Gericht

Landesverwaltungsgericht Tirol

Entscheidungsdatum

16.07.2014

Geschäftszahl

LVwG-2014/43/0484-7

Text

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Mag. Julia Schmalzl über die Beschwerde der Frau BF, vertreten durch Rechtsanwalt, Adresse , gegen den Bescheid des Gemeinderats der Gemeinde B. vom 23.11.2013, Zl **** den

B E S C H L U S S

gefasst:

1.              Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderats der Gemeinde B. vom 23.11.2013, Zl **** wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 3, Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Gemeinde B. zurückverwiesen.

2.              Gegen diesen Beschluss ist gemäß Paragraph 25 a, VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

römisch eins.              Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen:

Am 14.5.2012 erstattete der hochbautechnische Sachverständige DI DU ein „bautechnisches Gutachten über allenfalls erforderliche Maßnahmen wegen Baugebrechen“ ua an dem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Wohnhaus auf Gst Nr ****, KG B.. Basierend auf einem ausführlichen und von einer detaillierten Fotodokumentation begleiteten Befund erstattete der hochbautechnische Sachverständige sein Gutachten und forderte die Umsetzung einer Mehrzahl von Maßnahmen. Auf Aufforderung des damaligen Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin übermittelte der hochbautechnische Sachverständige am 12.06.2012 eine Auflistung der notwendigen Maßnahmen (nicht enthalten der in seinem oe Gutachten als langfristig erforderlich angeführte Ausgleich von Böden an mehreren Stellen). Einleitend verwies er auf Paragraph 40, Absatz eins, TBO 2011, welcher die eheste Behebung von Baugebrechen, die die allgemeinen bautechnischen Erfordernisse beeinträchtigen, fordere. Im Einzelnen sollten folgende Mängel durch die jeweils angegebenen Maßnahmen innerhalb des angegebenen Zeitrahmens behoben werden:

1.              „Mangelnde Tragfähigkeit der Decke über EG im Wohnzimmer

Unterstellung der Decke im Wohnzimmer durch eine Reihe Stahlsteher im statisch erforderlichen Ausmaß, da der Fenstersturz kein tragsicheres Auflager für die Decke bietet. Es muss überprüft werden, inwieweit die Unterstellung bereits vom Keller aus mitgezogen werden muss (für den Fall, dass die Decke unterhalb eine Hohlkörperdecke ist). Der Estrich ist vorher im Bereich der Unterstellung zu entfernen, weil diese sonst zu weich gelagert wären.“ – 14 Tage

2.              „Mangelnde Tragfähigkeit des Sturzes beim Wohnzimmerfenster im EG

Austausch des Fenstersturzes des südlichen Wohnzimmerfensters.“ – 30 Tage

3.              „Kontrolle der Kamindichtheit

Kontrolle der Kamine durch einen Rauchfangkehrermeister auf Dichtigkeit.“ – 30 Tage

4.              „Anschlussfugen Holzkonstruktion am Mauerwerk

Obergeschoss: Verschließen aller Anschlüsse von Holzkonstruktionen an das Mauerwerk zur Erreichung einer angemessenen Luftdichtheit und einem ordentlichen Dampfdiffusionsverhalten.“ – bis spätestens 30.09.2012

5.              „Risse im Mauerwerk

Verschließen aller durchgehenden Risse im Mauerwerk.“ – bis spätestens 30.09.2012

6.              „Verspannung bei Fenstern / Dichtheit

Kontrolle des Spiels von Fenstern. Fenster nachjustieren und auf Dichtheit prüfen. – bis spätestens 30.09.2012

7.              „Verschiebungen und Quetschungen von Leitungen

An mehreren Stellen muss kontrolliert werden, ob durch die Risse/Bewegungen Leitungen betroffen sind und gegebenenfalls Freiraum geschaffen werden muss oder eine Reparatur fällig ist.“ – Bis spätestens 30.09.2012

8.              “Lose Wandbeläge

Kontrolle von losen Stellen hinter Fliesen und Reparatur.“ – bis spätestens 30.09.2012

9.              „Kontrolle des Dachstuhles

Kontrolle, ob durch die Horizontalbewegungen alle Sparren noch normgerecht auf den Pfetten aufliegen und gegebenenfalls reparieren.“ – bis spätestens 30.09.2012

Mit Bescheid vom 18.06.2012, Zl ****, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde B. der Beschwerdeführerin einen Instandsetzungsauftrag hinsichtlich der aus der obigen Auflistung wörtlich übernommenen Mängel, Maßnahmen und Fristen.

In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt , im Wesentlichen aus, dass der angefochtene Bescheid mit Feststellungsmängeln belastet sei. Unter Berufung auf die „statisch konstruktive Stellungnahme“ des BM GJ vom 04.07.2012 bzw 05.07.2012 (welche der Behörde zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt wurde, su) argumentierte sie zu den einzelnen festgestellten Mängeln bzw vorgeschriebenen Maßnahmen wie folgt:

ad 1.              Aus dem oe Gutachten des DI GJ ginge hervor, dass die Tragfähigkeit der Decke im ausreichenden Maß gegeben sei.

ad 2.              Entgegen dem Erstbescheid erscheine laut DI GJ eine Unterstellung auf das Parapet mittels zweier Kanthölzer samt Kopf- und Fußplatte leichter und einfacher herstellbar.

ad 3.              DI GJ erachte eine Überprüfung der Dichtheit des Kaminzugs angesichts dessen flexiblen Einbaus und der geringen Rissbreiten als nicht unbedingt notwendig. Eine Kontrolle durch den Bezirksrauchfangkehrermeister sei jedoch bereits in Auftrag gegeben worden.

ad 4.              DI GJ führe aus: „Die Dampfdichtheit zur Dachhaut zu verschließen ist nicht zielführend, da weitere Setzungen auf diesem Baugrund zu erwarten sind. Derzeit ist Sommer und keine große Gefahr für die Holzkonstruktion.“

ad 5.              Dieses Auftrags mangle es an Bestimmtheit. Es sei klärungsbedürftig, um in welcher Hinsicht „durchgehende“ (von außen nach innen, von oben nach unten,…) Risse es sich handle.

ad 6.              Die Kontrolle der Fenster sei schon bisher regelmäßig erfolgt.

ad 7.              „Verschiebungen und Quetschungen von Leitungen können nahezu ausgeschlossen werden, da die Hausbesitzer keine Schäden in der Elektrik oder in der Wasserleitungsführung bemerkt haben und weder der Strom in den einzelnen Hausbereichen ausgefallen ist, noch ein Wasserschaden besteht.“, so DI GJ.

ad 8.              Diesbezüglich sei eine laufende Kontrolle erfolgt.

ad 9.              DI GJ führe aus: „Wie schon bei Haus 26 beschrieben, ist der Dachstuhl verschraubt bzw genagelt und macht aufgrund seiner gelenkigen Anschlüsse die derzeit messbaren Deformationen sicherlich mit.“

Mit Eingabe vom 18.07.2012 wurde seitens der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Tragfähigkeit des Sturzes beim Wohnzimmerfenster durch Unterstellung mittels Kanthölzer auf dem Parapet hergestellt worden sei (siehe oben ad 2.). Hiezu übermittelte Fotos und des Weiteren eine Bescheinigung des Bezirksrauchfangkehrermeisters AB, wonach die Betriebsdichtheit der Rauchfänge gegeben sei.

Am 08.08.2012 langte bei der Gemeinde B. die „statisch konstruktive Stellungnahme“ des BM DI GJ vom 04.07.2012 bzw 05.07.2012 ein. Einleitend führt dieser aus, er sei beauftragt worden, „auf Grundlage der vorliegenden Situation und der besichtigten Mängeln statisch konstruktiv zu entscheiden, ob Gefahr in Verzug ist, weiters mit welchen Maßnahmen, sofern nötig, diese Situation bis zur rechtlichen Klärung stabilisiert werden kann“. Es folgt der Hinweis auf zur Verfügung stehende Unterlagen (ua der gegenständliche erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B.) und eine Beurteilung der „statisch konstruktiven Situation“, welcher die obigen Zitate entnommen sind. In Bezug auf die Mängel/Maßnahmen Punkt 1. und 2. führt DI GJ aus: „Bezug nehmend auf den Bescheid der Gemeinde B. ist hier folgender Sachverhalt dringend zu verbessern. Die Tragfähigkeit der Decke über OG (lt Bescheid als EG definiert) ist durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen. Der bestehende Spanntonfenstersturz besteht aus zwei wahrscheinlich sogar drei nebeneinander liegenden Überlagen wobei das innenraumseitige Überlagenauflager durch die Setzungsbewegung des Gebäudes und den zusätzlichen Zug in der der Deckenebene gebrochen ist. […] Um ein Abbrechen des Auflagers der Decke im Südosteck und im Weiteren den Verlust der Tragfähigkeit der Decke zu verhindern, hat der SV als Sofortmaßnahme die Unterstellung und das kraftschlüssige Aufkeilen der zum Innenraum liegenden Ziegelüberalge angeordnet. Entgegen dem Bescheid erscheint einer Unterstellung auf das Parapet mittels zweier Kanthölzer von 14/14cm in Nadelholz der Güte C24 mit Kopf- und Fußplatte aus einer Mehrschichtplatte und Hartholzkeinen, leichter und einfacher herstellbar, da eine Entfernung des Fußbodenaufbaus des Estrichs etc und eine zweigeschossige Unterstellung entfallen können.“

Mit Schreiben vom 03.10.2012 forderte der Gemeindevorstand als Baubehörde zweiter Instanz die Beschwerdeführerin auf bekanntzugeben, welche der im angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. angeführten Mängelbehebungen nach Ansicht des Sachverständigen DI GJ im Einzelnen nicht erforderlich seien und warum, welche der Mängel bereits behoben seien und welche der Mängel die Beschwerdeführerin innerhalb welcher Frist zu beheben gedenke.

Hierauf äußerte sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29.10.2012 und führte zu den einzelnen Punkten des angefochtenen Bescheids im Wesentlichen aus:

ad 1.              Die Decke über dem Erdgeschoß im Wohnzimmer weise eine ausreichende Tragfähigkeit auf.

ad 2.              Dies sei iSd DI GJ bereits erledigt – Verweis auf das Schreiben vom 18.07.2012.

ad 3.              Dies sei bereits erledigt – Verweis auf das Schreiben vom 18.07.2012.

ad 4.              Die Anschlüsse von Holzkonstruktionen an das Mauerwerk, an denen sich Risse gezeigt haben, seien ordnungsgemäß verschlossen worden. Wegen der zu erwartenden weiteren Setzung sei die Herstellung der Dampfdichtheit zur Dachhaut derzeit nicht zielführend.

ad 5.               Die Risse im Mauerwerk, insbesondere der bis ins Freie führende Riss im Obergeschoß, seien bereits geschlossen worden.

ad 6.              Die Kontrolle der Fenster und deren Nachjustierung seien erfolgt.

ad 7.              Diesbezüglich führt die Beschwerdeführerin aus wie bereits in ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B.

ad 8.              Kontrolle und Reparatur seinen erfolgt.

ad 9.              Hier verweist die Beschwerdeführerin wiederum auf die Ausführungen des DI GJ, dass der Dachstuhl auf Grund seiner Ausführung die bisherigen Deformationen „mitgemacht“ habe.

Da sämtliche zu diesem Zeitpunkt sinnvolle Maßnahmen erledigt worden seien, sei der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben.

Der von der Gemeinde B. wiederum befasste Sachverständige DI DU merkte zu Punkt 9. der mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters vorgeschriebenen Maßnahmen in einer Stellungnahme vom 19.11.2012 an, dass er die Einschätzung des DI GJ teile, sofern es sich bei der Setzungsbewegung um ein Drehung handle. „Sobald aber Translationen im Spiel sind, kann eine Verschraubung oder „nur“ Nagelung nicht ausreichen, ein Abrutschen eines Sparrens von einer Pfette zu verhindern. Da bei der Firstpfette die Auflagebreite im schadlosen Zustand nur 8 cm beträgt, kann eine Translation zum einen eben wegen einer Nagelung oder Verschraubung zu einer Zerstörung des Auflagers oder Sparrenkopfes führen und zum anderen ein Abrutschen des Sparrens von der Pfette bewirken.“ Zu Punkt 7 führte er aus, dass die Verschiebung und Quetschung von Leitungen nach Begutachtung durch den Sachverständigen DI GJ ausgeschlossen werden könne.

Mit Schriftsatz vom 23.01.2013 stellte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat der Gemeinde B., welchem mit Bescheid vom 03.07.2013, Z. ****, Folge gegeben wurde. Dieser Bescheid blieb unangefochten.

Der im Devolutionsweg zuständig gewordene Gemeinderat der Gemeinde B. entschied schließlich mit Bescheid vom 04.07.2013, Zl ****, und wies die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, dass die gegenständlichen Mängel behoben worden seien und es daher auf Seiten der Beschwerdeführerin an einer Beschwerde mangle. Hiebei berief er sich auf einen am 12.03.2013 durch DI DU durchgeführten Lokalaugenschein. DI DU habe festgestellt, dass der schwerwiegendste Mangel des defekten Sturzes im Wohnzimmer so behoben worden sei, dass die Gefahr des Versagens des Tragwerks nicht mehr bestehe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch RA, rechtzeitig Vorstellung und begründete diese im Wesentlichen damit, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 18.06.2012 derart mangelhaft sei, dass er als Titel eines Vollstreckungsverfahrens nicht in Frage komme. Aus dem „baupolizeilichen Verhalten“ der Gemeinde B. sei nicht erkennbar, welche Schäden vorhanden und welche Maßnahmen sinnvoll zu setzen seien (hiezu verweist er insbesondere auf deren Schreiben vom 3.10.2012). Die Beschwerdeführerin hingegen habe die von dem ihrerseits beigezogenen Sachverständigen für notwendig und sinnvoll erachteten Sanierungsarbeiten ausgeführt – selbst der Gemeinderat der Gemeinde B. führe im angefochtenen Berufungsbescheid aus, dass die im Bescheid vorgeschriebenen Mängel erledigt worden seien. Da somit im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde die materiellen Voraussetzungen für die Erlassung des Erstbescheids nicht mehr vorgelegen hätten, wäre letzterer ersatzlos zu beheben gewesen. Im Übrigen tue sich eine verfassungsrechtliche Lücke dahingehend auf, dass Verwaltungsorgane ihr Amt im vorliegenden Fall eines Instandsetzungsverfahrens ausüben dürften, obwohl sie doch bereits im Verfahren zur Erteilung der Baubewilligung für dasselbe Objekt tätig gewesen seien.

Mit Bescheid vom 04.09.2013, Zl ****, gab die Tiroler Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführerin statt, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde B. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass von einer mangelnden Beschwer, auf die sich der Bescheid des Gemeinderats der Gemeinde B. vom 04.07.2013 berufe, im amtswegigen baupolizeilichen Verfahren schon rein begrifflich nicht gesprochen werden könne. Vielmehr hätte der Gemeinderat die seinerzeitige Berufung inhaltlich erledigen und über die Zulässigkeit und Vollstreckbarkeit der vom Bürgermeister der Gemeinde B. vorgeschriebenen Maßnahmen absprechen müssen. Dadurch, dass der Gemeinderat der Gemeinde B. die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen habe, sei dessen Berufungsbescheid mit dem gleichen Inhalt wie der erstinstanzliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Dieser Berufungsbescheid sei nach Ansicht der Vorstellungsbehörde im Übrigen ua mangels Festsetzung neuer Fristen – die Fristen seien zum Teil im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheids bereits abgelaufen bzw widersprüchlich gewesen – einer Vollstreckung nicht zugänglich. Zur Frage des für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Instandsetzungsauftrags maßgeblichen Zeitpunkts wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach diesbezüglich auf die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids abzustellen ist. Auf allfällige, nach diesem Zeitpunkt erfolgte Mängelbehebungen sei nicht Bedacht zu nehmen. Darüber hinaus führte die Vorstellungsbehörde aus, dass der Ausschlussgrund des Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 5, (gemeint wohl: Ziffer 4,) AVG wegen Befangenheit nur innerhalb ein und desselben Verfahrens gelten könne und verweist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach allein aus der Tatsache, dass ein Organwalter schon in einem anderen Verfahren derselben Partei (hier: im Bauverfahren) entschieden habe, keine Befangenheit abgeleitet werden könne.

Daraufhin erging der Bescheid des Gemeinderats der Gemeinde B. vom 23.11.2013, Zl ****, mit welchem die im erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 18.06.2012, Zl ****, vorgesehen Fristen von 14 und 30 Tagen auf „14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung“ bzw „30 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung“ abgeändert wurden. Statt „bis spätestens 30.09.2012“ habe es nun zu heißen „4 Monate ab Rechtskraft der Entscheidung“. Es erfolgte weiters eine Konkretisierung der in Punkt 2.1 des bautechnischen Gutachtens des Baumeisters DI DU vom 14.05.2012 angeführten Risse im Mauerwerk:

a.              Riss in der Südostecke des Wohnzimmers im Erdgeschoß;

b.              Riss im Innenteil des aus Spanntonträgern bestehenden Sturzes über dem Fenster;

c.              Riss im 1. Stock in der Ostwand beim Übergang vom innenliegenden tragenden Mauerwerk und dem dickeren gegen Außenluft liegenden Mauerwerk;

d.              Riss im Bereich des Kachelofens;

e.              Riss im Hausgang und im Stiegenhaus.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch RA, mit Eingabe vom 12.12.2013, rechtzeitig Vorstellung und erhob zunächst sein gesamtes bisheriges Vorbringen zu deren Inhalt. Darüber hinaus führte sie aus, dass eine Befangenheit iSd Paragraph 7, AVG vorliege, da die gegenständlichen Schäden am Haus der Beschwerdeführerin, in der vormaligen Nutzung des Grundstücks als Deponie durch die Gemeinde B. und dessen daraus resultierender unregelmäßigen Senkung begründet seien. Die Gemeinde B. habe das Grundstück an die Beschwerdeführerin verkauft – ein uneingeschränkter Schadenersatzanspruch letzterer gegen die Gemeinde sei bereits gerichtlich rechtskräftig festgestellt worden. Es bestünden daher massive wirtschaftliche Interessen der Gemeinde B., weshalb das gegenständliche Instandsetzungsverfahren ebenso wie die Bewilligung des Sanierungskonzepts, äußerst zögerlich abgeführt würde. So sei auch der verfahrensgegenständliche und offensichtlich schikanöse Erstbescheid auf Grundlage einer völlig oberflächlichen und kursorischen technischen Beurteilung erlassen worden. Die Beschwerdeführerin habe von Anfang an die nach der Einschätzung des von ihr beigezogenen höchst qualifizierten Sachverständigen erforderlichen Maßnahmen gesetzt weshalb das mangelhafte baupolizeiliche Instandsetzungsverfahren zu keiner Zeit erforderlich war. Die notwendige Sanierung des Gebäudes hingegen könne auf Grund der durch die Gemeinde verursachten Verzögerungen nicht in Angriff genommen werden, sodass wegen der progressiv fortschreitenden Setzung des Untergrunds inzwischen wesentlich umfassendere Maßnahmen erforderlich seien. Als „Vorstellungsgründe“ macht die Beschwerdeführerin geltend, dass eine Beurteilung der Sachlage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 18.06.2012, Zl ****, trotz Modifizierung der Fristen durch die Berufungsbehörde nicht zielführend sei, weil die Innensanierung mittlerweile bereits erfolgt sei. Darüber hinaus seien die einzelnen Vorschreibungen einer Vollstreckbarkeit ohnehin nicht zugänglich, da „einzelne Punkte am 18.06.2012 bereits erledigt (zB diverse Kontrollen etc), einzelne Punkte auch für einen Fachmann mangelhaft konkretisiert und definiert und wieder andere „gar nicht vorhanden“ (zB Verschiebung und Quetschung von Leitungen, etc)“ seien.

Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht legte die Beschwerdeführerin die „Geotechnischen Stellungnahmen“ des DI KU vom 30.10.2006, vom 04.07.2008 und vom 08.07.2013 vor. Im Rahmen des ihr hiezu eingeräumten Parteiengehörs übermittelte die belangte Behörde das Schreiben des DI DU vom 30.05.2014, in welchem dieser ausführte, dass die genannten Gutachten hinlänglich bekannt seien. Er räumte weiters ein, dass der zeitliche Verlauf der Messergebnisse, wie in der Stellungnahme des DI KU vom 08.07.2013 dargestellt, auf kein Abklingen der Setzungsbewegung schließen ließe.

römisch II.              Rechtslage:

Paragraph 7, Absatz eins, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr 51 aus 1991, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 161 aus 2013,

Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:

1.              in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (Paragraph 36 a,) oder einer ihrer Pflegebefohlenen beteiligt sind;

2.              in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;

3.              wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;

4.              im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (Paragraph 64 a,) mitgewirkt haben.

Paragraph 40, Absatz eins, Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), Landesgesetzblatt Nr 57 aus 2011, in der Fassung Landesgesetzblatt Nr 130 aus 2013,

Bewilligungspflichtige bauliche Anlagen sind in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten. Sonstige bauliche Anlagen sind in einem solchen Zustand zu erhalten, dass den Erfordernissen der Sicherheit entsprochen und das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt wird. Treten an einer baulichen Anlage Baugebrechen auf, durch die allgemeine bautechnische Erfordernisse beeinträchtigt werden, so sind sie ehestens zu beheben.

Paragraph 40, Absatz 2, TBO 2011

Wird den Verpflichtungen nach Absatz eins, nicht entsprochen, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Instandsetzung innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. Liegen jedoch Baugebrechen vor, die eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts-, Straßen- oder Landschaftsbildes bewirken und deren Behebung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren gänzlichen oder teilweisen Abbruch aufzutragen.

Paragraph 28, Absatz 3, Satz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 33 aus 2013,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 122 aus 2013,

Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

römisch III.              Erwägungen:

Voranzustellen ist, dass mit 01.01.2014 gemäß Artikel 151, Absatz 51, Ziffer 8, B-VG zahlreiche Verwaltungsbehörden aufgelöst wurden. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31.12.2013 bei diesen Behörden anhängigen Verfahren sowie der bei den Aufsichtsbehörden anhängigen Verfahren über Vorstellungen (Artikel 119 a, Absatz 5, B-VG) geht auf die Verwaltungsgerichte über.

Zu den Beschwerdepunkten ist im Einzelnen festzuhalten:

a.              Befangenheit

Wie bereits die Vorstellungsbehörde in ihrem Bescheid vom 05.09.2013, Zl ****, zutreffend ausführt, kommt der Befangenheitsgrund des Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 4, AVG gegenständlich nicht zum Tragen. Die Tatsache, dass der Bürgermeister der Gemeinde B. als Baubehörde bereits die Baubewilligung für das gegenständliche Objekt erteilt hat, ist demnach unbeachtlich. Überhaupt wäre eine allfällige Befangenheit des Bürgermeisters durch die Berufungsentscheidung des Gemeinderats – dass bei diesem Befangenheit vorliegen soll, kann auf Grund des abstrakten Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden – geheilt. Auf Grundlage des Akteninhalts kann im gemeindlichen Verfahren weder eine unzumutbare Zeitverzögerung noch eine „schikanöse“ Vorgehensweise erblickt werden, sodass eine Beanstandung nach Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 3, AVG ebenso wenig in Betracht kommt. Ob allenfalls die Tätigkeit der Baubehörde im Verfahren zur Erteilung der Baugenehmigung für ein umfassendes Sanierungsprojekt zu beanstanden ist, liegt außerhalb des Gegenstands des vorliegenden Verfahrens.

b.              Beurteilungszeitpunkt

Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist eindeutig zu entnehmen, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Instandsetzungsauftrags auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids abzustellen ist. Der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 18.06.2012 wurde durch Zustellung an die Beschwerdeführerin am 21.06.2012 erlassen, weshalb für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde insbesondere irrelevant ist, welche Sanierungsmaßnahmen seit diesem Zeitpunkt vorgenommen wurden.

c.              Rechtmäßigkeit der vorgeschriebenen Instandsetzungsmaßnahmen

Der oben zitierte Paragraph 40, TBO 2011 schreibt der Baubehörde im Detail vor, wie sie bei Vorliegen eines Baugebrechens iSd Paragraph 40, Absatz eins, letzter Satz TBO 2011 vorzugehen hat. Wird der Eigentümer der baulichen Anlage nicht von sich aus tätig, ist deren Instandsetzung aufzutragen (Paragraph 40, Absatz 2, erster Satz TBO 2011). Einen grundlegend anderen Weg hat die Baubehörde jedoch einzuschlagen, wenn die Behebung von Baugebrechen, welche eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts-, Straßen-oder Landschaftsbildes bewirken, technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Dann muss nach Paragraph 40, Absatz 2, letzter Satz TBO 2011 der gänzliche oder teilweise Abbruch der baulichen Anlage aufgetragen werden.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin stützt sich unter anderem darauf, dass weitere Setzungen auf dem Baugrund zu erwarten seien, weshalb die Umsetzung von Instandsetzungsmaßnahmen nicht zielführend sei. Damit zielte sie auf jenen Wirtschaftlichkeitsfaktor ab, der gemäß Paragraph 40, Absatz 2, letzter Satz TBO 2011 Berücksichtigung finden muss. Sollte man nämlich zu dem Schluss kommen, dass aufgrund fortschreitender Setzung des Untergrundes laufend Instandsetzungsmaßnahmen vorgeschrieben werden müssten, um einen gesetzmäßigen Zustand zu gewährleisten, wäre es durchaus denkbar, dass die so über eine längere Zeitspanne auflaufenden Kosten die Aufwendungen für einen Abbruch und Neubau übersteigen könnten. In einem solchen Fall käme entsprechend den obigen Ausführungen eine Instandsetzung nicht in Frage sondern müsste ein Abbruchauftrag ergehen.

Wie oben zu Punkt römisch III.b. ausgeführt, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung, ob der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 18.06.2012, erlassen am 21.06.2012, auf Grundlage der damaligen Sach-und Rechtslage zu Recht erging. Im Zusammenhang mit den obigen Ausführungen ist daher insbesondere relevant, ob die Baubehörde erster Instanz zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen musste, dass sich der Untergrund unter dem gegenständlichen Gebäude auch weiterhin in Bewegung befindet. Diesbezüglich kann der von der Beschwerdeführerin dem Landesverwaltungsgericht vorgelegten „Geotechnischen Stellungnahme“ des DI KU vom 30.10.2006 Folgendes entnommen werden: „Eine Prognose des Setzungsverlaufs ist nicht möglich. Es ist aber davon auszugehen, dass weitere Bewegungen auftreten werden, welche erneut zu Schäden führen können.“ Dem Schreiben des Rechtsvertreters der Gemeinde B. vom 03.04.2014 wiederum ist zu entnehmen, dass ebendiese Stellungnahme in einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Beschwerdeführerin und der Gemeinde B. vorgelegt wurde. Des Weiteren liegt dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 18.06.2012 das Gutachten des hochbautechnischen Sachverständigen DI DU vom 14.05.2012 zu Grunde, in dem Letzterer sich ausdrücklich auf die genannte Stellungnahme des DI KU bezieht und wiederholt darauf hinweist, dass sich der Zustand des gegenständlichen Gebäudes seit seiner letzten Begehung im Jahr 2008 wesentlich verschlechtert habe.

Wie oben gezeigt, durfte der Bürgermeister der Gemeinde B. zum Zeitpunkt der Erlassung seines Bescheids vom 18.06.2012 nicht annehmen, dass der Untergrund unter dem verfahrensgegenständlichen Gebäude zur Ruhe gekommen ist. Es wäre daher angezeigt gewesen, im Sinne der obigen Ausführungen zunächst die wirtschaftliche Vertretbarkeit einer Instandsetzung zu ermitteln. Erst auf Grund des Ergebnisses dieser Ermittlungen wäre für die Baubehörde festgestanden, ob sie mittels Instandsetzungsauftrag nach Paragraph 40, Absatz 2, erster Satz TBO 2011 oder – ganz im Gegenteil – mittels Abbruchauftrag nach Paragraph 40, Absatz 2, zweiter Satz TBO 2011 vorzugehen gehabt hätte.

Somit verbleiben eklatante Lücken im festgestellten Sachverhalt, da der maßgebliche Ermittlungsschritt, ob eine Instandsetzung des gegenständlichen Gebäudes zum relevanten Zeitpunkt überhaupt wirtschaftlich vertretbar war, gänzlich unterblieb. Daher war spruchgemäß zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen, da es sich gegenständlich um eine reine Rechtsfrage handelt.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass ungeachtet der Erforderlichkeit weiterer Ermittlungstätigkeit im Bedarfsfall zusätzlich ein Vorgehen nach Paragraph 40, Absatz 3 und 4 TBO 2011 durch die Baubehörde zu prüfen ist.

römisch fünf.              Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Artikel 133, Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Julia Schmalzl

(Richterin)

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGTI:2014:LVwG.2014.43.0484.7