Gericht

Landesverwaltungsgericht Wien

Entscheidungsdatum

16.06.2016

Geschäftszahl

VGW-221/068/RP01/741/2016

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Rechtspflegerin Frau Konrad über die Beschwerde des Herrn B. S., vertreten durch Dr. K., gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 24.11.2015, Zl.: 585398-2015, mit welchem die Gewerbeberechtigung: Schneeräumung, Bestreuung und Reinigung von öffentlichen und privaten Verkehrsflächen unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit“ GISA-Zahl ... (vormals Registerzahl: ...) gemäß Paragraph 87, Absatz eins, Ziffer eins, GewO im Standort Wien, B.-gasse, entzogen wurde, nach am 16.06.2016 durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden und zu Recht e r k a n n t :

Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

Entscheidungsgründe

Der Spruch des bekämpften Bescheides lautet:

„Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, entzieht gemäß Paragraph 91, Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 87, Absatz eins, Ziffer eins, GewO 1994 Herrn B. S., geboren am: ... 1988 in Sa., Sozialversicherungsnummer: ..., die Gewerbeberechtigung: Schneeräumung, Bestreuung und Reinigung von öffentlichen und privaten Verkehrsflächen unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit im Standort Wien, B.-gasse.“

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist seit 20.02.2013 zur Ausübung des oben angeführten Gewerbes berechtigt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.11.2014, GZ: ..., rechtskräftig mit 09.04.2015, wurde der Gewerbeinhaber zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten (14 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre) wegen Paragraph 12, 2. Fall StGB Paragraph 298, (1) StGB Paragraphen 146,, 147 (1) Ziffer eins (, 2,), 148 2. Fall StGB Paragraph 15, StGB, Paragraph 288, (1) StGB verurteilt.

Aus diesem Grund hat die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid gemäß Paragraph 87, Absatz eins, Ziffer eins, GewO 1994 diese Gewerbeberechtigung entzogen, da auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß Paragraph 13, Absatz eins, oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

In der frist- und formgerecht eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde dem Gewerbeinhaber zur Kenntnis gebracht habe, dass die Behörde die gegenständliche Gewerbeberechtigung zu entziehen gedenke. Mit Schreiben vom 12.08.2015 sei bereits eine umfangreiche Stellungnahme erfolgt und auch der Antrag gestellt worden, von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen. Die Behörde habe das Ermittlungsverfahren einseitig gestaltet. Mit der Verurteilung des Beschwerdeführers sei die einhergehende Rechtsfolge der Entziehung der Gewerbeberechtigung unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB nachgesehen worden. In diesem Zusammenhang habe das Gericht ausgeführt, dass im Hinblick auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie aufgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels, seines von Anbeginn abgelegten reumütigen Geständnisses und des Umstandes, dass er bereits teilweise Schadenswiedergutmachung leiste – was auf innere Umkehr schließen lasse - es möglich war einen Teil der verhängten Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen, da angenommen werden konnte, dass die bloße Androhung der Vollziehung dieses Teils der Freiheitsstrafe genügen werde, um ihn von der Begehung weiterer strafbaren Handlungen dieser oder ähnlicher Art abzuhalten. Das Landesgericht für Strafsachen habe sohin bereits eine Persönlichkeitsprognose des Beschwerdeführers durchgeführt und weiter explizit ausgesprochen, dass auf Grund des Umstandes, dass es beim Beschwerdeführer um die erste Verurteilung handle, der Zielsetzung die mit der Rechtsfolge der Entziehung der Gewerbeberechtigung verbunden sei, bereits durch die bloße Androhung genüge getan wurde, sodass sie unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Bei vollständiger Ermittlung der entscheidungsnotwendigen Tatsachen hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Einschreiter die Gewerbeberechtigung nicht hätte entzogen werden dürfen. Die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung sowie die die Aufhebung des bekämpften Bescheides wurden beantragt.

Beschwerdeverfahren

Das Verwaltungsgericht schaffte den relevanten Akt mit der GZ ... vom Landesgericht für Strafsachen bei. Das für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes relevante Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.11.2014 wurde in Kopie zum Akt des Verwaltungsgerichtes genommen. Am 16.06.2016 wurde eine öffentlich mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien durchgeführt, zu welcher die belangte Behörde und der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung. Der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung sind erschienen.

In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer (zusammengefasst) zu Protokoll, er habe derzeit ein monatliches Einkommen zw. 2.500,- bis 6.000,- im Monat, lebe in einer Partnerschaft und habe Sorgepflichten für drei Kinder, ein Kind leide unter einem Down Syndrom. Er beschäftige je nach Auftragslage 3 - 5 Mitarbeiter und zusammengerechnet mit den Winterdiensten habe er Verträge mit 8 - 10 Firmen für Arbeiten, die seinen Gewerbeberechtigungen entsprächen. (Verträge und Aufzeichnungen wurden zur Einsicht vorgelegt und rückgestellt). Es sei ihm eine Lehre gewesen und es sei ihm bewusst, dass er solche Taten nicht mehr begehen dürfe, da er ansonsten seine Gewerbeberechtigungen verliere. Die Gewerbeberechtigungen seien seine Existenzgrundlage. Zurzeit gäbe es auch keine weiteren Gerichtsverfahren, an denen er beteiligt sei.

In ihren Schlussausführungen verwies die Vertreterin des Beschwerdeführers nochmals auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen, in welchem die Rechtsfolge der Entziehung der Gewerbeberechtigung unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, sowie auf die bereits vom Landesgericht erstellte Prognose des Beschwerdeführers, und beantragte die Entziehungsbescheide aufzuheben.

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist seit 20.02.2013 zur Ausübung des oben angeführten Gewerbes berechtigt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.11.2014, GZ: ..., rechtskräftig mit 09.04.2015, wurde der Gewerbeinhaber zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten (14 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre) wegen Paragraph 12, 2. Fall StGB Paragraph 298, (1) StGB, Paragraphen 146,, 147 (1) Ziffer eins,, (2), 148 2. Fall StGB Paragraph 15, StGB, Paragraph 288, (1) StGB verurteilt.

Aus diesem Grund hat die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid gemäß Paragraph 87, Absatz eins, Ziffer eins, GewO 1994 diese Gewerbeberechtigung entzogen.

Das Landesgericht für Strafsachen hat zur Zahl ... an Herrn Sitzung im Urteil vom 04.11.2014 folgenden Spruch gerichtet:

„Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht hat durch die Richterin ... als Vorsitzende sowie ... als Schöffen über die von der Staatsanwaltschaft Wien gegen B. Sitzung geborener M., geboren am ... 1988 in Sa./Serbien, serbischer Staatsangehöriger, ledig, selbstständig, wohnhaft in Wien, M.-platz; wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach Paragraphen 146,, 147 Absatz eins, Ziffer eins und Absatz 2,, 148 zweiter Fall und 15 StGB u.a. strafbaren Handlungen erhobenen Anklagenach der am 04.11.2014 in Anwesenheit der öffentlichen Anklägerin StA ... der zu Recht erkannt:

Es haben in Wien

AA./teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (Paragraph 12, StGB), teils auch mit abgesondert verfolgten Personen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen, und zwar

A./ B. Sitzung durch die falsche Behauptung, der geltend gemachte Schaden sei durch einen Einbruchsdiebstahl zustande gekommen, unter Benützung falscher Beweismittel, nämlich zur Bekräftigung dieser Behauptung von ihm fingierter Einbruchsspuren, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 15.01.2012 Verfügungsberechtigte der ... Versicherungen AG zur Zahlung von € 10.632,- verleitet (fingierter Einbruchsdiebstahl am 15.01.2012);

B./ durch die falsche Behauptung, die geltend gemachten Schäden seien fahrlässig durch Unfälle herbeigeführt worden, unter Benützung falscher Beweismittel, nämlich eines zurückgedrehten Kilometerzählers (Punkt AA./B./II ./2./f./) und von Unfallberichten, bei denen teilweise die Unterschrift von einem oder beiden vermeintlich unfallbeteiligten Fahrern nachgemacht wurde, und durch Vorführung der beschädigten Fahrzeuge zur Schadensbesichtigung, Verfügungsberechtigte nachstehender Versicherungsunternehmen zu einer Handlung, die diese mit einem jeweils insgesamt € 3.000,- übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte bzw schädigen sollte, nämlich zur Auszahlung der Schadenssummen,

römisch eins./ verleitet und zwar

1.B. S.

a. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 21.01.2013 Verfügungsberechtigte der ... Versicherung AG zur Zahlung von € 3.000,- (Unfallbericht vom 14.01.2013: B. Sitzung als schuldtragender Versicherungsnehmer, Mv. ST. als Anspruchsteller);

b. am 11.09.2013 Verfügungsberechtigte der ... Versicherung AG zur Zahlung von € 2.809,- (Unfallbericht vom 29.8.2013: B. Sitzung als Anspruchsteller, Ma. J. als schuldtragende Versicherungsnehmerin);

c. am 14.06.2014 Verfügungsberechtigte der ... Versicherung AG zur Zahlung von € 6.208,69 (Unfallbericht vom 19.01.2013: B. Sitzung als schuldtragender Versicherungsnehmer, Mi. BR. als Anspruchsteller);[…]

B. Sitzung und Si. J. am 17.10.2012 Verfügungsberechtigte der ... Versicherungen AG zur Zahlung von € 300,- (Unfallbericht vom 12.10.2012: G. D. als Versicherungsnehmerin, Sl. J. als schuldtragende Lenkerin, B. Sitzung als Anspruchsteller);

B. Sitzung und Dn. P. am 05.12.2013 Verfügungsberechtigte der ... Versicherungs-AG zur Zahlung von € 2.943,00 (Unfallbericht vom 19.11.2013: Sitzung Reinigung als Versicherungsnehmer, B. Sitzung als schuldtragender Lenker, O. P. als Anspruchstellerin, Dn. P. als schuldloser Lenker);

1./B. S.

am 13.03.2013 Verfügungsberechtigte der ... Versicherung AG zur Zahlung von € 9.064,15 (Unfallbericht vom 04.03.2013: B. Sitzung als schuldtragender Versicherungsnehmer, Da. ST. als Anspruchstellerin); am 30.01.2014 Verfügungsberechtigte der ... Versicherungs-AG zur Zahlung von € 8.735,39 (Unfallbericht vom 29.01.2014: B. Sitzung als Versicherungsnehmer, A. N. als Anspruchsteller, Z. N. als schuldloser Lenker);

B. Sitzung und Dn. P. am 21.01.2014 Verfügungsberechtigte der ... Versicherungs-AG zur Zahlung von € 2.920,94 (Unfallbericht vom 20.01.2014: O. P. als Anspruchstellerin, Dn. P. als schuldloser Lenker, Na. Ne. als Versicherungsnehmerin, De. Pe. als schuldtragender Lenker [..]

BB./ B. Sitzung zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 15.01.2012 Sv. Pe. dazu bestimmt, am 15.01.2012 dem Exekutivbediensteten des Landespolizeikommandos Wien, LKA, ASt Süd, AI F., somit einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten, durch die Behauptung, in die von ihr und B. Sitzung bewohnte Wohnung in Wien, M.-platz, sei eingebrochen und Bargeld im Betrag von € 5.500,- sowie weitere Vermögenswerte gestohlen worden, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls nach Paragraphen 127,, 128 Absatz eins, Ziffer 4,, 129 Ziffer eins, StGB, wissentlich vorzutäuschen, indem er die Wohnung verwüstete, Einbruchsspuren fingierte und Sv. Pe. anwies, die Polizei zu verständigen und Anzeige wegen Einbruchsdiebstahls zu erstatten;

CC./ B. Sitzung am 07.05.2014 vor dem Bezirksgericht ... in der öffentlichen Streitverhandlung in der Rechtssache ... als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Aussage "Ich wollte in der W.-gasse umkehren. Von meiner ursprünglichen Fahrtrichtung aus gesehen rechts stand das gegnerische Fahrzeug in der Position K1 eingeparkt. Ich wollte auf Höhe dieses Fahrzeuges umkehren, also ich kam von der entgegengesetzten Fahrtrichtung und wollte nach links lenken und dann reversieren. Eben da dort so viel Schnee gelegen ist, fuhr nach Einlegen des Retourganges mein Fahrzeug vorerst nicht zurück, da es durch den Schnee behindert war. Ich habe dann so das Fahrzeug nach vorne und hinten schaukeln lassen und habe dann stark Gas gegeben, um zu reversieren, und dann kam es eben zur Kollision mit dem dort geparkten gegnerischen Fahrzeug. Plötzlich blieb mein Fahrzeug nicht mehr hängen, sondern fuhr ziemlich flott zurück und kollidierte ich mit dem linken hinteren Eck und der Mitte meines Fahrzeuges mit dem geparkten Klagsfahrzeug in dessen Eckbereich rechts hinten. (...) Ich kenne weder den Lenker noch den Halter des Klagsfahrzeuges." falsch ausgesagt.

Es haben hierdurch

B. S.

zu Punkt AA./A.A AA./B./I./1 ./.AA./B./I.4./.AA./B./I.5./ und AA./B./II./1 ./,AA./B./ll./3./

das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach den Paragraphen 146,, 147 Absatz eins, Ziffer eins und Absatz 2,, 148 zweiter Fall und 15 StGB;

zu Punkt BB./

das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung als Beteiligter nach den Paragraphen 12, zweiter Fall, 298 Absatz eins, StGB;

zu Punkt CC./

das Vergehen der falschen Beweisaussage nach dem Paragraph 288, Absatz eins, StGB; begangen und werden hierfür B. Sitzung unter Anwendung des Paragraph 28, Absatz eins, StGB nach dem Paragraph 148, zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Monaten; verurteilt.

Gemäß Paragraph 43 a, Absatz 3, StGB wird hinsichtlich B. Sitzung jeweils ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 (vierzehn) Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß Paragraph 38, Absatz 1 Ziffer 1 StGB wird die erlittene Vorhaft bei B. Sitzung vom 18.7.2014, 06:05 Uhr bis 15.10.2014, 14:30 Uhr, auf die jeweils verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB wird die mit der Verurteilung des B. Sitzung einhergehende Rechtsfolge der Entziehung der Gewerbeberechtigung unter Setzung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

[…..]

Bei der Strafbemessung war bei den vier Angeklagten - hinsichtlich des Erstangeklagten B. Sitzung und […]unter Anwendung des Paragraph 28, Absatz eins, StGB - nach dem zweiten Strafsatz des Paragraph 148, StGB von einem Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. Im Einzelnen wertete das Gericht bei B. Sitzung das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen, die wiederholte Tatbegehung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, den langen Deliktszeitraum und die 15-fache Überschreitung der Wertgrenze, als erschwerend und das reumütige Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel, die teilweise Schadensgutmachung und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, als mildernd.

[….]

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe war beim Erstangeklagten B. Sitzung im Hinblick auf seine Persönlichkeit sowie unter Bedachtnahme auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten schuldangemessen und dem Unrechtsgehalt der Taten entsprechend und wurde auch generalpräventiven Erwägungen gerecht.

Aufgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels des Erstangeklagten B. S., seines von Anbeginn abgelegten reumütigen Geständnisses und des Umstandes, dass er bereits teilweise Schadensgutmachung leistete, was auf eine innere Umkehr schließen lässt, war es möglich, den Vollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten im Ausmaß von vierzehn Monaten für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen, da angenommen werden konnte, dass die bloße Androhung der Vollziehung dieses Teils der Freiheitsstrafe genügen werde, um den Erstangeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen dieser oder ähnlicher Art abzuhalten, und es auch nicht der Vollstreckung der gesamten Strafe bedurfte, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Die Art der Tathandlung und der hohe Schaden, der nahe an die Wertgrenze von € 50.000,-- heranreichte, machten es erforderlich, einen Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten unbedingt auszusprechen. Es bedurfte sohin zumindest des Vollzugs eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe, um den Erstangeklagten wie auch anderen das hohe Unrecht seiner Taten nachhaltig vor Augen zu führen, um ihn in Hinkunft auf den rechten Weg zu halten.

Von der Verhängung einer Geldstrafe anstelle des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe gemäß Paragraph 43 a, Absatz 2, StGB wurde aus spezialpräventiven Gesichtspunkten nicht Gebrauch gemacht, da eine Geldstrafe weniger verhaltenssteuernd nachwirkt als eine unbedingte Freiheitsstrafe. Es musste daher im Hinblick auf den Zweck, den Erstangeklagten von weiteren strafrechtlichen Verfehlungen abzuhalten, nach dem Paragraph 43 a, Absatz 3, StGB vorgegangen werden und ein Teil der Freiheitsstrafe unbedingt ausgesprochen werden.

Gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB können Nebenstrafen und Rechtsfolgen der Verurteilung unabhängig von der Hauptstrafe bedingt nachgesehen werden. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit Paragraph 43, StGB zu lesen, sodass (auch) die bedingte Nachsicht einer Nebenstrafe oder Rechtsfolge nur unter den Präventionsvoraussetzungen des Paragraph 43, Absatz eins, zu gewähren und mit der Bestimmung einer Probezeit von einem bis drei

Jahren zu verbinden ist. (15 Os 129/04; Jerabek in WK2 StGB Paragraph 44, Rz 6). Da es sich beim Erstangeklagten B. Sitzung um die erste Verurteilung handelte, wurde der Zielsetzung, die mit der Rechtsfolge der Entziehung der Gewerbeberechtigung verbundenen ist, bereits durch die bloße Androhung Genüge getan, sodass sie hinsichtlich des Erstangeklagten B. Sitzung unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Beweis wurde erhoben durch die Einsicht in den elektronisch vorgelegten Behördenakt, durch Herbeischaffung eines aktuellen Auszug aus dem Strafregister und des Gerichtsaktes des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sowie durch die Aussagen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Nach Paragraph 13, Absatz eins, GewO ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, und die Verurteilung nicht getilgt ist. Dies gilt auch, wenn mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

Gemäß Paragraph 87, Absatz eins, Ziffer eins, GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (Paragraph 361, GewO1994) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß Paragraph 13, Absatz eins, oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Gemäß Paragraph 44 Punkt A, b, s, Punkt eins, Strafgesetzbuch (StGB) sind, werden eine Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe nebeneinander verhängt, wenn die Voraussetzungen dafür zutreffen, beide Strafen bedingt nachzusehen. Ist anzunehmen, dass der Vollzug einer dieser Strafen oder eines Teiles einer Strafe genügen werde, so können die Paragraphen 43 und 43a auf jede der beiden Strafen angewendet werden.

Gemäß Paragraph 44 Punkt A, b, s, Punkt 2, StGB, sind Nebenstrafen und Rechtsfolgen der Verurteilung können unabhängig von der Hauptstrafe bedingt nachgesehen werden.

In einer Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 4. Mai 2010 an das Amt der Wiener Landesregierung -Magistratsabteilung 63 - Gewerbewesen und rechtliche Angelegenheiten des Ernährungswesens, wurde die Rechtsansicht geteilt, dass sich die vom Gericht gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB im Urteil ausgesprochene Nachsicht der Rechtsfolge des Gewerbeausschlussgrundes im Sinne des Paragraph 13, Absatz eins, GewO 1994 nur auf solche Gewerbeberechtigungen der oder des Verurteilten beziehen kann, die im Zeitpunkt des Ausspruches über die richterliche Nachsicht bereits aufrecht sind. Im Falle späterer Gewerbeanmeldungen ist daher grundsätzlich vom Vorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes auszugehen. Die Korrespondenz mit dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend kann den Beilagen 1 und 2 entnommen werden.

Beilage 1 – Anfrage der Magistratsabteilung 63 an das Bundesministerium für

Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 6.4.2010:

Nachsicht von den Rechtsfolgen einer gerichtlichen Verurteilung im

Sinne des Paragraph 44, Absatz 2, StGB

Gewerberechtliche Auslegungsfragen

Gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB können Nebenstrafen und Rechtsfolgen einer gerichtlichen Verurteilung unabhängig von der Hauptstrafe bedingt nachgesehen werden. Die Fachliteratur vergleiche etwa Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Verlag MANZ bzw. Fabrizy, Kurzkommentar zum StGB, Verlag MANZ) leitet etwa aus Paragraph 27 S, t, G, B,, der von „Amtsverlust und anderen Rechtsfolgen der Verurteilung“ spricht, ab, dass Rechtsfolgen im Unterschied zu Nebenstrafen verschuldensunabhängig und alleine schon Kraft gesetzlicher Anordnung mit Rechtskraft des Urteils eintreten. Sie setzen somit keine Anordnung durch das Gericht oder einer anderen Behörde voraus. Um den Vollzug einer Rechtsfolge zu verhindern, hat das Strafgericht allerdings die Möglichkeit, diese unabhängig von der verhängten Strafe im Urteil bedingt nachzusehen. Ein Widerruf dieser bedingten Nachsicht einer Rechtsfolge ist jedoch mangels materiell rechtlicher Regelung nicht möglich vergleiche hierzu den Beschluss des OGH vom 17. Februar 2005 zur Zahl 15 Os 129/04). Der bedingten Nachsicht kommt somit die Wirkung einer endgültigen Nachsicht zu. Als Rechtsfolge im Sinne der genannten strafrechtlichen Bestimmungen ist unteranderem der Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes gemäß Paragraph 13, Absatz eins G, e, w, O, 1994 anzusehen. Beim Amt der Wiener Landesregierung ist auf Grund eines konkreten Anlassfalles die Frage aufgetreten, inwieweit Aussprüche über die (bedingte) Nachsicht von Rechtsfolgen gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB von der Gewerbebehörde etwa im Zuge von Gewerbeanmelde-, Nachsichts- und Entziehungsverfahren zu berücksichtigen sind. Offen ist vor allem die Frage, ob sich der Ausspruch der Nachsicht von Rechtsfolgen auf alle bestehenden und zukünftigen Gewerbeberechtigungen (etwa der oder des Verurteilten) bezieht oder nur für solche Gewerbeberechtigungen von Relevanz ist, die bereits zum Zeitpunkt des Ausspruches gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB aufrecht waren. Das Amt der Wiener Landeregierung hat dazu folgende Überlegungen angestellt:

Würde man Paragraph 44, Absatz 2, StGB dahingehend auslegen, dass durch eine derartige Nachsicht der Gewerbeausschlussgrund des Paragraph 13, Absatz eins, GewO 1994 als solcher überhaupt nicht eintritt, hätte dies in erster Linie zur Konsequenz, dass betreffend bereits entstandene Gewerbeberechtigungen kein Entziehungsverfahren durchzuführen wäre. Ferner würde auch pro futuro kein Gewerbeausschlussgrundvorliegen und könnte etwa die oder der Verurteilte bei Vorliegen der allgemeinen und sonstigen Voraussetzungen grundsätzlich sämtliche Gewerbe - seien sie auch noch so gefährlich (sensibel) - neu anmelden. Lediglich bei den im Paragraph 95, Absatz eins, GewO 1994 angeführten Gewerben muss die Unternehmerin oder der Unternehmer nicht nur von Gewerbeausschlussgründen im Sinne des Paragraph 13, Absatz eins, GewO 1994 frei sein, sondern sie bzw. er muss auch die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzen. Es wäre daher zu prüfen, ob sich im Hinblick auf die begangene Straftat ein Persönlichkeitsbild der Bewerberin bzw. des Bewerbers ergibt, das es zweifelhaft erscheinen lässt, dass diese bzw. dieser die im Zusammenhang mit dem Gewerbe zu beachtenden öffentlichen Interessen wahren werde vergleiche dazu etwa Punkt 6 des Protokolls der Gewerbereferententagung 2008).

Auf die Praxis umgelegt bedeutete dies etwa, dass jemand, der wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach den Paragraphen 156, Absatz eins und Absatz 2,, 161 StGB im Februar 2008 zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren verurteilt wurde und bei dem gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB die Rechtsfolgen der Verurteilung bedingt nachgesehen wurden, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Berechtigung für die Gewerbe Versicherungsvermittlung bzw. Unternehmensberatung erwirken könnte. Eine behördliche Prüfung, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung der beiden Gewerbe nicht zu befürchten ist, wie dies etwa Paragraph 26, GewO 1994 normiert, wäre im konkreten Fall mangels Vorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes jedenfalls nicht möglich. Richterliche Entscheidungen im Sinne des Paragraph 44, Absatz 2, StGB könnten jedoch auch so interpretiert werden, dass sich der Ausspruch der Nachsicht von den Rechtsfolgeneiner Verurteilung nur auf solche Gewerbeberechtigungen beziehen kann, die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Nachsicht aufrecht waren. Dafür spricht etwa, dass das richterliche Organ die konkreten Rechtsfolgen der Entscheidung nur bezüglich der jeweils aufrechten Gewerbeberechtigungen abschätzen kann. Eine Bezugnahme des Ausspruches gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB auf zukünftige Ereignisse wird insofern nicht als zweckmäßig erachtet, als zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung etwa in keinster Weise vorhersehbar ist, in welcher Weise sich die oder der Verurteilte in Hinkunft unternehmerisch betätigen wird bzw. ob die von ihr bzw. ihm zukünftig ausgeübten Gewerbe einen Bezug zur begangenen Straftat haben oder nicht. Für eine eher einschränkende Interpretation der in Rede stehenden strafrechtlichen Bestimmung spricht ferner das in der Gewerbeordnung statuierte Verhältnis zwischen Straf- und Gewerberecht. Der Bundesgesetzgeber geht im Falle von gerichtlichen Verurteilungen im Sinne des Paragraph 13, Absatz eins, GewO 1994 jedenfalls vom Vorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes aus. Sollte dennoch die Anmeldung eines Gewerbes angestrebt werden, so hat die Gewerbebehörde (und nicht das Gericht) im Nachsichtsverfahren zu prüfen, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist. Würde man Aussprüche gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB derart verstehen, dass damit auch pro futuro kein Gewerbeausschlussgrund vorliegt, wäre die oben dargestellte Grundsatzentscheidung des Bundesgesetzgebers in ihr Gegenteil verkehrt und bekäme die gerichtlich rechtskräftig verurteilte Person gleichsam einen Freibrief für die Ausübung sämtlicher der Gewerbeordnung unterliegenden Tätigkeiten.

Anders verhält es sich freilich im Anwendungsbereich des Jugendgerichtsgesetzes. Paragraph 5, Ziffer 10, des Jugendgerichtsgesetzes 1988 normiert, dass in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen nicht eintreten. Im Unterschied zu Paragraph 44, Absatz 2, StGB verfügt nicht das Strafgericht die Nachsicht der Rechtsfolgen, sondern treten die Rechtsfolgen ex lege nicht ein. Dieser Ausschluss verwaltungsrechtlicher Rechtsfolgen beruht somit nicht auf dem Ausspruch eines Organs der Gerichtsbarkeit, sondern ist im Gesetz selbst normiert. Das Amt der Wiener Landesregierung neigt im Ergebnis der Auffassung zu, dass sich die Nachsicht der Rechtsfolge des Ausschlusses von der Gewerbeausübung (im Sinne des Paragraph 13, Absatz eins, GewO 1994) gemäß Paragraph 44, Absatz 2, StGB nur auf solche Gewerbeberechtigungen der oder des Verurteilten beziehen kann, die im Zeitpunkt des Ausspruches über die Nachsicht bereits aufrecht sind. Ein darüber hinaus gehender Eingriff in die den Verwaltungsorganen aufgetragene Einzelfallprüfung (vgl.die Paragraphen 26, f GewO 1994) erscheint nicht zuletzt im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich normierte Trennung von Justiz und Verwaltung bedenklich.

In der Beilage 2, Schreiben vom 4.5.2010, stimmte das Bundesministerium für Wirtschaft Jugend und Familie der Anfrage des Amtes der Wiener Landesregierung Zahl MA 63 - 4197/2010 über die gewerberechtliche Auslegungsfrage hinsichtlich der Nachsicht von den Rechtsfolgen einer gerichtlichen Verurteilung iSd Paragraph 44, Absatz 2, StGB; zu.

Im gegenständlichen Fall bezieht sich der Ausspruch im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen auf denselben Beschluss wie jenen, welcher in der Anfrage des Amtes der Wiener Landesregierung an das Bundesministerium für Wirtschaft, nämlich den Beschluss des OGH vom 17. Februar 2005 zur Zahl 15 Os 129/04) angeführt wird.

Das Landesgericht für Strafsachen hat eine Prognose bezüglich des Beschwerdeführers erstellt und ist zum Ergebnis gekommen, dass dem Beschwerdeführer die Rechtsfolge welche mit der Verurteilung verbundenen ist, nämlich der Entziehung der Gewerbeberechtigung, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und bereits durch die bloße Androhung Genüge getan wurde.

Zum Zeitpunkt des richterlichen Ausspruchs über die Nachsicht der Rechtsfolge des Ausschlusses von der Gewerbeausübung im Sinne des Paragraph 13, Absatz , GewO 1994 am 04.11.2014 hat das am 01.10.2012 angemeldete Gewerbe bereits bestanden.

Aus diesem Grund ist die Gewerbeberechtigung (derzeit) nicht zu entziehen, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers ist jedoch bis zum Ablauf der Probezeit regelmäßig zu überprüfen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGWI:2016:VGW.221.068.RP01.741.2016