Gericht

Landesverwaltungsgericht Niederösterreich

Entscheidungsdatum

28.09.2020

Geschäftszahl

LVwG-AV-327/001-2020

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde der A OG, ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters von *** vom 23. Dezember 2019 betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung für Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen (Sommer- und Winterdienst) zu Recht:

1.    Der Beschwerde wird gemäß § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.    Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des freien Gewerbes „Holzschlägerung, -bringung und -zerkleinerung“.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 20. August 2019 wurde über einen unbeschränkt haftenden Gesellschafter und gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, dem maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet.

Mit Verfahrensanordnung des Bürgermeisters von *** vom 16. September 2019 wurde die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 91, Absatz 2, der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) aufgefordert, die genannte Person innerhalb einer Frist von einem Monat zu entfernen, widrigenfalls mit der Entziehung der Gewerbeberechtigung vorgegangen werden müsse. Die Verfahrensanordnung wurde an die Anschrift der Beschwerdeführerin, die im Gewerbeinformationssystem (GISA) und auch in der Insolvenzdatei angeführt wird, adressiert. Eine Abfertigung bzw. Zustellung der Verfahrensanordnung an diese Adresse wurde jedoch nicht vorgenommen. Die belangte Behörde verfügte vielmehr eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß Paragraph 25, des Zustellgesetzes (ZustG). Der Anschlag der Bekanntmachung an der Amtstafel erfolgte am 17. September 2019 und wurde am 2. Oktober 2019 abgenommen. Im vorgelegten Verwaltungsakt sind keine Angaben zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vorgangsweise nach Paragraph 25, ZustG enthalten.

Die Verfahrensanordnung wurde nicht behoben, die genannte Person wurde von der Beschwerdeführerin nicht entfernt.

Mit dem angefochtenen Bescheid entzog die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung. Als Rechtsgrundlagen wurden Paragraph 87, Absatz eins,, Paragraph 91, Absatz 2 und Paragraph 361, GewO 1994 angegeben. Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, die Verfahrensanordnung sei mittels Bekanntmachung an der Amtstafel nachweislich gemäß Paragraph 25, ZustG zugestellt worden, der unbeschränkt haftende Gesellschafter sei nicht entfernt worden, die Gewerbeberechtigung sei daher zu entziehen.

Der angefochtene Bescheid war an die Beschwerdeführerin per Anschrift der rechtsfreundlichen Vertretung adressiert. Auf dem im vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen Rückschein wird die Übernahme am 2. Jänner 2020 dokumentiert.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerin verweist auf die Adresse ihres Sitzes und bringt u.a. – und soweit für die Entscheidung wesentlich – vor, dass sie erst durch den angefochtenen Bescheid Kenntnis über die Verfahrensanordnung erhalten habe. Da die Voraussetzungen für eine Zustellung nach Paragraph 25, ZustG nicht vorgelegen seien, sei die Zustellung nicht rechtswirksam erfolgt. Die Beschwerdeführerin beantragte die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides.

2.    Ermittlungsverfahren und Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt in Verbindung mit dem angefochtenen Bescheid und dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

3.    Erwägungen:

3.1.       Gemäß Paragraph 91, Absatz 2, GewO 1994 hat die Behörde dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat.

Die Aufforderung im Sinne des Paragraph 91, Absatz 2, GewO 1994 stellt eine Voraussetzung für die Gewerbeentziehung, mangels eines rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Inhalts jedoch keinen Bescheid dar (VwGH 15. September 2006, 2006/04/0159 mwH).

Die Beschwerdeführerin ist Gewerbetreibende. Ihr ist die Aufforderung im Sinne des Paragraph 91, Absatz 2, GewO 1994 aber nicht zugestellt worden:

3.2.       Gemäß Paragraph 25, Absatz eins, ZustG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß Paragraph 8, vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (Paragraph 24,) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

Im vorgelegten Verwaltungsakt ist eine Adresse der Beschwerdeführerin (Sitz) ersichtlich. Diese ist auch im Gewerbeinformationssystem (GISA) und in der Insolvenzdatei angeführt. Dass es sich dabei um keine Abgabestelle der Beschwerdeführerin handelt, wurde weder behauptet noch ist dies im Verfahren hervorgekommen. Die belangte Behörde hat auch keine Feststellungen über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß Paragraph 25, ZustG getroffen.

Die Voraussetzungen für eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach Paragraph 25, ZustG liegen nicht vor, die Vorgangsweise gemäß Paragraph 25, ZustG war daher unzulässig. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraph 25, Absatz eins, ZustG handelt es sich um keine gültige Zustellung der Verfahrensanordnung nach Paragraph 91, Absatz 2, GewO 1994, weshalb ihr auch keinerlei Rechtswirkung zukommt.

3.3.       Da eine Voraussetzung für die Gewerbeentziehung nicht vorliegt, war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

4.    Zum Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß Paragraph 24, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist. Darüber hinaus betrifft die Frage der Beschwerdelegitimation ausschließlich eine Rechtsfrage, die im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu beantworten war, weshalb die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, EMRK noch Artikel 47, GRC entgegenstand.

5.    Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.327.001.2020