Entscheidende Behörde

Unabhängiger Bundesasylsenat

Entscheidungsdatum

01.02.2007

Geschäftszahl

306.951-C1/4E-XV/54/06

Spruch

BESCHEID

SPRUCH

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. Schrefler-König gemäß Paragraph 66, Absatz , AVG in Verbindung mit Paragraph 38, Absatz , des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003, (AsylG) entschieden:

Die Berufung der E. T. vom 27.10.2006, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9.10.2006, Zl. 04.25.944-BAI, wird gemäß Paragraph 7, AsylG abgewiesen.

Gemäß Paragraph 8, Absatz , AsylG in Verbindung mit Paragraph 50, des Fremdengesetzes, Bundesgesetzblatt 100 aus 2005,, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der E. T. nach Nigeria zulässig ist.

Gemäß Paragraph 8, Absatz , AsylG wird E. T. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

BEGRÜNDUNG

römisch eins. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Asylantrag der Berufungswerberin vom 28.12.2004 gemäß Paragraph 7, AsylG abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria, gemäß Paragraph 8, Absatz , leg.cit als zulässig erklärt und die Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung.

Am 30.1.2007 führte die Berufungsbehörde in der Sache der Berufungswerberin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

römisch II. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

römisch II.1. Zur Person und den Fluchtgründen der Berufungswerberin

Die Berufungswerberin ist nigerianische Staatsangehörige und trägt den im Spruch angeführten Namen. Sie stammt aus dem Dorf U. in Edo State und arbeitete dort als Händlerin.

Sie reiste am 28.12.2004 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

Vor der belangten Behörde gab die nunmehrige Berufungswerberin zusammengefasst an, dass sie gemeinsam mit 5 anderen Frauen in ihrem Alter Ende Oktober/Anfang November 2004 in ihrem Heimatdorf einer Beschneidung unterzogen werden sollte. Dies sei Tradition. Die Frauen seien in zwei Gruppen aufgeteilt worden und hätte die Beschneidungszeremonie für die ersten drei Frauen am 31.10.2004 stattgefunden. Dabei sei eine Frau verblutet und eine andere mit starken Blutungen in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Polizei sei gekommen, wurde aber von den Dorfältesten mit dem Hinweis auf die bestehende Tradition weggeschickt. Die nunmehrige Berufungswerberin sei aus Angst, ebenfalls bei der Beschneidung, die am 2.11.2004 stattfinden sollte, ums Leben zu kommen, zunächst zu einer Freundin in ein benachbartes Dorf und dann zu deren Onkel nach A. geflüchtet.

Die belangte Behörde wies den Asylantrag der nunmehrigen Berufungswerberin ab und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Angaben vage und widersprüchlich gewesen wären. So hätte die nunmehrige Berufungswerberin bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 4.1.2005 angegeben, sie sollte am 2.11.2004 beschnitten werden. Am 9.10.2005 hätte sie behauptet, dass die Beschneidung am 31.10.2004 beschnitten worden sei. Ebenso unterschiedlich seien ihre Angaben zum Zeitpunkt der Verständigung über die bevorstehende Beschneidung gewesen. Einmal hätte sie von 14 Tagen und einmal von 4 Wochen vor dem Termin gesprochen. Ebenso hätte die nunmehrige Berufungswerberin bei der ersten Einvernahme angegeben, dass sie zur Polizei gegangen sei, diese aber meinte, nichts machen zu können. Bei der zweiten Einvernahme habe die Genannte ausgeführt, dass die Polizei nach den Todesfällen ins Dorf gekommen sei, aber von den Dorfältesten wieder weggeschickt worden sei.

Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung weiters damit, dass es nicht plausibel und nachvollziehbar sei, dass sie geflüchtet sei, weil im Zuge der ersten Zeremonie zwei Frauen gestorben wären und sie deshalb Angst bekommen habe. Näher dazu befragt hätte sie angegeben, dass bereits sechs gleichaltrige Frauen gestorben seien und sie nicht wüsste, wie viel es insgesamt gewesen wären.

Als weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens wertete die belangte Behörde die Angaben der Berufungswerberin, wonach eine der Frauen blutüberströmt ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Die Verbringung der Frau in ein öffentliches Krankenhaus sei unplausibel, da Genitalverstümmelung in Edo State gesetzlich verboten sei.

Die belangte Behörde vermeinte weiters, dass die nunmehrige Berufungswerberin die Möglichkeit gehabt hätte, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen.

Im Berufungsschriftsatz wendete die Berufungswerberin die Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ein. Die belangte Behörde habe kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt und keinerlei Feststellungen zur Frage getroffen, ob der nigerianische Staat schutzfähig oder schutzwillig ist, die von Privatpersonen durchgeführten weiblichen Genitalverstümmelungen zu verhindern. Hätte sich die belangte Behörde mit dieser Frage auseinander gesetzt, so wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass der Berufungswerberin bei Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Genitalverstümmelung drohe.

Eine inländische Fluchtalternative sei nicht gegeben, da sie als allein stehende Frau keine unbehelligte Existenz aufbauen bzw. von ihren Familienmitgliedern gefunden werden könnte.

römisch II.2. Zur Lage in Nigeria

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Nigeria werden zum Gegenstand des Berufungsbescheides erhoben. Insbesondere wird auf die Feststellungen zur Frage der Genitalverstümmelung hingewiesen.

römisch II.3 Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

Gemäß Paragraph 66, Absatz , AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß Paragraph 75, Absatz , erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Paragraph 44, AsylG 1997 gilt.

Gemäß Paragraph 124, Absatz , des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß Paragraph 7, AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 55 aus 1955, (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht und keiner der in Artikel , Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK in der Fassung des Artikel eins, Absatz , des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vergleiche auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Berufungsbehörde kommt nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zum Schluss, dass dem Vorbringen der Berufungswerberin die Asylrelevanz zu versagen ist. Sie geht damit im Ergebnis mit der Beurteilung der belangten Behörde konform, wenn auch mit einer davon abweichenden Begründung.

So konnte die Berufungsbehörde nämlich entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht feststellen, dass das Vorbringen der Berufungswerberin unglaubwürdig, vage und widersprüchlich gewesen ist. Die Berufungswerberin machte in der mündlichen Verhandlung einen sehr guten Eindruck, ihre Angaben waren mit den vor der belangten Behörde getätigten Ausführungen ident und war sie über Nachfrage der Berufungsbehörde in der Lage, einen in sich geschlossenen und nachvollziehbaren Sachverhalt zu schildern sowie alle Fragen plausibel zu beantworten.

Insgesamt ist der Eindruck entstanden, dass die Berufungswerberin das Geschilderte tatsächlich erlebt hat. Zudem decken sich ihre Angaben mit den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid selbst getroffenen Länderfeststellungen zur Frage der Genitalverstümmelung in Nigeria, so dass insgesamt kein Zweifel besteht, dass die Berufungswerberin in ihrem Heimatdorf U. nach dort üblicher Tradition beschnitten hätte werden sollen.

Ihre Darstellung betreffend die konkreten Abläufe war schlüssig und glaubwürdig. Für die Berufungsbehörde stellt die vor der belangten Behörde getätigten unterschiedlichen Angaben zum Zeitpunkt der Verständigung über den Termin der geplanten Beschneidung keinen Grund für die Annahme der Unglaubwürdigkeit dar.

Ob die Berufungswerberin nun tatsächlich vier Wochen oder zwei Wochen zuvor von der Beschneidungszeremonie erfahren hat, ist im Lichte der sonstigen detaillierten Angaben und der Fähigkeit an sie gerichtete, konkrete Fragen auch konkret zu beantworten, irrelevant.

Die Berufungswerberin behauptete während des gesamten Verfahrens gleich lautend, dass zu dem genannten Termin Ende Oktober insgesamt 6 weibliche Dorfbewohnerinnen beschnitten werden sollten. Die Berufungswerberin konnte ohne Zögern in der mündlichen Berufungsverhandlung die Namen der anderen Frauen nennen und ebenso konkret die Frage nach den Namen der Opfer beantworten. Ebenso konnte sie die Abläufe genau darstellen, d.h. über anwesende Personen, deren Aussehen und Verhalten Auskunft geben. Die Berufungswerberin reagierte auf die gestellten Fragen nicht ansatzweise überrascht - wie dies sehr oft bei Berufungswerbern der Fall ist, die eine konstruierte und eingelernte Rahmengeschichte präsentieren und bei der Frage nach Details aus dem Konzept gebracht werden - noch bereiteten ihr die Schilderungen der Details Mühe.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde hat die Berufungswerberin stets davon gesprochen, dass es sich um 6 Frauen gehandelt habe, von denen bei dem angegebenen Termin 2 verstorben bzw. lebensbedrohend verletzt worden waren.

Die belangte Behörde stellte der späteren Berufungswerberin die Frage, wie viele Personen in ihrem Dorf lebten. Die Berufungswerberin gab dazu an, es handle sich um mehr als 100, die genaue Zahl könne sie aber nicht nennen. Über Vorhalt, dass sie angegeben hätte, dass in ihrem Dorf jedes Mädchen beschnitten würde und daher seitens der belangten Behörde davon ausgegangen werde, dass bereits mehrere Frauen bei diesem Ritual gestorben seien, antwortete die Berufungswerberin, dass von den Mädchen ihres Alters ca. 6 verstorben wären. Wie viele sonst verstorben seien, wisse sie nicht.

Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang in ihrer Bescheidbegründung vermeint, dass es nicht plausibel und nachvollziehbar sei, dass die Berufungswerberin geflüchtet sei, weil im Zuge der ersten Zeremonie zwei Frauen gestorben wären und sie deshalb Angst bekommen habe und sie näher dazu befragt angegeben hätte, dass bereits sechs gleichaltrige Frauen gestorben seien und sie nicht wüsste, wie viel es insgesamt gewesen wären, so liegt hier eine unzutreffende und unzulässige Vermengung unterschiedlicher Fragestellungen und daraus resultierender Antworten durch die belangte Behörde vor. Konkret auf die sie betreffenden Vorgänge hatte die Berufungswerberin während des gesamten Verfahrens nämlich stets von in zwei Gruppen unterteilte 6 Frauen gesprochen, von denen am ersten Tag der Zeremonie nur eine überlebt hätte. Davon zu unterscheiden ist die allgemeine Frage nach der Gesamtzahl im Dorf nach einer Beschneidung verstorbener Frauen, welche die Berufungswerber mit ungefähr 6 bezifferte.

Auch zum Termin der beabsichtigten Beschneidung waren die Angaben der Berufungswerberin entgegen den Feststellungen der belangten Behörde nicht widersprüchlich. Während des gesamten Verfahrens sprach die Berufungswerberin davon, dass es sich um eine Zeremonie gehandelt habe, in deren Rahmen an zwei Tagen Beschneidungen stattfinden und sie am zweiten Tag an die Reihe kommen sollte. Die Zeremonie begann am 31.10. 2004 und die Beschneidung der Berufungswerberin war für den 2.11.2004 vorgesehen. Auf diese für die Berufungsbehörde schlüssige Weise stellte die Berufungswerberin die ihr von der belangten Behörde vorgehaltene scheinbare Divergenz zu den Terminen der Beschneidung klar. Diese Erklärung blieb im angefochtenen Bescheid völlig unberücksichtigt.

Es ist auch nachvollziehbar, dass die Berufungswerberin sich ursprünglich der geplanten Beschneidung unterziehen wollte und erst als sie miterlebte, wie zwei andere Frauen dabei ums Leben kamen bzw. schwer verletzt wurden, davonlief. Das Argument der belangten Behörde, dass es unschlüssig sei, dass die Berufungswerberin nicht gleich, nachdem sie von der bevorstehenden Beschneidung erfahren habe, geflüchtet wäre, geht somit aufgrund der glaubhaft vermittelten ursprünglichen Bereitschaft der Berufungswerberin ins Leere.

Dem Argument der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass es weiters nicht nachvollziehbar - und somit unglaubwürdig - sei, dass eine der Frauen in ein öffentliches Krankenhaus gebracht worden sei, weil in Edo State Genitalverstümmelung gesetzlich verboten sei, kann seitens der Berufungsbehörde nicht beigepflichtet werden. Vielmehr zeigt gerade das darauf folgende Erscheinen der Polizei, von dem die Berufungswerberin sowohl bei ihrer zweiten Einvernahme vor der belangten Behörde als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung glaubwürdig berichtete, dass die Behörden von den Vorfällen Kenntnis erlangt und im Lichte der gesetzlichen Bestimmungen Nachschau vor Ort hielten. Das diesbezügliche Vorbringen der Berufungswerberin würde durch das Auftreten der Polizei sogar bestätigt, da diese offenkundig gerade deshalb erschienen ist, weil es in U. ungesetzliche Handlungen gekommen ist.

Insgesamt werden die Angaben der Berufungswerberin seitens der Berufungsbehörde -entgegen der Meinung der belangten Behörde - als glaubwürdig und nachvollziehbar qualifiziert.

Es bleibt somit die von der Berufungswerberin selbst im Berufungsschriftsatz aufgezeigten Frage zu klären, ob und inwieweit der nigerianische Staat in der Frage der Genitalverstümmlung schutzfähig und schutzwillig ist.

Zunächst wird in diesem Zusammenhang auf das gesetzliche Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung in Edo State, der Heimat der Berufungswerberin verwiesen. Dem nigerianischen Staat muss daher zunächst der Wille zugestanden werden, gegen Genitalverstümmelung vorzugehen und diese zu ahnden.

Es ist jedoch für die Beurteilung der Frage der Schutzfähigkeit und - willigkeit des Staates nicht ausreichend, dass bestimmte Gesetze bzw. gesetzliche Verbote und Straftatbestände existieren. Vielmehr müssen diese Vorschriften in der Praxis effektiv sein, d. h. von den staatlichen Stellen deren Einhaltung und Umsetzung auch tatsächlich betrieben werden.

Nach den Angaben der Berufungswerberin ist die Polizei nach Bekanntwerden der Vorfälle rund um die Beschneidung im Dorf erschienen. Dies spricht vorderhand für ein Funktionieren der Staatsgewalt bei der Umsetzung von gesetzlichen Bestimmungen. Laut der Berufungswerberin hätten die Dorfältesten auf die Traditionen verwiesen und hätten die Polizisten wieder weggeschickt.

Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Polizei danach dennoch entsprechende Maßnahmen gesetzt hat. Die Berufungswerberin konnte aufgrund ihrer unmittelbaren Flucht dazu naturgemäß keine Angaben machen. Sie konnte auch nicht ausschließen, dass die Tradition der Beschneidung in ihrem Heimatdorf mittlerweile nicht mehr praktiziert werde. Trotz eines von ihr selbst ins Treffen geführten bestehenden Kontakts zu ihrer Mutter machte die Berufungswerberin keine Angaben zu allfälligen aufrechten Problemen, die sie durch die Flucht vor der Beschneidung zu gewärtigen hätte. Die Berufungswerberin hat sich selbst auch nicht an die Polizei gewandt, weshalb auch keine gesicherte Aussage zur Schutzfähigkeit in ihrem konkreten Fall möglich ist.

Insgesamt steht für die Berufungsbehörde damit nicht mit der notwendigen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit fest, dass die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht auch entsprechend umgesetzt werden.

Feststeht für die Berufungsbehörde zweifelsfrei, dass durch gesetzliche Grundlagen, durch die der Schutzwille des Staates zum Ausdruck kommt, die Rahmenbedingungen für eine entsprechende Eindämmung der Genitalverstümmelung geschaffen wurden und aufgrund verschiedener Erklärungen der nigerianischen Regierung sowie der Einrichtung der National Human Rights Commission Vorkehrungen für eine umfassende Schutzfähigkeit getroffen wurden.

Gesicherte Aussagen zur Frage der praktischen Umsetzung sind im Falle der Berufungswerberin selbst durch ein Erhebungsersuchen an die Österreichische Botschaft in A. nicht zu erwarten, da befasste offizielle Stellen lediglich auf die ohnehin bekannten gesetzlichen Verbotsbestimmungen in Edo State verweisen würden und allfällig befragte Privatpersonen im Lichte des gesetzlichen Verbots zu allenfalls trotzdem weiterhin praktizierten Traditionen keine weiterführenden Antworten geben würden.

Ungeachtet dessen ist aber für die Berufungsbehörde deshalb davon auszugehen, dass das Vorbringen der Berufungswerberin nicht asylrelevant ist, da es der Berufungswerberin jedenfalls möglich gewesen wäre, durch Niederlassung in einem anderen Landesteil Nigerias der Genitalverstümmelung in ihrem Heimatdorf zu entgehen.

In diesem Punkt geht die Berufungsbehörde daher mit der Beurteilung der belangten Behörde konform, die ihre diesbezüglichen Schlüsse insbesondere auf den Bericht des UK Home Office über die britisch- dänische Fact finding Mission von Jänner 2005 stützt. Demnach bleibt traditionelles Verhalten weiterhin verbreitet und hätten viele Opfer nicht den Mut, ihren Fall vor Gericht zu bringen. Deshalb sehen viele Frauen als einzigen Ausweg die Übersiedlung in ein anderes Gebiet Nigerias, von dem vielfach auch Gebrauch gemacht würde.

In diesem Zusammenhang wird seitens der Berufungsbehörde festgehalten, dass es durchaus nachvollziehbar ist, wenn Frauen, speziell aus ländlichen, den Traditionen sehr verhafteten Gegenden, mit geringen Ausbildungsgrad und Abhängigkeit vom Familienverband, staatliche Hilfe faktisch nicht in Anspruch nehmen. Dabei darf aber nicht die tatsächliche Existenz staatlicher Hilfeleistungen per se übersehen werden oder gar der Schluss gezogen werden, dass fehlende Inanspruchnahme mit fehlendem Vorhandensein von Schutzmechanismen gleichzusetzen ist.

Die Berufungswerberin hat selbst angegeben, sie hätte ungefähr eine Woche in A. beim Onkel einer Freundin gewohnt und sei dort keinen Verfolgungshandlungen oder Bedrohungsszenarien - weder durch Privatpersonen aus ihrem Heimatdorf geschweige denn durch staatliche Stellen - ausgesetzt gewesen. Es ergeben sich für die Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte, die dagegen sprechen, dass der Berufungswerberin ein weiterer Aufenthalt - etwa in A. - nicht möglich gewesen wäre.

Die Berufungsbehörde übersieht dabei nicht, dass es sich bei der Berufungswerberin um eine junge, allein stehende Frau handelt, der eine Rückkehr in ihr Heimatdorf zu ihren Eltern, bei denen sie bis zu ihrer Ausreise gelebt hatte, nicht möglich ist.

Die Berufungswerberin hat aber selbst angegeben, selbstständig als Händlerin gearbeitet zu haben und davon auch gelebt zu haben. Eine unmittelbare wirtschaftliche Abhängigkeit von den Eltern konnte daher nicht festgestellt werden und erscheint es der Berufungswerberin durchaus zumutbar, dass sie auch an einem anderen Ort in Nigeria in der Lage ist, sich eine Existenz aufzubauen.

Der Hinweis der Berufungswerberin im Berufungsschriftsatz, dass sie als allein stehende Frau keine unbehelligte Existenz aufbauen könnte, reicht in ihrem konkreten Fall vor dem Hintergrund ihres bisherigen Lebensverlaufes nicht aus, um von einer fehlenden innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen.

Zu Spruchpunkt II

Gemäß Paragraph 8, Absatz , AsylG hat die Behörde, im Fall einer Abweisung des Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

Paragraph 8, AsylG verweist durch die Übergangsbestimmung des Paragraph 124, Absatz , des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf Paragraph 50, FPG.

Gemäß Paragraph 50, Absatz , FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen der innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Gemäß Absatz , leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

Gemäß Paragraph 50, Absatz , FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Absatz , oder Absatz , genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

Der Prüfungsrahmen des Paragraph 50, Absatz , FPG wurde durch Paragraph 8, AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz 2, FPG wurde bereits geprüft und verneint.

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Berufungswerbers in sein Heimatland Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

Im gesamten Verfahren sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Rückführung der Berufungswerberin aufgrund einer der genannten Gründe unzulässig erscheinen lassen.

Die Berufungsbehörde übersieht dabei nicht, dass es sich bei der Berufungswerberin um eine junge Frau handelt, räumt aber ein, dass die Berufungswerberin bis zu ihrer Ausreise einen Beruf erlernt hat und davon leben konnte. Es konnten daher keine Anhaltspunkte festgestellt werden, die den Schluss zuließen, dass der Berufungswerberin in ihrer Heimat als junge, allenfalls allein stehende Frau eine EMRK- widrige Behandlung droht, zumal es ihr nach ihrer Rückkehr zudem auch freisteht, sich an eine der zwischenzeitlich in Nigeria etablierten nichtstaatlichen Organisationen - wie etwa WACOL - zu wenden, die sich besonders um allein stehende Frauen kümmern.

Zu Spruchpunkt III:

Gemäß Paragraph 8, Absatz , AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gemäß Paragraph 8, Absatz , AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wie sie eine Ausweisung darstellt, kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorliegen (Artikel 8, Absatz , EMRK). Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung in das Privat- und Familienleben des Berufungswerbers darstellt.

Die Ausweisung ist im Falle der Berufungswerberin in Ermangelung eines festgestellten Privat- und Familienlebens in Österreich jedenfalls zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.