Entscheidende Behörde

Unabhängiger Bundesasylsenat

Entscheidungsdatum

03.12.1998

Geschäftszahl

200.359/0-III/07/98

Spruch

BESCHEID

SPRUCH

Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Mag. Huber gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG in Verbindung mit Paragraph 38, Absatz eins, des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, AsylG, entschieden:

Der Berufung von S. B. vom 9.9.1997 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.8.1997, Zahl 97 03.818-BAT, wird stattgegeben und S. B. gemäß Paragraph 7, AsylG Asyl gewährt. Gemäß Paragraph 12, leg.cit. wird festgestellt, dass S. B. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

BEGRÜNDUNG

Der Asylwerber ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien und am 13.8.1997 in das Bundesgebiet eingereist. Am 14.8.1997 hat er einen Asylantrag gestellt und wurde hieraufhin vom Bundesasylamt am 18.8.1997 niederschriftlich einvernommen. Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.8.1997, Zahl 97 03.818-BAT, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhoben wird.

Das Bundesasylamt hat den Antrag des Asylwerbers mit Bescheid vom 25.8.1997, Zahl 97 03.818-BAT, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht berufen und im Rahmen der Berufung im Wesentlichen ausgeführt, dass er Mitglieder der Befreiungsarmee des Kosovo trainiert habe und dabei von der Polizei beobachtet, festgenommen, verhört und mit Fäusten und Gummiknüttel misshandelt worden sei. Angesichts der jüngeren Ereignisse im Kosovo und der gespannten Atmosphäre durch vereinzelte Attentate gegen serbische Polizisten wäre der Asylwerber ohne Zweifel einem Verfahren zugeführt und mit Sicherheit verurteilt worden, denn es gebe kein faires Verfahren, dass einem internationalen Standard entspreche (ai-Jahresbericht 96, Report 355). Es seien auch völlig unschuldige Personen verurteilt worden. Wenn auf Seite 8 des Bescheides ausgesagt werde, "handelt es sich um Übermaßreaktionen von Beamten, die der Einschüchterung dienen sollen..." - sogar um das Motiv des Handelns "einzelner" Beamter weiß die österreichische Behörde genau Bescheid! - "handelt es sich hiebei doch um eine zwar zu verurteilende, aber allgemein übliche Vorgangsweise, wovon sehr viele Bewohner des Kosovo...", da sei anzumerken, dass es sich ohne Ausnahme nur um ethnische Albaner im Kosovo handle, die 90 % der Bevölkerung ausmachten - nicht wahllos Bewohner des Kosovo, und nachdem es "sehr viele" betreffe, müsse man von Gruppenverfolgung sprechen. Im achten Jahr einer völlig hoffnungslosen Situation der Unterdrückung, komme es vereinzelt zu Anschlägen - im Bescheid stehe aber: Es sei eine notorische Tatsache, insgesamt sei der Widerstand der Kosovo-Albaner mehr als sieben Jahre völlig gewaltlos gewesen. Eine sachliche und ausgewogene Beurteilung fehle hier völlig. Die Übergriffe seien sehr wohl der serbischen, staatlichen Behörde zuzuschreiben, sie seien, wie aus allen Berichten hervorgehe, durchgehend in großer Zahl über den gesamten Kosovo übliche Handlungsmuster der Polizei, wie es der Bescheid ja auch ausdrücke. Er beantrage daher, wegen massiver Gefährdung (seiner Person) wegen Betätigung bei der "Befreiungsarmee des Kosovo" - wenn auch ohne Waffen, nur in Form eines sportlichen Trainings, wegen der Gefahr, neuerlich misshandelt zu werden, weiters angeklagt und verurteilt zu werden, ihm Asyl zu gewähren.

Mit Schreiben des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.11.1998, Zahl 200.359/1-III/07/98, wurde dem Bundesasylamt zur Wahrung des Parteiengehörs nachstehender Sachverhalt zur Kenntnis gebracht:

"Bei einer Rückkehr in den Kosovo besteht eventuell die Gefahr von Polizeiübergriffen für UCK-Mitglieder, deren Familienangehörige, sowie für Männer aus UCK-Gebieten, da ihnen oftmals vorgeworfen wird, die UCK zu unterstützen.

Diese Information datiert vom 23.11.1998 und stammt von Herrn Gert WESTERVEEN dem für den Kosovo zuständigen Senior Protection Officer des UNHCR in Belgrad, welcher anlässlich eines Kurzbesuches in Wien im Rahmen eines UNHCR-Briefings im Vienna International Centre zur aktuellen Situation im Kosovo zu einem intensiven Informationsaustausch aus erster Hand zur Verfügung gestanden ist. Herr Gert WESTERVEEN begleitet die Situation im Kosovo seit geraumer Zeit und ist insbesondere mit den aktuellen Entwicklungen in der Region bestens vertraut.

In diesem Zusammenhang wird auch auf den angeschlossenen Bericht des UNHCR vom 25.8.1998 verwiesen, aus welchem sich ergibt, dass Personen, welchen ein Naheverhältnis zur UCK zur Last gelegt wird, in der Bundesrepublik Jugoslawien einem besonders großen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind."

Mit Telefax vom 2.12.1998 wurde seitens des Bundesasylamtes dem unabhängigen Bundesasylsenat mitgeteilt, dass hinsichtlich des in Rede stehenden Ermittlungsergebnisses auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichtet wird.

Hiezu hat die erkennende Behörde erwogen:

Gemäß Paragraph 7, Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die " begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende bzw. pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

Der vom Asylwerber anlässlich seiner Einvernahme beim Bundesasylamt vom 18.8.1997 vorgebrachte Sachverhalt wird der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt und gilt als festgestellt.

Insbesondere ist zu bemerken, dass die Angaben des Asylwerbers frei von Widersprüchen sind und sich die einzelnen Bestandteile seiner Aussagen in ein homogenes Ganzes fügen, sodass seinen Angaben die Glaubwürdigkeit nicht abgesprochen werden kann. Überdies können die vom Asylwerber geschilderten Ereignisse mit den diesbezüglichen (auf Berichten des UNHCR bzw. des Senior Protection Officer des UNHCR in Belgrad basierenden) Amtskenntnissen in Einklang gebracht werden, wonach Personen, welchen die Mitgliedschaft zur UCK zur Last gelegt wird, einem großen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind.

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der Asylwerber Flüchtling im Sinne der GFK ist. Wenn auch grundsätzlich der Behörde erster Instanz darin beizupflichten ist, dass, Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes keinem Konventionsgrund entsprechen, so darf nicht übersehen werden, dass in concreto die Behandlung des Asylwerbers über die bloße Aufklärung eines Deliktes weit hinausgeht. Der Asylwerber wurde vor seiner Entlassung aus dem Polizeigewahrsam noch in den dortigen Keller gebracht und von drei Beamten mit Gummiknüppeln geschlagen, wobei angesichts der gegenwärtigen Situation im Kosovo evident erscheint, dass diese Behandlung des Asylwerbers seitens der Behörden aus ethnischen Gründen und vermuteter politischer Gesinnung des Asylwerbers erfolgt ist, zumal der Asylwerber im Rahmen seiner UCK-Mitgliedschaft lediglich Sport betrieben hat und an keinen gewalttätigen Aktionen der UCK beteiligt gewesen ist. In den dem Asylwerber widerfahrenen Geschehnissen hat sich das - nach den oben angeführten Amtskenntnissen - abstrakt bestehende Verfolgungsrisiko für der UCK-Mitgliedschaft verdächtige Personen realisiert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zulässig, das Vorbringen des Asylwerbers dahingehend zu reduzieren, dass die von ihm erlittenen Misshandlungen lediglich der Einschüchterung dienende Übermaßreaktionen von Beamten waren ( - wenngleich dem Bundesasylamt darin beizupflichten ist, dass auf dem Balkan ein erhöhtes Gewaltpotential vorherrscht, sodass Übergriffe von Behördenorganen auch oftmals in keinem Zusammenhang mit asylrechtlich relevanter Verfolgung stehen - ), zumal die Eingriffsintensität (Schläge von 3 Polizisten mit Gummiknüppeln) über eine bloße Einschüchterung hinausgeht und der Asylwerber auch Verletzungen erlitten hat. Aufgrund dieses bereits erlebten Vorfalles stellte der Asylwerber eine Prognose für die weitere Vorgangsweise der Polizei und löste der polizeiliche Auftrag, sich erneut bei der Polizeistation melden zu müssen, zu Recht begründete Furcht vor weiteren Misshandlungen aus.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird letztlich bemerkt, dass sich, obwohl der Asylwerber nach eigenen Angaben Mitglied der UCK gewesen ist, in concreto keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Asylgewährung im Sinne des Paragraph 13, AsylG ausgeschlossen ist.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.