Landesverwaltungsgericht Wien
29.09.2022
VGW-172/092/6492/2022
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Gerhard Kienast über die Beschwerde des Dipl.-Ing. A. B. gegen den Bescheid der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort vom 9.5.2022, Zl. … betreffend Ziviltechnikergesetz (ZTG 2019) nach mündlicher Verhandlung am 27.6.2022
zu Recht:
römisch eins. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Paragraph 25 a, VwGG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
römisch eins. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 20.1.2022 beantragte der Beschwerdeführer die „Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung zwecks Erlangung der Befugnis einer/s Architekten/in bzw. einer/s Ingenieurkonsulenten/in für das Fachgebiet: Building Science & Technology“; diesem Antrag lagen Beilagen (unter anderem ein von ihm selbst verfasstes „Praxiszeugnis“) bei.
Mit Schreiben vom 6.4.2022 übermittelte die Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland an das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung aus Building Science & Technology mit dem Bemerken, dass die Voraussetzungen des Paragraph 6, Absatz eins, ZTG 2019 nicht gegeben seien und dass auch die vom Beschwerdeführer dargestellte Berufspraxis zwar facheinschlägig, aber nicht ausreichend sei, den Fachbereich seiner angestrebten Befugnis im erforderlichen Maße abzudecken. Das Präsidium der Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland hatte daher in seiner Sitzung vom 5.4.2022 festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 12.4.2022 informierte das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort den Beschwerdeführer von der negativen Feststellung des Präsidiums der Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland und räumte ihm die Möglichkeit ein, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen oder den Antrag zurückzuziehen.
Mit Schreiben vom 13.4.2022 nahm der Beschwerdeführer ausführlich zur Begründung der negativen Feststellung des Präsidiums der Ziviltechnikerkammer Stellung; er führte darin aus, dass er Dienstnehmer der C. GmbH war, weshalb die Voraussetzung des Paragraph 6, Absatz eins, ZTG 2019 erfüllt sei. Zur „Breite“ seiner dort erfahrenen Ausbildung äußerte er sich nicht.
Mit Bescheid vom 9.5.2022 wies die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.1.2022 auf Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung aus dem Fachgebiet Building Science & Technology gemäß Paragraph 7, ZTG 2019 in Verbindung mit Paragraph 5, Absatz eins und Absatz 2, sowie Paragraph 6, Satz 1 ZTG 2019 ab; sie begründete die Antragsabweisung einerseits damit, dass der Beschwerdeführer die von ihm geltend gemachte Praxis bei der C. GmbH nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses, einschließlich freier Dienstverträge (Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer eins, ZTG 2019) oder im öffentlichen Dienst (Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 3, ZTG 2019) absolviert habe, weshalb diese Voraussetzung des Paragraph 6, Absatz eins, ZTG 2019 nicht erfüllt sei; zum anderen aber auch damit, dass die Bauphysik lediglich einen sehr schmalen Wissensbereich des vom Beschwerdeführer absolvierten Studiums „Building Science & Technology“ darstelle, weshalb seine Berufspraxis zwar facheinschlägig, aber nicht ausreichend war, den Fachbereich der angestrebten Befugnis im erforderlichen Maße abzudecken.
Mit Schreiben vom 12.5.2022 zog der Beschwerdeführer diesen Bescheid der Bundesministerin in Beschwerde.
Mit Note vom 18.5.2022 legte die belangte Bundesministerin dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
Mit Schriftsatz vom 13.6.2022 erstattete der Beschwerdeführer eine weitere Eingabe.
Am 27.6.2022 fand vor dem erkennenden Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer und als Zeugin Frau DI D. E. einvernommen wurden. Der Verhandlungsleiter erklärte schließlich das Ermittlungsverfahren aufgrund Entscheidungsreife für geschlossen und wies darauf hin, dass aufgrund der komplexen Sach- und Rechtslage die Entscheidung schriftlich ergehen werde.
Sowohl am 28.6.2022 also am 29.6.2220 langten beim erkennenden Verwaltungsgericht weitere Eingaben des Beschwerdeführers ein.
römisch II. Das Verwaltungsgerichte Wien hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat am 19.3.2012 an der Technischen Universität Wien erfolgreich das Studium der Studienrichtung „Building Science & Technology“ abgeschlossen. Der Beschwerdeführer war von 07/2018 bis 08/2018 sowie von 09/2018 bis 06/2020 als Selbstständiger nach dem GSVG pflichtversichert.
Die C. GmbH mit Sitz in München verfügte am Standort F. (…) vom 13.5.2013 bis 6.10.2014 über das freie Gewerbe „Energiekostenberatung (Analyse der Energiekostensituation des Kunden und Beratung über mögliche Einsparungen) ohne technische Beratung sowie unter Ausschluss von Tätigkeiten der Heizungstechniker, Baumeister und Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure)“ sowie vom 3.6.2014 bis 29.12.2016 über das reglementierte Gewerbe „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Bauphysik“.
Die C. GmbH (…) mit Sitz in F. verfügte vom 25.1.2017 bis 26.4.2018 über das reglementierte Gewerbe „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Bauphysik“.
Gewerberechtliche Geschäftsführerin war jeweils Frau Dipl.-Ing. D. E.; zumindest bei der C. GmbH mit dem Sitz in F. war der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer und hielt die Hälfte der Gesellschafterrechte. Der Beschwerdeführer war vom 6.7.2018 bis zum 22.9.2021 gewerberechtlicher Geschäftsführer der C. GmbH in Bezug auf das von dieser Gesellschaft gehaltene freie Gewerbe „Erstellung von Reinzeichnungen aufgrund von Planungen Befugter (Zeichenbüro)“
Der Beschwerdeführer legte seinem Antrag (unter anderem) ein „Praxiszeugnis“ bei, das er selbst unterfertigt hat. In diesem Praxiszeugnis ist eine Vielzahl von Projekten angeführt und auch die Dauer der Verwirklichung dieser Projekte angegeben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen im insoweit unstrittigen Verwaltungsakt; die Feststellungen in Bezug auf die Gewerberechte basieren auf der Einsicht ins Gewerbeinformationssystem Austria (GISA).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Nach Paragraph 7, Absatz eins, ZTG 2019 kann die Ziviltechnikerprüfung erst nach Absolvierung der geforderten praktischen Betätigung abgelegt werden. Nach Paragraph 6, Absatz eins, ZTG 2019 ist die Praxis durch glaubwürdige Zeugnisse und eine eingehende Darstellung der Art, der Dauer und des Beschäftigungsausmaßes nachzuweisen; dabei muss die Praxis mindestens drei Jahre umfassen, nach Abschluss des Studiums zurückgelegt worden und geeignet sein, die für die Ausübung der Befugnis erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln. Der Antrag auf Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung ist folglich nach Paragraph 7, Absatz 2, ZTG 2019 unter Anschluss der erforderlichen Nachweise einzureichen.
Der Nachweis der praktischen Betätigung ist daher eine Erfolgsvoraussetzung. Vermag der Antragsteller somit seine praktische Betätigung nicht durch glaubwürdige Zeugnisse und eine eingehende Darstellung der Art der Dauer und der Beschäftigung Ausmaßes nachzuweisen, ist der Antrag abzuweisen.
Zunächst ist aus der Gesetzesformulierung erkennbar, dass die praktische Betätigung zum einen durch „glaubwürdige Zeugnisse“ und zum anderen durch eine „eingehende Darstellung“ (unter anderem auch des Beschäftigungsausmaßes) nachzuweisen ist. Das Zeugnis ist somit mit der „eingehenden Darstellung“ nicht identisch. Die geforderte „eingehende Darstellung“ ist zudem im Lichte des Paragraph 6, Absatz eins, dritter Satz ZTG 2019 zu lesen, wonach Praxiszeiten, die die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit bis maximal zur Hälfte unterschreiten, verhältnismäßig angerechnet werden. Der „eingehenden Darstellung“ muss daher die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit entnommen werden können.
Demgegenüber ist bereits das vom Beschwerdeführer vorgelegte „Praxiszeugnis“ kein Zeugnis im Sinne des Paragraph 6, Absatz eins, ZTG 2019, weil es nicht vom präsumtiven Arbeitgeber, sondern vom Beschwerdeführer selbst stammt. Damit trägt es auch im Keim den Makel der Unglaubwürdig in sich. Will man das vom Beschwerdeführer vorgelegte „Praxiszeugnis“ aber als die „eingehende Darstellung“ deuten, dann fehlen dieser wiederum (unter anderem) konkrete Angaben über das Beschäftigungsausmaß, das sich auf die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit zu beziehen hat.
Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, seine praktische Betätigung entsprechend Paragraph 6, Absatz eins, ZTG 2019 nachzuweisen. Bei diesem Nachweis handelt es sich (wie bereits erwähnt) nicht um eine – einem Mängelbehebungsauftrag gemäß Paragraph 13, Absatz 3, AVG zugängliche – Voraussetzung für einen vollständigen Antrag auf Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung, bei deren Fehlen der Antrag – mangels Nachweises der praktischen Betätigung – abzuweisen ist.
Der belangte Bundesminister hat daher mit dem bekämpften Bescheid – im Ergebnis – zu Recht den Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen; der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Beschwerde war daher kein Erfolg beschieden.
3.2. Der Beschwerdeführer ist jedoch darauf hinzuweisen, dass einer neuerlichen Antragstellung nicht die Rechtskraft dieses Erkenntnisses entgegensteht, sofern er seine praktische Betätigung durch „glaubwürdige Zeugnisse“ und die bereits angesprochene „eingehende Darstellung“ nachzuweisen vermag. Das erkennende Verwaltungsgericht teilt dabei die Auffassung des Beschwerdeführers, dass für die Beurteilung, ob und welches Vertragsverhältnis vorliegt, die sozialversicherungsrechtlich Einstufung nicht entscheidend ist vergleiche auch OGH 3.8.2005, 9 ObA 73/05h). Anders als die belangte Bundesministerin erachtet das erkennende Verwaltungsgericht zudem eine vollumfängliche praktische Betätigung im Rahmen des reglementierten Gewerbes „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Bauphysik“ (allerdings nicht praktische Betätigung im Rahmen der freien Gewerben der C. GmbH „Erstellung von Reinzeichnungen aufgrund von Planungen Befugter [Zeichenbüro]“ und „Energiekostenberatung …“) als geeignet, die für die Ausübung der Befugnis erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln; anderenfalls wäre es nicht verständlich, dass die erforderlichen Praxiszeiten gemäß Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 2, ZTG 2019 auch als persönlich ausübender Gewerbetreibender eines reglementierten Gewerbes (wie eben jenes, das die C. GmbH innehatte) möglich ist.
3.3. Die (ordentliche) Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.172.092.6492.2022