Gericht

Landesverwaltungsgericht Niederösterreich

Entscheidungsdatum

31.01.2024

Geschäftszahl

LVwG-AV-314/005-2021

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde der B GmbH & Co KG, vertreten durch die Rechtsanwälte C GmbH in ***, ***, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (nunmehr: Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft) betreffend den Antrag vom 18. Juni 2020 auf Verleihung der Ziviltechnikerbefugnis für das Fachgebiet „Architektur“ nach mündlicher Verhandlung zu Recht,

1.    Gemäß § 28 Abs. 7 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen einer Frist von acht Wochen, gerechnet ab Zustellung dieses Erkenntnisses, zu erlassen:

„Die in Paragraph 29, Absatz eins, ZTG 2019 normierte Voraussetzung der Geschäftsführung durch eine natürliche Person ist dahingehend auszulegen, dass eine Ziviltechnikergesellschaft in der Form einer GmbH & Co KG – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine zur Ausübung des Ziviltechnikerberufes zulässige Gesellschaftsform ist.“

2.    Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.    Feststellungen:

1.1.  Mit rechtskräftigem Bescheid des (damals) Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 02. August 1995, Zl. ***, wurde Herrn A, geb. ***, die Befugnis für das Fachgebiet „Architektur“ verliehen.

1.2.  Mit rechtskräftigem Bescheid des (damals) Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom 24. März 2017, ***, wurde der D GmbH die Ziviltechnikerbefugnis für das Fachgebiet „Architektur“ verliehen.

Handelsrechtlicher Geschäftsführer (und einziger Gesellschafter) dieser GmbH ist A.

Mit 10. Mai 2017 (Eintragung im Firmenbuch) wurde der Namen der D GmbH auf den Namen B GmbH geändert.

1.3.  Mit Gesellschaftsvertrag vom 27. April 2017 wurde die beschwerdeführende Partei, wobei Komplementärin die (nunmehr) B GmbH und Kommanditist A sind.

Gemäß Punkt römisch IV. des Gesellschaftsvertrags obliegt die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft nach außen ausschließlich der (nunmehr) B GmbH. Diese hat die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes zu führen.

1.4.  Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom 18. Juni 2020, eingelangt bei der belangten Behörde am 30. Juni 2020, stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihr gemäß Paragraph 24, Ziviltechnikergesetz 2019 für den Sitz in *** die Ziviltechnikerbefugnis für das Fachgebiet „Architektur“ zu verleihen.

1.5.  Mit Stellungnahme vom 13. Juli 2020 wurde seitens der Kammer der ZiviltechnikerInnen, ArchitektInnen und IngenieurInnen mitgeteilt, dass das Ansuchen vom 18. Juni 2020 nicht befürwortet werde, da die Beschwerdeführerin durch eine GmbH vertreten werde, was im Widerspruch zu Paragraph 29, Ziviltechnikergesetz 2019 stehe.

1.6.  Mit weiterem Nachtrag vom 31. August 2020 zum Gesellschaftsvertrag vom 27. April 2017 wurde als ausschließlicher Zweck und Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin die dauernde Ausübung des Ziviltechnikerberufes festgelegt.

1.7.  Am 12. Jänner wurde die Säumnisbeschwerde erhoben; diese langte am 15. Jänner 2020 bei der belangten Behörde ein.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 15. Februar 2021, eingelangt am 18. Februar 2021, legte die belangte Behörde die Säumnisbeschwerde samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vor.

1.8.  Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Dezember 2021, LVwG-AV-314/001-2021, wurde der verfahrenseinleitende Antrag vom 18. Juni 2020 (nach mündlicher Verhadnlung) abgewiesen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß dem eindeutigen Wortlaut des Paragraph 29, Absatz eins, erster Satz ZTG 2019 Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter einer Ziviltechnikergesellschaft nur natürliche Personen sein dürfen, die Gesellschafter mit aufrechter Befugnis sind. Der Verleihung der Befugnis zur Ausübung des Ziviltechnikerberufs steht somit schon der Umstand entgegen, dass eine GmbH, somit eine juristische und keine natürliche Person, Geschäftsführerin der beschwerdeführenden Partei ist.

1.9.  Aufgrund der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision der beschwerdeführenden Partei wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2023, ***, dem Landesverwaltungsgericht zugestellt am 04. Jänner 2024, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründend wurde darin zusammengefasst ausgeführt vergleiche insb. Rz 26), dass die mittelbare Vertretung der GmbH & Co KG durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die in Paragraph 29, Absatz eins, ZTG 2019 normierte Voraussetzung der Geschäftsführung durch eine natürliche Person erfüllt. Somit ist eine Ziviltechnikergesellschaft in der Form einer GmbH & Co KG – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine zur Ausübung des Ziviltechnikerberufes zulässige Gesellschaftsform.

2.    Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf der mündlichen Verhandlung, in welcher Beweis erhoben wurde durch (Verzicht auf) Verlesung des vorgelegten Verwaltungsakts sowie dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs. Die Feststellungen sind zwischen nicht strittig.

3.    Rechtliche Erwägungen:

3.1.1.  Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag:

3.1.1.1.  Gemäß Paragraph 8, VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 3, B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Sowohl aus Paragraph 8, Absatz eins, VwGVG als auch aus Paragraph 73, Absatz eins, AVG ergibt sich, dass die Entscheidungspflicht der Behörde nur durch einen bei der zuständigen Behörde eingelangten Antrag einer zur Stellung dieses Antrags berechtigten Partei begründet werden kann. Voraussetzung für die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde ist somit das Vorliegen eines der Entscheidungspflicht der Behörde unterliegenden und noch nicht erledigten Antrags des Antragstellers. Sie kann weiters nur erhoben werden, wenn der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf die bescheidmäßige Erledigung seines unerledigt gebliebenen

Begehrens hat (VwGH vom 03. Mai 2017, Ro 2016/03/0027).

Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG stellt es ins Ermessen des Verwaltungsgerichts, entweder in der Sache selbst zu entscheiden oder sich auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und gleichzeitig das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückzuverweisen, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts innerhalb einer Frist von höchstens acht Wochen nachzuholen. Auch wenn das Gesetz nicht explizit Determinanten für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (zB VwGH vom 28. Mai 2019,

Ra 2018/22/0060).

Geht infolge einer Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit zur Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrags auf das Verwaltungsgericht über, hat es in der Verwaltungssache zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (zB VwGH vom 24. Oktober 2017, Ra 2016/06/0023).

3.1.1.2.  Der verfahrenseinleitende Antrag langte am 30. Juni 2020 bei der gemäß Paragraph 10, Ziviltechnikergesetz 2019 zur Entscheidung über derartige Anträge zuständigen belangten Behörde ein; die Beschwerdeführerin ist zur Stellung dieses Antrags berechtigt und hat einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags.

Die Säumnisbeschwerde langte am 15. Jänner 2021 bei der belangten Behörde ein. Es wurde nicht behauptet und sind auch keine Gründe hervorgekommen, aus denen ableitbar wäre, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Das Landesverwaltungsgericht ist daher zur Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag zuständig.

3.1.2.  Zum Ausspruch betreffend Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG:

3.1.2.1.  Gemäß Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 3, B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

Nach Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG kann das Verwaltungsgericht demnach im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet. Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen (VwGH vom 11. Juli 2023, Ra 2022/07/0205).

Paragraph 28, Absatz 7, erster Satz VwGVG räumt dem Verwaltungsgericht eine kondemnatorische Entscheidungsbefugnis ein, kraft derer es die belangte Behörde zum Erlass eines Bescheides „verurteilt“. Ob das Verwaltungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, sein Erkenntnis auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken, liegt in seinem Ermessen. Auch wenn das Gesetz hier nicht explizit Determinanten nennt, ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat. Aus verfahrensökonomischer Sicht wird die Erlassung eines „Teilerkenntnisses“ vor allem dann in Betracht kommen, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist (VwGH vom 10. März 2022, Ra 2020/15/0103).

3.1.2.2.  Gemäß Paragraph 23, Absatz eins, Ziviltechnikergesetz 2019 (ZTG 2019) dürfen Ziviltechniker nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zum ausschließlichen Zweck dauernder Ausübung des Ziviltechnikerberufes jegliche Art von Personen- und Kapitalgesellschaften des Unternehmensrechts, die in das Firmenbuch eingetragen werden können, bilden.

Gemäß Paragraph 29, Absatz eins, Ziviltechnikergesetz 2019 dürfen Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter einer Ziviltechnikergesellschaft nur natürliche Personen sein, die Gesellschafter mit aufrechter Befugnis sind. Die Gesellschaftsanteile und Stimmrechte der Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis an der Ziviltechnikergesellschaft müssen unter Berücksichtigung von Gesellschaftsanteilen und Stimmrechten an allfällig beteiligten Ziviltechnikergesellschaften und interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern, mindestens 50 Prozent betragen. In Geschäftsfällen, in denen fachverschiedene Befugnisse mehrerer Ziviltechniker erforderlich sind, hat der Gesellschaftsvertrag einschlägig befugte Geschäftsführer jedenfalls zu gemeinsamem Handeln zu verpflichten.

In dem in den Feststellungen zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zu den fraglichen Bestimmungen des Paragraphen 23 und 29 Ziviltechnikergesetz 2019 festgehalten:

Die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob auch juristische Personen Geschäftsführer einer Ziviltechnikergesellschaft sein können, ist dahin zu beantworten, dass die mittelbare Vertretung der GmbH & Co KG durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die in Paragraph 29, Absatz eins, ZTG 2019 normierte Voraussetzung der Geschäftsführung durch eine natürliche Person erfüllt. Somit ist eine Ziviltechnikergesellschaft in der Form einer GmbH & Co KG – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine zur Ausübung des Ziviltechnikerberufes zulässige Gesellschaftsform.

In Bindung an die Rechtsanschauung im aufhebenden Erkenntnis vergleiche Paragraph 63, Absatz eins, VwGG) und aufgrund des Umstands, dass das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vergleiche Paragraphen 23, ff ZTG 2019) – aufgrund der seit der aufgehobenen Entscheidung vergangenen Zeit teilweise neuerlich – zu prüfen ist, hat das Landesverwaltungsgericht beschlossen, sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung der im Spruch dargelegten Rechtsfrage zu beschränken.

Die belangte Behörde wird nunmehr den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen der im Spruch bestimmten Frist zu erlassen haben.

3.2.  Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte sowie die gemäß Paragraph 63, Absatz eins, VwGG das Landesverwaltungsgericht bindende Rechtsprechung des VwGH stützt; insofern ist die Rechtslage eindeutig (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 23. August 2023, Ra 2021/07/0067).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGNI:2024:LVwG.AV.314.005.2021