Datum der Kundmachung

31.07.2014

Fundstelle

Landesgesetzblatt Nr. 52 aus 2014,

Bundesland

Oberösterreich

Kurztitel

Landesgesetz über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung einschließlich eines Spekulationsverbots für das Land, die Gemeinden und sonstige öffentliche Rechtsträger (Oö. Finanzgebarungs- und Spekulationsverbotsgesetz - Oö. FGSVG)

Text

Nr. 52

Landesgesetz

über die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung einschließlich eines Spekulationsverbots für das Land, die Gemeinden und sonstige öffentliche Rechtsträger

(Oö. Finanzgebarungs- und Spekulationsverbotsgesetz - Oö. FGSVG)

Der Oö. Landtag hat beschlossen:

1. ABSCHNITT

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Paragraph eins,

Gegenstand

(1) Dieses Landesgesetz regelt die risikoaverse Ausrichtung der Finanzgebarung folgender Rechtsträger:

  1. Ziffer eins
    Land Oberösterreich;
  2. Ziffer 2
    Städte und Gemeinden;
  3. Ziffer 3
    sonstige Rechtsträger der Teilsektoren S.1312 (Länder),
S.1313 (Gemeinden) und S.1314 (Sozialversicherung) im Sinn des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010), wenn für die Regelung ihrer Organisation der Landesgesetzgeber zuständig ist.

(2) Die in diesem Landesgesetz enthaltenen Grundsätze und Regelungen gelten für die Finanzgebarung der Rechtsträger als Mindeststandards. Soweit in anderen landesrechtlichen Regelungen weitergehende Bestimmungen enthalten sind, gelten diese.

Paragraph 2,

Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinn dieses Landesgesetzes gelten als

  1. Ziffer eins
    Finanzgebarung: alle Maßnahmen im Zusammenhang mit
    1. Litera a
      der Aufnahme und der Bewirtschaftung von Fremdmitteln
(Fremdfinanzierungen) oder
  1. Litera b
    der Veranlagung und der Bewirtschaftung von Geldmitteln;
  1. Ziffer 2
    Finanzgeschäft: ein Rechtsgeschäft zum Zweck der Finanzgebarung;
  2. Ziffer 3
    Veranlagung: Veranlagung von Geldmitteln in Form von
    1. Litera a
      Spareinlagen, Sichteinlagen, Termineinlagen;
    2. Litera b
      Anleihen (einschließlich Pfandbriefen);
    3. Litera c
      sonstigen Wertpapieren (einschließlich Derivaten), soweit
es sich nicht um strategische Unternehmensbeteiligungen aus wirtschaftspolitischen, strukturpolitischen oder realwirtschaftlichen Gründen handelt;
  1. Litera d
    Rohstoffen und Waren, die nicht dem Eigenbedarf dienen;
  2. Litera e
    Devisen;
  3. Litera f
    Unternehmensbeteiligungen, soweit sie nicht unter Litera c,
fallen und soweit es sich nicht um strategische Unternehmensbeteiligungen aus wirtschaftspolitischen, strukturpolitischen oder realwirtschaftlichen Gründen handelt.

(2) Die Landesregierung kann mit Verordnung weitere Veranlagungen als Veranlagungen im Sinn dieses Landesgesetzes (Absatz eins, Ziffer 3,) festlegen, sofern es zur Vermeidung von Spekulation erforderlich ist.

Paragraph 3,

Spekulationsverbot, Allgemeiner Grundsatz

Die Rechtsträger müssen ihre Finanzgebarung risikoavers ausrichten. Sie müssen die mit der Finanzgebarung notwendigerweise verbundenen Risiken, insbesondere die Risikoarten Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Reputations-, Rechts- und operationelles Risiko, auf ein Mindestmaß beschränken. Die Minimierung der Risiken ist stärker zu gewichten als die Optimierung der Erträge oder Kosten.

2. ABSCHNITT

RISIKOAVERSE FINANZGEBARUNG - BESONDERE BESTIMMUNGEN

Paragraph 4,

Fremdfinanzierung

(1) Darlehen bzw. Kredite dürfen nur aufgenommen werden, wenn sie auf Euro lauten. Dasselbe gilt für den Abschluss von Leasinggeschäften.

(2) Darlehen bzw. Kredite dürfen - unbeschadet des Paragraph 5, - keine derivative Komponente enthalten. Sie dürfen nicht zum Zweck der Veranlagung (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 3,) aufgenommen werden.

(3) Absatz eins und 2 zweiter Satz gelten sinngemäß für die Begebung von Anleihen und sonstige Formen der Fremdfinanzierung.

Paragraph 5,

Derivative Finanzgeschäfte

(1) Ein derivatives Finanzgeschäft darf nur als Absicherungsgeschäft im Rahmen der Fremdfinanzierung abgeschlossen werden, um Zinsänderungs- und andere Marktrisiken eines Grundgeschäfts zu begrenzen.

(2) Das derivative Finanzgeschäft muss mit dem Grundgeschäft verbunden sein. Es darf zu keinem Zeitpunkt der entsprechenden Laufzeit einen höheren Nominalbetrag als das Grundgeschäft umfassen.

(3) Die Laufzeit des derivativen Finanzgeschäfts darf jene des Grundgeschäfts nicht übersteigen und hat spätestens mit dem Ende der Laufzeit des Grundgeschäfts zu enden.

Paragraph 6,

Veranlagungen

(1) Folgende Veranlagungen sind zulässig:

  1. Ziffer eins
    Spareinlagen, Sichteinlagen und Termineinlagen in Euro;
  2. Ziffer 2
    Anleihen und Pfandbriefe, jeweils in Euro und von
Emittenten mit mindestens einem guten Rating bzw. einer einem derartigen Rating entsprechenden Bonität;
  1. Ziffer 3
    Veranlagungen in Euro-Geldmarktfonds und Euro-Rentenfonds, jeweils ohne Währungsrisiko;
  2. Ziffer 4
    Darlehensgewährungen an Gebietskörperschaften zu Veranlagungszwecken.

(2) Die Landesregierung kann durch Verordnung weitere Veranlagungsformen, die dem Spekulationsverbot des Paragraph 3, entsprechen, für zulässig erklären.

3. ABSCHNITT

ORGANISATORISCHE VORKEHRUNGEN

Paragraph 7,

Qualifikation

Mit Aufgaben im Bereich der Finanzgebarung dürfen nur Personen betraut werden, die, abhängig von ihrer Verantwortung, auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrung dazu in der Lage sind.

Paragraph 8,

Vier-Augen-Prinzip

(1) Die Finanzgebarung ist so zu organisieren, dass vor dem beabsichtigten Abschluss von Finanzgeschäften im Sinn der Paragraphen 3 bis 6 zwei geeignete Personen (Paragraph 7,) in die Prüfung und Auswahl der Finanzgeschäfte eingebunden sind.

(2) Rechtsträger - mit Ausnahme des Landes - sind von der Verpflichtung nach Absatz eins, ausgenommen, wenn sie nicht über ausreichend Personen nach Paragraph 7, verfügen, die Anstellung von zusätzlichen Personen unter Bedachtnahme auf die Anzahl und das Volumen der Finanzgeschäfte unverhältnismäßig wäre und sie folgende Finanzgeschäfte abschließen:

  1. Ziffer eins
    Veranlagungen nach Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer eins ;,
  2. Ziffer 2
    sonstige Finanzgeschäfte, sofern durch schriftliches
Gutachten nachgewiesen wird, dass das Finanzge-schäft den Bestimmungen der Paragraphen 3 bis 6 entspricht.

(3) Ein Gutachten nach Absatz 2, Ziffer 2, muss von einer Einrichtung erstellt werden, die zu derartigen Beratungen befugt ist und das entsprechende Finanzprodukt weder anbietet noch vermittelt; zwischen der beratenden Einrichtung und der das Finanzprodukt anbietenden Einrichtung darf keine gesellschaftsrechtliche Verbindung bestehen.

(4) Soweit dies organisatorisch möglich ist, sollten Transaktionen im Rahmen der Abwicklung von Finanzge-schäften im Sinn der Paragraphen 3 bis 6 nicht von denselben Personen durchgeführt werden, die den Abschluss dieser Finanzgeschäfte vorbereitet haben.

Paragraph 9,

Strategische Planung

Die Rechtsträger haben ihrem Schuldenmanagement eine strategische

Jahresplanung zugrunde zu legen.

4. ABSCHNITT

NÄHERE VORSCHRIFTEN

Paragraph 10,

Verordnungsermächtigung

Die Landesregierung kann, soweit dies zur Vermeidung von Spekulation erforderlich oder zweckmäßig ist, mit Verordnung nähere Vorschriften erlassen über

  1. Ziffer eins
    das Risikomanagement nach den Paragraphen 3 bis 6, insbesondere über das Management von Kreditrisiko, Marktrisiko, Liquiditätsrisiko, Reputationsrisiko, Rechtsrisiko und das operationelle Risiko;
  2. Ziffer 2
    die nötige Qualifikation der Personen und das Vier-Augen-Prinzip nach den Paragraphen 7 und 8;
  3. Ziffer 3
    die Erfordernisse der strategischen Jahresplanung nach Paragraph 9,
5. ABSCHNITT
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Paragraph 11,
Eigener Wirkungsbereich
Die in diesem Landesgesetz geregelten Angelegenheiten der Gemeinden
sind solche des eigenen Wirkungsbereichs.
Paragraph 12,
Ausgegliederte Rechtsträger
Das Land und die Gemeinden haben im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Paragraphen 3 bis 9 sinngemäß auch Rechtsträger im Sinn des Paragraph eins, Ziffer 3, einhalten, an denen sie beteiligt sind, auch wenn deren Organisation nicht der Landesgesetzgeber regelt.
Paragraph 13,
Übergangsbestimmungen

(1) Anschlussfinanzierungen (Rollierungen) und risikoreduzierende Absicherungen von bestehenden Geschäften entgegen diesem Landesgesetz können vereinbart werden, wenn

  1. Ziffer eins
    diese Finanzgeschäfte im direkten Zusammenhang mit einem Finanzgeschäft stehen, das vor Inkrafttreten dieses Landesgesetzes abgeschlossen worden ist;
  2. Ziffer 2
    der Rechtsträger der Landesregierung (Absatz 2,) bis zum 31. Mai 2015 eine geeignete Strategie für einen stufenweisen Abbau der den Bestimmungen dieses Landesgesetzes widersprechenden Finanzgeschäfte übermittelt und
  3. Ziffer 3
    der Rechtsträger diese Finanzgeschäfte auf der Grundlage seiner Strategie gemäß Ziffer 2 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 an die Bestimmungen dieses Landesgesetzes anpasst.

(2) Die Strategie gemäß Absatz eins, Ziffer 2, kann mit Zustimmung der Landesregierung auch einen späteren Endtermin als den 31. Dezember 2017 vorsehen, wenn das auf Grund der Art oder des Volumens der betroffenen Finanzgeschäfte den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht und das damit verbundene Risiko vertretbar ist.

Paragraph 14,

Inkrafttreten

(1) Dieses Landesgesetz tritt mit dem seiner Kundmachung im Landesgesetzblatt für Oberösterreich folgenden Monatsersten in Kraft.

(2) Die strategische Jahresplanung nach Paragraph 9, muss erstmals für das Jahr 2015 vorliegen.

(3) Verordnungen auf Grund dieses Landesgesetzes können bereits ab Kundmachung erlassen werden; sie treten jedoch frühestens mit diesem Landesgesetz in Kraft.

Der Erste Präsident

des Oö. Landtags:              Der Landeshauptmann:

Viktor Sigl              Dr. Pühringer