Landesverwaltungsgericht Niederösterreich
14.05.2024
LVwG-AV-1223/001-2023
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Glöckl, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der A in ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 9. November 2022, Zl. ***, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Gewährung der Krankenunterstützung, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum wesentlichen Verfahrensgang:
1.1. Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) vom 9. November 2022, Zl. ***, wurde der Antrag der A (in der Folge: Beschwerdeführerin) vom 16. September 2022 auf Gewährung der Krankenunterstützung betreffend den Krankenstand vom 15. Juli 2022 bis 2. August 2022 als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass gemäß Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (Satzung WFF) Anträge auf Krankenunterstützung binnen vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit einzubringen seien, wobei die verspätete Einbringung nachgesehen werden könne, sofern die Verspätung entsprechend begründet werde. Da der Antrag der Beschwerdeführerin am 16. September 2022 – somit über vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit und daher verspätet – eingelangt und keine Verspätungsbegründung erfolgt sei, sei der Antrag zurückzuweisen.
1.2. Mit Schreiben vom 13. November 2022, eingelangt am 16. November 2022, erhob die Beschwerdeführerin dagegen fristgerecht Beschwerde, in welcher sie Folgendes vorbrachte:
„Das Datum meiner ersten Augen-OP und die damit verbundene Berufsunfähigkeit ist dokumentiert und bekannt. Mein Fehler war, dass ich den bürokratischen Aufwand für die Ärztekammer und auch für mich reduzieren wollte. Daher war ich der Meinung, dass ich den Arbeitsausfall für die 3-wöchige Kontaktlinsenpause und die erste Augen-OP in einem Ansuchen erledigen könnte.
Der Akt wäre somit für beide Seiten nur einmal zu bearbeiten gewesen.
Dass Fristen als Vorwand dienen, um mein Recht auf mir zustehende Leistungen abzuerkennen finde ich nicht fair. Als Fachärztin zahle ich schon sehr lange in den Fond[s] ein, ohne diesen jemals überbeansprucht zu haben.
Aus diesem Grund werde ich mein Recht auf Gewährung der Krankenunterstützung mit einem Einspruch gegen diesen Bescheid an das Landesverwaltungsgericht erheben.“
1.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 15. Februar 2023 den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch gemacht zu haben.
2. Feststellungen:
Für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich steht folgender Sachverhalt fest:
2.1. Die Beschwerdeführerin gehört seit über 30 Jahren dem Wohlfahrtsfonds und der Ärztekammer für Niederösterreich an.
2.2. Sie war vom 15. Juli 2022 bis 2. August 2022 in Folge einer dreiwöchigen „Kontaktlinsenpause“ aufgrund einer Voruntersuchung betreffend eine Augen-OP berufsunfähig, wobei dies ihr behandelnder Arzt mit Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 12. September 2022 bestätigte. Die Beschwerdeführerin war zudem am 12. September 2022 im Klinikum ***, Abteilung für Augenheilkunde und Optometrie, in augenärztlicher Behandlung.
2.3. Der Antrag auf Krankenunterstützung samt Beilagen wurde von der Beschwerdeführerin am 16. September 2022 um 09:42 Uhr per E-Mail eingebracht.
3. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen – einschließlich des Verfahrensganges – ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Ausführungen im Rahmen der Beschwerde.
Die Feststellung betreffend die augenärztliche Behandlung im Klinikum ***, Abteilung für Augenheilkunde und Optometrie, ist dem Arztbrief vom 12. September 2022 zu entnehmen. Der Feststellung betreffend die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin vom 15. Juli 2022 bis 2. August 2022 liegt die ärztliche Bestätigung des behandelnden Arztes, ausgestellt am 12. September 2022, zugrunde.
4. Rechtslage:
4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 169 aus 1998, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 21 aus 2024,, lauten auszugsweise wie folgt:
„Eigener Wirkungsbereich
Paragraph 66 a, (1) Die Ärztekammern in den Bundesländern sind berufen, insbesondere folgende Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmen:
[…]
7. Versorgung und Unterstützung der Kammerangehörigen der Ärztekammern in den Bundesländern und deren Hinterbliebenen durch Errichtung und Betreibung von Wohlfahrtsfonds,
(2) Im eigenen Wirkungsbereich obliegt den Ärztekammern in den Bundesländern die Erlassung insbesondere nachfolgender Verordnungen und sonstiger genereller Beschlüsse:
1. Satzung,
2. Satzung des Wohlfahrtsfonds,
[…]
Paragraph 106, (1) Kammerangehörigen, die durch Krankheit oder Unfall unfähig sind, den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf auszuüben, wird eine Krankenunterstützung, die sich nach der Dauer der Krankheit richtet, gewährt.
(2) Die Höhe der Krankenunterstützung und die Anspruchsvoraussetzungen sind in der Satzung festzusetzen.
[…]“
4.2. Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (Satzung WFF) in der von 1. Juni 2021 bis 31. Dezember 2022 geltenden Fassung lautete wie folgt:
„§ 63
Antrag
[…]
(4) Anträge auf Krankenunterstützung sind spätestens binnen vier Wochen nach Ende der Berufsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Unfall einzubringen, andernfalls sie als verspätet eingebracht zurückzuweisen sind. Bei ausreichender Begründung der Fristversäumnis kann das Versäumen der Antragsfrist nachgesehen werden. Anzuschließen ist im Falle der Hauspflege eine Bestätigung des behandelnden Arztes, bei stationärer Behandlung eine Bestätigung der Krankenanstalt, wobei jeweils die Diagnose anzuführen ist.
[…]“
5. Erwägungen:
5.1. Zur Fristversäumnis für die Beantragung der Krankenunterstützung:
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF ist der Antrag auf Krankenunterstützung spätestens binnen vier Wochen „nach Ende der Berufsunfähigkeit“ infolge Erkrankung oder Unfall einzubringen, andernfalls er als verspätet eingebracht zurückzuweisen ist.
Die Frist beginnt somit nicht schon am letzten Tag der Berufsunfähigkeit, sondern erst an dem auf diesen folgenden Tag zu laufen.
Ausgehend vom letzten Tag der Berufsunfähigkeit, Dienstag, 2. August 2022, begann die Frist daher am Mittwoch, 3. August 2022, zu laufen. Die vierwöchige Antragsfrist endete somit am Mittwoch, 31. August 2022, um 23:59 Uhr vergleiche dazu auch Paragraph 33, AVG).
Spätestens an diesem Tag hätte der Antrag auf Krankenunterstützung eingebracht werden müssen.
Der Antrag auf Krankenunterstützung beim Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich ist jedoch erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist gemäß Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF, konkret am 16. September 2022, eingebracht worden. An diesem Tag war die Frist – wie dargelegt – bereits abgelaufen.
Der Antrag auf Krankenunterstützung wurde demnach verspätet eingebracht.
5.2. Zur Frage der ausreichenden Begründung der Fristversäumnis:
Die Fristversäumnis ist im Sinne des Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF nicht ausreichend begründet.
5.2.1. Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF sieht vor, dass bei ausreichender Begründung der Fristversäumnis das Versäumen der Antragsfrist nachgesehen werden kann.
5.2.2. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2017, Ra 2017/11/0015, handelt es sich bei der in Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF umschriebenen Frist um eine materiellrechtliche Frist. Der Verwaltungsgerichtshof weist darin darauf hin, dass angesichts des grundsätzlichen Gebots der Zurückweisung eines verspäteten Antrags auf Krankenunterstützung kein Zweifel daran bestehe, dass eine ausnahmsweise Nachsicht gemäß Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF nur dann in Betracht komme, wenn entsprechend gewichtige Gründe dafür bestünden, dass der Antragsteller trotz zumutbarer Sorgfalt bei der Führung seiner Angelegenheiten an der Einhaltung der Antragsfrist gehindert gewesen sei. Die für Ausnahmefälle, nämlich bei ausreichender Begründung der Fristversäumung, vorgesehene Nachsicht schaffe im Ergebnis eine Rechtswohltat, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gleichkomme.
5.2.3. Es müsste daher ein Grund für das Fristversäumnis vorliegen, der zumindest ebenso wie ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis geeignet ist, die Beschwerdeführerin an der Antragsstellung zu hindern.
Im gegenständlichen Fall war die Beschwerdeführerin in Folge einer dreiwöchigen „Kontaktlinsenpause“ aufgrund einer Voruntersuchung betreffend eine Augen-OP berufsunfähig. Die Ausführung der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, wonach sie „den bürokratischen Aufwand für die Ärztekammer“ und auch für sie reduzieren habe wollen und der Meinung gewesen sei, dass sie „den Arbeitsausfall für die 3-wöchige Kontaktlinsenpause und die erste Augen-OP in einem Ansuchen erledigen könnte“, kann jedoch die Fristversäumnis im Sinne des Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF nicht ausreichend begründen. Dies schon im Hinblick auf die Tatsache, dass ihre Arbeitsunfähigkeit am 2. August 2022 geendet hat, der Antrag aber erst am 16. September 2022 und somit über sechs Wochen nach Beendigung des Krankenstandes bzw. über zwei Wochen nach Fristablauf gestellt wurde. Es kann sohin nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen wäre, den Antrag auf Krankenunterstützung rechtzeitig selbst zu stellen oder über einen Vertreter stellen zu lassen.
Im Übrigen bedarf es für die Antragstellung weder besonderer Rechtskenntnisse noch eines besonderen Aufwandes. Vielmehr hätten der Beschwerdeführerin als Ärztin und langjähriges Kammermitglied die betreffenden einschlägigen Bestimmungen – so auch die Fristen für die Antragstellung – bekannt sein müssen vergleiche wenngleich andere Materien betreffend VwGH 29.4.1993, 92/12/0282; 11.5.2017, Ra 2017/04/0045).
5.2.4. Die belangte Behörde hat daher zu Recht den Antrag der Beschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
6. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Von der Durchführung einer – im Übrigen nicht beantragten – mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits die Akten erkennen lassen, dass durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Der Sachverhalt war unstrittig, und es wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erforderlich gewesen wäre vergleiche VwGH 28.2.2024, Ra 2023/07/0013). Darüber hinaus stehen dem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht vergleiche insbesondere VwGH 27.04.2017, Ra 2017/11/0015), sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann vergleiche aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH 19.1.2024, Ra 2024/09/0003; 23.4.2021, Ra 2021/09/0032 mwN) und überdies eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist vergleiche allgemein VwGH 12.3.2024, Ra 2024/01/0052 sowie bereits zur Frage des Vorliegens einer ausreichenden Begründung für die Versäumung der Frist für den Antrag auf Krankenunterstützung VwGH 27.04.2017, Ra 2017/11/0015).
ECLI:AT:LVWGNI:2024:LVwG.AV.1223.001.2023