Gericht

Landesverwaltungsgericht Niederösterreich

Entscheidungsdatum

23.01.2024

Geschäftszahl

LVwG-AV-1929/001-2021

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, vertreten durch die B Rechtsanwälte OG, ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 23. Juni 2021, ***, betreffend Wiedereinsetzung, zu Recht:

1.    Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.           Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

ad 1.:      § 28 Absatz eins und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

ad 2.:      § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)

              Art. 133 Absatz 4, des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.           Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, eine in Niederösterreich ansässige Fachärztin, beantragte mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 21. Mai 2021, beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich am selben Tag eingebracht, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Paragraph 71, AVG betreffend die Antragsfrist der Gewährung der Altersversorgung ab 1. Jänner 2020. Dazu wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Beschwerdeführerin habe mit Antrag vom 12. Februar 2021 die Gewährung der Altersversorgung ab 1. Jänner 2020 beantragt. Mit Bescheid vom 5. Mai 2021 sei der Antrag für den Zeitraum 1. Jänner 2020 bis 31. Jänner 2021 als verspätet zurückgewiesen worden, was damit begründet worden sei, dass die Antragstellung innerhalb von drei Monaten ab dem beantragten Stichtag erfolgen müsse. Die Versorgung sei ab 1. Februar 2021 gewährt worden.

Die Fristversäumung stelle einen gravierenden Rechtsnachteil dar und es sei die Beschwerdeführerin durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Hindernis an der Einhaltung der Frist zur Beantragung der Alterspension ab 1. Jänner 2020 gehindert gewesen. Die Beschwerdeführerin habe im März 2019 ein Informationsschreiben zur Altersversorgung erhalten, habe im November 2019 ein Telefonat mit einem Behördenmitarbeiter geführt und habe auch Informationsveranstaltungen der Ärztekammer besucht. Sie sei aber nicht darauf hingewiesen worden, dass sie ab 1. Jänner 2020 durch eine Änderung der Pensionsregelungen eine ungeschmälerte Altersversorgung bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ordinationstätigkeit beantragen könne. Sie sei dem Irrtum unterlegen, dass sie von der Behörde rechtzeitig informiert werde.

Es treffe sie kein Verschulen bzw. allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens, weil es auch einem sorgfältigen Pensionswerber passieren könne, dass er im Vertrauen darauf, rechtzeitig über den ehestmöglichen Zeitpunkt zur Beantragung einer abschlagsfreien Alterspension informiert zu werden, den Antrag verspätet stelle.

Der Wiedereinsetzungsantrag sei fristgerecht, weil sie erst mit Zustellung des Bescheides vom 5. Mai 2021 am 7. Mai 2021 Kenntnis erlangt habe, dass ein fristgerechter Antrag zur Gewährung der Altersversorgung ab dem 1. Jänner 2020 bereits 2019 erfolgen hätte müssen.

1.2. Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 23. Juni 2021 wurde der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Gemäß Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung WFF NÖ seien Versorgungsleistungen ab dem beantragten Stichtag zu gewähren, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag erfolge. Werde ein Antrag nach der Frist eingebracht, so werde die Leistung erst ab dem Monat der Antragstellung gewährt. Im vorliegenden Fall sei der Antrag auf Gewährung der Altersversorgung per 1. Jänner 2020 am 12. Februar 2021 gestellt worden, weshalb die Altersversorgung ab 1. Februar 2021 gewährt worden sei.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bei materiell-rechtlichen Fristen nicht in Betracht. Die Antragsfrist gemäß Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung WFF NÖ sei dem Paragraph 86, Absatz 3, ASVG nachempfunden. Der Oberste Gerichtshof habe festgestellt, dass es sich dabei um eine materiell-rechtliche Frist handle.

Selbst wenn man aber die Wiedereinsetzung für möglich hielte, würde diese an der Voraussetzung des mangelnden oder nur leichten Verschuldens scheitern. Es entspreche der Judikatur, dass einem Arzt und Kammermitglied die einschlägigen Bestimmungen bekannt sein müssten.

1.3. Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene rechtsanwaltliche Beschwerde, in der im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:

Bei der Antragsfrist zur Altersversorgung handle es sich um eine verfahrensrechtliche Frist. Die Paragraphen 63, ff der Satzung WFF NÖ seien dem Abschnitt „G. Verfahren“ integriert und würden expressis verbis verfahrensrechtliche Regelungen zur Abwicklung von Leistungsansprüchen enthalten. Nach der Judikatur müsse der Gesetzgeber die Wertung als materiell-rechtliche Frist ausdrücklich zum Ausdruck bringen, andernfalls sei im Zweifel von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen. Analogien aus der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes seien aus mehreren Gründen verfehlt: Die Entscheidung besage nicht, dass es sich bei der Frist des Paragraph 86, ASVG um eine materiell-rechtliche Frist handle, es setze eine Analogie eine planwidrige Lücke voraus und es betreffe die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt.

Es treffe die Beschwerdeführerin auch kein Verschulen bzw. allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens. Es hätte auch einem sorgfältigen Pensionswerber passieren können, dass er im Vertrauen darauf, rechtzeitig über den ehestmöglichen Zeitpunkt zur Beantragung einer abschlagsfreien Alterspension informiert zu werden, den Antrag verspätet stelle.

Beantragt wurde die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages, in eventu die Zurückverweisung, sowie die Durchführung einer Verhandlung.

1.4. Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich legte in Folge den Verwaltungsakt zur Entscheidung vor, wobei von einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen wurde. Darauf hingewiesen wurde, dass die Satzungsänderungen auf der Webseite der Ärztekammer Niederösterreich kundgemacht worden seien und dass die Änderungen auch im offiziellen Medium der Kammer und auf der Website ausführlich vorgestellt worden seien. Fragen zu diesem Thema seien auch in den FAQs des Wohlfahrtsfonds auf der Website erläutert worden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehe keine Manuduktionspflicht dahingehend, dass auf eine zweckmäßige Antragstellung hinzuweisen sei bzw. reiche die Belehrungspflicht nicht so weit, dass die Partei zur Stellung bestimmter Anträge anzuleiten sei.

2.           Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin wurde am *** geboren und sie hat am *** das 65. Lebensjahr vollendet. Sie gehört als in Niederösterreich ansässige Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich an.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit auf 10. Februar 2021 datiertem Schreiben, am 12. Februar 2021 per E-Mail beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich eingebracht, die Gewährung der Altersversorgung ab 1. Jänner 2020.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 5. Mai 2021 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin die Altersversorgung per 1. Februar 2021 im Ausmaß einer Grundrente in Höhe von monatlich 1.251,94 Euro brutto und einer Zusatzleistung in Höhe von monatlich 1.391,01 Euro gewährt und 14mal jährlich ausbezahlt werde (Spruchpunkt 1.). Weiters wurde der Antrag auf Gewährung der Altersversorgung für den Zeitraum von 1. Jänner 2020 bis 31. Jänner 2021 als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.). Festgestellt wurde, dass per 31. Jänner 2021 ein Beitragsrückstand in Höhe von 155,73 Euro bestehe, der von der gewährten Leistung in Abzug gebracht werde (Spruchpunkt 3.). Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 7. Mai 2021 zugestellt.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 21. Mai 2021, beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich am selben Tag eingebracht, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Paragraph 71, AVG betreffend die Antragsfrist der Gewährung der Altersversorgung ab 1. Jänner 2020 (s. Punkt 1.1. des maßgeblichen Verfahrensganges).

Die Beschwerdeführerin erhielt auf Grund eines Telefonates mit einem Mitarbeiter der Ärztekammer Niederösterreich am 5. Jänner 2021 Kenntnis davon, dass seit 1. Jänner 2020 eine abschlagsfreie Alterspension bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ordinationstätigkeit möglich gewesen wäre. Am 18. März 2021 erhielt die Beschwerdeführerin von einem Mitarbeiter des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich die telefonische Auskunft, dass – auf Grund der identen Regelung wie im ASVG, wonach, wenn der Stichtag zu weit zurückliege, auf das Antragsdatum abzustellen sei – beschlossen wurde, die Altersversorgung erst ab Februar 2021 zuzusprechen; die Beschwerdeführerin ersuchte auf Grund einer Abwesenheit den Bescheid erst ab Mitte April zuzustellen.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen basieren auf der vorliegenden unbedenklichen Aktenlage. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, der Beantragung der Altersversorgung und dem Bescheid vom 5. Mai 2021 inklusive der Zustellung basieren insbesondere auf den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag selbst, aber auch auf der übrigen Aktenlage. Zum Wiedereinsetzungsantrag und seinem unter Punkt 1.1. des maßgeblichen Verfahrensganges wiedergegebenen Inhalt ist auf den Verwaltungsakt zu verweisen. Zur telefonischen Kommunikation der Beschwerdeführerin mit der Ärztekammer Niederösterreich bzw. der Behörde ist auf die unbedenkliche aktenkundige „Kontakthistorie“ hinzuweisen. So ist zum 5. Jänner 2021 u.a. festgehalten (S 4): „Weise in Hinblick auf ihr Geburtsjahr auf die Möglichkeit AV mit. … Seit 01.01.2020 kann sie mit 65 auch DV oder Kassenverträge aufnehmen. Zuverdienstgrenze ist weggefallen. …“ Zum 18. März 2021 ist festgehalten (S 2): „Ärztin fragt nach Ausgang des Verfahrens. Erkläre, dass AV erst ab 2/2021 zugesprochen wurde - idente Regelung wie ASVG: Lt Stichtag; wenn dieser zu weit zurückliegt, ab Antragsdatum. Wird das bekämpfen. Ist jetzt aber bis 16.04.2021 auf Kur und ersucht, den Bescheid erst Mitte April zu schicken.“.

3.           Maßgebliche Rechtslage:

3.1. Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich, beschlossen am 5. Dezember 2012, kundgemacht auf www.arztnoe.at am 10. Dezember 2012, in der Fassung der Änderung der Satzung durch Beschluss der Erweiterten Vollversammlung vom 2. Dezember 2015, kundgemacht auf www.arztnoe.at am 2. Dezember 2015, (Satzung WFF NÖ) lautet:

§ 64

Anfall der Leistungen

[…]

(3)        Versorgungsleistungen der WFF-Mitglieder werden ab dem beantragten Stichtag gewährt, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag erfolgt. Versorgungsleistungen der Hinterbliebenen oder Kinder eines WFF-Mitgliedes werden ab dem beantragten Stichtag gewährt, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von sechs Monaten ab dem Stichtag erfolgt. Wird ein Antrag auf eine Versorgungsleistung nach den oben angegebenen Fristen eingebracht, so wird die Leistung erst ab dem Monat der Antragstellung gewährt.“

3.2. Paragraph 71, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, idgF (AVG) lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Paragraph 71, (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder an der ganzen Verhandlung teilzunehmen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit des Rechtsmittels Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

4.           Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zur Beschwerdeabweisung:

Einer Partei ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (Paragraph 71, Absatz eins, Ziffer eins, AVG). Der Wiedereinsetzungsantrag ist dabei zu substantiieren vergleiche etwa VwGH 3.4.2001, 2000/08/0214) und es ist der Sachverhalt konkret und vollständig anzugeben vergleiche etwa VwGH 19.3.2010, 2009/12/0053). Bei der „versäumten Frist“ im Sinne des Paragraph 71, AVG muss es sich um eine verfahrensrechtliche Frist handeln; gegen die Versäumung materiell-rechtlicher Fristen, also solcher Fristen, innerhalb derer ein materiell-rechtlicher Anspruch bei sonstigem Verlust des diesem zugrundeliegenden Rechtes geltend gemacht werden muss, ist eine Wiedereinsetzung nicht zulässig vergleiche etwa VfSlg. 19.770/2013; VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0085).

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass es sich bei der in Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung WFF NÖ normierten Frist um eine materiell-rechtliche Frist handelt.

Damit ist die Behörde im Recht:

Gemäß Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung WFF NÖ werden Versorgungsleistungen der WFF-Mitglieder ab dem beantragten Stichtag gewährt, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag erfolgt. Wird ein Antrag auf eine Versorgungsleistung nach dieser Frist eingebracht, so wird die Leistung erst ab dem Monat der Antragstellung gewährt.

Diese Satzungsbestimmung ist erkennbar dem Paragraph 86, Absatz 3, ASVG nachempfunden (so wie sich auch andere Satzungsbestimmungen an ASVG-Bestimmungen anlehnen: vergleiche etwa zur Witwenversorgung jüngst VfGH 1.12.2023, römisch fünf 211/2022 ua, G 260/2022, Rn 26). Bei der in Paragraph 86, Absatz 3, ASVG normierten Frist handelt es sich unzweifelhaft um eine materiell-rechtliche Antragsfrist vergleiche etwa Pöltner/Pacic, ASVG, Paragraph 86, ASVG, Anmerkung 3, 109. Erg.Lfg; Atria in Sonntag [Hrsg], ASVG Jahreskomentar14, Paragraphen 85,, 86, Rn 56). Dies wird auch in der von der Behörde zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum Ausdruck gebracht (s. OGH 13.10.1998, 10 ObS 320/98a: „Auch solche Fristen sind aber von Paragraph 13, Absatz 2, AVG umfaßt vergleiche etwa VwGH 19.1.1995, Zl 94/18/0961, wonach nicht bloß verfahrensrechtliche – wie etwa im Zusammenhang mit Rechtsmitteln –, sondern auch materiell-rechtliche Fristen darunter fallen und derartige Anträge daher nur schriftlich eingebracht werden können).“). Das Beschwerdevorbringen zur Analogie und zum anders gelagerten Sachverhalt vermag daran nichts zu ändern.

Ungeachtet dessen ergibt sich aus der Überschrift „Anfall der Leistungen“ in Zusammenschau mit dem Wortlaut des Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung WFF NÖ, wonach die Versorgungsleistungen ab dem Stichtag „gewährt“ werden, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag erfolgt, bzw. erst ab dem Monat der Antragstellung, wenn der Antrag nach der Frist eingebracht wird, dass das Recht auf Altersversorgung für den versäumten Zeitraum untergeht. Ist eine Handlung auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stellt eine dafür vorgesehene Frist eine materiell-rechtliche Frist dar vergleiche etwa VwGH 21.12.2004, 2003/04/0138).

Zum Beschwerdevorbringen, wonach die in Rede stehende Bestimmung im Abschnitt „G. Verfahren“ der Satzung WFF NÖ zu finden sei, weshalb sie als verfahrensrechtliche Regelung zu qualifizieren sei, ist auszuführen, dass die alleinige Bezugnahme auf die Abschnittsüberschrift keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur der in Paragraph 64, Absatz 3, der Satzung WFF NÖ normierten Frist zulässt, zumal in diesem Abschnitt offenkundig Bestimmungen enthalten sind, bei denen es sich nicht um Verfahrensvorschriften handelt vergleiche auch etwa VwGH 27.9.2007, 2003/11/0063, zur Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol). Ferner findet sich in diesem Abschnitt auch die Regelung des Paragraph 63, Absatz 4, der Satzung WFF NÖ, welche die Antragsfrist für die Gewährung der Krankenunterstützung festlegt, und es hat der Verwaltungsgerichtshof dazu bereits ausgesprochen, dass es sich dabei um eine materiell-rechtliche Regelung handelt vergleiche VwGH 27.4.2017, Ra 2017/11/0015).

Festzuhalten ist des Weiteren, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Antragsfrist nicht um eine Frist handelt, die sich auf ein schon anhängiges Verwaltungsverfahren bezieht vergleiche dazu etwa VwGH 28.2.2000, 99/17/0429), und es handelt sich um keine Frist, die durch ein Verfahren ausgelöst wird oder in einem Verfahren läuft vergleiche dazu allgemein etwa Liebhart/Herzog, Fristsäumnis, 2013, S 20, Rn 54).

Darauf hinzuweisen ist, dass es zwar der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes entspricht, dass die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden muss. Für die Annahme einer materiell-rechtlichen Frist ist es allerdings nicht erforderlich, dass in der Rechtsgrundlage ausdrücklich angeführt wird, dass der Anspruch bei verspäteter Geltendmachung untergeht vergleiche etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0085).

Da es sich somit bei der in Paragraph 64, Absatz 3, Satzung WFF NÖ normierten Frist um eine (ausschließlich) materiell-rechtliche handelt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Paragraph 71, AVG nicht zulässig.

Davon abgesehen ist davon auszugehen, dass der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag auch deshalb unzulässig ist, weil er nicht fristgerecht gestellt wurde:

Gemäß Paragraph 71, Absatz 2, AVG muss der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Entscheidend ist somit, zu welchem Zeitpunkt das Hindernis weggefallen ist vergleiche etwa VwSlg. 14.076 A/1994). Es kommt dabei nicht darauf an, ob die rechtliche Bedeutung abgeschätzt werden kann oder nicht und ob die Partei an der Verfristung ein Verschulden bzw. ein nur minderer Grad des Versehens trifft, sondern es knüpft die Frist allein an den Wegfall des Hindernisses an vergleiche etwa VwGH 21.9.2007, 2007/05/0208; VfSlg. 12.729/1991). Es ist auch nicht maßgeblich, ob die Partei Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses erlangt hat vergleiche etwa Raschauer in Altenburger/Wessely [Hrsg], Kommentar zum AVG, Rn 47 zu Paragraph 71, AVG) und ebenso wenig, ob für die Partei Kenntnis vom Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung bestand vergleiche etwa VwGH 30.3.2004, 2003/06/0070).

Im vorliegenden Fall ist der Wegfall des Hindernisses, der an der fristgerechten Antragseinbringung hinderte, nicht erst mit der Zustellung des Bescheides des Verwaltungsausschusses vom 5. Mai 2021 am 7. Mai 2021 anzusetzen. Nach den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag war der Grund für die nicht fristgerecht erfolgte Beantragung der Altersversorgung die Unkenntnis über die neu geschaffene Möglichkeit der abschlagsfreien Altersversorgung bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ordinationstätigkeit. Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, erhielt die Beschwerdeführerin auf Grund eines Telefonates am 5. Jänner 2021 Kenntnis davon, dass seit 1. Jänner 2020 eine Rechtsänderung eingetreten ist. Das Hindernis ist daher bereits zu diesem Zeitpunkt weggefallen. Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man den Wegfall des Hindernisses mit dem Zeitpunkt der Beantragung der Gewährung der Altersversorgung mit Schreiben vom 10. Februar 2021 ansetzte. Allerspätestens aber ist der Wegfall des Hindernisses mit 18. März 2021 erfolgt, weil die Beschwerdeführerin an diesem Tag von einem Behördenmitarbeiter die telefonische Auskunft erhielt, dass – auf Grund der identen Regelung wie im ASVG, wonach, wenn der Stichtag zu weit zurückliege, auf das Antragsdatum abzustellen sei – beschlossen worden sei, die Altersversorgung erst ab Februar 2021 zuzusprechen.

Der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag wurde somit nicht fristgerecht gestellt. Nach dem bereits Ausgeführten vermag ein allfälliges Missverständnis über den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist daran nichts zu ändern.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde daher zu Recht zurückgewiesen.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführerin kein Verschulden bzw. nur ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis anzulasten ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte bereits gemäß Paragraph 24, Absatz 2, Ziffer eins, erster Fall VwGVG unterbleiben. Davon abgesehen konnte von einer Verhandlung auch gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG abgesehen werden, weil die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und weil dem Entfall weder Artikel 6, EMRK noch Artikel 47, GRC entgegenstehen. Es war im vorliegenden Fall lediglich die Frage zu beurteilen, ob der Wiedereinsetzungsantrag durch die belangte Behörde zu Recht zurückgewiesen wurde. Die zwingende Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung wurde im gesamten Verfahren von keiner Partei aufgezeigt und es hatten die Parteien ausreichend Zeit und Möglichkeiten zur Darlegung ihrer Standpunkte. Es waren nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen zu beurteilen und es entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann vergleiche etwa EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09; VfGH 15.10.2016, A7/2016; VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117).

4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG zukommt. Die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich folgen der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der eindeutigen Rechtslage vergleiche zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage etwa VwGH 15.5.2019, Ro 2019/01/0006). Darüber hinaus kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung hat vergleiche etwa VwGH 20.3.2020, Ra 2019/10/0197, Rn 16).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGNI:2024:LVwG.AV.1929.001.2021