteil) wurde in der Pos 190313C LNr. 03 betreffend die Einbautiefe "N [Nein] (41,4mm)" (Seite 11) angegeben. Ebenso wurde in der Position 190314C LNr. 03 betreffend die Einbautiefe "N [Nein] (41,4mm)" (Seite 11) angegeben. Die Erklärung eines Bieters, sein Angebot weiche von den Vorgaben der Ausschreibung ab, ist nicht aufklärbar. Die Angabe führt zum Ausscheiden des Angebotes.

Die vorliegenden Anträge sind rechtlich wie folgt zu beurteilen:

Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes und Zulässigkeit des Antrages

Auftraggeber iSd Paragraph 2, Ziffer 8, BVergG ist die Universität Wien. Für sie gilt nach gemäß Paragraph 6, Ziffer eins, das Universitätsgesetz 2002 (UG). Gemäß Paragraph 4, UG sind die Universitäten juristische Personen öffentlichen Rechts. Die Universität Wien ist daher öffentlicher Auftraggeber gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 2, BVergG (siehe bereits BVA 15.3.2012, N/0006-BVA/12/2012-29). Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß Paragraph 4, BVergG. Der geschätzte Auftragswert beträgt Euro 1.100.000,-- (ohne Ust) und liegt somit unter dem relevanten Schwellenwert des Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 3, BVergG. Es handelt sich daher um ein Verfahren im Unterschwellenbereich gemäß Paragraph 12, Absatz 3, BVergG.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend Paragraph 312, Absatz 2, BVergG in Verbindung mit Artikel 14 b, Absatz 2, Ziffer eins, Litera b, B-VG ist sohin gegeben.

Da darüber hinaus das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesvergabeamt damit in concreto gemäß Paragraph 312, Absatz 2, Ziffer 2, BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers zuständig.

Schließlich ist festzuhalten, dass der Antrag den formalen

Vorrausetzungen des Paragraph 322, Absatz eins, BVergG genügt. Ein Grund

für die Unzulässigkeit nach Paragraph 322, Absatz 2, BVergG liegt nicht vor.

Inhaltliche Beurteilung der Anträge

Zu Spruchpunkt 1:

Die Entscheidung des Auftraggebers vom 1. Juni 2012, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden, stützt sich im Wesentlichen auf zwei Gründe:

  1. Ziffer eins
    Das von der Antragstellerin in der Position 190313C angebotene Produkt weise zwar Kabelabgänge von 90° auf, diese würden jedoch nicht seitlich, sondern - aus der Steckrichtung gesehen - oberhalb und unterhalb des Moduls liegen. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt entspreche daher nicht den Ausschreibungsbestimmungen.
  2. Ziffer 2
    Für die Positionen 190313C LV sowie 190314C LV sei als Kriterium für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des angebotenen (vom Referenzprodukt abweichenden) Produkts mit dem angegebenen Referenzprodukt eine Einbautiefe von maximal 40 mm gefordert worden. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt habe jedoch eine Einbautiefe von 41,4 mm ausgewiesen.

Ad 1:

In der Position "190313C Modul RJ45 gesch. Kat.6 in 19" wird ein "Kabelabgang von 90°" gefordert. Als Referenzfabrikat ist "D*** Type: D*** 0-1711295-1" oder gleichwertig vorgesehen, wobei als Kriterium für die Gleichwertigkeit ebenfalls "Kabelabgang von 90°" verlangt wird.

Durch die Anfragebeantwortung des Auftraggebers vom 19.3.2012, in welcher dieser festhielt, dass der Kabelabgang seitlich nach links oder rechts (aus der Steckrichtung gesehen) vorliegen muss, wurde detailliert klargestellt, in welcher Steckrichtung das angebotene Fabrikat zu liegen hat. Ein weiterer Ermessenspielraum (wonach etwa - wie von der Antragstellerin vorgebracht - ein Kabelabgang auch nach unten aus der Steckrichtung möglich wäre) wurde damit bestandkräftig ausgeschlossen.

Die Anfragebeantwortung des Auftraggebers vom 19.3.2012 ist als sonstige Festlegung während der Angebotsfrist gemäß Paragraph 2, Litera a, Sub-Litera, a, BVergG zu qualifizieren, die im Wege des Beschaffungsportals des Auftraggebers außenwirksam geworden ist. Da die Antragstellerin diese gesondert anfechtbare Entscheidung nicht innerhalb der Frist des Paragraph 321, Absatz eins, BVergG bekämpfte, erlangte sie Bestandkraft. Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass der Auftraggeber durch diese Festlegung de facto nur ein einziges am Markt erhältliches Produkt ausgeschrieben hat, ist dieser Einwand unbeachtlich. Dies aus nachfolgenden Erwägungen:

Nach den Erläuterungen zum BVergG 2006 führt die Versäumung der Anfechtungsfrist zur "endgültigen" Präklusion. Die betreffende gesondert anfechtbare Entscheidung (und die ihr vorangehenden nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen) können in weiterer Folge nicht mehr angefochten werden; sie werden gewissermaßen "bestandskräftig" Regierungsvorlage 1171 BlgNR 22. Gesetzgebungsperiode 138; siehe in diesem Sinne bereits die ständige Rechtsprechung des BVA zum BVergG 2002 beginnend mit BVA 20.3.2003, 12N-10/03-11; siehe auch BVA 28.8.2008, N/0101-BVA/12/2008-34). Ist aber eine Entscheidung des Auftraggebers "unanfechtbar" (bestandsfest) geworden, ist auch die Vergabekontrollbehörde nicht befugt, Rechtswidrigkeiten dieser Entscheidung von Amts wegen aufzugreifen (so ausdrücklich VwGH 7.11.2005, 2003/04/0135 und VwGH 7.9.2009, 2007/04/0090). Folgerichtig weisen die Erläuterungen zu Paragraph 321, BVergG 2006 darauf hin, dass es ist auch dem Bundesvergabeamt verwehrt ist, die Rechtswidrigkeit derart bestandskräftiger Entscheidungen im Zuge der Anfechtung späterer Entscheidungen "inzident" in Prüfung zu ziehen Regierungsvorlage 1171 BlgNR 22. Gesetzgebungsperiode 138).

Gemäß Paragraph 19, Absatz eins, BVergG sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, dass alle Angebote den Vorschriften der Verdingungsunterlagen entsprechen, damit ein objektiver Vergleich der Angebote der einzelnen Bieter gewährleistet ist (EuGH 22.6.1993, Rs C-243/89, Brücke über den Storebaelt, 25.4.1996, Rs C-87/94, Kommission/Belgien). Die Bieter müssen sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese vom öffentlichen Auftraggeber beurteilt werden, gleichbehandelt werden (EuGH 25.4.1996, Rs C 87/94, Wallonische Autobusse).

Der Auftraggeber hat durch die Anfragebeantwortung vom 19.3.2012 die Bestimmungen zur Position "190313C Modul RJ45 gesch. Kat.6 in 19" erläutert und klargestellt. Folglich darf er nunmehr nicht nachträglich zu Gunsten eines Bieters von seinen eigenen Bedingungen abrücken, da die übrigen Bieter (insbesondere die nunmehrige präsumtive Zuschlagsempfängerin als preislich Zweitgereihte) darauf vertrauen können, dass der Auftraggeber seine eigenen Ausschreibungsbedingungen auch einhält (siehe dazu bereits grundlegend BVA 20.3.2003, 12N-10/03-11; siehe dazu auch die angeführte Judikatur in Latzenhofer in Gast [Hrsg.], BVergG-Leitsatzkommentar, E 53. zu Paragraph 321,). Folgerichtig hat auch der Auftraggeber seine Zuschlagsentscheidung vom 16.5.2012 zugunsten der (nunmehrigen) Antragstellerin zurückgenommen und als gegenstandslos erklärt.

Gemäß Paragraph 129, Absatz eins, Ziffer 7, BVergG hat der Auftraggeber den Ausschreibungsbedingungen widersprechende Angebote auszuscheiden. Durch die Anfragebeantwortung des Auftraggebers vom 19.3.2012 wurde bestandfest klargestellt, wie die Position "190313C Modul RJ45 gesch. Kat.6 in 19 zu verstehen ist. Da das Angebot der Antragstellerin diese Anforderungen nicht erfüllt, erfolgte die Ausscheidung (bereits aus diesem Grunde) zu Recht.

Ad 2:

Die Positionen 190313C LV sowie 190314C LV sehen eine maximale Einbautiefe von 40mm vor. Das von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung dem Senat (zur Verdeutlichung) vorgelegte Produkt mit einer Tiefe von 36 mm divergiert offenkundig mit jenem Datenblatt, welches die Antragstellerin - über Aufforderung des Auftraggebers - nachträglich (nach Angebotsöffnung) übermittelt hat. Das von der Antragstellerin unter der Position 190314C LV, LNr. 24 und 25 eingesetzte Fabrikat C***, Nr. 130B11-E, weist - wie aus dem Datenblatt und dem originalverpackten C***-Produkt ersichtlich - eine (weißteilige) Zugentlastung auf, die hinsichtlich der Berechnung der Länge der Einbautiefe hinzugezählt werden muss. Aus dem Datenblatt geht jedoch hervor, dass das angebotene Fabrikat C***, Nr. 130B11-E, eine Länge von 46,8 mm aufweist. Die gemäß Leistungsposition verlangte maximale Einbautiefe von 40 mm ist demnach überschritten, womit aber nicht ausschreibungskonform angeboten worden ist. Auch der zweite Ausscheidenstatbestand ist somit erfüllt. Von der Prüfung allfälliger zusätzlicher Ausscheidensgründe konnte daher Abstand genommen werden.

Zu Spruchpunkt 2:

Gemäß Paragraph 320, Absatz eins, BVergG kann ein Unternehmer bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Wie unter Spruchpunkt 1 ausgeführt, wurde das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschieden. Ihr Angebot kommt für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht. Daher kann sie durch Rechtswidrigkeiten, die das Verfahren zur Wahl eines Angebots für den Zuschlag betreffen, nicht in Rechten verletzt werden (zB VwGH 25. 1. 2011, 2009/04/0302). Ihr kann auch durch eine allenfalls rechtswidrige Zuschlagsentscheidung kein Schaden entstehen (zB VwGH 12. 5. 2011, 2011/04/0043). Ihr Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung ist daher zurückzuweisen (zB VwGH 28. 5. 2008, 2007/04/0232, 0233).

Zu Spruchpunkt 3:

Gemäß Paragraph 319, Absatz eins, BVergG hat der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller Anspruch auf Ersatz seiner gemäß Paragraph 318, entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber.

Infolge Abweisung zw. Zurückweisung der Nachprüfungsanträge, ist die Antragstellerin nicht obsiegende Partei, womit aber weder ein Ersatz der Gebühren für den Nachprüfungsantrag, noch ein Ersatz der entrichteten Gebühren für den Antrag auf einstweilige Verfügung besteht vergleiche Absatz 2,).