Entscheidende Behörde

UVS Oberösterreich

Entscheidungsdatum

04.12.2013

Geschäftszahl

VwSen-301298/2/Gf/Rt

Rechtssatz

* Wie der Oö. Verwaltungssenat zuletzt in mehreren Erkenntnissen mit näherer Begründung ausgesprochen hat vergleiche VwSen-240966 vom 15. November 2013, VwSen-301297 vom 25. November 2013 und VwSen-240965 vom 28. November 2013), ist die Bestimmung des Paragraph 22, Absatz 2, VStG unter Berücksichtigung der neueren Judikatur des EGMR und des VfGH in „rein verwaltungsinternen“ Kumulationsfällen nunmehr völkerrechts- und verfassungskonform dahin auszulegen, dass mehrfache behördliche Verfolgungen und/oder Bestrafungen wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens (nur) solange nicht gegen Artikel 4, Absatz eins, des 7.ZPMRK verstoßen, als

  1. Ziffer eins
    noch keine rechtskräftige Erledigung vorliegt,
  2. Ziffer 2
    diese in ein und demselben Verfahren erledigt werden und
  3. Ziffer 3
    soweit sie einen einheitlichen, nicht mehr weiter zergliederbaren Sach-verhalt betreffen und
  4. Ziffer 4
    sich die in Betracht kommenden Deliktstatbestände nicht essentiell überlagern, nämlich derart, dass durch die Heranziehung eines bestimmten Deliktstypus der Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens bereits vollständig erschöpft ist, sodass kein weiteres Strafbedürfnis mehr gegeben ist;
letzterer Aspekt wird in der Praxis umso eher zutreffen, als den in Betracht kommenden Deliktstatbeständen jeweils dasselbe Schutzgut zu Grunde liegt.  Davon ausgehend, dass die materiell-gesetzlichen Deliktstatbestände jeweils schon erhebliche Zeit vor der dargestellten EGMR- und VfGH-Rechtsprechung normiert wurden, ist sohin insofern ein neuer, quasi „permanent-verfassungsbezogener“ Denkansatz bzw. Zugang geboten, als diese Tatbestände im konkreten Anwendungsfall stets im Lichte dieser Judikatur hinterfragt werden müssen. * Wenn dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegt wird, einerseits die in der 1.TierHV normierten Anforderungen an die Bodenbeschaffenheit missachtet, andererseits seinen Tieren verschmutztes Futter vorgelegt und schließlich ein Kalb nicht tierärztlich versorgen lassen zu haben, so liegt insoweit kein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, der nicht mehr weiter sinnvoll zergliederbar wäre; vielmehr geht es um drei unterschiedliche Vorgangsweisen, die zueinander nicht derart in Beziehung stehen, dass sie bei durchschnittlicher Betrachtung der Praxis eines landwirtschaftlichen Betriebes einen untrennbaren Zusammenhang bilden, ist es doch beispielsweise augenfällig, dass trotz unzureichender Bodenbeschaffenheit auch nicht verschmutztes Futter verabreicht und für erkrankte Tiere ärztlicher Beistand herangezogen werden kann, etc.; insoweit bestehen daher keine Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes.
* Dem gegenüber stellt jedoch sowohl die Strafbestimmung des Paragraph 38, Absatz eins, TierSchG als auch jene des Paragraph 38, Absatz 3, TierSchG jeweils auf dasselbe Schutzgut ab. Dies bringt der Gesetzgeber schon durch die in Paragraph 38, Absatz 3, TierSchG enthaltene Wendung „Wer außer in den Fällen der Absatz eins und 2 gegen Paragraphen 5,, ..... verstößt“ zum Ausdruck: Offenkundig sind demnach jedenfalls z.B. solche Verletzungen des Paragraph 5, TierSchG, in deren Zuge einem Tier weder Schmerzen noch Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt werden, als leges speciales zu Paragraph 38, Absatz eins, TierSchG konzipiert; dies gilt, wie sich insbesondere aus Paragraph 5, Absatz 2, Ziffer 13, TierSchG ergibt, insbesondere im Zusammenhang mit der Verletzung von Haltungsvorschriften. Dies bedeutet, dass dann, wenn sachverhaltsbezogen eine Bestrafung wegen der mit der Verletzung von Haltungsvorschriften verbundenen Schmerzen, Leiden, Schäden oder schweren Ängsten eine Bestrafung wegen einer Übertretung des Paragraph 5, Absatz eins und 2 TierSchG erfolgen kann, ein weitergehendes, mit diesem Rechtsschutzgut im Zusammenhang stehendes Strafbedürfnis nicht mehr gegeben ist. Im Ergebnis verletzt daher die zusätzlich wegen einer Übertretung des Paragraph 17, Absatz 4, TierSchG und einer Übertretung des Paragraph 15, TierSchG vorgenommene Bestrafung des Rechtsmittelwerbers diesen in seinem verfassungsmäßigen Recht auf Schutz vor einer unzulässigen Doppelbestrafung gemäß Artikel 4, des 7.ZPMRK; vielmehr hätte die belangte Behörde die Verabreichung von verschmutztem Futter und die Nichtheranziehung eines Tierarztes lediglich im Zuge der Bemessung der Strafhöhe wegen der ihm (offenbar als Hauptdelikt) angelasteten Übertretung des Paragraphen 38, Absatz eins, Ziffer eins, TierSchG i.V.m. Paragraph 5, Absatz eins, TierSchG und i.V.m. Paragraph 5, Absatz 2, Ziffer 13, TierSchG berücksichtigen dürfen.