Entscheidende Behörde

UVS Oberösterreich

Entscheidungsdatum

22.11.2013

Geschäftszahl

VwSen-401339/6/Gf/Rt

Rechtssatz

In seinem Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, hat sich der VwGH eingehend mit Frage des Verhältnisses zwischen Schubhaftverhängung und der Anordnung von gelinderen Mitteln auseinandergesetzt, wobei zusammengefasst nunmehr davon ausgeht, dass die Verhängung von Schubhaft ein Sicherungsbedürfnis, d.h. die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, dass sich der Fremde der Abschiebung insbesondere durch Untertauchen zu entziehen oder diese zu erschweren versuchen wird; Indizien hierfür sind insbesondere fehlende familiäre, soziale und/oder berufliche Anknüpfungspunkte; neben diesem Integrationsaspekt ist auch das bisherige Verhalten des Fremden zu berücksichtigen;

sich aus den Garantien des Artikel eins und 2 PersFrBVG ergibt, dass die Schubhaft – als ultima-ratio-Maßnahme – nur bei Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit verhängt werden darf; dies gilt für sämtliche im FPG angeführten Schubhafttatbestände; im Übrigen besteht jedoch zwischen Paragraph 76, Absatz 2 a, FPG einerseits und Paragraph 76, Absatz 2, FPG andererseits insofern ein struktureller Unterschied, als zum einen die Notwendigkeit einer Schubhaftverhängung in den Fällen des Paragraph 76, Absatz 2 a, FPG umso mehr auf der Hand liegt, je weiter fortgeschritten das Asyl- und Abschiebungsverfahren bereits ist; und zum anderen besteht hier das sonst der Behörde eingeräumte Ermessen, gelindere Mittel selbst dann anzuordnen, wenn ein sogar die Schubhaft rechtfertigendes Sicherungsbedürfnis vorliegen würde, nicht; daraus folgt insgesamt, dass weder nach Paragraph 76, Absatz 2, FPG noch nach Paragraph 76, Absatz 2 a, FPG eine Schubhaft verhängt werden darf, wenn das zu sichernde Ziel mangels entsprechenden Sicherungsbedarfes auch durch gelindere Mittel erreicht werden kann;

im Fall einer Schubhaftbeschwerde die Frage, ob die Zielerreichung auch durch die Anordnung gelinderer Mittel möglich ist, vom Unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen in seine Prüfung einzubeziehen ist; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches nach Paragraph 83, Absatz 4, erster Satz FPG, der (davon ausgehend, dass die UVS-Entscheidung einen "neuen Titelbescheid" bildet) vom UVS eigenständig und unabhängig von der bisherigen Anhaltung des Fremden zu prüfen ist; insoweit kommt dem UVS – ausgenommen in Fällen des Paragraph 76, Absatz 2 a, FPG und abgesehen von der Festlegung eines konkreten gelinderen Mittels – dasselbe Ermessen wie der Fremdenpolizeibehörde zu; und im finalen Stadium des Asyl- und Abschiebungsverfahrens in den Fällen des Paragraph 76, Absatz 2 a, FPG im Schubhaftbescheid der Fremdenpolizeibehörde nicht einzelne oder gar alle gelinderen Mittel geprüft werden müssen oder jeweils begründet werden müsste, warum diese jeweils nicht hinreichen; vielmehr reicht dort auch die Darstellung eines Sicherungsbedürfnisses unter Hinweis auf weniger ausgeprägte Vereitelungs- und Erschwerungsabsichten hin; denn je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel und (wie insbesondere bei Vorliegen familiärer Bindungen, einer Krankheit, eines festen Wohnsitzes, von beruflicher Bindungen oder vom Fremden selbst konkret ins Treffen geführter gelinderer Mittel) vice versa; insgesamt muss sich aus der Begründung aber jedenfalls ergeben, dass nach einer Abwägung zwischen der Intensität des Sicherungsbedarfes und den entgegenstehenden privaten Interessen die Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

Diese scheinbar einen absoluten Vorrang gelinderer Mittel gegenüber der Anordnung von Schubhaft prävalierenden Feststellungen werden in jedoch in concreto maßgeblich dadurch relativiert, dass – wie etwa die Entscheidungen vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0008, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0019, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0054, vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0090, vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0124, und vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0125, zeigen – im Ergebnis bislang (sieht man von dem Ablehnungsbeschluss vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0025, ab) kaum Fallkonstellationen anerkannt wurden, in denen vom VwGH tatsächlich eine Schubhaftverhängung deshalb als rechtswidrig angesehen wurde, weil stattdessen die Anordnung gelinderer Mittel geboten gewesen wäre. Davon ausgehend kann daher auch die Anhaltung des Bf. in Schubhaft vom 15. November 2013 bis zum 19. Dezember 2013 im Hinblick auf den von ihm i.S.d. Paragraph 83, Absatz 4, zweiter Satz FPG geltend gemachten Beschwerdepunkt (Möglichkeit der Unterkunftnahme in der Wohnung der Mutter seines 2007 geborenen Sohnes) nicht als rechtswidrig erscheinen.