Landesverwaltungsgericht Kärnten
29.06.2017
KLVwG-1830-1831/10/2016
Das Landesverwaltungsgericht Kärnten hat durch seine Richterin Dr. xxx über die Beschwerden 1. des Ing. xxx, xxx, xxx und 2. des Ing. xxx, xxx, xxx,
beide vertreten durch Dr. xxx, Rechtsanwalt, xxx, xxx, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft xxx vom 27.7.2016, Zahl: xxx, mit welchem in der Gewerbeangelegenheit der xxx, xxx, xxx, vertreten durch xxx xxx, xxx, xxx, der Antrag der Beschwerdeführer auf Einleitung eines Verfahrens nach der IPPC-Richtlinie als unzulässig zurückgewiesen wurde, nach durchgeführter öffentlich mündlicher Verhandlung, zu Recht erkannt:
römisch eins. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, werden die Beschwerden als unbegründet
a b g e w i e s e n .
römisch II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Paragraph 25 a, VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG
u n z u l ä s s i g .
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer auf Einleitung eines Verfahrens nach der IPPC-Richtlinie (und Überprüfung, ob die BAT-Dokumente und Paragraph 74, Gewerbeordnung 1994 eingehalten werden) vom 11.5.2016 als unzulässig zurückgewiesen.
Als Rechtsgrundlagen dienten die Paragraphen 71 b,, 77a, 81a ff, 333 und Anlage 3 der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1994,, zuletzt geändert durch BGBl. römisch eins Nr. 35/2012; Paragraph 8, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, (WV), zuletzt geändert durch Bundesgesetzblatt Nr. 161 aus 2013, und Paragraph 14, des Gebührengesetzes 1957, Bundesgesetzblatt Nr. 267 aus 1957,, zuletzt geändert durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 163 aus 2015,.
Begründend führt die belangte Behörde nach Zitierung des Paragraph 71 b, Ziffer eins, GewO und des Paragraph 8, AVG aus:
„…
Der österreichische Gewerberechtsgesetzgeber hat die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) unter anderem dadurch umgesetzt, dass er den Anlagentyp „IPPC-Anlage" in Paragraph 71, b Ziffer eins, in Verbindung mit Anlage 3 GewO 1994 definiert. Maßgeblich für die Einordnung als IPPC-Anlage sind die Art der ausgeübten Tätigkeiten und (in einer Vielzahl von Fällen) das Überschreiten von Schwellenwerten. Nicht entscheidend sind in diesem Zusammenhang - der Qualifikation der gewerblichen Betriebsanlage als IPPC-Anlage, aus der zahlreiche weitere Verpflichtungen resultieren - hingegen die von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen.
Die xxx betreibt im Standort xxx, xxx eine gewerbliche Betriebsanlage zur Herstellung von Abdichtungssystemen auf Basis von Bitumen. Derartige Anlagen werden in der Anlage 3 der GewO 1994 nicht genannt. Die der Gewerbeordnung 1994 unterliegende Produktionsanlage der xxx stellt daher keine IPPC-Anlage dar. Daraus folgt, dass die für IPPC-Anlagen geltenden Sonderregelungen (etwa für Änderungsverfahren oder die Anpassung an den jeweils aktuellen Stand der Technik) keine Anwendung finden. Die Durchführung eines - wie auch immer gearteten – „Verfahrens nach der IPPC-Richtlinie" wie von den Antragstellern beantragt, entbehrt daher einer Rechtsgrundlage.
IPPC-Anlagen unterliegen gemäß Paragraph 77 a, (und Paragraph 81 a,) GewO 1994 zusätzlichen Anforderungen in Betriebsanlagengenehmigungs- und -änderungsverfahren. Abgesehen davon, dass im Hinblick auf die gewerbliche Betriebsanlage der xxx derzeit kein derartiges Verfahren anhängig ist, bestehen im Hinblick auf diese zusätzlichen Genehmigungsanforderungen weder subjektiv-öffentliche Rechte von Nachbarn [vgl Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO (2011) Paragraph 77 a, Rz 3 und Kinscher/Paliege-Barfuß, GewO Paragraph 77 a, Rz 10 (Stand: 01.03.2015, rdb.at)) noch ein diesen zukommendes einschlägiges Antragsrecht.“
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Wörtlich wird ausgeführt:
„I. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer xxx ist Eigentümer des Hauses xxx, xxx. Der Beschwerdeführer xxx ist Eigentümer des Hauses xxx, xxx. Die xxx betreibt unter der Adresse xxx, xxx eine Produktion für Abdichtungsprodukte auf der Basis von Bitumen. In den letzten Jahren treten immer wieder geruchsintensive H2S-Ströme auf und liegen erhebliche Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte vor. Offenbar werden neue Hilfs- und Zusatzstoffe verwendet, z.B. Schwefelflugöl Altreifen. Die Rührwerke und Mischer fahren anscheinend mit zu niedrigen Temperaturen
Aus den Unterlagen können die eingetragenen Schadstoffe in qualitativer oder quantitativer Form nicht beurteilt werden.
Die vorliegenden Unterlagen sind nicht geeignet, um über die eingetragenen Schadstoffe in qualitativer oder quantitativer Form eine Aussage zu umwelthygienischen und medizinischen Risikoabschätzung machen zu können.
Die vorliegenden Unterlagen sind auch nicht geeignet, geographische und klimatologische Faktoren im Zusammenhang mit den wahrgenommenen Einträgen und den prognostizierten Planeinträgen der Plausibilitätsprüfung unterziehen zu können.
Es müssten die entsprechenden Einreichunterlagen mit den Prognosedaten, die bisherigen Immissionsdaten (Kontroll-Ist-Messung) und die Informationen bezüglich der Beschwerdefrequenzen im Sinne der Umweltinformation amtlicherseits zur Verfügung gestellt werden.
Dasselbe gilt nicht nur für Bitumen, sondern auch für prozessbezogene Additive und Zuschlagsstoffe. Es müsste eine Liste der Betriebsmittel mit den entsprechenden Volumen oder Massenangaben und Bilanzen vorgelegt werden.
Bitumen enthält eine Reihe sehr komplexer Mischungen zyklischer und mittel- bis langkettiger Kohlenwasserstoffe sowie teils sehr hoher Anteile an Schwefel und Metallen (Gummieinschmelzung) in Abhängigkeit von der Herkunft der Rohstoffe und Zieleigenschaften der Produkte. Die bei unterschiedlichen Produktionsprozessen (Temperatur) frei werdenden Stoffe werden in Rauchen, Gasen und in partikulären Aggregatszuständen (Flüssig und Feststoffaerosole) ausgetragen.
Es stellt sich die Frage, wie im Genehmigungsverfahren die Gewichtungen bezüglich sensibler Immissionszonen gelegt wurden. Dies ist deswegen von Bedeutung, da die gegenständlichen Emissionen per Inhalationen als Gase, Rauche oder aggregiert zu partikulären Fest- und Flüssigaerosolen gewandelt, aufgenommen werden und auch über Direktkontakt mit Haut und Schleimhäuten aufgenommen werden können und ebenfalls physiologisch wie pathophysiologisch wirksam werden können.
Es wird darauf hingewiesen, dass der derzeitige Betrieb der xxx mit der seinerzeitigen Bewilligung nicht mehr übereinstimmt. Es werden Zuschlagsstoffe verwendet; die Ersatzstoffe wurden verändert (Reifenmüll). Der Betrieb ist nicht genehmigt. H2S tritt aus; die Grenzwerte werden überschritten. Der Schwefelwasserstoff ist ein übelriechendes farbloses hochgiftiges Gas und verursacht Herzrasen und Kopfweh. Es müssten auch andere Merkaptane untersucht werden. Anscheinend ist das System der Absaugung und der Reinigung überfordert.
römisch II. Anfechtungserklärung
Der Bescheid der BH xxx vom 27.07.2016 ZI.: xxx wird dem gesamten Umfang und Inhalt nach angefochten. Geltend gemacht werden die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides.
römisch III. Beschwerdegründe
Die Behörde meint, dass die Firma xxx Betriebsanlagen zur Herstellung von Abdichtungssystemen auf Basis von Bitumen in der Anlage 3 der Gewerbeordnung 1994 nicht genannt werde. Demgemäß sei sie keine IPPC - Anlage und sei ein Verfahren nach der IPPC-Richtlinie nicht zulässig.
Die Behörde übersieht, dass die gegenständliche Anlage nach der Richtlinie 2010/75/EU vom 24.11.2010 als IPPC - Anlage zu qualifizieren ist. Die Richtlinie hat zum Ziel, eine Verminderung der Umweltverschmutzung infolge industrieller Tätigkeit zu erreichen. Die Produktionsanlage ist zur Herstellung von Abdichtungssystemen auf Basis von Bitumen beschrieben. Bitumen wird aus Erdöl oder aus Sedimentgesteinen gewonnen. Durch die Zugabe vom Polymeren können spezielle Eigenschaften erreicht werden. Es handelt sich daher insgesamt um die Herstellung von polymeren Beschichtungsstoffen die im Anhang 1 der Richtlinien genannt sind. Demgemäß steht es den Beschwerdeführern zu eine Überprüfung zu verlangen und stehen den Beschwerdeführern auch Parteirechte zu. Auch in der Anlage 3 zur Gewerbeordnung sind unter IPPC - Anlagen Punkt 4 Herstellungsvorgänge für Bitumen und Abdichtungssysteme genannt. Im Übrigen sind die Schadstoffe, die beim Betrieb erzeugt werden, nämlich Schwefelwasserstoff und CO, ausdrücklich als zu berücksichtigende Immissionen genannt. Gerade diese Schadstoffe sind bei der Betriebsanlage relevant. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführer darauf hingewiesen haben, dass gesundheitsschädliche Immissionen vorhanden sind und eine Überprüfung nach der Gewerbeordnung und zwar Paragraph 74, zu erfolgen hätte. Auch darauf hätte die Behörde eingehen müssen, unabhängig davon, dass die Beschwerdeführer auch beantragt haben, nach dem Umweltinformationsgesetz weitere Informationen für die Immissionen 2014 und 2015 zu erhalten.
Die Anträge der Beschwerdeführer auf Einleitung eines Verfahrens nach der IPPC - Richtlinie oder der Gewerbeordnung und nach Auskunft i.S. Immissionsinformationsgesetzes waren daher nicht zurückzuweisen sondern zu bearbeiten. Das Verfahren, das ohne jede Überprüfung geführt wurde, ist daher mangelhaft geblieben. Der Bescheid ist rechtswidrig.
römisch IV. Rechtzeitigkeit der Beschwerde
Der angefochtene Bescheid wurde dem Vertreter der Beschwerdeführer am 01.08.2016 zugestellt. Die Frist zur Erhebung der Beschwerde ist daher gewahrt.
römisch fünf. Beschwerdeanträge
1. Das Landesverwaltungsgericht xxx möge den Bescheid der BH xxx vom 27.07.2016 ZI.: xxx, beheben.
2. In eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit mit dem Auftrag, ein Verfahren nach der IPPC - Richtlinie einzuleiten oder nach der Gewerbeordnung und den Beschwerdeführern nach dem Umweltinformationsgesetz Informationen über die Emissionen 2014 und 2015 zu übermitteln, an die 1. Instanz zurückverweisen.“
Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Das Arbeitsinspektorat beantragt Rechtsanwendung.
Das Landesverwaltungsgericht xxx ist vom nachstehenden – für die gegenständliche Entscheidung von Relevanz – Sachverhalt ausgegangen:
Die xxx betreibt am Standort xxx, xxx, eine Betriebsanlage zur Produktion von Abdichtungssystem auf Basis von Bitumen. Diese Anlage unterliegt der Gewerbeordnung.
Mit Schreiben vom 11.5.2016 beantragten die Beschwerdeführer die Einleitung eines Verfahrens nach der IPPC-Richtlinie (und Überprüfung ob die BAT-Dokumente und
§ 74 der Gewerbeordnung 1994 eingehalten werden). Wörtlich lautet dieses Schreiben:
„…
Die xxx, xxx, xxx, betreibt eine Produktion für Abdichtungsprodukte. Dafür werden große Mengen an Bitumen verarbeitet. Die Herstellung der Bitumenbahnen erfolgt in einer teilgekapselten, abgesaugten Fertigungsstraße. Nach der Anlieferung erfolgt die Mischung des Bitumens mit den Zuschlagstoffen zum gewünschten Einsatzstoff. In geschlossenen Rührwerkbehältern wird Bitumen vorgelegt, Polymer und Zuschlagstoffe werden von oben zugegeben. Als nächster Schritt folgt die Imprägnierung der Trägereinlage mit Bitumen. In der sich anschließenden Beschichtungsphase wird die Trägereinlage beidseitig mit entsprechendem Deckbitumen versehen. Außerdem erfolgt die jeweilige Belegung mit dem Oberflächenschutz, wie Sand, Schiefer, Talk, Granulat. In einem Kühlturm wird die fertige Bahn abgekühlt. Im Anschluss daran erfolgt die Konfektionierung.
Die abgesaugten Dämpfe/Aerosole werden getrennt nach Absaugstelle (Rührwerke,
Pfannen / Bestreuungsstühle, Silos, etc.) einem Nasswäscher bzw. Trockenfilter zugeführt, gereinigt und über Ausblasleitungen emittiert.
Die sogenannten nassen Absaugstellen (Rührwerke, Mischer, Pfannen und Imprägnierung, Tank) werden über 3 Rohrleitungsstränge gesammelt und in einem „Venturiwäscher" mit Waschwasser benetzt. Im nachfolgenden Abscheidebehälter wird das beladene Waschwasser sowie die Wassertröpfchen abgeschieden und in das darunter befindliche Sedimentationsbecken mit automatischem Schlammaustrag geleitet. Die vorgereinigte Abluft wird über ein Saugzuggebläse mit nachgeschaltetem Schalldämpfer emittiert.
Angeblich sind Änderungen 2014 vorgenommen worden und zwar:
Nebeladsorberverfahren:
Da die gemessenen H2S-Werte im Abluftstrom überhöht waren, wurden 2014 Maßnahmen zur Reduzierung gesucht und durch eine Modifizierung der Abluftsammelleitung umgesetzt.
Die Leckagen (diffuse Gase) wurden angeblich reduziert.
Angeblich wurden organisatorische Maßnahmen gesetzt.
2015 wurden angeblich nachstehende Maßnahmen vorgenommen:
- die Optimierung der Abgasfahnenhöhe
- die Trennung der Abgasströme
- Optimierung der Nasswäscher.
Beim Betrieb handelt es sich um IPPC Anlage, bei der immer überprüft werden müsste, dass der letzte Stand der Technik eingehalten wird. Der Betrieb unterliegt auch dem BAT Dokumenten und dem Paragraph 74, der Gewerbeordnung. Das Gebiet befindet sich im IG-Luft.
Trotz aller Maßnahmen treten immer wieder geruchsintensive H2S-Ströme auf und liegen erhebliche Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte vor. Offenbar werden neue Hilfs- und Zusatzstoffe verwendet z. B. Schwefel, Flugöl, Altreifen.
Die Rührwerke und Mischer fahren anscheinend mit zu niedrigen Temperaturen.
Jedenfalls wurde keine Verbesserung der emittierten Abluft erreicht. Die Geruchsituation ist vor allem im Jahr 2016 wesentlich schlechter geworden. Das Luftanalysegerät, das eine Messung vornehmen soll ist nicht im Einsatz. Nach den subjektiven Empfindungen der Anrainer treten immer mehr unzumutbare Geruchsphasen auf, wobei zu vermuten ist, dass es sich dabei um gesundheitsgefährdende und gesundheitsschädliche Stoffe handelt. Es liegt eine permanente Stresssituation für die Bewohner vor. Es ist vor allem zu befürchten, dass Kinder gesundheitliche Folgeschäden erleiden. Die Bewohner müssen Duftlampen anzünden damit sie den Geruch aushalten können.
Insgesamt ist zu sagen, dass die angeblichen Sanierungsverfahren keinen Erfolg gebracht haben.
Ich beantrage für meine Mandanten daher, ein Verfahren nach der IPPC-Richtlinie einzuleiten und zu überprüfen, ob die BAT Dokumente eingehalten werden und auch der Paragraph 74, der Gewerbeordnung. Weiters beantrage ich die Beziehung eines ärztlichen Sachverständigen, der feststellen möge, dass die Geruch- und Schadstoffbelastung gesundheitsschädigende und gefährliche Ausmaße angenommen hat.
Sollten keine entsprechenden Schritte gesetzt werden, müsste ich weitere Schritte ergreifen. …“
In der Folge hat dann die belangte Behörde den Amtssachverständigen für Sicherheitstechnik und Luftreinhaltung, DI Dr. xxx, ersucht, eine Stellungnahme aus fachlicher Sicht abzugeben.
Es kam zu mehreren Nachbarschaftsbeschwerden wegen Geruchs-beeinträchtigungen. Zwischenzeitlich hat der Amtssachverständige eine Stellungnahme abgegeben, die nicht von einer IPPC-Anlage ausgeht und führte er auch zahlreiche Ortsaugenscheine - aufgrund von Überprüfungsersuchen - durch.
Des Weiteren haben die Beschwerdeführer eine Präzisierung ihrer Beschwerde vom 25.10.2016 vorgelegt:
„In außen bezeichneter Verwaltungssache nehmen die Beschwerdeführer durch ihren Vertreter eine
Präzisierung
der, am 12.08.2016 gegen den Bescheid der BH xxx vom 27.07.2016
ZI.: xxx erhobenen, Bescheidbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht xxx als Beschwerdegericht vor.
Konkret geht es um die Frage, ob die gegenständliche Anlage nach der Richtlinie 2010/75/EU vom 24.11.2010 als IPPC - Anlage zu qualifizieren ist. Die Behörde ist der Ansicht, dass die Firma xxx Betriebsanlagen zur Herstellung von Abdichtungssystemen auf Basis von Bitumen in der Anlage 3 Gewerbeordnung 1994 nicht genannt werde. Demgemäß sei sie keine IPPC - Anlage und sei ein Verfahren nach der IPPC- Richtlinie nicht zulässig. Dies widerlegten die Beschwerdeführer.
Die Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 verfolgt das Ziel, die Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu vermindern. Dafür müssen Industrieanlagen die besten verfügbaren Techniken (BVT) einsetzen, welche in den BVT-Merkblättern (auch BAT-Dokumente genannt) der EU-Kommission veröffentlicht sind. Der Artikel 10 der Richtlinie 2010/75/EU besagt ausdrücklich, dass Kapitel römisch II für die in Anhang römisch eins aufgelisteten Tätigkeiten gilt. Die in Anhang römisch eins aufgelisteten Tätigkeiten, umfassen unter anderem auch die Herstellung von organischen Chemikalien und somit zweifelsfrei die Tätigkeit der Firma xxx.
Die Umsetzung der Richtlinie 2010/75/EU erfolgte durch das Bundesgesetzblatt 11.07.2013, 125. Bundesgesetz: Änderung der Gewerbeordnung 1994. In Anlage 3 konkretisiert der Gesetzgeber den, in Paragraph 71, b GewO angeführten, Begriff der „IPPC - Anlage" Paragraph 71, b. In Punkt 4.1 b der Anlage 3 des Bundesgesetzes Gewerbeordnung 1994, wird ausdrücklich die Herstellung von organischen Feinchemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung, insbesondere zur Herstellung von Polymer- und Beschichtungsstoff-Additiven genannt. Die Erzeugung der organischen Feinchemikalie Bitumen fällt zweifellos darunter. Nach Bescheid der BH xxx vom 27.07.2016, beschreibt sich die Firma xxx selbst als eine Anlage zur Herstellung von Abdichtungssystemen vorwiegend auf Basis von Bitumen. Ihre Tätigkeit wird somit von Punkt 4.1 b Anlage 3 Gewerbeordnung 1994 erfasst und die Firma ist als IPPC - Anlage zu qualifizieren. Darüber hinaus lautet der Wortlaut der Anlage 3 Gewerbeordnung 1994 wie folgt „Anlagen zur Herstellung von organischen Feinchemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung, insbesondere…". Durch den Gebrauch des Wortes „insbesondere", tätigt der Gesetzgeber in Anlage 3 Punkt 4.1 a und 4.1 b Gewerbeordnung 1994 eine bloß demonstrative Aufzählung einzelner Tätigkeiten. Selbst wenn das Geschäftsfeld der Firma xxx durch einen der, in Anlage 3 Punkt 4 angeführten Tätigkeiten nicht erfasst sein würde, könnte eine Kategorisierung der Firma xxx als IPPC - Anlage dennoch möglich sein.
Die BH xxx geht in ihrer Argumentation nur bedingt auf die oben dargelegten Tatsachen ein. Zwar ist es nicht unrichtig, dass bezüglich der Qualifizierung einer Anlage als IPPC - Anlage, die von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen nicht berücksichtigt werden können, doch beantwortet dies in keiner Weise die Frage, ob im gegebenen Sachverhalt eine solche Anlage tatsächlich vorliegt oder nicht. Die Behörde lässt zudem jegliche Argumentation betreffend ihrer Aussage, es liege keine IPPC - Anlage vor, missen. Die bloße Behauptung, derartige Anlagen seien in Anlage 3 der Gewerbeordnung 1994 nicht genannt, ist unverständlich und aufgrund der, oben dargestellten, Ausführungen auch als unrichtig zu qualifizieren.
Die Anträge der Beschwerdeführer auf Einleitung eines Verfahrens nach der IPPC - Richtlinie oder der Gewerbeordnung und nach Auskunft i.S. des Immissionsinformationsgesetzes waren daher nicht zurückzuweisen sondern zu bearbeiten.“
Die mitbeteiligte Partei hat im Zuge des nunmehrigen Verfahrens nachstehende Stellungnahme eingebracht:
„…
1. Die Beschwerdeführer behaupten, dass die Produktionsanlage der xxx an ihrem Standort, xxx, xxx, als IPPC-Anlage anzusehen sei, wobei sie sich auf Punkt 4.1 der Anlage 3 der Gewerbeordnung zu qualifizieren sei.
2. Sachverhalt
Die xxx betreibt an ihrem Standort, xxx, xxx, eine der Gewerbeordnung 1994 unterliegende Betriebsanlage zur Produktion von Abdichtungssystemen auf Basis von Bitumen.
In dieser Betriebsanlage werden hochwertige Dichtungsmaterialien, insbesondere zur Dach-, Brücken- und Bauwerksabdichtung produziert. Ein Schwerpunkt der Produktion liegt dabei in der Herstellung von Bitumen-Dachschindeln. Dabei wird in der Betriebsanlage kein Bitumen hergestellt, sondern zur Herstellung von Dichtungsmaterialien weiterverarbeitet.
Diese Produktionsanlage ist nach der Gewerbeordnung 1994 genehmigt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Der IPPC-Anlagenbegriff
3.1.1 Industrieemissions-Richtlinie (IERL)
Gemäß Artikel 3, Ziffer 3, IERL ist eine IPPC-Anlage im Sinne dieser Richtlinie definiert als eine „ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang römisch eins oder Anhang römisch VII Teil 1 genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten am selben Standort durchgeführt werden, die mit den in den genannten Anhängen aufgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können.“
3.1.2 Gewerbeordnung 1994
Die IERL wurde durch die Novelle BGBI. römisch eins Nr. 125/2013 in der Gewerbeordnung 1994 entsprechend umgesetzt. In Paragraph 71, b Ziffer eins, GewO 1994 wurde mit der genannten Novelle auch im gewerblichen Betriebsanlagenrecht eine Definition der IPPC-Anlage eingeführt, welche wie folgt lautet: „eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage oder jene Teile einer Betriebsanlage, in denen eine oder mehrere der in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene, in einem technischen Zusammenhang stehende Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können, durchgeführt werden."
Auch wenn keine wortwörtliche Übernahme der Definition der IPPC-Anlage gemäß Artikel 3, Ziffer 3, IERL erfolgte, ist der IPPC-Anlagenbegriff der GewO 1994 mit jenem der IERL vergleichbar: „Der Anlagenbegriff des Artikel 3, Ziffer 3, IERL ist mit dem IPPC-Begriff des Paragraph 71 b, Ziffer eins, GewO 1994 vergleichbar, zumal auch auf europäischer Ebene primär auf den prozesstechnischen Zusammenhang mit der IPPC-auslösenden Produktionseinheit abgezielt wird und damit im Vergleich zum gewerblichen Betriebsanlagenbegriff wesentlich enger definiert ist“ vergleiche Bergthaler/Berger, Die Betriebsanlage im Unions- und Verfassungsrecht sowie im sonstigen Recht, in: Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg.), Die gewerbliche Betriebsanlage4, Rz 294).
Für die gegenständliche Fragestellung relevant ist daher, ob am Standort eine IPPC-Tätigkeit durchgeführt wird. Es „stellt jener Teil einer Betriebsanlage eine IPPC- Anlage dar, in welchem eine Tätigkeit im Sinne der Anlage 3 zur GewO 1994 ausgeübt wird." vergleiche Vogelsang, Sonderbestimmungen für IPPC-Anlagen, in: Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg.), Die gewerbliche Betriebsanlage4, Rz 244).
3.2 Keine IPPC- Tätigkeit am Standort
3.2.1 IPPC-Tätigkeit bereits aufgrund des Wortlauts von Anlage 3 GewO 1994 ausgeschlossen
Die Herstellung von Dichtungsmaterialien, wie sie in der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei erfolgt, stellt keine IPPC-Tätigkeit dar. Diese Tätigkeit ist nicht in Anlage 3 GewO 1994 bzw Anhang 1 und 7 IERL angeführt.
Die Tätigkeiten der Anlage 3 Kapitel 1 bis 5 GewO 1994 können bereits aufgrund der Überschriften ausgeschlossen werden (Energiewirtschaft, Herstellung und Verarbeitung von Metallen, mineralverarbeitende Industrie, chemische Industrie, Abfallbehandlung). Auch die in Anlage 3 Ziffer 6, GewO 1994 (sonstige Industriezweige) angeführten Tätigkeiten führen die hier einschlägige Herstellung von Dichtungsmaterialien nicht an. Es handelt sich, wie unten noch näher dargestellt wird, bei der Betriebsanlage der Betriebsinhaberin insbesondere auch nicht um die Herstellung von Bitumen (siehe unten Punkt 3.2.2.).
Die belangte Behörde hat daher zutreffend ausgeführt, dass die gegenständliche Produktionsanlage keine IPPC-Anlage ist.
3.2.2 Ziffer 4 Punkt eins a und b Anlage 3 GewO 1994 kommen nicht zur Anwendung
Da von den Beschwerdeführern vorgebracht wurde, dass in der Anlage der xxx eine Tätigkeit gemäß Anlage 3 Ziffer 4 Punkt eins, a und b GewO 1994 durchgeführt wird, wird im Folgenden noch näher ausgeführt, warum dies nicht zutreffend ist.
Anlage 3 Ziffer 4 Punkt eins a, GewO 1994 umfasst folgende Tätigkeiten: „Anlagen zur Herstellung von organischen Chemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung, insbesondere
- zur Herstellung von einfachen Kohlenwasserstoffen (lineare oder ringförmige, gesättigte oder ungesättigte, aliphatische oder aromatische)
- zur Herstellung von sauerstoffhaltigen Kohlenwasserstoffen, wie Alkohole, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Ester und Estergemische, Acetate, Ether, Peroxide, Epoxide
- zur Herstellung schwefelhaltiger Kohlenwasserstoffe
- zur Herstellung stickstoffhaltiger Kohlenwasserstoffe, insbesondere Amine, Amide, Nitrose-, Nitro- oder Nitratverbindungen, Nitrile, Cyanate, Isocyanate
- zur Herstellung von phosphorhaItigen Kohlenwasserstoffen
- zur Herstellung von halogenhaltigen Kohlenwasserstoffen
- zur Herstellung von oberflächenaktiven Stoffen und Tensiden
- zur Herstellung von metallorganischen Verbindungen
- zur Herstellung von anderen organischen Grundchemikalien mit mehr als einem Heteroatomtyp"
Anlage 3 Ziffer 4 Punkt eins, b Anlage 3 GewO 1994 umfasst folgende Tätigkeiten: „Anlagen zur Herstellung von organischen Feinchemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung, insbesondere
- zur Herstellung von aromatischen Verbindungen
- -zur Herstellung von organischen Farbmitteln
- zur Herstellung von Duftstoffen
- zur Herstellung von Polymer- und Beschichtungsstoff-Additiven"
Bereits aus dem Wortlaut der Tätigkeiten „Herstellung von organischen (Fein) Chemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung" kann ausgeschlossen werden, dass dies auf die Anlage der xxx in xxx zutrifft. In der gegenständlichen Betriebsanlage erfolgt keine Herstellung von Chemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung, sondern wird Bitumen mit anderen eingesetzten Rohstoffen zu Dichtungsmaterialien weiterverarbeitet.
Die Anlagen, in denen die Rohstoffe hergestellt werden, können unter Umständen einem der IPPC-Tatbestände unterliegen, nicht aber eine Anlage wie die hier verfahrensgegenständliche, in der aus diesen Rohstoffen ein Produkt hergestellt wird - es sei denn, die Herstellung dieses Produkts würde explizit in Anlage 3 GewO 1994 angeführt. Das trifft aber für die Dichtungsmaterialien der Betriebsinhaberin nicht zu.
Das Ergebnis, dass die gegenständliche Anlage keine IPPC-Anlage sein kann, ergibt sich auch aus einer systematischen Interpretation der IPPC-Tatbestände von Anlage 3 GewO 1994 bzw. Anhang 1 und 7 IERL. So wird zum Beispiel in Anlage 3 Ziffer 6 Punkt eins, a GewO 1994 die Herstellung von Zellstoff aus Holz oder anderen Faserstoffen angeführt, während Anlage 3 Ziffer 6 Punkt eins, b GewO 1994 Anlagen zur Herstellung von Papier, Pappe oder Karton der IPPC-Pflicht unterwirft (Anhang 1 Ziffer 6 Punkt eins a und b IERL). Daraus ist klar ersichtlich, dass nicht nur der europäische - sondern dem folgend auch der nationale - Gesetzgeber IPPC-Tätigkeiten eindeutig definiert. Zellstoff ist ein wichtiger Rohstoff für die Papierherstellung; folglich wird Zellstoff in der Papierindustrie als Rohstoff eingesetzt. Würde man nun die Weiterverarbeitung eines Rohstoffes (Zellstoff zu Papier) der IPPC- Tätigkeit der Herstellung von Zellstoff zuzurechnen, müsste die Herstellung von Papier nicht mehr explizit angeführt werden, da sie bereits von der Herstellung von Zellstoff abgedeckt ist. Da aber eine explizite Nennung der Papierherstellung erfolgt ist, muss davon ausgegangen werden, dass der Normensetzer eine Subsumption einer weiterverarbeitenden Tätigkeit unter eine „Herstellung" ausschließt.
Als weiteres Beispiel können die Tätigkeiten der Anlage 3 Ziffer 3 Punkt 3 und 3.4 GewO 1994 (bzw. Anhang 1 Ziffer 3 Punkt 3 und 3.4 IERL) angeführt werden. Diese Tätigkeiten umfassen nicht nur die Herstellung von Glas oder mineralischen Stoffen, sondern explizit auch die Herstellung von aus Glas oder mineralischen Stoffen hergestellten Produkten Glas- sowie Mineralfasern. Wäre die Herstellung von Glas- sowie Mineralfasern bereits durch die Glasherstellung bzw. Herstellung von mineralischen Stoffen abgedeckt, bestünde keine Notwendigkeit einer expliziten Nennung im IPPC- Tatbestand. Der Unionsrechts- bzw. nationale Gesetzgeber wollte vielmehr auch diese Tätigkeiten explizit als IPPC-Tätigkeit normieren, da sich diese noch nicht aus der Glasherstellung bzw. Herstellung von mineralischen Stoffen ergibt. Auch bei der Glas- und Mineralfaserherstellung handelt es sich nämlich um eine Weiterverarbeitung von Glas und mineralischen Stoffen.
Folglich ergibt sich auch aus einer systematischen Interpretation der Tatbestände von Anlage 3 GewO 1994 bzw. Anhang 1 und 7 IERL, dass nur eine explizit genannte Tätigkeit eine IPPC-Tätigkeit darstellen kann. Eine Subsumption einer (Weiter-) Verarbeitungstätigkeit unter den Tatbestand des Herstellens ist ausgeschlossen. Da die Herstellung von Dichtungsmaterialien nicht in Anlage 3 GewO 1994 bzw. Anhang 1 und 7 IERL genannt ist, kann die Anlage der xxx keine IPPC-Anlage darstellen.
Untermauert wird dieses Ergebnis auch durch einschlägige Literatur zur IPPC- Anlagenabgrenzung:
- Gerhold vertritt in Bezug auf Anlagen in der Pharmaindustrie („Anlagen zur Herstellung von Wirkstoffen für Arzneimittel unter Verwendung eines chemischen oder biologischen Verfahrens in verfahrenstechnischen Anlagen") die Auffassung, dass nur die Einrichtungen dem IPPC-Regime unterliegen, in denen die entsprechenden biologischen oder chemischen Prozesse durchgeführt werden, nicht aber nachgeschaltete Veredelungsanlagen
(vgl, Gerhold, IPPC-rechtliche Abgrenzungsfragen der Pharmaindustrie: Entwicklung - Herstellung - Veredelung, RdU-U&T 2006/8).
- Bergthaler/Follner führen aus, dass Rohstoffgewinnung idR nicht zur Herstellung, Grundstoffproduktion nicht zur Verarbeitung zählen sowie, dass die IPPC-Tätigkeit mit der Herstellung des Produkts abgeschlossen ist
(vgl. Bergthaler/Follner, IPPC-Anlagen in der GewO: Anlagenbegriff und verfahrensrechtliche Konsequenzen, ecolex 2004, 750 [752]).
Aus der genannten Literatur ergibt sich, dass nur solche Tätigkeiten einer IPPC-Anlage zuzurechnen sind, in der die konkret genannte Tätigkeit durchgeführt wird. Veredelungsanlagen bzw. nachgeschaltete Tätigkeiten wie eine Weiterverarbeitung können einer IPPC-Tätigkeit nicht mehr zugerechnet werden. Das gilt auch für die hier gegenständliche Fragestellung: Die Weiterverarbeitung von Rohstoffen, deren Herstellung gegebenenfalls eine IPPC-Tätigkeit darstellt, ist selbst keine IPPC-Tätigkeit mehr.
3.2.3 Keine Herstellung von organischen (Fein)Chemikalien durch chemische oder biologische Umwandlung; kein Hinweis auf die Tätigkeit, die in der Anlage der mitbeteiligten Partei ausgeführt wird, in den BVT-Schlussfolgerungen
Zuletzt wird noch darauf hingewiesen, dass die EU Kommission und das European IPPC Bureau, Sevilla, unter dessen Federführung die BVT-Merkblätter zu den unter die IE-RL fallenden industriellen Sektoren erarbeitet werden, Anlagen wie die gegenständliche Betriebsanlage nicht dem IPPC-Regime unterstellen.
Die Europäische Kommission definiert in den Interpretations of definitions of certain project categories of annex römisch eins and römisch II of the EIA directive, also im Zusammenhang mit der UVP-RL, den chemischen Umwandlungsprozess derart, dass es dabei zu einer oder mehreren chemischen Reaktionen kommt. Auch biologische oder biotechnische Umwandlungen, wie etwa Fermentierungen, zählen dazu. Rein physikalische Prozesse, wie das Vermischen von Substanzen, ohne dass diese chemisch reagieren, ist vom Begriff der chemischen Umwandlung nicht umfasst (European Commission, Interpretations of definitions of certain project categories of annex römisch eins and römisch II of the EIA directive, 23).
Soweit es BVT-Schlussfolgerungen des IPPC Bureaus in Sevilla gibt, die Bitumen betreffen, handelt es sich dabei um BVT-Schlussfolgerungen für das Raffinieren von Mineralöl und Gas. Punkt 1.4 dieser BVT-Schlussfolgerungen betrifft die Bitumenherstellung vergleiche den Auszug,
Beilage ./1).
Die einzige in Österreich befindliche Raffinerie, die ua auf die Herstellung von Bitumen spezialisiert ist, ist jene der xxx in xxx:
Weder die gegenständliche Betriebsanlage noch die Betriebsanlagen der anderen drei Unternehmen in Österreich, die dieselbe Tätigkeiten verrichten, vergleiche Grafik 1.7 im BVT-Merkblatt, Beilage ./1), sind in diesem vom IPPC Bureau herausgegebenen Merkblatt erwähnt.
Bei der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei handelt es sich nicht um eine Raffinerie, in der Bitumen hergestellt wird, und daher nicht um eine IPPC-Anlage.
4. Zusammenfassung; Antrag
Aus den genannten Gründen kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Herstellung von Dichtungsmaterialien keine IPPC-Tätigkeit iS des
§ 71b Ziffer eins, in Verbindung mit Anlage 3 darstellt.
Die Weiterverarbeitung von Stoffen, die in einer IPPC-Anlage (Raffinerie) hergestellt wurden, in der Betriebsanlage in xxx unterliegt keinem IPPC-Tatbestand. Folglich sind die Bestimmungen über IPPC-Anlagen auf die Herstellung von Dichtungsmaterialien in der Betriebsanlage in Fürnitz nicht anzuwenden.
Es wird daher
beantragt,
die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.“
Im Zuge der öffentlich mündlichen Verhandlung wurde nochmals der Amtssachverständige gehört und hat er vorgebracht:
„Ich bin seit ca. 1 ¼ Jahren in das Verfahren involviert, ich habe zahlreiche Stellungnahmen abgeben und war mehrmals vor Ort. Ich verweise auf meine im Akt erliegenden Stellungnahmen und bringe ergänzend vor:
Was mit den IPPC-Tätigkeiten der Industrieemissions-Richtlinie - IERL und damit auch der GewO gemeint ist, wird in den BVT-Merkblättern der Joint Research Centers der Europäischen Union definiert. Zum gegenständlichen Fall sind vier BVT-Merkblätter relevant, das erste ist über Destillationen in Raffinerien, das zweite über die Herstellung von Feinchemikalien, das dritte über die Herstellung von Grundchemikalien und das vierte über die Herstellung von Polymeren. In jedem dieser BVT-Merkblätter geht es um die Herstellung, nicht um die Nutzung der Folgeprodukte. xxx kauft Bitumen und Polymere zu. xxx mischt Bitumen und Polymere und trägt sie auf Dachbahnen auf. Gemäß Auskunft von Frau Dr. xxx vom Bundesministerium handelt es sich bei einem Mischvorgang um keine IPPC-Tätigkeit. Zum Vergleich in Deutschland ist es genauer geregelt, es gibt die vierte Bundesimmissionsschutz-Verordnung. Nach dieser Verordnung sind Anlagen zum Tränken oder Überziehen von Stoffen oder Gegenständen mit heißem Bitumen keine IPPC-Anlagen.
Wenn ich gefragt werde, ob dies nicht einem Widerspruch zu der im Bescheid der BH xxx vom 27.7.2016 beschriebenen Anlage zur Herstellung von Abdichtungssystemen darstellt, so gebe ich an, dass Abdichtungssysteme keine Chemikalien sind. Es werden Chemikalien zur Herstellung des Abdichtungssystems verwendet, jedoch nicht im Betrieb hergestellt.
Auf Befragen durch Dr. xxx an DI xxx:
Die Firma xxx kauft Bitumen zu und mischt es dann mit Zusatzstoffen, wie z.B. Fluxöl, Reifenmehl etc.. Der Sachverständige führt dazu aus, dass es primär ein Mischungsvorgang ist, es kann nicht ausgeschlossen, dass es zu Polymerisationen kommt, damit zu chemischen Reaktionen. Der Hauptvorgang ist eine Mischung. Wenn nun Dr. xxx nochmals nachfragt, ob durch diese Mischung im erhitzten Zustand und die vorerwähnte Polymerisation es zu einem neuen Produkt und damit zu einem dem IPPC unterliegenden Vorgang kommt, so gibt der Sachverständige dazu an: In keiner dieser vorgewähnten Merkblätter wird so ein Vorgang beschrieben. Dort wird nur erwähnt, dass die Polymere in weiterer Folge zur Modifikation von Bitumen verwendet werden können. Ich kann daraus die Schlußfolgerung ziehen, dass die Modifikation des Bitumens nicht Teil einer IPPC-Tätigkeit ist.
Durch die Erwärmung kommt es zur Freisetzung von Schadstoffen, durch die Polymerisation werden keine Schadstoffe freigesetzt. Die Erwärmung ist notwendig, um die Vermischung durchführen zu können.
Auf die Frage, warum dauernd diese Geruchsbelästigungen bestehen, gibt der Sachverständige an:
Die Geruchsstoffe kommen einerseits aus dem Bitumen, andererseits aus den Zuschlagstoffen. Durch das Erwärmen werden diese jeweils freigesetzt. Die höchsten Geruchsbelastungen entstehen bei den Rührwerken. Die Abluft der Rührwerke wird abgesaugt und im Wirbelschichtofen verbrannt. Die Immissionsmessungen haben gezeigt, dass die H2S-Konzentration in xxx deutlich gesunken ist und somit das stark geruchsbelastete System effektiv verbrannt wird und dicht ist. Daneben gibt es ein System für die Reinigung der weniger geruchsbelasteten Abluft, dieses wird über einen Nasswäscher gereinigt. Nach Messungen beträgt die Geruchsbelastung aus dem Kamin des Nasswäschers 2.300 Geruchseinheiten pro m3. Es wird vermutet, dass die Abluft aus dem Kamin weiterhin die Geruchsbelastung in xxx verursacht.
Von uns gemessen wurde Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan, Ethylmercaptan, und Naphthalin, da dies Geruchsstoffe sind, die am ehesten bei der Erwärmung von Bitumen freigesetzt werden.
Wenn ich gefragt werde, ob die Grenzwerte der Akademie für Wissenschaften gemessen wurden, so gebe ich an, dass diese nicht direkt messbar sind. Messungen 1.6. bis 6.10.2016 wurden den Beschwerdeführer im Oktober 2016 übermittelt. Auch mit diesen Messeinheiten kann man nicht sagen, wieviel Geruchseinheiten das sind. Die Schwefelwasserstoffkonzentration ist deutlich gesunken. Ein Jahr durch wurde nicht gemessen. Die Grenzwerte der Akademie für Wissenschaften sind nicht gesetzlich.
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer besteht auf die Protokollierung, dass der Sachverständige nicht überprüft hat, ob die Empfehlung der Akademie für Wissenschaften hinsichtlich der Geruchsbelästigung nicht eingeholt wurde.
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer befragt den Sachverständigen, welche Vorschläge er für weitere Auflagen, um die Geruchsbelästigung zu vermindern, er hat. Die Richterin lässt diese Frage nicht zu.
Auf Befragen durch den Vertreter der belangten Behörde an den Sachverständigen.
Für die H2S-Belastung gibt es WHO-Leitwerte, diese wurden, wie durch Messungen nachgewiesen, eingehalten.
Dr. xxx führt dazu aus, dass der Sachverständige das nicht gesagt hat.
Der Sachverständige führt nunmehr aus, dass die WHO-Leitwerte für H2S 7 µg/m3
betragen. Im Juni bis Oktober 2016 wurde in xxx eine mittlere H2S-Konzentration von 0,07 µg/m3 und ein Höchstwert von 5,32 µg/m3 gemessen.
Auf Befragen durch Dr. xxx an den Sachverständigen:
Es wurden gegenständlich Immissionsmessungen durchgeführt. Nachdem rund um die Firma xxx mehrere Betriebe angesiedelt sind, ist davon auszugehen, dass eine Zuordnung des H2S an die Firma xxx alleine nicht möglich ist.
Auf die Frage, ob es richtig ist, dass die Geruchseinheiten im Jahre 2015 auf ein Zehntel des Jahres 2014 zurückgegangen sind (in der Abluft des Nasswäschers), so gebe ich dazu an, dass das richtig ist.
Auf Befragen durch Dr. xxx an den Sachverständigen:
Wenn ich gefragt werde, ob die WHO Leitwerte Jahresmessungen verlangen, so gebe ich an, es ist ein Jahresmittelwert. Es ist nicht definiert, wie es zu messen ist.
Wenn ich gefragt werde, ob ich geprüft habe, ob der Betrieb 2015 voll gelaufen ist, so gebe ich an, ich weiß dass bei den Messungen 2015 der Betrieb voll gelaufen ist. Ob dieselben Produktionsvoraussetzungen wie 2014 gegeben waren, weiß ich nicht.
Auf Befragen durch Ing. xxx an den Sachverständigen:
2.300 Geruchseinheiten bedeuten, dass ich eine Probeluft 2.300 Mal verdünnen muss, um nichts mehr zu riechen. Zwischen Emission und Immission kommt es zu einer starken Verdünnung. Der Grad der Verdünnung hängt von den meteorologischen Verhältnissen, der Abluftgeschwindigkeit im Kamin und der Entfernung von der Emissionsquelle ab.
Der Beschwerdeführer Ing. xxx möchte vom Sachverständigen wissen, ob eine Erhöhung des Kamins eine Herabsetzung der Immissionen bewirkt und wie sichergestellt wird, dass die gesamten Absaugsysteme wirklich zu 100 % gedichtet werden. Die Richterin lässt diese Frage nicht zu, da sie den Gegenstand des Verfahrens sprengt.“
Diese Feststellungen stützen sich auf den vorliegenden Verwaltungsakt sowie das durchgeführte Beweisverfahren, insbesondere das Ergebnis der öffentlich mündlichen Verhandlung.
Rechtlich wurde darüber wie folgt erwogen:
Gemäß Paragraph 71 b, Ziffer eins, Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 ist bzw. sind eine „IPPC-Anlage“ eine in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlage oder jene Teile einer Betriebsanlage, in denen eine oder mehrere der in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene, in einem technischen Zusammenhang stehende Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können, durchgeführt werden.
Sonderbestimmungen für derartige IPPC-Anlagen enthalten insbesondere die
§§ 77a, 81a ff und 356a GewO 1994.
Gemäß Paragraph 8, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.
In Paragraph 71 b, Ziffer eins, in Verbindung mit Anlage 3 der Gewerbeordnung definiert der österreichische Gewerberechtsgesetzgeber den Anlagentyp der IPPC-Anlage. Die verfahrens-gegenständliche Anlage stellt keine derartige IPPC-Anlage dar.
Die - nicht näher spezifizierten - Ausführungen der Beschwerdeführer, wonach
Punkt 4. der Anlage 3 der Gewerbeordnung 1994 „Herstellungsvorgänge für Bitumen und Abdichtungssysteme" nennen würde, sind nicht nachvollziehbar;
der angesprochene Punkt der Anlage 3 leg cit beschäftigt sich vielmehr mit Anlagen zur Herstellung von Chemikalien, Treibstoffen, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln und Explosivstoffen. Entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführer beinhaltet Anhang 1 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) auch nicht Anlagen für die „Herstellung von polymeren Beschichtungsstoffen". Unabhängig davon bestehen keine subjektiv-öffentlichen Rechte von Nachbarn im Hinblick auf die durch das IPPC-Anlagenregime etablierten zusätzlichen Anforderungen an gewerbliche Betriebsanlagen.
Das durchgeführte Verfahren hat erbracht, dass aufgrund der zahlreichen Beschwerden die belangte Behörde fortlaufend Überprüfungen durchführt und durchgeführt hat und Sachverständige bezüglich der Luftreinhaltung und Medizin beigezogen hat. Es gab bisher keine nachgewiesene Gesundheitsgefährdung. Diese Überprüfungsverfahren wurden jedoch von Amts wegen durchgeführt. Eine Parteistellung ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Festgehalten wird weiters, dass es dem erkennenden Gericht verwehrt ist, insbesondere unter Zugrundelegung des Paragraph 27, VwGVG den Prüfungsumfang auszudehnen. Im Gegenstand ist seitens des erkennenden Gerichtes der angefochtene Bescheid und nicht – wie die Beschwerdeführer vermeinen – ein darüber hinaus gehendes Vorbringen relevant. Die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist durch den angefochtenen Bescheid und den Inhalt der Beschwerde beschränkt. Unabhängig davon liegt der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage ein Bescheid vom 17.6.2015 zugrunde und werden die darin enthaltenen Auflagen seitens der belangten Behörde von Amts wegen geprüft.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:LVWGKA:2017:KLVwG.1830.1831.10.2016