Datum der Kundmachung

10.06.2014

Fundstelle

Landesgesetzblatt Nr. 33 aus 2014, 33. Stück

Bundesland

Vorarlberg

Kurztitel

Spekulationsverbotsgesetz - SVG

Text

Regierungsvorlage 20/2014

Gesetz
über ein Spekulationsverbot des Landes, der Gemeinden
und sonstiger öffentlicher Rechtsträger

(Spekulationsverbotsgesetz – SVG)

Der Landtag hat beschlossen:

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Paragraph eins,

Gegenstand

Dieses Gesetz regelt die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung folgender Rechtsträger:

  1. Litera a
    das Land;
  2. Litera b
    die Gemeinden;
  3. Litera c
    sonstige Rechtsträger der Teilsektoren S.1312 (Länder), S.1313 (Gemeinden) und S.1314 (Sozialversicherung) im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG), wenn für die Regelung ihrer Organisation der Landesgesetzgeber zuständig ist.

Paragraph 2,

Begriffsbestimmungen

  1. Absatz einsIm Sinne dieses Gesetzes gelten als
    1. Litera a
      Finanzgebarung: alle Maßnahmen im Zusammenhang mit
      1. Ziffer eins
        der Aufnahme und der Bewirtschaftung von Fremdmitteln (Fremdfinanzierungen) oder
      2. Ziffer 2
        der Veranlagung und der Bewirtschaftung von Geldmitteln;
    2. Litera b
      Finanzgeschäft: ein Rechtsgeschäft zum Zwecke der Finanzgebarung;
    3. Litera c
      Veranlagung: Veranlagung von Geldmitteln in Form von
      1. Ziffer eins
        Spareinlagen, Sichteinlagen, Termineinlagen;
      2. Ziffer 2
        Anleihen (einschließlich Pfandbriefen);
      3. Ziffer 3
        sonstigen Wertpapieren (einschließlich Derivaten), soweit es sich nicht um strategische Unternehmensbeteiligungen aus wirtschaftspolitischen, strukturpolitischen oder realwirtschaftlichen Gründen handelt;
      4. Ziffer 4
        Rohstoffen und Waren, die nicht dem Eigenbedarf dienen;
      5. Ziffer 5
        Devisen;
      6. Ziffer 6
        Unternehmensbeteiligungen, soweit sie nicht unter Ziffer 3, fallen und soweit es sich nicht um strategische Unternehmensbeteiligungen aus wirtschaftspolitischen, strukturpolitischen oder realwirtschaftlichen Gründen handelt.
  2. Absatz 2Die Landesregierung kann mit Verordnung weitere Veranlagungen als Veranlagungen im Sinne dieses Gesetzes festlegen (Absatz eins, Litera c,), sofern es zur Vermeidung von Spekulation erforderlich ist.

Paragraph 3,

Spekulationsverbot, Allgemeiner Grundsatz

Die Rechtsträger müssen ihre Finanzgebarung risikoavers ausrichten. Sie müssen die mit der Finanzgebarung notwendigerweise verbundenen Risiken auf ein Mindestmaß beschränken. Die Minimierung der Risiken ist stärker zu gewichten als die Optimierung der Erträge oder Kosten.

2. Abschnitt

Risikoaverse Finanzgebarung, Besondere Bestimmungen

Paragraph 4,

Fremdfinanzierung

  1. Absatz einsDarlehen bzw. Kredite dürfen nur aufgenommen werden, wenn sie auf Euro lauten. Dasselbe gilt für den Abschluss von Leasinggeschäften.
  2. Absatz 2Darlehen bzw. Kredite dürfen – unbeschadet des Paragraph 5, – keine derivative Komponente enthalten. Sie dürfen nicht zum Zwecke der Veranlagung (Paragraph 2, Absatz eins, Litera c,) aufgenommen werden.
  3. Absatz 3Absatz eins und Absatz 2, zweiter Satz gelten sinngemäß für die Begebung von Anleihen.

Paragraph 5,

Derivative Finanzgeschäfte

  1. Absatz einsEin derivatives Finanzgeschäft darf nur als Absicherungsgeschäft im Rahmen der Fremdfinanzierung abgeschlossen werden, um Zinsänderungs- und andere Marktrisiken eines Grundgeschäftes zu begrenzen.
  2. Absatz 2Das derivative Finanzgeschäft muss mit dem Grundgeschäft verbunden sein. Es darf zu keinem Zeitpunkt der entsprechenden Laufzeit einen höheren Nominalbetrag als das Grundgeschäft umfassen.
  3. Absatz 3Die Laufzeit des derivativen Finanzgeschäftes darf jene des Grundgeschäfts nicht übersteigen und hat spätestens mit dem Ende der Laufzeit des Grundgeschäftes zu enden.

Paragraph 6,

Veranlagungen

  1. Absatz einsFolgende Veranlagungen sind zulässig:
    1. Litera a
      Spareinlagen, Sichteinlagen und Termineinlagen in Euro;
    2. Litera b
      Anleihen und Pfandbriefe, jeweils in Euro und von Emittenten mit mindestens einem guten Rating;
    3. Litera c
      Beteiligungen an Euro-Geldmarktfonds und Euro-Rentenfonds, jeweils ohne Währungsrisiko; weiters Beteiligungen an gemischten Euro-Fonds mit mindestens 70 % Anleihenanteil gemäß Litera b und dem restlichen Anteil in Aktien, jeweils ohne Währungsrisiko.
  2. Absatz 2Die Landesregierung kann durch Verordnung weitere Veranlagungsformen, die dem Spekulationsverbot des Paragraph 3, entsprechen, für zulässig erklären.

3. Abschnitt

Organisatorische Vorkehrungen

Paragraph 7,

Qualifikation

Mit Aufgaben im Bereich der Finanzgebarung dürfen nur Personen betraut werden, die, abhängig von ihrer Verantwortung, aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrung dazu in der Lage sind.

Paragraph 8,

Vier-Augen-Prinzip

  1. Absatz einsDie Finanzgebarung ist so zu organisieren, dass vor dem beabsichtigten Abschluss von Finanzgeschäften im Sinne der Paragraphen 3 bis 6 eine Prüfung und Auswahl durch zwei geeignete Personen (Paragraph 7,) unabhängig voneinander erfolgt. Die Empfehlung an das für die endgültige Entscheidung über den Abschluss des Finanzgeschäfts zuständige Organ ist von diesen Personen möglichst einvernehmlich zu treffen, zu begründen und zu dokumentieren, ansonsten getrennt.
  2. Absatz 2Rechtsträger – mit Ausnahme des Landes – sind von der Verpflichtung nach Absatz eins, ausgenommen, wenn sie nicht über ausreichend Personen nach Paragraph 7, verfügen, die Anstellung von zusätzlichen Personen unter Bedachtnahme auf die Anzahl und das Volumen der Finanzgeschäfte unverhältnismäßig wäre und sie nur folgende Finanzgeschäfte abschließen:
    1. Litera a
      Fremdfinanzierungsgeschäfte, ausgenommen derivative Finanzgeschäfte;
    2. Litera b
      Veranlagungen nach Paragraph 6, Absatz eins, Litera a und b;
    3. Litera c
      sonstige Finanzgeschäfte, sofern durch schriftliches Gutachten nachgewiesen wird, dass das Finanzgeschäft den Bestimmungen der Paragraphen 3 bis 6 entspricht.
  3. Absatz 3Ein Gutachten nach Absatz 2, Litera c, muss von einer Einrichtung erstellt werden, die zu derartigen Beratungen befugt ist und das entsprechende Finanzprodukt weder anbietet noch vermittelt; zwischen der beratenden Einrichtung und der das Finanzprodukt anbietenden Einrichtung darf keine gesellschaftsrechtliche Verbindung bestehen. Für die Gemeinden und die sonstigen Rechtsträger des Teilsektors S.1313 (Gemeinden) sowie diesen zuzuordnende Rechtsträger des Teilsektors S.1314 (Sozialversicherung) kann das Gutachten auch durch den Vorarlberger Gemeindeverband erstellt werden.

Paragraph 9,

Strategische Planung

Die Rechtsträger haben ihrem Schuldenmanagement eine strategische Jahresplanung zugrunde zu legen.

4. Abschnitt

Nähere Vorschriften

Paragraph 10,

Die Landesregierung kann, soweit dies zur Vermeidung von Spekulation erforderlich oder zweckmäßig ist, mit Verordnung nähere Vorschriften erlassen über

  1. Litera a
    das Risikomanagement nach den Paragraphen 3 bis 6, insbesondere über das Management von Kreditrisiko, Marktrisiko, Liquiditätsrisiko, Reputationsrisiko, Rechtsrisiko und das operationelle Risiko;
  2. Litera b
    die nötige Qualifikation der Personen und das Vier-Augen-Prinzip nach den Paragraphen 7 und 8;
  3. Litera c
    die Erfordernisse der strategischen Jahresplanung nach Paragraph 9,

5. Abschnitt

Schlussbestimmungen

Paragraph 11,

Eigener Wirkungsbereich

Die in diesem Gesetz geregelten Angelegenheiten der Gemeinden sind solche des eigenen Wirkungsbereichs. Für die strategische Jahresplanung nach Paragraph 9, ist der Bürgermeister zuständig.

Paragraph 12,

Ausgegliederte Rechtsträger

Das Land und die Gemeinden haben im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen der Paragraphen 3 bis 9 sinngemäß auch Rechtsträger im Sinne des Paragraph eins, Litera c, einhalten, an denen sie beteiligt sind und deren Organisation nicht der Landesgesetzgeber regelt.

Paragraph 13,

Übergangsbestimmungen

  1. Absatz einsAnschlussfinanzierungen (Rollierungen) und risikoreduzierende Absicherungen von bestehenden Geschäften entgegen diesem Gesetz können vereinbart werden, wenn
    1. Litera a
      diese Finanzgeschäfte im direkten Zusammenhang mit einem Finanzgeschäft stehen, das vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist;
    2. Litera b
      der Rechtsträger dem Landes-Rechnungshof bzw. der Landesregierung (Absatz 2,) bis zum 31. Mai 2015 eine geeignete Strategie für einen stufenweisen Abbau der den Bestimmungen dieses Gesetzes widersprechenden Finanzgeschäfte übermittelt und
    3. Litera c
      der Rechtsträger diese Finanzgeschäfte auf der Grundlage seiner Strategie gemäß Litera b bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 an die Bestimmungen dieses Gesetzes anpasst.
  2. Absatz 2Die Strategie gemäß Absatz eins, Litera b, des Landes, sonstiger Rechtsträger des Teilsektors S.1312 (Länder) oder sonstiger dem Land zuzuordnender Rechtsträger des Teilsektors S.1314 (Sozialversicherung) ist dem Landes-Rechnungshof zu übermitteln; jene der Gemeinden, sonstiger Rechtsträger des Teilsektors S.1313 (Gemeinden) oder sonstiger den Gemeinden zuzuordnender Rechtsträger des Teilsektors S.1314 (Sozialversicherung) der Landesregierung.
  3. Absatz 3Die Strategie gemäß Absatz eins, Litera b, kann mit Zustimmung des Landes-Rechnungshofes bzw. der Landesregierung auch einen späteren Endtermin als den 31. Dezember 2017 vorsehen, wenn das auf Grund der Art oder des Volumens der betroffenen Finanzgeschäfte den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht und das damit verbundene Risiko vertretbar ist.

Paragraph 14,

Inkrafttreten

  1. Absatz einsDieses Gesetz tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft.
  2. Absatz 2Die strategische Jahresplanung nach Paragraph 9, muss erstmals für das Jahr 2015 vorliegen.
  3. Absatz 3Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes können bereits ab Kundmachung erlassen werden; sie treten jedoch frühestens mit diesem Gesetz in Kraft.