Gericht

Landesverwaltungsgericht Tirol

Entscheidungsdatum

20.11.2018

Geschäftszahl

LVwG-2017/42/2473-1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch Mag. Schaber über die Beschwerde des HR Mag. Dr. AA, wohnhaft in Z, Adresse 1, vertreten durch BB, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde römisch zehn vom 23.08.2017, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung,

zu Recht:

1.           Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Frist zur Herstellung der aufgetragenen Maßnahmen mit 01.05.2019 festgesetzt wird.

2.           Die ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

römisch eins.           Verfahrensgang (Vorgeschichte):

Mit Eingabe vom 17.02.2012 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer unter Vorlage von Einreichunterlagen die Erteilung der Baubewilligung für mehrere Baumaßnahmen in Ansehung des auf dem Grundstück **1 KG W bestehenden Wochenendhauses (Freizeitwohnsitzes), und zwar die Änderung der Lage der bestehenden Berghütte, Grundrissvergrößerungen im Süden, Westen und Norden sowie eine Grundrissverkleinerung im Osten, dies jeweils im Vergleich und unter Bezugnahme auf den baurechtlichen Genehmigungsbescheid vom 02.09.1958 für ein Wochenendhaus auf dem verfahrensgegenständlichen Bauplatz.

Die Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn als Baubehörde römisch eins. Instanz entschied mit Bescheid vom 13.05.2013 über dieses Bauansuchen dahingehend, dass die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt wurde (Spruchpunkt römisch eins.), wogegen Einwände eines Nachbarn als unbegründet abgewiesen wurden und dessen privatrechtliche Einwendungen auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen wurden (Spruchpunkt römisch II.).

Die gegen diese Baugenehmigung der Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn erhobene Berufung des Nachbarn blieb erfolglos, mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde römisch zehn vom 02.12.2013 wurde das Rechtsmittel nämlich als unbegründet abgewiesen und der bewilligende Bescheid der Bürgermeisterin vollinhaltlich bestätigt.

Über die gegen diese Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes der Gemeinde römisch zehn eingebrachte Beschwerde entschied das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 02.06.2014, LVwG-2014/26/0181-5, dahingehend, dass in teilweiser Beschwerdestattgabe die vom nunmehrigen Beschwerdeführer beantragte Baubewilligung für das Wochenendhaus versagt wurde, wogegen die Beschwerde insoweit als unbegründet abgewiesen wurde, als sie sich auch gegen die Baubewilligung für eine Holzhütte gerichtet hatte. Diese Beschwerdeentscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das auf dem gegenständlichen Bauplatz vorhandene Wochenendhaus in mehrfacher Hinsicht deutlich vom Baugenehmigungsbescheid vom 02.09.1958 abweiche, und zwar derart, dass das vorhandene Gebäude im Verhältnis zu dem im Jahr 1958 genehmigten Wochenendhaus ein rechtliches „aliud“ darstelle. Aus dem seinerzeitigen Baubewilligungsbescheid vom 02.09.1958 könne der Antragsteller daher keinerlei Rechte mehr ableiten. Infolgedessen seien die Abstandsvorschriften der Tiroler Bauordnung uneingeschränkt anzuwenden und habe der Nachbar berechtigt eingewandt, dass das antragsgegenständliche Bauprojekt die Abstandsbestimmungen und das ihm daraus zukommende Nachbarschaftsrecht verletze.

Eine gegen diese Beschwerdeentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol erhobene außerordentliche Revision blieb erfolglos. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.11.2014, Zahl Ra 2014/06/0021-12, wurde die Revision zurückgewiesen.

Bereits mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn vom 29.12.2011 wurde dem Beschwerdeführer auf der Rechtsgrundlage des Paragraph 39, Absatz 4, TBO 2011 der baupolizeiliche Auftrag zur Herstellung des der Baubewilligung vom 02.09.1958 entsprechenden Zustandes des Wochenendhauses auf dem verfahrensgegenständlichen Bauplatz erteilt, wobei eine Leistungsfrist bis zum 31.07.2012 eingeräumt wurde. Zur Begründung dieser Entscheidung führte die Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn kurz zusammengefasst aus, dass infolge einer Beschwerde von der Baubehörde ein Lokalaugenschein im Rahmen der Bauaufsicht durchgeführt worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass das Wochenendhaus (im Vergleich zum baubehördlich genehmigten Plan) vergrößert ausgeführt worden sei und auch eine andere Situierung auf dem Bauplatz aufweise, wodurch sich eine Unterschreitung der vorgegebenen Abstände zu den Grundstücksgrenzen ergeben würde, dies insbesondere zur östlichen Nachbarparzelle hin. Aufgrund der vom Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung entschied der Gemeindevorstand der Gemeinde römisch zehn mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Berufungsbescheid vom 18.02.2016, dass der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und zur neuerlichen Entscheidung bzw zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn als Baubehörde zurückverwiesen wird. Die belangte Behörde begründete dabei die angefochtene Berufungsentscheidung im Wesentlichen damit, dass das Berufungsverfahren ausgesetzt worden sei, um den Ausgang des (nachträglichen) Baubewilligungsverfahrens in Bezug auf das Bauansuchen des Jahres 2012 abzuwarten. Im Zuge dieses Verfahrens sei hervorgekommen, dass das auf dem verfahrensgegenständlichen Bauplatz vorhandene Wochenendhaus im Verhältnis zum genehmigten Gebäude gemäß Baubewilligungsbescheid vom 02.09.1958 ein rechtliches „aliud“ darstelle, womit das bestehende Wochenendhaus über keinerlei Baukonsens verfüge. Dies ergebe sich eindeutig aus der Beschwerdeentscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 02.06.2014 sowie aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.11.2014. Demnach gründe der angefochtene Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn vom 29.12.2011 auf der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, dass aus dem Baubewilligungsbescheid vom 02.09.1958 noch Rechte abgeleitet werden könnten, zumal damit ja die Herstellung des der Baubewilligung vom 02.09.1958 entsprechenden Zustandes aufgetragen worden sei. Nachdem eine Berufungsbehörde nicht weitergehende baupolizeiliche Verpflichtungen auftragen könne als die Erstbehörde, sei der bekämpfte Bescheid zu beheben und die Rechtssache zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstinstanz zurückzuverweisen gewesen.

Mit dem Bescheid vom 19.02.2016 nahm die Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn eine Ersatzentscheidung vor, dies infolge der Behebung ihres baupolizeilichen Bescheides vom 29.12.2011 durch die Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes der Gemeinde römisch zehn vom 18.02.2016, wobei sie unter Spruchpunkt römisch eins. den Beschwerdeführer gemäß Paragraph 39, Absatz eins, TBO 2011 verpflichtete, das auf dem Grundstück **1 KG W errichtete Wochenendhaus bis längstens 31.07.2016 gänzlich zu entfernen, dies unter Vorgabe näher bezeichneter Rahmenbedingungen, etwa der Absicherung und Verschließung von Ver- und Entsorgungsleitungen und der Auffüllung verbleibender unterirdischer Räume bis an das anschließende Bestandsgelände heran, und unter Spruchpunkt römisch II. dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 39, Absatz 6, Litera a, TBO 2011 die weitere Benützung des Wochenendhauses auf dem Grundstück **1 KG W untersagte. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn nach Wiedergabe der bisher in Bezug auf das strittige Wochenendhaus erfolgten Verfahrensverläufe im Wesentlichen aus, dass unter Berücksichtigung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend das verfahrensgegenständliche Gebäude auch die Baubehörde nunmehr davon ausgehe, dass das auf dem Grundstück **1 KG W errichtete Wochenendhaus aufgrund erheblicher Abweichungen in der Bauausführung von der erteilten Baubewilligung gemäß Bescheid vom 02.09.1958 ein rechtliches „aliud“ darstelle, womit das bestehende Wochenendhaus als insgesamt konsenslos zu betrachten sei. Das gegenständliche Wochenendhaus sei zweifelsohne ein baubewilligungspflichtiges Gebäude. Nachdem dafür der erforderliche Baukonsens fehle, sei die Beseitigung dieses Gebäudes aufzutragen gewesen. Angesichts der nicht Lkw-befahrbaren Zufahrt zum Bauplatz sei entsprechend den Darlegungen des beigezogenen Hochbautechnikers eine längere Leistungsfrist zur Durchführung der Beseitigungsarbeiten vorgesehen worden. Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des Paragraph 39, Absatz 6, TBO 2011 sei auch die Nutzung des Wochenendhauses zu untersagen gewesen.

Einer dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 01.07.2016, LVwG-2016/26/0826-3, statt und behob den Bescheid vom 19.02.2016. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Bürgermeisterin der Gemeinde römisch zehn zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch keine Zuständigkeit zur neuerlichen baupolizeilichen Entscheidung in Ansehung des streitverfangenen Wochenendhauses auf dem Grundstück **1 KG W zugekommen ist. Dies deshalb, weil der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde römisch zehn vom 18.02.2016 zum Zeitpunkt der neuerlichen Entscheidung der Bürgermeisterin noch nicht nachweislich ergangen und damit die erste baupolizeiliche Entscheidung der Bürgermeisterin vom 29.12.2011 noch nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden war.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 23.08.2017, Zl *** wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, „das widerrechtlich auf dem Gst. **1, KG W, errichtete Wochenendhaus im Ausmaß von 7,335m x 7,053 m samt Teilunterkellerung in einem Ausmaß von ca. 2,10 m x 3,10 m“ unter Berücksichtigung einiger Vorschreibungen und Nebenbestimmungen bis längstens 30.11.2017 gänzlich zu entfernen. In Spruchpunkt römisch II des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer die Benützung der gegenständlichen baulichen Anlage untersagt.

Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer bereits mit Bescheid vom 29.12.2011 aufgetragen worden sei, im Sinne des damals Paragraph 39, TBO 2011 den gesetzmäßigen Zustand gemäß der Baubewilligung 02.09.1958 herzustellen. Dieses Verfahren sei aufgrund eines nachträglichen Bauansuchens vom 26.04.2012 ausgesetzt worden. Dieses Bauansuchen sei von der zuständigen Behörde bewilligt worden, das Landesverwaltungsgericht habe diese Entscheidung jedoch mit Erkenntnis vom 02.06.2014, LVwG-2014/26/0181-1 behoben und die Bewilligung versagt. Dies habe das erkennende Gericht mit der erheblichen Veränderung der Lage und des Grundrisses des Gebäudes begründet. Das gesamte Bauprojekt sei mehrere Meter von dem genehmigten Bauplatz verschoben und um 12 Grad gedreht. Diese Veränderungen seien laut Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes derart gravierend, dass es sich bei dem Objekt gegenüber der Baubewilligung um ein aliud handle und somit kein Baukonsens vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof habe in weiterer Folge die außerordentliche Revision mit Beschluss zurückgewiesen und damit die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes bestätigt.

Aufgrund der angeführten Judikatur habe die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das auf dem Gst. **1 KG W errichtete Wochenendhaus wegen erheblicher Abweichungen von der dafür erteilten Baubewilligung gemäß Bescheid vom 02.09.1958 ein rechtliches aliud darstelle. Damit gelte das bestehende Wochenendhaus als konsenslos. Es handle sich beim gegenständlichen Bauobjekt jedenfalls um ein bewilligungspflichtiges Gebäude im Sinne der Tiroler Bauordnung. Da dieses Gebäude ohne eine entsprechende Bewilligung errichtet worden sei, stehe der Behörde die Möglichkeit zu, gemäß Paragraph 39, Absatz 2, TBO 2011 die Beseitigung aufzutragen und die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufzutragen. Darüber hinaus habe die Behörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage deren Benutzung zu untersagen, wenn er diese benutzt, obwohl keine entsprechende Baubewilligung vorliegt.

Gegen diesen Bescheid brachte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol ein. In dieser fasste der Beschwerdeführer den Verfahrensgang zusammen und brachte im Wesentlichen vor, dass die bisher in der Streitangelegenheit ergangenen Entscheidungen (siehe Verfahrensgang) nicht präjudiziell seien, da sie eine andere Sache beträfen. So hätten sowohl die belangte Behörde als auch die Gerichte bisher verkannt, dass der Baubescheid vom 02.09.1958 nicht das ursprünglich mit Bauansuchen vom 18.01.1958 eingereichte Bauvorhaben, sondern in Wirklichkeit die zum Zeitpunkt der Bauverhandlung am 22.08.1958 bereits in der heutigen Form errichtete Wochenendhaus zum Inhalt hatte, somit für das streitgegenständliche Wochenendhaus ein Baukonsens vorliege.

Mit Bauansuchen vom 18.01.1958 habe die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers, Frau CC, bei dem Gemeindeamt der Gemeinde römisch zehn um die baubehördliche Bewilligung des Neubaus einer Berghütte auf Gst. **1 angesucht. Diesem Ansuchen sei der Lageplan des Ing. DD vom 13.01.1958 (GZ ***), die Baubeschreibung vom 18.01.1958 und der Einreichplan vom 17.01.1958 beigeschlossen gewesen. Die Baubeschreibung weise eine verbaute Fläche von 41,30 m2, einen umbauten Raum von 230,00 m³; die Ausführung eines Kellergeschoßes, eines Erd- und eines Obergeschoßes aus. Auf Grundlage dieser Dokumente habe der Sachverständige Ing. EE am 21.02.1958 ein bautechnisches Gutachten angefertigt. An diesem Tag habe auch eine mündliche Bauverhandlung stattgefunden. In der Verhandlungsschrift darüber finde sich unter „Befund – Baubeschreibung - Baupolizeiliche Bedingungen - sonstige Bedingungen – Parteienerklärungen“ eine Baubeschreibung, in der sich abweichend zum Einreichprojekt unter anderem die Ausführung eines Obergeschosses nicht mehr findet (das Wort Obergeschoß sei durchgestrichen worden). Daraufhin habe die damalige Eigentümerin mit dem Bau (frühzeitig) begonnen. Dies sei dann auch von den Vertretern der Gemeinde bei einer weiteren Bauverhandlung am 22.08.1958 festgestellt und beurkundet worden. Mit 02.09.1958 sei sodann eine positive Baubewilligung erlassen worden, wobei im Baubescheid auf das Ergebnis der am 22.08.1958 durchgeführten kommissionellen Verhandlung an Ort und Stelle verwiesen worden sei. Später sei von der Behörde im Rahmen der Kollaudierung die bescheidgemäße Ausführung des Bauvorhabens bestätigt worden. Bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Bauverhandlung am 22.08.1958 und der daraus resultierenden Bescheiderlassung sei das Mauerwerk, wie es noch heute vorzufinden sei, ersichtlich und der Behörde bekannt gewesen. Daraus sei ersichtlich, dass die Behörden und Gerichte es bisher verabsäumt haben, ihre Entscheidungen auf das tatsächlich bewilligte Bauvorhaben vom 02.09.1958 zu stützen. Dieses weiche nämlich in den streitgegenständlichen Punkten von den Einreichplänen vom 18.01.1958 ab, was zu dem unrichtigen Ergebnis des Konsensmangels geführt habe. Für den Beschwerdeführer ergebe sich aus diesen Gründen klar, dass nicht die eingereichten Planunterlagen, sondern die bei der mündlichen Bauverhandlung begutachteten Verhältnisse zum Inhalt der Baubewilligung geworden seien. Darüber hinaus sei der Akt aufgrund des schlampigen Umganges im Archiv unvollständig.

Aufgrund des bestehenden Baukonsenses entbehre daher der in Beschwerde gezogene Bescheid jeder Rechtsgrundlage.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass er durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid jedenfalls in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes verletzt worden sei, da eine Beseitigung unverhältnismäßig wäre. Das gelindere Mittel sei die Herstellung des bescheidmäßigen Zustandes.

Beantragt ist den in Beschwerde gezogenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in der Sache zu erkennen und auszusprechen, dass die bauliche Anlage dem Baubewilligungsbescheid vom 02.09.1958 entspricht bzw im Sinne des Paragraph 29, TBO 2011 ein Konsens zu vermuten ist; jedenfalls die Einstellung des Verfahrens nach Paragraph 29, TBO 2011 zu verfügen, in eventu den in Beschwerde gezogenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens, Einholung der entsprechenden Gutachten und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde römisch eins. Instanz zurückzuverweisen.

In der Beschwerde findet sich aber auch der Antrag, das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung über einen bereits vom Beschwerdeführer bei der belangten Behörde eingebrachten Antrag auf Feststellung eines zu vermutenden Baukonsenses gemäß Paragraph 29, Absatz eins, TBO 2011 für das streitgegenständliche Bauobjekt auszusetzen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die dem Gericht von der belangten Behörde vorgelegten bezughabenden Baukten (ua Zl *** und Zl ***) sowie in die Akten des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu LVwG 2017/42/2473, LVwG-2014/26/0181 und LVwG-2016/26/0826-3.

römisch II.         Sachverhalt:

Mit Bauansuchen vom 18.01.1958 hat die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers im Gemeindeamt der Gemeinde römisch zehn um die baubehördliche Bewilligung des Neubaus einer Berghütte auf der damaligen Gp. **1, KG römisch zehn, angesucht. Dem Bauansuchen beigelegen waren Bau- und Lagepläne und eine Baubeschreibung.

Mit Bescheid der Gemeinde römisch zehn vom 02.09.1958 wurde der Neubau einer Berghütte auf der Gp. **1, KG römisch zehn, unter Nebenbestimmungen baubehördlich genehmigt.

Die zur Ausführung gelangte Berghütte weicht von den dem Bauansuchen beigegebenen Einreichunterlagen (Bau- und Lageplänen, Baubeschreibung) ab. Das gesamte Objekt wurde Richtung Nordosten (ca. 3 m Richtung Norden und ca. 1,90 m Richtung Osten) verschoben und gedreht (ca. 12°) ausgeführt. Im nordwestlichen Eckbereich wurde ein erkerförmiger Anbau im Ausmaß von 3,29 m x 1,07 m errichtet. Die ursprünglich im südwestlichen Eckbereich im Bereich des Wohnraumes vorgesehene Einbuchtung (Ausgang auf die Terrasse) wurde nicht ausgeführt und wurden die Mauerscheiben entlang der gesamten Wandverläufe geführt. Weiters findet sich im südöstlichen Eckbereich eine Erweiterung im Ausmaß von 2,70 m x 0,90 m ausgeführt. Das gesamte Objekt wurde Richtung Westen um eine gesamte Mauerstärke verlängert und weist somit eine Gesamtlänge von 7,335 m anstatt den genehmigten 7,00 m und eine Breite an der westseitigen Außenwand von 7,053 m anstatt der genehmigten 5,90 m auf. Die bebaute Fläche des Bestandes (gerechnet auf die Außenwände) beträgt auf Erdgeschossniveau 49,29 m² gegenüber genehmigten 37,60m2. Dadurch ergibt sich eine vergrößerte Fläche von 11,69 m².

Bei der belangten Behörde behängt auf Antrag des Beschwerdeführers ein Verfahren nach
Paragraph 29, Absatz eins, TBO 2011 (nunmehr wortgleich Paragraph 36, Absatz eins, TBO 2018) auf bescheidmäßige Feststellung, dass für das streitgegenständliche Wochenendhaus eine Baubewilligung zu vermuten ist. Über diesen Antrag wurde bisher nicht entschieden.

römisch III.       Beweiswürdigung:

Die Existenz eines mit 02.09.1958 datierten Baubescheides der Gemeinde römisch zehn für den Neubau einer Berghütte auf der (damaligen) Gp. **1, KG römisch zehn, ist unstrittig. Unstrittig ist auch, dass den bezughabenden Bauakten der Gemeinde römisch zehn über den vorzitierten Baubescheid hinaus kein weiterer Baubewilligungsbescheid bezogen auf das streitgegenständliche Bauobjekt zu entnehmen ist.

Die Feststellungen bezüglich der Einreichunterlagen und des Bescheides aus dem Jahr 1958 ergeben sich aus den im Akt befindlichen Originalunterlagen der Gemeinde römisch zehn. Diese sind für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig.

Das Gebäude unterscheidet sich heute in mehreren Belangen von den in den Bauakten befindlichen Einreichunterlagen aus 1958, auf die im Baubescheid ausdrücklich und ausschließlich Bezug genommen wird. Diese Abweichungen waren bereits Beweisthema im Verfahren des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu Zahl LVwG-2014/26/0181. So hat das Landesverwaltungsgericht in diesem Verfahren den hochbautechnischen Amtssachverständigen Ing. FF mit der Fragestellung befasst, inwieweit das auf dem Grundstück **1 KG W vorhandene Gebäude (Wochenendhaus) von dem im Jahre 1958 erteilten Baukonsens abweicht. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 18.02.2014 hat der Bausachverständige FF dazu Folgendes ausgeführt:

„Im aktenkundigen Absteckplan des Ing.-Konsulenten für Vermessungswesen DI GG vom 11.06.2012, wurde das ursprünglich mit Baubescheid der Gemeinde römisch zehn vom 02.09.1958, genehmigte Objekt grünstrichliert dargestellt. Der tatsächlich vorherrschende und ausgeführte Bestand wurde demgegenüber mit blauer durchgehender Umrandung und hellgrüner Schraffur dargestellt. Überdies wurden das von Herrn HR Mag. Dr. AA, Adresse 1, Z, mit Eingabe vom 26.04.2012 eingebrachte Bauvorhaben und die gegenüber dem Bestand vorgesehenen Erweiterungen bzw. Reduzierungen mit roter Umrandung und oranger Schraffur dargestellt. Zudem wurde gegenüber dem Grundstück **2, welches im Eigentum von Herrn JJ steht, eine blaustrichlierte und parallel zur Grundstücksgrenze verlaufende Abstandslinie im Abstand von 1,80 m eingezeichnet. Gemäß diesen Eintragungen kann klar nachvollzogen werden, dass das ursprünglich genehmigte Projekt in geänderter Form ausgeführt wurde, da im nordwestlichen Eckbereich ein erkerförmiger Anbau im Ausmaß von 3,29 m x 1,07 m errichtet wurde. Zudem wurde die ursprünglich im südwestlichen Eckbereich vorgesehene im Bereich des Wohnraumes vorgesehene Einbuchtung (Ausgang auf die Terrasse) nicht ausgeführt und die Mauerscheiben entlang der gesamten Wandverläufe geführt. Zudem wurde im südöstlichen Eckbereich eine Erweiterung im Ausmaß von 2,70 m x 0,90 m ausgeführt. Diese angesprochenen Abweichungen wurden in den von Herrn HR Mag. Dr. AA im Zuge seines Bauansuchens und von der KK, römisch fünf - welche den Eingangsstempel der Gemeinde römisch zehn vom 13.06.2012 tragen - eingebrachten Baupläne rot schraffiert dargestellt. Die Situierung des ursprünglich genehmigten Objektes wurde in den Plänen mit violetter Umrahmung dargestellt. Aus diesen Plänen ist auch ersichtlich, dass das gesamte Objekt Richtung Westen um eine gesamte Mauerstärke verlängert wurde. Das gesamte bestehende Objekt weist somit eine Gesamtlänge von 7,335 m gegenüber den genehmigten 7,00 m und eine Breite an der westseitigen Außenwand von 7,053 m statt der genehmigten 5,90 m auf. Die bebaute Fläche des Bestandes (gerechnet auf die Außenwände) beträgt somit auf Erdgeschossniveau 49,29 m² gegenüber den genehmigten 37,60m2. Dadurch ergibt sich eine vergrößerte Fläche von 11,69 m².

Aus dem Vermessungsplan ist auch ersichtlich, dass das gesamte Objekt gegenüber seiner ursprünglichen Positionierung Richtung Nordosten (ca. 3 m Richtung Norden und ca. 1,90 m Richtung Osten) verschoben und gedreht (ca. 12°) wurde. Dadurch ergibt sich gegenüber dem Grundstück **2 ein Grenzabstand von 1,40 m (im nordöstlichen Eck) bis 2,29 m (im südöstlichen Eck statt der im Baubescheid vom 02.09.1958, geforderten 3,00 m. Dieser Grenzabstand ist auch aus dem der Baugenehmigung zugrundeliegenden Lageplan vom 4. September 1958 ersichtlich.

In den von Herrn HR Mag. Dr. AA im Zuge seines Bauansuchens und von der KK, römisch fünf, verfassten - welche den Eingangsstempel der Gemeinde römisch zehn vom 13.06.2012 tragen - eingebrachten Baupläne wurden gemäß Planunterlagenverordnung 1998 die im Rahmen des vorgesehenen Bauvorhabens geplanten Abbrucharbeiten in Gelb, die Neubauteile in roter vollflächigen Schraffur und die verbleibenden Bestandsbauteile in vollflächiger grauen Schraffur dargestellt. Vergleicht man nunmehr die dem damaligen Baubescheid vom 2. September 1958 zugrundeliegenden Planunterlagen mit Datum 4. September 1958, mit den von HR Mag. Dr. AA, im Rahmen seines nunmehr beantragten Bauvorhabens, eingereichten Plänen ist klar nachvollziehbar, dass auch in der Grundrissgestaltung (soweit dies das Erd- und Kellergeschoss betrifft) diverse Abänderungen gegenüber der damaligen Genehmigung durchgeführt wurden. So wurde im Kellergeschoss eine Unterkellerung im südöstlichen Eckbereich durchgeführt und das Geländeniveau so abgesenkt, dass ein direkter Zugang von außen gegeben ist. Durch diese Absenkung musste auch eine geradläufige Treppenanlage vom Kellergeschoss bis auf das Niveau der Terrasse, welche sich im Erdgeschoss befindet, erstellt werden. Die Unterkellerung erstreckt sich dabei auch über die zu a) bereits angesprochene Erweiterung des Gebäudes im südöstlichen Eckbereich. Ursprünglich war eine Unterkellerung im westlichen Bereich des Objektes vorgesehen, wobei der Zugang über eine Treppenanlage vom Vorraum aus sichergestellt werden sollte.

Durch die ebenfalls bereits oben angesprochene Erweiterung des Objektes im nordwestlichen und südwestlichen Eckbereich kam es zu einer räumlichen Untergliederung bzw. Vergrößerung des auf Niveau des Erdgeschosses ursprünglich vorgesehenen Wohnraumes. Durch diese Veränderungen konnten die ursprünglich im östlichen Bereich vorgesehenen Räumlichkeiten für die Unterbringung eines Vorraumes, einer Küche sowie einer WC-Anlage im nordwestlichen Teil des Gebäudes untergebracht werden. Die dadurch frei gewordenen Flächen wurden zur Unterbringung von zwei Schlafräumen genutzt. Der Zugang zum Gebäude wurde im Zuge dieser Maßnahmen nicht wie ursprünglich vorgesehen an der Ostseite sondern an der Westseite situiert. Um eine ausreichende natürliche Belichtung sicherstellen zu können, mussten zum Teil die vorgesehenen Fensterflächen neu situiert bzw. zusätzliche Fensterflächen angeordnet werden. Die im Bereich des Einganges ursprünglich vorgesehene Treppenanlage zur Überwindung des Höhenunterschiedes zwischen Gelände und Erdgeschossniveau konnte durch die Neupositionierung des Zuganges entfallen. Auch die ins Kellergeschoss ursprünglich vorgesehene Treppenanlage wurde nicht erstellt, da wie bereits angesprochen ein direkter Zugang von außen geschaffen wurde.

Im aktenkundigen Absteckplan des Ing.-Konsulenten für Vermessungswesen DI GG vom 11.06.2012, wurde das ursprünglich mit Baubescheid der Gemeinde römisch zehn vom 02.09.1958, genehmigte Objekt grünstrichliert dargestellt. Der tatsächlich vorherrschende und ausgeführte Bestand wurde demgegenüber mit blauer durchgehender Umrandung und hellgrüner Schraffur dargestellt. Aus dem Vermessungsplan ist auch ersichtlich, dass das gesamte Objekt gegenüber seiner ursprünglichen Positionierung Richtung Nordosten (ca. 3 m Richtung Norden und ca. 1,90 m Richtung Osten) verschoben und gedreht (ca. 12°) wurde. Dadurch ergibt sich gegenüber dem Grundstück **2 ein Grenzabstand von 1,40 m (im nordöstlichen Eck) bis 2,29 m (im südöstlichen Eck statt der im Baubescheid vom 02.09.1958, geforderten 3,00 m. Dieser Grenzabstand ist auch aus dem der Baugenehmigung zugrundeliegenden Lageplan vom 4. September 1958 ersichtlich.

Neben den in den vorgenannten Punkten bereits angesprochenen Abweichungen des vorherrschenden Bestandes gegenüber der Baugenehmigung aus dem Jahre 1958 darf auch angeführt werden, dass die Firstrichtung gegenüber der Genehmigung von nordsüdverlaufend auf westostverlaufend ausgeführt wurde. Überdies wurde im südöstlichen Eckbereich eine Holzhütte im Ausmaß von 2,73 m x 2,62 m errichtet, welche von der damaligen Genehmigung nicht erfasst war und somit ebenfalls eine Abweichung zur ursprünglichen Genehmigung darstellt.“

Diese Ausführungen des Sachverständigen FF sind für das Gericht nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei, sodass sie auch für das gegenständliche Beschwerdeverfahren als Beweis für die festgestellten Abweichungen dienen.

römisch IV.         Rechtslage:

Verfahrensgegenständlich ist ein baupolizeiliches Verfahren nach Paragraph 39, der Tiroler Bauordnung 2011 (nunmehr wortgleich Paragraph 46, Tiroler Bauordnung 2018, Landesgesetzblatt Nr 28 aus 2018,):

Diese Rechtsvorschrift hat – soweit verfahrensrelevant – folgenden Wortlaut:

㤠39

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. Wurde eine solche bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen. Dies gilt auch, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre. Ist die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage stattdessen deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.

(2) …

(3) …

(4) Wurde eine bauliche Anlage ohne die nach früheren baurechtlichen Vorschriften erforderliche Baubewilligung oder Bauanzeige errichtet oder geändert und ist deren Errichtung oder Änderung auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig, so hat die Behörde nach den Absatz eins,, 2 und 3 vorzugehen.

(5) …

(6) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,

a) wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt,

b)…“

Paragraph 29, TBO 2011 (nunmehr wortgleich Paragraph 36, Tiroler Bauordnung 2018, Landesgesetzblatt Nr 28 aus 2018,) lautet:

(1) Die Behörde hat hinsichtlich jener bewilligungspflichtigen baulichen Anlagen, für die die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden kann, im Zweifel von Amts wegen oder auf Antrag des Eigentümers mit Bescheid festzustellen, ob das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist oder nicht. Das Vorliegen der Baubewilligung ist zu vermuten, wenn aufgrund des Alters der betreffenden baulichen Anlage oder sonstiger besonderer Umstände davon auszugehen ist, dass aktenmäßige Unterlagen darüber nicht mehr vorhanden sind, und überdies kein Grund zur Annahme besteht, dass die betreffende bauliche Anlage entgegen den zur Zeit ihrer Errichtung in Geltung gestandenen baurechtlichen Vorschriften ohne entsprechende Bewilligung errichtet worden ist. Anlässlich der Feststellung, wonach das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist, ist weiters der aus der baulichen Zweckbestimmung der betreffenden baulichen Anlage hervorgehende Verwendungszweck festzustellen.

(…)

Paragraph 38, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG lautet:

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

römisch fünf.           Erwägungen:

Kern der Beschwerde ist die Argumentation des Beschwerdeführers, dass sowohl dem gegenständlichen Beseitigungsauftrag als auch der gegenständlichen Benützungsuntersagung ein Baukonsens entgegenstehe.

Das Beschwerdeverfahren hat keine Anhaltspunkte erbracht, auf die die Rechtsansicht des Beschwerdeführers gestützt werden könnte.

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche etwa das Erkenntnis vom 24.02.2016, Ro 2015/05/0012, mwN) ist der Inhalt einer Baubewilligung den eingereichten und allenfalls im Zuge des Bauverfahrens geänderten, dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde gelegten Plänen und der Baubeschreibung zu entnehmen; die von der Behörde mit dem „Genehmigungsvermerk“ versehenen Pläne und Baubeschreibungen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Baubewilligung. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass ein Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist und daher das gegenständliche Projekt maßgeblich ist.

Der Spruch („Entscheidung“) des Baubescheides der Gemeinde römisch zehn vom 02.09.1958 ist hinsichtlich des bewilligten Bauobjektes eindeutig:

„(…)

1. Der geplante Neubau der Berghütte ist in öffentlicher Beziehung und nach den Amtlich genehmigten Plänen zulässig und wird daher genehmigt.“

(…)“

Welche Pläne unter „Amtlich genehmigte Pläne“ gemeint ist, ergibt sich unzweideutig aus dem „Plan zur Erbauung einer Berghütte auf der U“, welcher den Vermerk trägt:

„Genehmigt nach Maßgabe des Bescheides

vom 2. September 1958.

Gemeindeamt römisch zehn, 4. September 1958

                            Der Bürgermeister“

Bei diesem Plan handelt es sich um den bereits dem Bauansuchen vom 18.01.1958 beigegebenen und mit 17.01.1958 datierten Einreichplan. Im vorangeführten Plan sind die Grundrisse des Keller-, Erd-, und Obergeschosses, vier Ansichten (Süd, Nord, Ost und West) ein Querschnitt und die Lage dargestellt.

Für das Gericht ist das bewilligte Bauvorhaben mit dem expliziten Verweis im Spruch („Entscheidung“) des Bescheides auf diesen Einreichplan eindeutig. Dazu widersprüchliche weitere Ausführungen im Spruch des Bescheides finden sich nicht.

Nach der Judikatur der Höchstgerichte ist bei eindeutigem Spruch eines Bescheides dessen Begründung nicht zur Ergänzung oder Abänderung heranzuziehen (VwGH 27.04.1995, 92/17/0288; vergleiche zum Ganzen etwa die in Walter/Thienel, aaO, zu Paragraph 59, AVG E 19 bis 23, 37 bis 41, 47 bis 49 zitierte Rechtsprechung). Trotzdem erlaubt sich das Gericht anzumerken, dass auch in der dem Spruch („Entscheidung“) des Baubescheides vorangestellten Baubeschreibung die Rede von „…Eingang mit Waschcloset, 1 Wohnzimmer mit Kochnische, 2 Schlafräume…“ ist, also jene Räumlichkeiten angeführt werden, die sich in den amtlich genehmigten Plänen wiederfinden.

Der Beschwerdeführer geht in seinen Beschwerdeausführungen davon aus, dass mit dem Baubescheid vom 02.09.1958 in Wirklichkeit jener Baubestand bewilligt wurde, wie er sich heute darstellt und listet dafür zahlreiche aus seiner Sicht bestehende Indizien auf. All diese für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers argumentativ ins Treffen geführte Indizien ändern nichts an der (entscheidungswesentlichen) Tatsache, dass der Spruch des Baubescheides einen eindeutigen Inhalt hat, nämlich die baubehördliche Genehmigung des Neubaus einer Berghütte nach amtlich genehmigten Plänen. Bei den amtlich genehmigten Plänen handelt es sich – wie bereits aufgezeigt – um die mit 17.01.1958 datierten Einreichpläne, die, wie im Sachverhalt festgestellt, in wesentlichen Punkten im Widerspruch zu dem tatsächlich zur Ausführung gelangten Wochenendhaus stehen. Diese vorgenannten Pläne lassen keinen Interpretationsspielraum zu, woraus sich wiederum die Eindeutigkeit des normativen Teiles des Baubescheides (Spruch) ergibt.

Die festgestellten Abweichungen der Maße und der Lage des Bauobjektes von jenen des Bewilligungsbescheides von 1958 sind erheblich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit der Frage auseinandergesetzt, welche Abweichungen von der erteilten Baubewilligung in der Bauausführung dazu führen, dass in Ansehung der errichteten Baulichkeit von einem rechtlichen „aliud“ auszugehen ist, das von der erteilten Bewilligung nicht umfasst ist.

So hat der VwGH etwa in seinem Erkenntnis vom 25.09.2012, Zahl 2011/05/0023, zum Ausdruck gebracht, dass dann ein rechtliches „aliud“ anzunehmen ist, wenn ein Gebäude errichtet wurde, das in seinen Ausmaßen und seiner Höhenlage von der erteilten Baubewilligung eindeutig, und zwar nicht nur im Rahmen etwa von Messungenauigkeiten, abweicht, zumal die Baubewilligung für ein durch seine Größe und Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird, sodass ein Abweichen hievon eine neuerliche Baubewilligung erfordert (vergleiche dazu in etwa gleichlautend auch das Erkenntnis des VwGH vom 16.03.2012, Zahl 2010/05/0182).

In seinem Erkenntnis vom 27.05.2008, Zahl 2007/05/0138, stellte das Höchstgericht wiederum klar, dass die Baubewilligung für ein durch seine Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird, sodass für jedes Verrücken des Bauvorhabens eine neuerliche Baubewilligung erwirkt werden muss. Es sind zwar auch – so der VwGH weiter – Einzelfälle denkbar, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines rechtlichen „aliud“ auszugehen ist, dies aber nicht für einen Fall gelten kann, bei dem es nicht allein auf eine Verschiebung der Lage des Gebäudes um einige Zentimeter ankommt, sondern bei dem gerade durch diese Abweichung vom genehmigten Plan eine Unterschreitung der Mindestabstände eingetreten ist, zumal die Nichteinhaltung der Abstandsvorschriften jedenfalls als wesentliche Änderung anzusehen ist.

Im Lichte dieser Ausführungen des Höchstgerichtes ist nun für den vorliegenden Beschwerdefall festzuhalten, dass das auf dem Bauplatz **1 KG W vorhandene Wochenendhaus gleich in mehrfacher Hinsicht vom Baugenehmigungsbescheid vom 02.09.1958 abweicht.

Die geschilderten Veränderungen führen nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes zum klaren Ergebnis, dass das auf dem Bauplatz **1 KG W vorhandene Gebäude im Verhältnis zum genehmigten Wochenendhaus gemäß Baubewilligungsbescheid vom 02.09.1958 ein rechtliches „aliud“ darstellt, womit das Wochenendhaus auf dem Bauplatz über keinerlei Baukonsens verfügt.

Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall rechtlich davon auszugehen, dass auf dem Bauplatz **1 KG W kein rechtmäßiger Baubestand vorhanden ist. Der gegenständliche Beseitigungsauftrag (Spruchpunkt römisch eins.) als auch die verfügte Benützungsuntersagung (Spruchpunkt römisch II.) ergingen daher zu Recht. Lediglich die Leistungsfrist war mit Bedachtnahme auf den mit dem Beschwerdeverfahren verstrichenen Zeitraum neu zu bestimmen, wobei vom Landesverwaltungsgericht Tirol die Leistungsfrist so bemessen wurde, dass diese im Vergleich zum Verfahren der Erstinstanz nicht verkürzt und zudem auf die Jahreszeit Rücksicht genommen wurde. Dass die von der belangten Behörde festgesetzte Leistungsfrist zu kurz bemessen wäre, um die aufgetragene Beseitigung zu bewerkstelligen, hat der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht eingewandt.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass der Beseitigungsauftrag überschießend sei und stattdessen Umbaumaßnahmen zur Erreichung des bewilligten Baukonsenses zu verfügen gewesen wären, konnte schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil die auf dem Baubescheid vom 02.09.1958 beruhende Baubewilligung für ein aliud erteilt wurde. Der Einwand wiederum, dass anstatt des Beseitigungsauftrages ein Auftrag zur Einbringung eines nachträglichen Bauansuchens zu erteilen gewesen wäre, findet in der TBO 2018 keine Deckung.

Bei der belangten Behörde behängt auf Antrag des Beschwerdeführers ein Verfahren nach
Paragraph 29, Absatz eins, TBO 2011 (nunmehr wortgleich Paragraph 36, Absatz eins, TBO 2018) auf bescheidmäßige Feststellung, dass für das streitgegenständliche Wochenendhaus eine Baubewilligung zu vermuten ist. Der Beschwerdeführer hat beantragt, das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung über das Verfahren nach Paragraph 29, Absatz eins, TBO 2011 auszusetzen.

Gemäß Paragraph 38, AVG 1991 ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Erkenntnis zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Für eine Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung der belangten Behörde über das Verfahren nach Paragraph 29, Absatz eins, TBO 2011 bestand aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes kein Anlass. Gemäß Paragraph 29, TBO 2011 (nunmehr Paragraph 36, Tiroler Bauordnung 2018, Landesgesetzblatt Nr 28 aus 2018,) ist das Vorliegen der Baubewilligung nur dann zu vermuten, wenn aufgrund des Alters der betreffenden baulichen Anlage oder sonstiger besonderer Umstände davon auszugehen ist, dass aktenmäßige Unterlagen darüber nicht mehr vorhanden sind, und überdies kein Grund zur Annahme besteht, dass die betreffende bauliche Anlage entgegen den zur Zeit ihrer Errichtung in Geltung gestandenen baurechtlichen Vorschriften ohne entsprechende Bewilligung errichtet worden ist.

Das streitgegenständliche Wochenendhaus wurde im Jahr 1958 errichtet. Gerade für dieses Jahr finden sich in den gemeindlichen Bauakten Unterlagen zu einer beantragten Bebauung des damaligen Gst **1, KG W, mit einer Berghütte. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit eines alten Gebäudes aber das Fehlen behördlicher Unterlagen voraus (VwGH 24.04.2007, 2016/05/0031; VwGH 18.09.2000, 2000/17/0052).

Der Bewilligungsbescheid der Gemeinde römisch zehn vom 02.09.1958 verweist ausdrücklich auf Einreichunterlagen vom 18.01.1958, welche den Bauakten auch zu entnehmen sind, und steht der Bewilligungsgegenstand – wie aufgezeigt - unzweifelhaft fest. Dass über diesen Baubescheid hinaus ein weiterer die Bebauung des damaligen Gst **1, KG W, betreffender Baubescheid erlassen wurde, wird vom Beschwerdeführer erst gar nicht behauptet und finden sich dazu in den gemeindlichen Bauakten auch keine Anhaltspunkte.

Angesichts dieses Verfahrensergebnisses war gegenständlich auf die weiteren Beschwerdevorbringen des Rechtsmittelwerbers nicht mehr einzugehen. Aus denselben Überlegungen konnten gleichermaßen die vom Beschwerdeführer beantragten Beweisaufnahmen unterbleiben.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Paragraph 24, VwGVG sieht für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor. Unter gewissen Voraussetzungen kann das Gericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen. Dies ungeachtet des Parteienantrags, wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass keine mündliche Verhandlung beantragt wurde. Voraussetzung dafür ist, dass nicht durch ein Bundes- oder Landesgesetz eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist und dass die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Im gegenständlichen Fall waren lediglich Rechtsfragen zu behandeln und war somit eine mündliche Verhandlung nicht zielführend.

römisch VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Artikel 133, Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Schaber

(Richter)

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.42.2473.1