Entscheidende Behörde

Unabhängiger Bundesasylsenat

Entscheidungsdatum

21.04.2005

Geschäftszahl

215.949/0-VII/43/00

Spruch

BESCHEID

SPRUCH

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. Elmar SAMSINGER gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG i.V.m Paragraph 38, Absatz , des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, (AsylG) i.d.g.F., entschieden:

Der Berufung von M. auch M. A. auch A. H. vom 13.3.2000 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.2.2000, Zahl: 99 14.130-BAT, wird stattgegeben und M. auch M. A. auch A. H. gemäß Paragraph 7, AsylG Asyl gewährt.

Gemäß Paragraph 12, leg.cit. wird festgestellt, dass M. auch M. A. auch A. H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

BEGRÜNDUNG:

römisch eins. Verfahrensgang:

Die berufende Partei, führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist armenische Staatsangehörige, gehört der armenischen Volksgruppe an, ist christlichen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in L., reiste am 23.8.1999 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 8.9.1999 einen Asylantrag. Vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetschers der russischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass seine Ehegattin aus Aserbaidschan stamme und im Zuge der Kriegshandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan deswegen von Armenien verfolgt worden sei und am 1.7.1993 aus Armenien nach Russland geflohen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass das Vorbringen des Asylwerbers zwar glaubwürdig sei, dass es dem Asylwerber jedoch nicht gelungen sei darzutun, dass ihm im Falle seiner Rückkehr eine asylrelevante drohen würde.

Dagegen wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit der Begründung berufen, dass dem Asylwerber sehr wohl wegen des von ihm geschilderten Problems eine asylrelevante Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Armenien drohe.

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 23.3.2005, zu der ein Vertreter der Erstbehörde entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme der berufenden Partei unter Beiziehung eines Dolmetschers der russischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie in den Akt des Unabhängigen Bundesasylsenates, wobei die Erstbehörde lediglich schriftlich die Abweisung der Berufung beantragte.

Vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat wurde von der berufenden Partei im Wesentlichen wie bisher vorgebracht.

römisch II. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen fest:

1.1 Zur Person:

Die berufende Partei ist armenische Staatsangehörige, gehört der armenischen Volksgruppe an, ist christlichen Bekenntnisses, war zuletzt im Heimatstaat in L. wohnhaft und vor ihrer Flucht aus Armenien am 00.00.1993 konkreter individueller Verfolgung ausgesetzt, als die berufende Partei mit einer Aserbaidschanerin verheiratet ist und dieser Sachverhalt wegen des Krieges zwischen Aserbaidschan und Armenien von armenischen Extremisten aber auch dem Staat zuzurechnenden Kräften zum Anlass genommen wurde, gegen Partner derartiger Mischehen vorzugehen. Der armenische Staat war zum Zeitpunkt der Ausreise des Asylwerbers nicht in der Lage, den Asylwerber vor derartigen Übergriffen zu schützen. Aus diesem Grund ist der Heimatstaat von der berufenden Partei verlassen worden.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Die Erstbehörde ist vom glaubwürdigen Vorbringen des Asylwerbers auch im Hinblick auf die Verfolgungssituation von Aserbaidschanern bzw. Armeniern, die mit Aserbaidschanern verheiratet sind, ausgegangen. Aufgrund der Feststellung der Erstbehörde, die sich auch mit der Länderdokumentation des unabhängigen Bundesasylsenates deckt, ist daher davon auszugehen, dass der Asylwerber zum Zeitpunkt seiner Flucht im Jahr 1993 asylrelevante Verfolgung zu gewärtigen hatte.

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung dargetanen Länderdokumente ist davon auszugehen, dass sich die Situation in Armenien seither zwar im Hinblick auf diese Problematik gebessert hat, dass man jedoch dennoch nicht von einer grundsätzlichen Änderung ausgehen kann, aufgrund derer angenommen werden kann, dass dem Asylwerber im Falle seiner Rückkehr keine asylrelevante Verfolgung mehr drohen würde. Die Tatsache, dass nunmehr sehr wenige Vorfälle dokumentiert sind rührt auch daher, dass es zwischen Armenien und Aserbaidschan zu einem Bevölkerungsaustausch gekommen ist und sich die Bevölkerungen in diesen Ländern nunmehr zu nahezu 100 % als monoethnisch darstellt. Aufgrund der Tatsache, dass heute in Armenien nahezu keine aserbaidschanischstämmigen Personen mehr aufhältig sind, kann nicht zwingend geschlossen werden, dass heute keine Übergriffe mehr gegen derartige Personen denkbar sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität und Herkunft der berufenden Partei stützen sich auf das glaubwürdige Vorbringen im Asylverfahren, auch die Erstbehörde ist von der Glaubwürdigkeit der Identität und der Fluchtgründe des Asylwerbers ausgegangen.

Die Angaben der berufenden Partei zur Situation vor ihrer Flucht sind in sich stimmig, weisen keine gravierenden Widersprüche auf und sind zudem vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat hinsichtlich der Verfolgung in Armenien plausibel. Es besteht daher kein Grund an den Angaben zu zweifeln.

2.2. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf die dem Unabhängigen Bundessenat vorliegenden

Länderdokumentation, insbesonders auf nachstehende Dokumente:

Das Gutachten von Dr. T. S. vom 7.5.2003

Schweizerische Flüchtlingshilfe: Die Situation ethnisch gemischter Paare in Armenien vom 22.9.2003, UNHCR-Position position on mixed Azeri-Armenian couples from Azerbaijan and the specific issue of their admission and asylum in Armenia vom April 2003

Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 25.3.2004

Die Situation ethnisch gemischter Paare in Armenien, Gutachten von R. M. vom 22.9.2003 der Schweizer Flüchtlingshilfe Dokument von SB Kroissenbrunner, Sigmund und Gürer über Armenien, undatiert sowie

den Reisebericht Armenien vom 15. - 21.7.2002 des Österreichischen Roten Kreuzes.

Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Hinzu kommt, dass den Auskünften in der Regel Recherchen von vor Ort tätigen Personen oder Organisationen zu Grunde liegen, welche wohl auf Grund der Ortsanwesenheit am besten zur Einschätzung der Lage fähig sind. Auch seitens der Parteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben.

2.3. Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

3.2. Gemäß Paragraph 7, AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht, und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein.

3.3. In ihrem Asylantrag hat die berufende Partei ihrem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgung behauptet indem sie vorbrachte, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Ausreise im Jahr 1993 als Ehepartner einer Aserbaidschanerin wegen dieses Sachverhaltes in Armenien verfolgt wurde und der Staat ihn vor diesen Übergriffen nicht schützen habe können bzw. an diesen Übergriffen beteiligt war. Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wäre davon auszugehen, dass dem Asylwerber zum Zeitpunkt der Ausreise 1993 die Flüchtlingseigenschaft zukam und dass sich diese Situation - wie ausgeführt - nicht derartig gravierend geändert hat, dass von einem Wegfall dieses Asylgrundes gesprochen werden kann.

3.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass glaubhaft ist, dass der berufenden Partei in Armenien Verfolgung aus ethnischen und politischen Gründen droht und auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Gemäß Paragraph 12, AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass M. auch M. A. auch A. H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.