Unabhängiger Bundesasylsenat
08.07.2002
221.110/0-IX/27/01
BESCHEID
SPRUCH
Der Unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Mag. Florian Newald gemäß Paragraph 66, Absatz , AVG in Verbindung mit Paragraph 38, Absatz , des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, (AsylG) in der Fassung Nr. 82/2001, entschieden:
Der Berufung von M. R. vom 6.2.2001 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.1.2001, Zahl: 00 12.667-BAS wird stattgegeben und M. R. gemäß Paragraph 7, AsylG Asyl gewährt. Gemäß Paragraph 12, leg.cit. wird festgestellt, dass M. R. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
BEGRÜNDUNG:
römisch eins.1. Die Berufungswerberin reiste am 10.9.2000 nach Österreich ein und begehrte am gleichen Tag die Gewährung von Asyl.
2. Am 8.1.2001 beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, zu ihren Asylgründen befragt, gab sie im Wesentlichen Folgendes an: Sie sei irakische Staatsangehörige kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und sunnitisch-muslimischen Glaubens und habe in einem Dorf, Provinz Suleymania, bei ihren Eltern gelebt und als Bäuerin gearbeitet. Im 00. 1993 sei ihr Mann von einem Besuch bei seiner Schwester in K. nicht zurückgekehrt; sie vermute, dass ihr Mann in eine Schlacht, die am 00.00.1993 zwischen kurdischen Einheiten und Truppen von Saddam Hussein bei K. stattgefunden habe, hineingeraten und dabei entweder umgekommen oder festgenommen worden sei. Im Jahr 2000 sei sie dann eine neue Beziehung mit einem Mann namens G. H. K. eingegangen. Dieser habe um ihre Hand angehalten, dennoch sei diese Beziehung in ihrem Dorf nicht akzeptiert worden. Ihre Eltern hätten sie mit einem anderen Männern verheiraten wollen, diese Männer habe sie aber abgelehnt. G. H. K. habe immer wieder Leute geschickt, um um ihre Hand anzuhalten. Diese seien aber immer von ihren Eltern weggeschickt worden. Im 00. 2000 sei die Berufungswerberin während des Geschlechtsverkehrs mit ihrem Freund ertappt worden und ihr Bruder davon informiert worden. Dieser habe dann versucht, die Berufungswerberin mit einem Gewehr zu erschießen. Der (ältere) Sohn der Berufungswerberin habe aber geschrieen; dies hätten die Nachbarn gehört und sie hätten den Bruder an der Ausführung der Tat gehindert und das Gewehr versteckt; nach zwei Tagen sei der Bruder der Berufungswerberin aber wieder in den Besitz des Gewehres geraten. Daraufhin habe die Berufungswerberin den Irak verlassen. Befragt, warum sich die Berufungswerberin nicht in einen anderen Teil des Irak begeben habe, gab sie an, dass sie ihr Bruder oder andere Familienangehörige dort sicher gefunden hätten. Auf die Frage, warum sie sich nicht an die Behörden um Hilfe gewandt habe, meinte sie, dass man ihren Bruder vielleicht festgenommen hätte, sicher aber nicht für lange, danach wäre er nur umso wütender gewesen.
3. Mit Bescheid vom 17.1.2001, Zl. 00 12.667-BAS, wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Berufungswerberin gemäß Paragraph 7, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erklärte zugleich ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak gemäß Paragraph 8, leg.cit. für zulässig (Spruchteil römisch II.).
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass das Vorbringen der Berufungswerberin zu ihren Fluchtgründen zwar glaubwürdig sei, dass der von ihr vorgebrachte Sachverhalt aber mit keinem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) im Zusammenhang stehe, sondern die Berufungswerberin im Herkunftsstaat bewusst eine Handlung gesetzt habe, die traditionsbedingt in ihrem Kulturkreis missbilligt werde. Die daraus resultierende Verfolgung durch ihre Familienangehörige sei daher als Bedrohung durch Private zu werten. Dass die staatlichen Behörden nicht in der Lage oder nicht gewillt gewesen wären, ihr Schutz vor Verfolgung zu gewähren, ergebe sich aus ihrem Vorbringen nicht.
Zur Refoulement-Entscheidung führte das Bundesasylamt aus, dass das Vorbringen der Berufungswerberin weder eine drohende Verfolgung iSd GFK noch eine konkrete individuellen Gefährdung hinsichtlich unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder gar Todesstrafe erkennen lasse.
4. Gegen beide Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die rechtzeitige Berufung.
römisch II. Über diese Berufung hat der Unabhängige Bundesasylsenat wie folgt erwogen:
1. Festgestellt wird:
Der Unabhängige Bundesasylsenat legt seinen rechtliche Beurteilungen jene Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, von denen bereits das Bundesasylamt -aufgrund einer zutreffenden Beweiswürdigung - im angefochtenen Bescheid ausgegangen ist.
2. Rechtlich folgt:
Der Unabhängige Bundesasylsenat hat bereits in seinem Bescheid vom 28.2.2002, Zl. 218.658/1-IX/27/00, dargelegt, dass kurdische Frauen, die in den Augen ihrer männlichen Familienmitglieder durch ihr "unehrenhaftes Verhalten" Schande über die Familie gebracht haben und daher getötet werden müssen, eine soziale Gruppe iSd Artikel eins, Abschnitt A GFK sind. Auf diese Entscheidung, die dem gegenständlichen Bescheid in Kopie in anonymisierter Form beigelegt ist, wird verwiesen.
Hinzuweisen ist weiters darauf, dass die Übergriffe, die der Berufungswerberin nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen, von asylrelevanter Intensität sind und dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt keine Hinweise dahingehend ergeben haben, dass ihr innerhalb des Irak eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offen stünde.
Soweit das Bundesasylamt ausführte, dass sich aus dem Vorbringen der Berufungswerberin (das im angefochtenen Bescheid - da glaubwürdig - der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt wurde) nicht ergebe, dass die staatlichen Behörden nicht gewillt oder in der Lage gewesen wären, der Berufungswerberin Schutz zu gewähren, ist ihm entgegenzuhalten, dass sie die Frage, weshalb sie sich nicht an die Behörden gewandt habe, dahingehend beantwortet hat, dass ihr Bruder diesfalls - wenn überhaupt - nur kurz festgenommen worden wäre und danach umso wütender gewesen wäre. In einem solchen Fall muss aber angenommen werden, dass der Versuch, von den Behörden (effektiven) Schutz gegen die vom Bruder der Berufungswerberin ausgehende Bedrohung zu erhalten, von vornherein aussichtslos ist, sodass der Berufungswerberin nicht zu Last gelegt werden kann, Derartiges erst gar nicht versucht haben.
3. Auf die Durchführung einer öffentlichen Berufungsverhandlung konnte gem. Paragraph 67 d, AVG, Art. römisch II Ziffer 43 a, EGVG verzichtet werden, da der Entscheidung ausschließlich jener Sachverhalt zugrundegelegt wurde, von dem bereits das Bundesasylamt in schlüssiger Beweiswürdigung ausgegangen ist, und in der Berufung weder dieser Beweiswürdigung substantiiert entgegengetreten noch neues entscheidungsrelevantes Sachverhaltsvorbringen erstattet wurde.