Gericht

OLG Wien

Entscheidungsdatum

06.05.2024

Geschäftszahl

33R4/24m

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, den Richter Dr. Schober und die Kommerzialrätin Oswald in der Rechtssache der klagenden Partei *** Verlag GmbH, [...] vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Jakob Charim, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D***, und 2. ***, beide vertreten durch die VÖLK Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung (EUR 47.500), hier wegen einstweiliger Verfügung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12.12.2023, 13 Cg 66/23t-5, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Spruchpunkte 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung werden geändert und lauten insgesamt:

«2. Abgewiesen wird der Antrag der klagenden Partei, den beklagten Parteien zu verbieten, für Zwecke der politischen Werbung die Bezeichnung „Räuber Rathausplatz“ oder eine andere bearbeitete oder veränderte Form der Bezeichnung „Räuber Hotzenplotz“ zu verwenden.

Einstweilige Verfügung

3. Die beklagten Parteien sind schuldig, es bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zu unterlassen, die zeichnerische Darstellung

in dieser oder in einer anderen bearbeiteten oder veränderten Form der zeichnerischen Darstellung

zu verwenden, insbesondere auch nur eine bearbeitete oder veränderte Form des dargestellten Hutes mit rotem Hutband und großer Feder.

4. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen EUR 981,26 (darin EUR 163,54 USt) zu ersetzen.

Die klagende Partei trägt die Kosten des Sicherungsverfahrens je zur Hälfte vorläufig und endgültig selbst.»

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen EUR 1.223,02 (darin EUR 203,84 USt) zu ersetzen.

Die klagende Partei trägt die Kosten des Rekurses je zur Hälfte vorläufig und endgültig selbst.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Sachverhalt

O*** ist Verfasser und F*** Illustrator der jeweils im Verlag der Klägerin erschienenen Kinderbücher „Der Räuber Hotzenplotz“ (erstmals erschienen 1962), „Neues vom Räuber Hotzenplotz“ (erstmals erschienen 1969) und „Hotzenplotz 3“ (erstmals erschienen 1973), wobei letzteres seit 2020 unter dem Titel „Der Räuber Hotzenplotz 3 Schluss mit der Räuberei“ erscheint.

Der Erstbeklagte ist Landesparteiobmann der Zweitbeklagten. Beide Beklagten sind im Wiener Landtag und im Wiener Gemeinderat tätig.

Die Klägerin hat „Räuber Hotzenplotz“ am 27.8.2003 als internationale Wortmarke eingetragen, dies insbesondere für die Warenklassen 16 (Druckereierzeugnisse, Papierwaren [soweit in dieser Klasse enthalten]), 28 (Spielzeug) und 31 (Werbung). Diese Marke ist bis 27.8.2033 aufrecht und gilt unter anderem in Österreich.

Das Kinderbuch „Der Räuber Hotzenplotz“ wurde von der Klägerin 2021 in der 77. Auflage herausgegeben. Die Klägerin veröffentlichte aus Anlass des 100. Geburtstags des Autors (am 20.10.2023) auch eine neue Ausgabe dieses Buches. In der Zeit seit 1962 wurden im deutschen Sprachraum mehr als sechs Millionen Exemplare dieser Bücher-Reihe sowie zahlreiche daraus abgeleitete Mal- und Rätselbücher, Schulausgaben usw verkauft. Diese Bücher-Reihe wurden in 39 Sprachen übersetzt. In Ausgaben außerhalb des deutschsprachigen Sprachraums wurden knapp vier Millionen verkauft.

Die Figur „Räuber Hotzenplotz“, und zwar mit dem Gesicht des Räubers samt einem schwarzen Hut mit roter Krempe und schwarz-roter Feder, verwertet die Klägerin unter anderem auf ihrer Website für die Bewerbung ihrer Bücher, für Unterrichtshilfen zu den Schulbüchern, für die Bearbeitung der Bücher, so unter anderem für ein Erstlesebuch, ein Koch- und Backbuch, das Buch zur Verfilmung und für Veranstaltungen. Weiters lizenziert die Klägerin Spiele und Karnevalskostüme für Kinder in dieser Figur mit der zeichnerischen Darstellung, insbesondere dem Hut. Der Stoff der Bücher wurde auch für Hörbücher, Hörspiele, Kindertheater und Verfilmungen adaptiert.

Die Cover dieser Bücher zeigen die Figur des „Räuber Hotzenplotz“ mit groß dimensioniertem, schwarzem Hut mit hoch gebogener Krempe, rotem Hutband und großer Feder, hinter einem Zaun stehend, wie folgt:


(Beilage A Seite 1)

Im Rahmen einer politischen Kampagne gingen die Beklagten wie folgt vor:

Der Erstbeklagte hat eine Website unter der Domain „www.räuberrathausplatz.at“ eingerichtet, die wie folgt aussieht:


(Beilage P Seite 1)

Es folgen Fenster mit dem Titel „Fernwärmepreise verdoppelt“, „Gebührenwahnsinn stoppen“, „Mietwucher im Gemeindebau“ und „Gas und Strompreise explodieren“, die, wenn man die in diesen Fenstern angebrachte Abspielzeile drückt, neuerlich eine mit dem erwähnten Hut versehene Darstellung eines Mannes hinter einem Zaun zeigen, wobei in diesem Hut die Worte „SPÖ“ und „Michael Ludwig“ eingefügt sind.

Der Erstbeklagte hat auf seiner Twitter-Seite folgende Darstellung verbreitet:

Weiters verwendet der Erstbeklagte für Streuwerbung folgende Darstellung:

Der Erstbeklagte verwendet folgende Darstellung für seine Facebook-Seite:

Die Zweitbeklagte zeigt auf ihrer Website ähnliche Darstellungen, ebenso auf öffentlichen Plakatwänden und auf ihrer Facebook-Seite (zur Vermeidung von Wiederholungen ist auf den bekämpften Beschluss zu verweisen).

Vorbringen und Anträge

Die Klägerin erhob die im Spruch ersichtlichen Unterlassungs- und Sicherungsbegehren.

Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, die Beklagten würden eigenmächtig die Bezeichnung des Werks „Der Räuber Hotzenplotz“, an der die Klägerin das ausschließliche Werknutzungsrecht habe, in „Räuber Rathausplatz“ verändern. Es werde die zeichnerische Darstellung der Figur des „Räuber Hotzenplotz“ sowie jene des Hutes in veränderter Form genutzt, um sie unzulässigerweise für Zwecke einer politischen Werbung zu verwenden. Damit verletzten die Beklagten ihr Urheberrecht als Werknutzungsberechtigte. Ihr stehe am Begriff „Räuber Hotzenplotz“ der Titelschutz nach Paragraph 80, UrhG zu. Darüber hinaus habe sie für diesen Begriff eine Wortmarke angemeldet. Es werde hier die Bekanntheit der Marke „Räuber Hotzenplotz“ in eine lokalpolitische Auseinandersetzungen gezogen; dies sei unzulässig.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, dass sie für eine kritische Haltung zur sozialen Lage in Wien bekannt seien. Sie setzten sich für die Verbesserung der Lebensqualität ein und kritisierten insbesondere die politischen Maßnahmen der SPÖ-Landesorganisation Wien. Aus diesem Grund hätten sie eine politische Kampagne gegen die SPÖ gestartet, in deren Fokus der Landeshauptmann und Bürgermeister stehe. Dieser werde bildlich als Räuber stilisiert und es werde ihm überspitzt vorgeworfen, den Bürgern das Geld aus den Taschen zu ziehen. Diese bildliche Darstellung solle verdeutlichen, dass die SPÖ aus Sicht der Beklagten direkt für die Missstände in Wien verantwortlich gemacht werden könne. Der Vorwurf des „Raubes“ oder des „Raubrittertums“ etc sei gerichtsnotorisch ein gängiger Begriff in der politischen Auseinandersetzung.

Zudem handle es sich um eine Parodie, und das Ziel sei ausschließlich politisch motiviert. Der zeichnerischen „Hut-Darstellung“ komme keine urheberrechtliche Schutzwirkung zu. Man nähere sich dabei auch nicht der Darstellung des Gesichts des „Räuber Hotzenplotz“ an. Es werde zudem ein gänzlich anderes Schriftbild verwendet. Durch die Illustrationen würden weder die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers noch die Auswertung des Werks beeinträchtigt. Es bestehe zwischen den Parteien des Verfahrens kein Wettbewerbsverhältnis. Der beanstandete Eingriff sei als parodistische freie Bearbeitung gerechtfertigt.

Die angefochtene Entscheidung

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab, wobei es vom eingangs zusammengefasst angeführten, als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ausging, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Rechtlich folgerte es, dass eine politische Auseinandersetzung nicht Teil des geschäftlichen Verkehrs sei. Soweit politische Parteien zwar Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen und damit auch wirtschaftliche Interessen, nicht aber konkrete Unternehmensinteressen vertreten, unterliege ihre politische Betätigung nicht dem Wettbewerbsrecht. Darüber hinaus mangle es auch an der Verwechslungsgefahr der Begriffe „Räuber Hotzenplotz“ und „Räuber Rathausplatz“. Es werde hier nicht der Anschein erweckt, es bestünde eine ideelle oder eine wirtschaftliche Beziehung. Aus der Entscheidung C-201/2013 des EuGH sei nicht ableitbar, dass das Urheberrecht per se Schutz gegen eine Verwendung in einem politischen Wahlkampf biete, sondern es müsse ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und den Rechten der in Artikel 2 und 3 der Richtlinie vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl L 167, S 10) („InfoRL“) genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werks, der sich auf die Ausnahme für Parodien im Sinne des Artikel 5, Absatz 3, Litera k, berufe, auf der anderen Seite gewahrt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in jener Entscheidung mit der Verwendung des Werks auch diskriminierende Aussagen verbunden gewesen seien, die jedenfalls verboten seien; dies sei hier nicht der Fall.

Eine darüber hinausgehender Schutz des Begriffs „Räuber Hotzenplotz“ als Sprachwerk im Sinne des Paragraph 2, UrhG sei nicht gegeben. Der Begriff „Räuber“ sei nicht schützbar. Beim Begriff „Hotzenplotz“ handle es sich um einen Fantasienamen. „Rathausplatz“ sei eine Bezeichnung für einen Ort in Wien sowie ein Synonym für den Regierungssitz in Wien. Eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Auch das Markenrecht der Klägerin werde nicht verletzt. Auch Paragraph 10, MSchG setze ein Handeln im geschäftlichen Verkehr voraus; dies sei im Rahmen der politischen Werbung nicht gegeben.

Für den Hut alleine bestehe kein urheberrechtlicher Schutz. Ein solcher Hut, oftmals schwarz mit bunter Krempe und Feder, sei vielfach als Herrenhut, insbesondere bei der Darstellung von Räubern zu sehen. Die gesamte Figur „Räuber Hotzenplotz“ und die von den Beklagten verwendeten Darstellungen einer Zeichnung des Wiener Bürgermeisters, teilweise samt entsprechender Beschriftung, ähnelten nicht der bildlichen Darstellung der Figur des „Räuber Hotzenplotz“. Der einzige gemeinsame Anknüpfungspunkt sei der Hut, der aber keine ausreichende Individualität aufweise. Auch das von der Beklagten verwendete Schriftbild ähnle nicht dem auf den Covern der Bücher der Klägerin. Insofern liege eine selbständige Neuschöpfung im Sinn des Paragraph 5, Absatz 2, UrhG vor.

Es handle sich auch um eine zulässige parodistische Darstellung im Sinn des Paragraph 42 f, Absatz 2, UrhG, und die Darstellung sei auch aufgrund der Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt.

Rechtsmittel

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung im beantragten Umfang zu erlassen; in eventu dem Sicherungsbegehren eingeschränkt wie folgt stattzugeben (Einschränkungen sind durch Unterstreichung gekennzeichnet):

Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Entscheidung des Rekursgerichts

1. Nach Ansicht der Klägerin gehe das Erstgericht zu Unrecht davon aus, dass hier eine selbständige Neuschöpfung vorliege. Die Abweichung der von den Beklagten verwendeten Darstellung beschränke sich im Wesentlichen darauf, anstelle des von Franz Josef Tripp gezeichneten Gesichts des „Räuber Hotzenplotz“ den Kopf des Wiener Bürgermeisters setzen, die Blickrichtung der Augen zu verändern und in die Darstellung einen politischen Slogan einzusetzen sowie auf den Hut „SPÖ“ zu schreiben. Hinzukomme die Klangassoziation „Räuber Rathausplatz“ – „Räuber Hotzenplotz“.

Hier sei kein Element eines selbständigen Werks enthalten.

Die Darstellung auf dem Cover des Buches „Der Räuber Hotzenplotz“ – bestehend aus der Bezeichnung „der Räuber Hotzenplotz“ in der zeichnerischen Darstellung auf Beilage ./A – genieße als Ganzes urheberrechtlichen Schutz. Die Beklagte verwende sowohl die Bezeichnung als auch die zeichnerische Darstellung der Figur des „Räuber Hotzenplotz“ in leicht veränderter Form für ihre Zwecke zur politischen Werbung. Die Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werks sei zweifellos damit verbunden, dem Werk eine veränderte Aussage, Werbung oder Tendenz zu geben. Tatsächlich werde hier eine Kinderbuchfigur und ihre zeichnerische Darstellung für lokalpolitische Werbung einer politischen Partei eingesetzt und der Sinn und das Wesen des Werks würden dadurch offenkundig entstellt.

Es könne keine Rede davon sein, dass bei der von der Beklagten verwendeten Darstellung eine eigentümliche geistige Leistung vorliegen würde, und dass dabei – abgesehen von den hinzugefügten politischen Slogans – irgendeine Eigenart oder Selbständigkeit gegeben sei. Daher liege auch keine zulässige Parodie vor.

Das Erstgericht habe keine Abwägung der Interessen der Beklagten in Bezug auf das Recht der freien Meinungsäußerung gegenüber den Interessen des Werknutzungsberechtigten vorgenommen. Diese führe jedenfalls dazu, dass die Verwendung der Figur des „Räuber Hotzenplotz“ unter seiner zeichnerischen Darstellung für Zwecke der politischen Werbung als unzulässig anzusehen sei.

In Bezug auf die Verletzung des Markenrechts der Klägerin werde auf das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-298/23 verwiesen; dieses betreffe den Fall einer unerlaubten Verwendung einer Marke im Rahmen einer politischen Kampagne, die einen Unterlassungsanspruch nach Artikel 9, Absatz 2, Litera c, der Verordnung (EU) 2017/01001 begründen könne, auch wenn diese unionsrechtliche Bestimmung an die Benutzung der Marke durch einen Dritten „im geschäftlichen Verkehr“ gebunden sei.

Es sei davon auszugehen, dass die Verwendung von Personenbildnissen zu Werbezwecken ohne Einwilligung unzulässig sei, weil sich der Abgebildete dem Verdacht ausgesetzt sehe, sein Bild für Werbezwecke entgeltlich zur Verfügung gestellt zu haben; ebenso sei die Verwendung von Namen zu Werbezwecken ohne Zustimmung als unzulässige anzusehen.

Ein Eingriff in die mit einer Marke verbundenen Vermögenswerte finde aber auch dann statt, wenn die Markenparodie mit einer Beeinträchtigung des Rufes, der Vertrautheit und Sympathie der betroffenen Marke verbunden sei, und wenn eine in großem Ausmaß für eine Kinderbuchfigur verwendete Bezeichnung für Zwecke einer tagespolitischen Auseinandersetzung eingesetzt und für die politische Positionen von einer Partei missbraucht werde.

Es sei nicht einzusehen, dass der Titelschutzberechtigte es hinnehmen müsse, dass der Titel öffentlich von einer politischen Partei in ihrer Auseinandersetzung mit einer anderen politischen Partei eingesetzt werde. Es würde auch im Zusammenhang mit dem Titelschutz zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, wenn der Nutzung eines Titels für Zwecke einer politischen Werbung nicht entgegengetreten werden könnte, und wenn die Beeinträchtigung, die für den Titelschutzberechtigten damit verbunden seien, hingenommen werden müsste.

Neuschöpfung

2.1 Nach Paragraph 5, Absatz 2, UrhG macht die Benutzung eines Werks bei der Schaffung eines anderen dieses nicht zur Bearbeitung, wenn im Vergleich zum benutzten Werk ein selbständiges neues Werk geschaffen wird. Während bei der Verwertung einer Bearbeitung ohne Zustimmung des Urhebers des Originalwerks eine Urheberrechtverletzung vorliegt, kann ein bestehendes Werk etwa als Anregung für eine selbständige Neuschöpfung frei benutzt werden (Schumacher in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht³ Paragraph 5, UrhG Rz 39 ff). An einer solchen Neuschöpfung besteht kein abhängiges, sondern ein selbständiges Urheberrecht, zu dessen Verwertung es keiner Einwilligung des Urhebers des benutzten Werks bedarf (RS0076521).

2.2 Die Rechtsprechung hat im Sinne der „Abstandslehre“ (Schumacher aaO Rz 39) zur Abgrenzung der Bearbeitung von der zulässigen Neuschöpfung folgende Grundsätze entwickelt:

An das Vorliegen einer freien Benützung sind strenge Anforderungen zu stellen (RS0076496). Freie Benützung setzt voraus, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form übernommen wird, auch nicht als Vorbild oder Werkunterlage, sondern nur als Anregung für das eigene Werkschaffen dient (RS0076503; 4 Ob 210/20s). Für die „freie Benützung“ ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes, selbständiges Werk vorliegt, in dem das Werk, an das es sich anlehnt, „vollständig in den Hintergrund tritt“. Angesichts der Eigenart des neuen Werks, bei dem zwar Anregungen von einer früheren Schöpfung ausgehen (RS0076406), müssen die Züge des benützten Werks „verblassen“ (RS0076521; RS0076406). Eine selbständige Neuschöpfung im Sinn des Paragraph 5, Absatz 2, UrhG, bei der das benützte Werk völlig in den Hintergrund tritt, ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Übereinstimmung mit dem benützten Werk nur im Thema, der Idee, dem Stoff oder der Problemstellung besteht (RS0076452).

Entscheidend ist, durch welche Merkmale der ästhetische Gesamteindruck des benützten Originals bestimmt wird und ob diese schützbar sind; stimmen diese Merkmale überein, dann ist davon auszugehen, dass die Nachschöpfung in den geschützten Bereich des Originals eingegriffen hat, richtet doch der Verkehr sein Augenmerk in der Regel mehr auf die Übereinstimmungen als auf die abweichenden Merkmale (RS0076477). Dabei kommt es auf die Gesamtwirkung, den Gesamteindruck, an; eine zergliedernde Beurteilung und Gegenüberstellung einzelner Elemente ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs scheidet aus. Die zum freien Formenschatz gehörenden Elemente bleiben dabei – als außerhalb der allein geschützten konkreten eigentümlichen Gestaltung liegend – außer Betracht (RS0076460).

2.3 In Anwendung dieser Grundsätze ist die Schlussfolgerung des Erstgerichts korrekturbedürftig, dass hier eine Neuschöpfung im Sinne des Paragraph 5, Absatz 2, UrhG vorliege. An das Vorliegen einer freien Benutzung sind strenge Anforderungen zu stellen (stRsp RS0076496). Unbestreitbar ist, dass die Beklagten das Cover und die Figur des „Räuber Hotzenplotz“ als Themenvorlage und Idee für ihre (Problem-)Darstellung verbunden mit ihrer (politischen) Botschaft verwendet haben. Sie hat dies in der ausgeführten Form, jedoch nicht nur auf Basis des Grundgedankens des Werks gemacht, sondern durch eine Übernahme der wesentlichen Teile des Originalwerks. Die Figur des Räubers, die über einen Holzzaun schaut, ist erkennbar gleich gestaltet; ebenso der Hut in seiner eigentümlichen Form mit großer Feder und rotem Hutband. Die (wenigen) Abweichungen, nämlich das Gesicht und die Beschriftungen, bewirken nicht, dass das Werk der Klägerin „vollständig in den Hintergrund tritt“. Es wurde daher im Zusammenhang mit dem Werk der Klägerin kein von diesem verschiedenes, selbständiges Werk erzeugt.

Auch die Verwendung von „Räuber Rathausplatz“ anstelle von „Räuber Hotzenplotz“ unterliegt derselben Beurteilung und ist für sich genommen nur eine verbale Abwandlung, die eine Zuordnung zu einer bestimmten Person/Partei unterstreicht, die kritisiert werden soll, ohne dass die gedankliche Verbindung zur Figur des Räubers und zu seinem Charakter verloren gehen soll. Der Grundgedanke des Werks geht nicht verloren; das Werk wird nur so gering umgestaltet, dass der politische Gegner kenntlich gemacht wird, was zusätzlich mit einer örtlichen Zuordnung (im Sinne einer Anlehnung mittels eines Wortspiels) unterstrichen wird.

Diese Beurteilung gilt sowohl für das gesamte Werk als auch für seine kennzeichnenden Werkteile.

2.4 Somit ist im Zwischenergebnis festzuhalten, dass sich die Beklagten nicht auf Paragraph 5, Absatz 2, UrhG stützen können.

Zitat

3. Die Beklagten stehen auf dem Standpunkt, ihr Verhalten sei auf der Grundlage der Meinungsfreiheit des Artikel 10, EMRK dadurch gedeckt, dass sie mit ihrer Vorgangsweise ein zulässiges Zitat verwirklicht hätten und überdies das Recht ausgeübt hätten, ein geschütztes Werk zu zitieren und/oder zu parodieren (Paragraph 42 f, UrhG).

Dies trifft nach Einschätzung des Rekursgerichts nicht zu.

4. Zur Schaffung eines zulässigen Zitats liegen zwei instruktive jüngeren Entscheidungen des OGH vor.

4.1 In 4 Ob 53/19a, Maria J, hat der OGH daran festgehalten, dass nicht jeder Zweck das eingesetzte Mittel heilige und Eingriffe ins Urheberrecht rechtfertige (Punkt 2.2. der Entscheidung), dass die Wiedergabe geschützter Lichtbilder allerdings dann erlaubt sei, wenn dies erforderlich sei als Beleg für die damit transportierte Botschaft.

Das beklagte Medium hatte ein im klagenden Medium veröffentlichtes Lichtbild wiedergegeben, um zu belegen, dass das klagende Medien verschwiegen habe, dass die abgebildete Radfahrerin die Chefredakteurin jenes Mediums sei. Daraus erhellt, dass jedes Zitat eine Beleg-Funktion haben muss und sich entweder mit dem urheberrechtlich geschützten Objekt selbst auseinandersetzen muss oder erforderlich ist, um die Richtigkeit der Wiedergabe einer Information oder die Plausibilität einer Meinung zu belegen.

4.2 In 4 Ob 37/22b, Gegendemonstration, ging es darum, dass die Beklagte ein urheberrechtlich geschütztes Lichtbild in einer verfremdeten – dennoch erkennbaren – Weise verwendet hat, um auf eine politische Botschaft zu reagieren, die unter Verwendung desselben Lichtbilds verbreitet worden war. Auch hier hat der OGH klargestellt (Rz 32), dass Lichtbilder als Zitat veröffentlicht werden dürfen, wenn eine entsprechende Belegfunktion vorliegt. Es muss erkennbar eine Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk vorliegen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung; erforderlich ist eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk. Im konkreten Fall sah der OGH diese Voraussetzungen als gegeben und die Verwendung des Lichtbilds auch auf dem Boden des Artikel 10, EMRK als gerechtfertigt an.

4.3 Diese Kriterien treffen im vorliegenden Fall nicht zu, denn die Beklagten haben das geschützte Bild des „Räuber Hotzenplotz“ (dessen Inhalt auch vom Gartenzaun geprägt ist, über den die abgebildete Figur blickt), nicht dafür verwendet, um damit die Richtigkeit ihrer Aussage zu belegen, die politisch kritisierte Person verhalte sich gegenüber den Steuerzahlern wie ein Räuber. Die Beklagten haben sich auch weder satirisch noch parodistisch mit dem geschützten Werk oder mit dem dort abgebildeten „Räuber Hotzenplotz“ auseinandergesetzt, sondern das Zielobjekt ihrer Aussage ist jemand anderer. Im Ergebnis haben die Beklagten in ein geschütztes Werk mit dem Zweck eingegriffen, damit eine bestimmte Meinung (in deren Äußerung sie frei sind) durch ein passendes – von einem anderen geschaffenes – Werk der bildenden Kunst zu veranschaulichen. Dieser mit der bloßen Instrumentalisierung eines fremden Werks verfolgte Zweck rechtfertigt die Verletzung des Urheberrechts nicht. Dieses Vorgehen liegt außerhalb der Zitierfreiheit nach Paragraph 42 f, Absatz eins, UrhG.

Parodie

5.1 In der vom Erstgericht und in der Rekursbeantwortung zitierten Entscheidung EuGH 3.9.2014, C-201/13, Suske und Wiske (Deckmyn und Vrijheidsfonds), hat der EuGH zur Auslegung von „Parodie“ erkannt, dass die wesentlichen Merkmale der Parodie darin bestehen,

Der Begriff „Parodie“ im hängt nicht von den Voraussetzungen ab,

5.2 Dazu hat der EuGH auch ausgesprochen, dass bei der Beurteilung, ob das Parodieren den Eingriff in ein Urheberrecht rechtfertigt, auch auf die Interessen des Rechteinhabers Bedacht zu nehmen ist. Das Recht der freien Meinungsäußerung und der Schutz geistiger Leistungen seien gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung, bei der alle Umstände des Falles zu berücksichtigen seien, komme im Einzelfall dem nationalen Gericht zu.

Daraus ist zu schließen, dass allein und für sich genommen die Berufung auf den Tatbestand „Parodie“ nicht ausreicht, um den Schutz zu beseitigen, den das Urheberrecht bietet.

Diese Abwägung berücksichtigt die Rechtsprechung auch dadurch, dass ein Eingriff in das Urheberrecht mit Berufung auf die Freiheit der Meinungsäußerung nur dann als gerechtfertigt angesehen wird, wenn das zuletzt genannte Grundrecht ohne den Eingriff nicht oder nur unzureichend ausgeübt werden könnte (4 Ob 42/12y, Einspruch S; 4 Ob 3/21a, Mittelfinger).

5.3 Dazu hat das Rekursgericht erwogen:

Die zum Zitat-Recht entwickelten Grundsätze können – was die erforderliche Grundrechtsabwägung betrifft – im Wesentlichen auch zur Einordnung und auslegenden Abgrenzung des „Parodie“-Tatbestands angewendet werden, der dem UrhG durch BGBl römisch eins 2021/244 mit Wirksamkeit vom 1.1.2022 als Paragraph 42 f, Absatz 2, eingefügt worden ist.

Um jemanden als „Räuber“ zu bezeichnen, der den Menschen das Geld „aus der Tasche ziehe“, wäre die Benutzung des „Räuber Hotzenplotz“-Sujets in der geschützten grafischen Form nicht nötig. Der Vortrag der Klägerin, dass die Beklagten die große Bekanntheit der Hauptfigur eines Kinderbuchs ausnützen, und dass dadurch die Interessen der Klägerin massiv beeinträchtigt würden, erachtet das Rekursgericht als plausibel. Hinzu kommt der Umstand, dass die Klägerin durch die gewählte Vorgangsweise in eine politische Auseinandersetzung hineingezogen wird, dabei aber keinen Einfluss darauf hat, welchem von verschiedenen möglichen politischen Standpunkten das geschützte Werk zugeordnet wird.

Der zitierten Entscheidung des EuGH ist zu entnehmen, dass der Benutzung eines geschützten Werks unter Berufung auf den „Parodie“-Tatbestand enge Grenzen gesetzt sind, vor allem wenn sich die Parodie nicht auf das Werk selbst bezieht, sondern wenn das Werk in die Auseinandersetzung zwischen dritten Personen gezogen wird, die mit dem Stilmittel der Parodie geführt wird. Bei einer solchen bloßen Instrumentalisierung des Werks zur parodistischen Auseinandersetzung zwischen Dritten liegt die Rechtfertigungsschranke für den Eingriff, wonach die Meinungsäußerungsfreiheit sonst nicht ausgeübt werden könnte, besonders hoch.

Im vorliegenden Fall wiegen die Interessen der Klägerin nach der Einschätzung des Rekursgerichts schwerer als jene der Beklagten.

5.4 Die angefochtene Entscheidung ist somit dadurch zu korrigieren, dass den Beklagten die Verwendung des geschützten Bildes verboten wird. Dem Spruch wurde durch Einbeziehung der Abbildungen eine klarere Fassung gegeben.

Marken- und Titelrecht

6. Zu den markenschutz- und titelschutzrechtlichen Aspekten:

6.1 Eingetragen ist die Wortmarke „Räuber Hotzenplotz“. Dieses Zeichen verwenden die Beklagten nicht derart, dass es als Herkunftsangabe erkannt werden könnte.

„Räuber Rathausplatz“ ist weder klanglich, bildlich noch begrifflich ähnlich dem „Räuber Hotzenplotz“ im Sinne des MSchG. „Räuber“ ist ein rein beschreibendes Element. „Hotzenplotz“ ist ein Fantasiename, „Rathausplatz“ bezeichnet hingegen einen Ort in Wien (und vielen anderen Städten). Es besteht hier keine Verwechslungsgefahr. Daher kann auch offen bleiben, ob diese Form der politischen Auseinandersetzung als eine Verwendung im geschäftlichen Verkehr anzusehen ist und somit überhaupt im markenrechtliche Schutzbereich liegt.

Das Vorabentscheidungsersuchen eines belgischen Gerichts an den EuGH zu C-298/23 betrifft die markenrechtliche Benutzung einer bekannten Marke im Rahmen einer politischen Kampagne; eine deratige Fallkonstellation ist hier nicht gegeben.

6.2 Auch die Verletzung eines allfälligen Titelschutzes nach Paragraph 80, Absatz eins, UrhG ist zu verneinen vergleiche RS0079190). Ungeachtet dessen, dass auch der lauterkeitsrechtliche Titelschutz auf den geschäftlichen Verkehr beschränkt ist, bietet er nur einen Schutz gegen eine verwechselbare Verwendung (Thiele in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht³ Paragraph 80, UrhG Rz 109). Warum hier keine verwechselbare Ähnlichkeit gegeben ist, wurde bereits in 6.1 begründet.

6.3 Die Spruchpunkt 2.a) der angefochtenen Entscheidung formulierte Abweisung des Sicherungsantrags bedarf daher keiner Korrektur.

Kosten, Wert- und Zulässigkeitsausspruch

7. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den Paragraphen 78, EO, 41 und 50 ZPO. Mangels anderer griffiger Kriterien berücksichtigt das Rekursgericht die beiden Unterlassungsbegehren jeweils im gleichen Ausmaß für die Kostenentscheidung.

8. Der Bewertungsausspruch stützt sich auf die Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO und die Paragraphen 526, Absatz 3,, 500 Absatz 2, Ziffer eins, Litera b, ZPO und orientiert sich an der von der Klägerin vorgenommenen Bewertung der Unterlassungsbegehren.

Der Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil sich die Entscheidung an der Judikatur des OGH und des EuGH orientiert und im Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OLG0009:2024:03300R00004.24M.0506.000