Gericht

Landesverwaltungsgericht Steiermark

Entscheidungsdatum

20.07.2017

Geschäftszahl

LVwG 47.2-1376/2017

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Drexel über die Beschwerde der Frau M K, geb. xx, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 02.02.2017, GZ: 9.10-369-1991,

z u R e c h t e r k a n n t:

römisch eins.       Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde mit der Maßgabe

F o l g e g e g e b e n ,

dass der Spruch wie folgt zu lauten hat:

„Frau M K, geb. xx, wird gemäß Paragraph 9, Absatz 2, Litera a, Steiermärkisches Sozialhilfegesetz ein monatlicher Zuschuss zur 24-Stundenbetreuung für Oktober 2016 € 257,04 und für die Monate November und Dezember 2016 jeweils in der Höhe von € 321,26, sowie ab 01.01.2017 von € 322,40 monatlich auf die Dauer unveränderter wirtschaftlicher und persönlicher Verhältnisse gewährt.“

römisch II.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Paragraph 25 a, Verwaltungsgerichtshofgesetz
(im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen wurde der Antrag von Frau M K auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form eines Kostenzuschusses zu den monatlichen Kosten der 24-Stundenbetreuung abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass die beantragte Leistung nicht unter die Kosten gemäß Paragraph 9, des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes falle, sondern aus Sicht der belangten Behörde unter soziale Dienste im Abschnitt C des StSHG zu subsumieren sei. Für die Gewährung der Inanspruchnahme der 24-Stundenbetreung sei die Gemeinde zuständig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig eine Beschwerde und beantragte Kosten in der Höhe von monatlich € 500,00. In der Sache selbst wurde im Rechtsmittel ausgeführt, dass sich die Kosten für den allgemeinen Lebensbedarf der Beschwerdeführerin wie folgt gestalten würden: 24-Stundenpflege € 1.365,47 seit 01.01.2017, monatliche Stromzahlung € 124,00, monatliche Heizkosten € 70,00, monatliche Lebensmittel € 600,00, monatliche Putz- und Waschmittel € 50,00, monatliche Hygieneartikel € 88,44, Servicegebühr für die Agentur € 72,00. Ebenfalls kämen noch Krankentransportkosten nach Bedarf dazu.

Die Beschwerdeführerin führte dazu aus, dass in der Regelung des Paragraph 9, Stmk. SHG eine Rechtsgrundlage für eine ergänzende finanzielle Unterstützung gegeben sei, mit der ein weiterer Verbleib der Beschwerdeführerin in der privaten Wohnumgebung gesichert werde und ein von ihr nicht gewünschter und auch für die öffentliche Hand mit wesentlichen Kosten verbundener Heimaufenthalt vermieden werden könne. Das Sozialhilfegesetz kenne zum einen die in Abschnitt 2.A geregelten Leistungen der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, als Leistung mit Rechtsanspruch und in Ergänzung dazu, als sogenannte Kann-Leistung die in Abschnitt 2.B geregelten Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen und in Abschnitt 2.C geregelten Leistungen der sozialen Dienste. Schon aus diesem Aufbau in Verbindung mit den Zielen der Sozialhilfe leite sich klar ab, dass primär zu prüfen sei, ob die Anspruchsvoraussetzungen einer Leistung mit Rechtsanspruch erfüllt seien. Im Bereich einer Leistung mit Rechtsansprüchen könne die Behörde eine abweisende Entscheidung nicht mit einem Verweis auf mögliche Kann-Leistungen der Sozialhilfe begründen, würde doch sonst der Charakter der Rechtsanspruchsleistung klar unterlaufen werden. Es bestünde etwa der Rechtsanspruch auf eine richtsatzgemäße Geldleistung verbunden mit einer Einmalhilfe und in Ergänzung dazu weiters die Kann-Leistung der Hilfe in besonderen Lebenslagen. Das Sozialhilfegesetz definiere den Begriff „Pflege“ in Paragraph 9, Stmk. SHG mit der Erforderlichkeit jener Tätigkeiten zu denen aufgrund des körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes die eigene Fähigkeit der Verrichtungen fehle. Ergänzend dazu könne auf die einstufungsrelevanten Tätigkeiten gemäß Bundespflegegesetz rekurriert werden. Im gegenständlichen Fall seien die Kosten der 24-Stundenbetreuung und die an die Vermittlungsagentur zu zahlenden Servicegebühren klar dem Bereich „Pflege“ iSd
§ 9 SHG zuzurechnen. Diese Kosten übersteigen das bestehende Pflegegeld bei weitem. Es werde mit Nachdruck zu bedenken gegeben, dass wenn Frau M K in ein Pflegeheim übersiedeln würde und die Deckung der Restkosten nach Paragraph 13, SHG beantragt werden würden, sie als Bezieherin eines Pflegegeldes der Stufe 5 nach Wortlaut des Paragraph 13, Absatz eins, SHG auf jeden Fall Anspruch auf die Deckung hätte. Bei Heimkosten von monatlich € 3.673,00 und einem Pensions- und Pflegegeldeinkommen von € 1.758,00, einem Eigenkostenanteil von 80 % davon, somit € 1.406,00 würde im Rahmen der Heimkostendeckung öffentliche Kosten der Sozialhilfe von € 2.269,00 anfallen. Dieser Betrag wäre mehr als das Vierfache des beantragten Ergänzungsbetrages von € 500,00 um die bestehende Betreuung zu Hause zu sichern. Dieses Ergebnis würde einerseits grob dem Wunsch und Bedürfnis von M K und andererseits ebenso grob dem Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit öffentlicher Ausgaben widersprechen, so dass auch aus diesen Gründen die angeführte Regelung des Paragraph 9, Absatz 2, Litera a, StSHG als geeignete Rechtsgrundlage für eine Geldleistung zur Deckung einer Finanzierungslücke in der häuslichen Betreuung gesehen werde. Zusammenfassend wurde der Antrag gestellt den nunmehr bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass gemäß Paragraph 9, Absatz 2, SHG Kosten der Hilfe zur mobilen Pflege in der Höhe von monatlich € 500,00 gewährt werden.

Das Verwaltungsgericht kann gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG außerhalb des Anwendungsbereichs des Artikel 6, EMRK von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass "die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt". Dies ist dann der Fall, wenn von vornherein absehbar ist, dass eine mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre vergleiche VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017). Eine weitere Beweisaufnahme war nicht erforderlich und wurde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

Herr W K, der Sohn von Frau M K hat am 07.10.2016 für Frau M K, geb. xx, wohnhaft in G, römisch zehn, bei der belangten Behörde einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form eines Kostenzuschusses zu den monatlichen Kosten der 24-Stundenbetreuung eingebracht.

Im Jahr 2016 hat die Beschwerdeführerin eine Witwenpension in der Höhe von
€ 464,12 sowie eine Ausgleichszulage in der Höhe von € 418,66 und Pflegegeld der Pflegestufe 5 (€ 920,30) erhalten. Davon sind € 45,02 als Krankenversicherungs-betrag in Abzug zu bringen. Die Witwenpension beträgt seit 01.01.2017 € 467,83, die Ausgleichszulage € 422,01 abzüglich Krankenversicherungsbetrag von € 45,38, das Pflegegeld ist unverändert. Seit 01.02.2015 werden der Beschwerdeführerin vom Sozialministeriumservice Zuschüsse zur 24-Stundenbetreuung gewährt, wobei diese seit 01.04.2015 monatlich € 275,00 betragen. Die Beschwerdeführerin hat einen Werkvertrag über Leistungen in der Personenbetreuung gemäß Paragraph 159, GewO mit Frau B N abgeschlossen. Darin wurde vereinbart, dass das Vertragsverhältnis am 01.10.2016 beginnt und als Entgelt wurden € 1.100,00 monatlich festgelegt. Dazu wurden noch € 80,00 Transportkosten sowie € 181,12 für die Sozialversicherung verrechnet. Die Vermittlungsgebühr der Vermittlung von 24-Stunden-Personenbetreuung durch Frau Mag. Z E beträgt monatlich € 72,00. Die Beschwerdeführerin benötigt monatlich Hygieneartikel im Ausmaß von € 83,44. Als Vertragsgegenstand ist die Erbringung folgender Leistungen der Auftraggeberin festgelegt:

a)           Haushaltsnahe Dienstleistungen, insbesondere

-      Zubereitung von Mahlzeiten

-      Vornahme von Besorgungen

-      Reinigungstätigkeiten

-      Durchführung von Hausarbeit

-      Durchführung von Botengängen

-      Sorgetragung für ein gesundes Raumklima

-      Betreuung von Pflanzen und Tieren

-      Wäscheversorgung (Waschen, Bügeln, Ausbessern)

b)           Unterstützung bei der Lebensführung

-      Gestaltung des Tagesablaufs

-      Hilfestellung bei alltäglichen Verrichtungen

c)           Gesellschafterfunktion, insbesondere

-      Gesellschaft leisten

-      Führen von Konversation

-      Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kontakte

-      Begleitung bei diversen Aktivitäten

Als Ergänzung wurde angeführt:

-      Einordnen von Medikamente

-      Anlegen von Bandagen und Verbänden

-      Anziehen von Anti-Thrombose-Strümpfen

-      Blutentnahme zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels

-      Verabreichung von subkutanen Insulininjektionen und subkutanen Injektionen von blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln.

Ein weiterer Vertrag mit Frau R A liegt ebenfalls vor (Betreuungsbeginn 01.06.2017). Die Sozialversicherung wurde dabei geringfügig auf € 182,26 angehoben.

Die Beschwerdeführerin verfügt über kein Barvermögen und keine Spareinlagen, hat kein Vermögen und ist Inhaberin eines Kontos bei der Volksbank Steiermark.

Die Heimkosten für Personen mit Pflegestufe 5 betragen täglich € 121,69 (davon
€ 64,31 für die Heimkomponente sowie € 57,38 an Pflegebetreuung).

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich im Wesentlichen auf den dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorgelegten Akt der Bezirkshauptmannschaft Liezen. Weiters wurden ein Schreiben über die Leistungshöhe ab 01.01.2017 von der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau sowie ein Schreiben des Sozialministeriums vom 10.03.2017 vorgelegt. Aus dem Schreiben des Sozialministeriums ergibt sich zweifelsfrei, dass der Zuschuss der Kosten nach wie vor € 275,00 betrage. Aus einem Schreiben der Vermittlung von 24-Stunden-Betreuung durch Mag. Z E aus W, K ergibt sich, dass die Vermittlungsgebühr monatlich € 72,00 (dies inklusive USt.) beträgt. Die Beschwerdeführerin bzw. ihr Sohn haben auch eine eidesstaatliche Erklärung (12.07.2017) vorgelegt, in der angegeben wird, dass kein Bausparvertrag, keine Er- und Ablebensversicherung, keine Liegenschaft, kein Vermögen und kein Übergabsvertrag vorliegen.

Der beantragte Betrag von € 500,00 an Zuschuss wurde zwar vom Sohn der Beschwerdeführerin immer wieder genannt, doch kann diese Summe nicht belegt werden. Dieser beantragte Betrag lässt sich weder aus den übermittelten Kontoauszügen ersehen, noch wurde in einer anderen glaubwürdigen Form nachvollziehbar dargelegt, dass für Pflegeleistungen ein Differenzbetrag in dieser Höhe besteht, sodass davon auszugehen ist, dass es sich um eine Schätzung handelt. Die Höhe der Kosten für die Heimunterbringung wurden von der belangten Behörde angegeben und sind nachvollziehbar. Da hinsichtlich der Hygieneartikel zwar einzelne Rechnungen vorliegen, jedoch keine Angaben über den tatsächlichen Bedarf, wurden die vom Sohn der Beschwerdeführerin angegebenen Kosten mit
€ 83,44 als glaubwürdig angenommen. Hinsichtlich der angegebenen Kosten für Lebensmittel in der Höhe von € 600,00 ist festzustellen, dass diese mehr als doppelt so hoch veranschlagt wurden, wie sie durchschnittlich ausfallen, ohne dass die Beschwerdeführerin auf einen besonderen Ernährungsbedarf hingewiesen hat. Allerdings scheinen die angegebenen (hohen) Ausgaben in Summe insofern nicht verfahrensrelevant, da sie sich von der Pension (ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen) gerade noch abdecken lassen.

Rechtliche Beurteilung:

Die für das Verfahren wesentlichen Bestimmungen des StSHG lauten auszugsweise:

Paragraph eins, StSHG:

„Aufgaben der Sozialhilfe

(1) Durch die Sozialhilfe soll jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

(2) Die Sozialhilfe umfasst:

           a)     Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs,

           b)     Hilfe in besonderen Lebenslagen,

           c)     Soziale Dienste.

(3) Die Sozialhilfe ist zu gewähren, um eine bestehende Notlage zu beseitigen oder eine drohende Notlage abzuwenden. Sie ist fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern.“

Paragraph 4, StSHG:

„Voraussetzung der Hilfe

(1) Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes besteht für Personen, die den Lebensbedarf für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes ein Rechtsanspruch.“

Paragraph 5, StSHG:

„Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfe ist nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.“

Paragraph 7, StSHG:

„Lebensbedarf

(1) Zum Lebensbedarf gehören:

a)        der Lebensunterhalt (Paragraph 8,);

b)        die erforderliche Pflege (Paragraph 9,);

c)        die Krankenhilfe (Paragraph 10,);

(2) Der ausreichende Lebensbedarf ist durch geeignete Maßnahmen zu sichern. Je nach Bedarf und Zweckmäßigkeit werden gewährt:

           a)     Geldleistungen:

                   1.     als richtsatzgemäße Geldleistungen, wenn Sozialhilfe voraussichtlich
                                           über einen längeren Zeitraum zu gewähren sein wird;

                   2.     zur Kostendeckung einer notwendigen Heim- oder Anstalts-
                                           unterbringung;

                   3.     für einmalige Unterstützungen.

           b)     Sachleistungen,

wie insbesondere Unterkunft, Bekleidung und Lebensmittel. Sachleistungen sind vor allem dann zu gewähren, wenn eine zweckentsprechende Verwendung einer Geldleistung nicht gesichert ist oder erwartet werden kann.“

Paragraph 9, StSHG:

„Erforderliche Pflege

(1) Zum Lebensbedarf gehört jene Pflege, die erforderlich wird, wenn auf Grund des körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes die Fähigkeit fehlt, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen.

(2) Die erforderliche Pflege umfasst

              a)           die mobile Pflege;

              b)           die Pflege in geeigneten stationären Einrichtungen;

              c)           die Versorgung mit Pflegemitteln und Pflegebehelfen.

Kosten der Hilfe zu mobiler Pflege sind bis zu jenem Betrag zu gewähren, der vergleichsweise für dieselben Leistungen in einer stationären Einrichtung anfällt.“

Paragraph 15, StSHG:

„Art, Umfang und Voraussetzungen

(1) Hilfe in besonderen Lebenslagen kann Personen gewährt werden, die auf Grund ihrer besonderen persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse oder infolge außergewöhnlicher Ereignisse sozialer Gefährdung ausgesetzt sind und zur Eingliederung in die Gemeinschaft und das Erwerbsleben oder zur Festigung der Stellung in der Gemeinschaft und im Erwerbsleben der Hilfe bedürfen.

(2) Die Hilfe in besonderen Lebenslagen besteht in:

           a)   Hilfe zum Aufbau und zur Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage;

           b)   wirtschaftlicher oder personeller Hilfe zur Überbrückung außergewöhnlicher
               Notstände;

           c)   Hilfe zur Behebung oder Linderung eines körperlichen, geistigen oder
               psychischen Notstandes;

           d)   Hilfe zur Beschaffung oder Erhaltung von Wohnraum.

(3) Die Hilfe in besonderen Lebenslagen kann unabhängig von einem Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gewährt werden.

(9) Auf die Hilfe in besonderen Lebenslagen besteht kein Rechtsanspruch.“

Paragraph 16, StSHG:

„Art, Umfang und Voraussetzungen

(1) Soziale Dienste sind über Maßnahmen zur Sicherung des Lebensbedarfes hinausgehende Leistungen der Sozialhilfe zur Befriedigung gleichartiger, regelmäßig auftretender, persönlicher, familiärer oder sozialer Bedürfnisse.

(2) Folgende soziale Dienste sind sicherzustellen:

           a)   Alten-, Familien- und Behindertenarbeit sowie Behindertenbegleitung und
               Heimhilfe im Sinn des Steiermärkischen Sozialbetreuungsberufegesetz,
               LGBl. Nr. 4/2008 in der jeweils geltenden Fassung, soweit sie nicht stationär
               erbracht wird;

           b)   Gesundheits- und Krankenpflege, soweit sie nicht in stationären Anstalten
               erbracht wird, wie beispielsweise Hauskrankenpflege;

           c)   Essenszustelldienst.

(5) Auf die Leistung sozialer Dienste besteht kein Rechtsanspruch.“

Paragraph 24 a, SHG:

„Kostentragung der 24-Stunden-Betreuung

(1) Die Kosten, die aufgrund der Vereinbarung gemäß Artikel 15 a, B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über eine gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung, Landesgesetzblatt Nr. 71 aus 2009, in der jeweils geltenden Fassung, entstehen, werden gemeinsam im Verhältnis 40 (Land) zu 60 (Bund) finanziert.

(2) Alle dem Land entstehenden Kosten sind vorläufig von diesem zu tragen. Die Sozialhilfeverbände und Städte mit eigenem Statut haben dem Land 40 % dieser Kosten zu ersetzen. Die Zuständigkeit zum Ersatz obliegt jenem Sozialhilfeverband (Stadt mit eigenem Statut), in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Anspruchsberechtigte seinen Hauptwohnsitz zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte.“

Im vorliegenden Verfahren ist zu klären, ob die Beschwerdeführerin einen Rechtsanspruch auf eine Leistung der mobilen Pflege im Rahmen der
24-Stunden-Betreuung nach Paragraph 9, StSHG hat.

Zur 24-Stunden-Betreuung:

Da sich weitere Bestimmungen zur 24-Stunden-Betreuung im Sozialhilfegesetz nicht finden, wird dazu ausgeführt wie folgt:

Bei der 24-Stunden-Betreuung handelt es sich um die finanzielle Förderung von Arbeitsverhältnissen, die zur ganztätigen Betreuung pflegebedürftiger Personen in den eigenen Wohnräumen eingegangen werden. Die arbeits- bzw. gewerberechtlichen Grundlagen bilden das Hausbetreuungsgesetz und die Gewerbeordnung. Die Gesetze für das Pflegegeld regeln die finanziellen Förderungen durch öffentliche Mittel, es besteht jedoch kein Rechtsanspruch, vielmehr „können nach Maßgabe der dafür zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem Unterstützungsfond für Menschen mit Behinderung (Paragraph 22, des Bundesbehinderten-gesetzes) Zuwendungen an pflegebedürftige Personen oder deren Angehörige gewährt werden. Der Bund und die Länder teilen sich dabei die Kosten in einem bestimmten Verhältnis vergleiche Paragraph 24 a, SHG). Eine Förderung im Rahmen der
24-Stunden-Betreuung ist grundsätzlich nur möglich, wenn zumindest Pflegebedürftigkeit der Stufe 3 vorliegt und die Notwendigkeit einer
24-Stunden-Betreuung gegeben ist. Ab der Pflegegeldstufe 5 wird in der Regel von der Notwendigkeit einer solchen Betreuung ausgegangen. Bei Beziehern von Pflegegeldstufe 3 und 4 ist die Notwendigkeit einer 24-Stunden-Betreuung durch eine fachärztliche Bestätigung oder durch eine Bestätigung anderer zur Beurteilung des Pflegebedarfes berufenen Experten nachzuweisen. Das Betreuungsverhältnis kann entweder in einem selbstständigen Dienstverhältnis mit der pflegebedürftigen Person, einem Angehörigen oder einem gemeinnützigen Anbieter bestehen (Dienstvertrag) oder in einer selbstständigen Erwerbstätigkeit der Betreuungskraft (Werkvertrag). Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen und erhält einen monatlichen Zuschuss von € 275,00.

Zum Begriff Pflege:

Das StSHG enthält keine eigene Definition des Begriffs Pflege, weshalb vorab auf diesen Begriff näher einzugehen ist:

Pflege bzw. Pflegebedürftigkeit sind Begriffe, die an sich in der österreichischen Rechtsordnung häufig vorkommen, jedoch völlig uneinheitlich verwendet werden. Selbst das Bundespflegegeldgesetz definiert in den Anspruchsvoraussetzungen die „Pflegebedürftigkeit“ nur in zeitlicher Hinsicht, gibt jedoch keine inhaltlichen Begriffserklärungen wider. Vielmehr finden sich in der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz einige Begriffserklärungen, die hier auszugsweise angeführt werden:

Betreuung:

Paragraph eins, (1) Unter Betreuung sind alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre.

Hilfe:

Paragraph 2, (1) Unter Hilfe sind aufschiebbare Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind.

(2) Hilfsverrichtungen sind die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche, die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial und die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn.

Ständiger Pflegebedarf:

Paragraph 5, Ständiger Pflegebedarf liegt vor, wenn dieser täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich regelmäßig gegeben ist.

Außergewöhnlicher Pflegeaufwand:

Paragraph 6, Ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand liegt insbesondere vor, wenn

1.    die dauernde Bereitschaft, nicht jedoch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson oder

2.    die regelmäßige Nachschau durch eine Pflegeperson in relativ kurzen, jedoch planbaren Zeitabständen erforderlich ist, wobei zumindest eine einmalige Nachschau auch in den Nachtstunden erforderlich sein muss oder

3.    mehr als 5 Pflegeeinheiten, davon eine auch in den Nachtstunden, erforderlich sind.

Zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen:

Paragraph 7, Zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen liegen dann vor, wenn ein Pflegeplan wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung des pflegebedürftigen Menschen nicht eingehalten werden kann und die Betreuungsmaßnahme unverzüglich erbracht werden muss.

Nach Pfeil, römisch XVIII. Recht der Pflege, Rz 13 in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht, 2. Auflage 2015 dominieren zwei Bedeutungen zum Begriff Pflege, zum einen das „klassische“ Verständnis, das Pflege als im weiteren Sinn medizinische Tätigkeit zur Unterstützung von bzw. im Zusammenwirken mit ärztlichem Personal sieht. Zum anderen wird Pflege auch als Unterstützung und Hilfeleistung bei alltäglichen Verrichtungen verstanden, bei denen die medizinische Komponente keine oder eine nur sehr geringe Rolle spielt. Teilweise wird dieser Begriff synonym mit Betreuung verwendet, wenngleich auch dieser keine klare Abgrenzung erlaubt. Eine solche wird überhaupt verwischt, wenn Pflege und Betreuung zusammengezogen werden.

Erwägungen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Standpunkt eingenommen, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen und nur Leistungen im Rahmen der sozialen Dienste in Frage kämen, wofür aber kein Rechtsanspruch bestünde. Dabei übersieht die belangte Behörde aber, dass Leistungen nach
§ 16 Absatz eins, StSHG erst dann in Frage kommen, wenn es um über Maßnahmen zur Sicherung des Lebensbedarfs hinausgehende Leistungen der Sozialhilfe zur Befriedigung gleichartiger, regelmäßig auftretender, persönlicher familiärer oder sozialer Bedürfnisse geht. Es kann aber im gegenständlichen Fall kein Zweifel bestehen, dass die 24-Stunden-Betreuung für die Beschwerdeführerin zur Deckung ihres Lebensbedarfes unbedingt erforderlich ist. Wenn sogar Leistungen gewährt werden können, die über die Sicherung des Lebensbedarfes hinausgehen, muss umso eher der Lebensbedarf im Sinne des Paragraph 9, StSHG jedenfalls abgedeckt werden.

Nach Paragraph 9, Absatz eins, StSHG gehört zum Lebensbedarf eine Pflege „die erforderlich wird, wenn aufgrund des körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes die Fähigkeit fehlt, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen“. Aus dieser Formulierung ergibt sich eindeutig, dass das StSHG beim Begriff „Pflege“ von einem weit auszulegenden Pflegebegriff ausgeht, der über den medizinisch-pflegerischen Bereich hinausgeht. Die Beschwerdeführerin erhält Pflegegeld der Stufe 5 und ist die 24-Stunden-Betreuung erforderlich, weil ohne die haushaltsnahen Dienstleistungen und die Unterstützung bei der Lebensführung ein Verbleib der Beschwerdeführerin in ihrer Wohnung nicht möglich ist. Sie hat daher einen Rechtsanspruch auf mobile Pflege nach Paragraph 9, Absatz 2, Litera a, StSHG und damit auf einen Kostenzuschuss zur 24-Stunden-Betreuung. Dafür spricht auch, dass nach
§ 9 Absatz 2, StSHG die Kosten der Hilfe zur mobilen Pflege bis zu jenem Betrag zu gewähren sind, der vergleichsweise für dieselben Leistungen in einer stationären Einrichtung anfallen. Die Beschwerdeführerin bezieht das Pflegegeld der Stufe 5 und liegt daher grundsätzlich Pflegebedürftigkeit im Sinne des Paragraph 13, Absatz eins, StSHG vor. Die Beschwerdeführerin hätte also auch die Möglichkeit, in ein Pflegeheim zu übersiedeln. In der Beschwerde wird zu Recht auf den Grundsatz „mobil vor stationär“ verwiesen und betragen im Falle der Übernahme der Pflegeheimrestkosten diese wesentlich mehr als der beantragte Zuschuss für die 24-Stunden-Pflege im Rahmen der mobilen Pflege. Selbst wenn dies – wider Erwarten nicht der Fall sein sollte, gibt es nach der Bestimmung des Paragraph 9, Absatz 2, StSHG eine „Deckelung“, da die Leistung im Rahmen der mobilen Pflege nicht höher sein darf, als eine vergleichsweise Leistung im Rahmen einer stationären Einrichtung.

Das Pflegegeld hat den Zweck, pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen, soweit wie möglich, die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen (Paragraph eins, BPGG). Der einer pflegebedürftigen Person monatlich zukommende Betrag an Pflegegeld dient daher dem Einkauf der gegenüber einer nicht pflegebedürftigen Person erhöhten Pflege- und Betreuungsleistungen. Auch können unter pflegebedingten Mehrauswendungen sonstige Mittel zur Deckung des Pflegebedarfes herangezogen werden.

Zur Höhe des nunmehr gewährten Kostenzuschusses ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin eine Witwenpension sowie eine Ausgleichszulage im Ausmaß von € 882,78 bzw. € 889,84 zuzüglich Sonderzahlungen sowie monatliches Pflegegeld von € 920,30 erhält. Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, wird die 24-Stunden-Betreuung gemäß der getroffenen Vereinbarung ausschließlich in Form von Dienstleistungen in pflegerischer Form erbracht. Diese Betreuungsform kostet die Beschwerdeführerin monatlich € 1.433,12 bzw. € 1.434,26 (inklusive Vermittlungsgebühr). Für die Pflege werden € 920,30 an Pflegegeld sowie der Zuschuss von € 275,00 durch den Unterstützungsfond gewährt. Zusätzlich hat die Beschwerdeführerin als nachweisbare Ausgaben aufgrund der Pflegebedürftigkeit
€ 83,44 für Hygieneartikel geltend gemacht. Stellt man die monatlichen pflegebedingten Ausgaben der 24-Stunden-Betreuung und der Hygieneartikel dem Betrag von Pflegegeld und Zuschuss gegenüber, so ergibt sich eine Differenz von monatlich € 321,26 (für 2016) bzw. € 322,40 (2017), die spruchgemäß zu gewähren sind. Wie die Beschwerde zu Recht ausführt, sind diese Beträge wesentlich geringer als eventuell geltend zu machende Restkostenzuschüsse.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin einen Rechtsanspruch auf eine Leistung der mobilen Pflege nach Paragraph 9, Absatz 2, Litera a, StSHG hat und die errechneten Zuschüsse zu gewähren sind.

Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da es sich bei der Frage, ob für eine
24-Stunden-Betreuung ein Rechtsanspruch in Form der mobilen Pflege nach
§ 9 Absatz 2, StSHG besteht, um eine wesentliche Rechtsfrage handelt, zu der es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGST:2017:LVwG.47.2.1376.2017