Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

20.12.2023

Geschäftszahl

1Ob124/23a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden und durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. A*, und 2. G*, Rauchfangkehrermeister, *, beide vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden am Steinernen Meer, wegen Feststellung (20.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. Mai 2023, GZ 6 R 57/23d-22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. Februar 2023, GZ 10 Cg 42/22t-18, und das diesem vorangegangene Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die inhaltliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.759,57 EUR (darin enthalten 293,26 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]           Die Klägerin wirft den Beklagten in ihrer auf Schadenersatz gestützten Klage vor, beim Ausbrennen ihres Kamins einen Brand verursacht zu haben. Der zweitbeklagte Rauchfangkehrer hafte als mit diesen Arbeiten beauftragter Unternehmer. Der Erstbeklagte hafte, weil er als dessen Dienstnehmer den Brand unmittelbar – durch Unterlassen der erforderlichen Dichtheitsprüfung des Rauchfangs – verursacht habe. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung für sämtliche aus dem Brandereignis resultierenden Schäden.

[2]           Die Beklagten bestritten und wandten ein, dass der Klägerin die Schadenshöhe bereits bekannt sei. Sie hätte daher eine Leistungsklage einbringen können. Für das Feststellungsbegehren verbleibe kein Raum, weil mit keinen weiteren Schäden mehr zu rechnen sei. Sie wandten außerdem die Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß Paragraph 9, Absatz 5, AHG ein, weil der Schaden durch eine hoheitliche Tätigkeit bei Wahrnehmung feuerpolizeilicher Aufgaben verursacht worden sei.

[3]           Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest, dass die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle derzeit nicht bekannten Schäden aus dem Brandereignis vom 3. 5. 2019 haften. Es bejahte ein Feststellungsinteresse der Klägerin. Der Rauchfangkehrer werde zwar bei Erfüllung feuerpolizeilicher Aufgaben hoheitlich tätig. Im Fall eines privatrechtlichen Kehrauftrags bestünde neben – gegen den Rechtsträger gerichteten – Amtshaftungsansprüchen aber auch eine Haftung des Rauchfangkehrers. Insoweit bejahte es inhaltlich die Zulässigkeit des Rechtswegs.

[4]           Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es sprach nachträglich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[5]                  Es ging davon aus, dass Rauchfangkehrer in Ausübung des gesetzlich auferlegten Kehrauftrags hoheitlich handelten. Besonders relevant für die Brand- und Betriebssicherheit sei dabei auch das Ausbrennen von Rauchfängen. Dies habe zu erfolgen, sobald es die Brand- oder Betriebssicherheit erfordere. Das Ausbrennen sei daher ebenfalls eine hoheitliche Tätigkeit oder stehe mit einer solchen zumindest in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang.

[6]                  Die Beklagten hätten – wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe – aufgrund eines Kehrauftrags regelmäßige Kehrungen bei der Klägerin durchgeführt. Die letzte Kehrung sei seit etwa einem Monat ausständig gewesen. „Vor diesem Hintergrund“ sowie wegen der offensichtlichen Fehlfunktion des Kamins habe die Klägerin den Zweitbeklagten kontaktiert. Es habe aber nicht festgestellt werden können, dass über den aufrechten Kehrauftrag hinaus ein Arbeitsauftrag erteilt worden sei. Auf dieser Grundlage könne von keiner vertraglichen Haftung der Beklagten ausgegangen werden. Vielmehr hätten sie durch das Reinigen des Kamins nur ihre feuerpolizeiliche Verpflichtung (verspätet) erfüllt. Das Ausbrennen sei im Hinblick auf die Brand- oder Betriebssicherheit erforderlich gewesen, weshalb auch diese (störungsbehebende) Maßnahme eine feuerpolizeiliche Aufgabe dargestellt habe. Die den Beklagten vorgeworfenen Pflichtverstöße seien somit im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit erfolgt.

[7]                  Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Ob die Brandschäden aus einer hoheitlichen Handlung resultierten, habe anhand der bestehenden Rechtsprechung beantwortet werden können.

Rechtliche Beurteilung

[8]                  Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch zulässig, weil dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs ein korrekturbedürftiger Fehler unterlief. Er ist auch berechtigt.

[9]                  1. Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht zunächst zu Unrecht davon ausging, dass gegen seine Entscheidung unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO ein (Voll)Rekurs nach Paragraph 519, Absatz eins, ZPO zustehe. Erst nachdem der Oberste Gerichtshof diese Rechtsansicht mit Beschluss vom 13. 7. 2023 zu 1 Ob 124/23a korrigiert und dem Berufungsgericht aufgetragen hatte, den erforderlichen Ausspruch zum Wert des Streitgegenstands sowie zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu ergänzen, erklärte es diesen (bei einem 30.000 EUR übersteigenden Streitwert) mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig. Der Klägerin war daher die Möglichkeit zu bieten, ihr ursprüngliches Rechtsmittel gemäß Paragraph 506, Absatz eins, Ziffer 5, in Verbindung mit Paragraph 528, Absatz 3, ZPO durch Angabe jener Gründe zu ergänzen, aus denen entgegen dem nachträglichen Ausspruch des Berufungsgerichts doch eine erhebliche Rechtsfrage zu beurteilen sei (RS0041647 [T17, T22]; RS0036678). Dessen Verbesserung verstieß daher – entgegen dem Standpunkt der Revisionsrekursgegner – nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels.

[10]                2. Wird ein Ersatzanspruch gegen das Organ eines Rechtsträgers gerichtet, obwohl es einen Schaden in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, ist gemäß Paragraph 9, Absatz 5, AHG der Rechtsweg unzulässig (RS0103737). Für die Organstellung kommt es darauf an, ob eine Person hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat (RS0087679; RS0087675). Private handeln auch dann als Organ, wenn sie keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei deren Besorgung zu unterstützen (RS0104351). Dass der hoheitlichen Tätigkeit ein privatrechtlicher Auftrag einer Person des Privatrechts vorangeht und für die Leistung ein Entgelt zu entrichten ist, schließt die Anwendung des AHG nicht aus (1 Ob 33/20i mwN). Die immunisierende Wirkung des Paragraph 9, Absatz 5, AHG bezieht sich aber nicht auf neben der hoheitlichen Aufgabenerfüllung bestehende weitergehende vertragliche Pflichten des Organs vergleiche 1 Ob 8/03m; 1 Ob 147/08m; 1 Ob 176/08a; 1 Ob 224/10p; 1 Ob 4/20z).

[11]                3. Die landesrechtlichen Feuerpolizeivorschriften übertragen den behördlich konzessionierten Rauchfangkehrern sicherheitsrelevante Aufgaben, die sonst von Gemeindeorganen zu bewerkstelligen wären. Die Gesetzesmaterialien zu einer Novelle der Gewerbeordnung sprechen insoweit von einem beliehenen Unternehmer (ErläutRV 780 BlgNR 24. Gesetzgebungsperiode 4; 1 Ob 27/20g). Der Rauchfangkehrer dient bei der Durchführung dieser sicherheitsrelevanten Tätigkeiten wesentlichen öffentlichen Interessen. Als Beispiel nennt der Gesetzgeber die regelmäßige Überprüfung von Feuerungs- und Abgasanlagen (ErlRV 481 BlgNR 25. Gesetzgebungsperiode 2 ff). Aufgrund dieser hoheitlichen Aufgaben der Rauchfangkehrer wird ihnen in Paragraph 123, GewO 1994 ein gewisser Gebietsschutz eingeräumt. Andererseits sind sie aber auch zur Ausübung dieser feuerpolizeilichen Tätigkeiten innerhalb ihrer Kehrgebiete verpflichtet (1 Ob 33/20i; 1 Ob 27/20g mwN).

[12]                4. Auf dieser Grundlage ordnete der Oberste Gerichtshof folgende Tätigkeiten eines Rauchfangkehrers dessen hoheitlichem Tätigkeitsbereich zu:

[13]                Zu 1 Ob 52/00d wurde seine Mitwirkung an der feuerpolizeilichen Beschau nach dem NÖ Feuer-, Gefahrenpolizei- und Feuerwehrgesetz als Hoheitsaufgabe angesehen, weil ihm insoweit die Möglichkeit zur Setzung von Hoheitsakten (Erteilung von Mängelbehebungsaufträgen) zukomme.

[14]                Zu 1 Ob 114/07g wurden die einem Rauchfangkehrer nach dem Wr. Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetz bei Vorliegen unmittelbarer Gefahr obliegenden Verpflichtungen zur Verständigung des Benützers einer (Feuer-)Anlage von einem gesetzlichen Heizverbot und die Anzeigeerstattung an die Behörde als hoheitliche Aufgaben qualifiziert.

[15]                Zu 1 Ob 224/10p war ein Verstoß gegen Paragraph 17, der Wr. Kehrverordnung 1985 zu beurteilen, weil der Rauchfangkehrer die Anzeige unterließ, dass die Ausführung eines Kamins nicht der Wr. BauO entsprach. Nach dieser Bestimmung mussten Mängel an Rauchgas- und Abgasanlagen zunächst dem Verpflichteten (idR dem Eigentümer) zur Kenntnis gebracht und mangels Behebung die Behörde informiert werden. Bei bestimmten Mängeln bestand dieser gegenüber auch eine unmittelbare Anzeigepflicht. Diese gesetzlichen Pflichten des Rauchfangkehrers wurden jeweils als hoheitlich qualifiziert.

[16]                Zu 3 Ob 110/18z ordnete der Oberste Gerichtshof die vom Rauchfangkehrer nach Paragraph 13, Absatz eins, der Tiroler Feuerpolizeiverordnung 1998 alle fünf Jahre vorzunehmende Hauptüberprüfung dem Hoheitsbereich zu.

[17]                Zu 1 Ob 27/20g war der Vorwurf zu beurteilen, der beklagte Rauchfangkehrer habe die Feuerbeschau und die jährlichen Sichtprüfungen „sorglos“ vorgenommen, die fehlende baurechtliche Genehmigung eines Kamins nicht beanstandet, dessen Betrieb nicht untersagt und die erkennbare Ursache eines Brandes nicht gerügt. Diese Unterlassungen wurden jeweils dem Hoheitsbereich zugeordnet. Ob der Rauchfangkehrer ein „Heizverbot“ aussprechen könne, spiele für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs keine Rolle.

[18]                Zu 1 Ob 33/20i wurde dargelegt, dass ein Rauchfangkehrer nicht nur bei der „Feuerbeschau“ hoheitlich tätig werde, sondern etwa auch bei einer „Hauptüberprüfung“. Dem auf Pflichtverletzungen bei der „Sichtprüfung“ nach Paragraph 24, der Kärntner Gefahrenpolizei- und Feuerpolizeiordnung gestützten Ersatzanspruch, der daraus abgeleitet wurde, dass der Rauchfangkehrer nicht auf eine gefährliche Situierung eines Herds hingewiesen habe, wurde dort die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegengehalten. Die Pflicht, Feuerstätten regelmäßig auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu prüfen und dem Eigentümer allfällige Mängel mitzuteilen sowie dem Bürgermeister anzuzeigen, treffe nur den konzessionierten Rauchfangkehrer. Obwohl sich dessen sicherheitsrelevante Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der Feuerstätte aus dem Kehrvertrag ergebe, sei diese als hoheitlich zu qualifizieren.

[19]                5. Hingegen anerkannte der Oberste Gerichtshof in folgenden Fällen eine Haftung des Rauchfangkehrers aus dem privatrechtlichem Kehrvertrag (Werkvertrag) außerhalb des Amtshaftungsrechts:

[20]                Zu 8 Ob 532/88 wurde eine solche Haftung des Rauchfangkehrers bejaht, ohne allerdings seine feuerpolizeilichen (und daher hoheitlichen) Aufgaben von den vertraglich übernommenen Pflichten abzugrenzen.

[21]                Zu 7 Ob 263/97w wurde – wieder ohne die Frage der Rechtswegzulässigkeit zu thematisieren – inhaltlich über Ersatzansprüche gegen einen Rauchfangkehrer abgesprochen, die auf einen Verstoß gegen die Verpflichtung nach dem (damals geltenden) NÖ Feuer-, Gefahrenpolizei- und FeuerwehrG gestützt wurden. Demnach hatte der Rauchfangkehrer dem Eigentümer einer Baulichkeit die Kehrtermine bekanntzugeben und lösbare Verbindungsstücke von kamingebundenen Einzelfeuerstätten einschließlich dieser jährlich im Zuge des angekündigten Kehrtermins zu überprüfen.

[22]                Zu 4 Ob 56/01s wurde einem Rauchfangkehrer vom Kläger vorgeworfen, bei einer Kehrung eine Versottung bzw Verpechung eines Kamins nicht erkannt und behoben zu haben. Anzuwenden war dort – wie hier – die Salzburger Feuerpolizeiordnung 1973. Der Oberste Gerichtshof bejahte eine Haftung des sorgfaltswidrig handelnden Rauchfangkehrers, ohne die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu thematisieren.

[23]                Zu 6 Ob 29/03p wies der Oberste Gerichtshof die Revision in einer Rechtssache zurück, in der die Vorinstanzen inhaltlich über einen gegen einen Rauchfangkehrer erhobenen Ersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen Paragraph 6, der Vorarlberger Feuerpolizeiordnung in der Fassung Landesgesetzblatt 56 aus 1994, entschieden hatten. Diese Bestimmung regelte die vom Rauchfangkehrer im Rahmen der Feuerbeschau wahrzunehmenden Aufgaben.

[24]                In der zu 1 Ob 108/04w ergangenen Entscheidung wurde das Vorliegen einer hoheitlichen Aufgabe des dort (mit-)beklagten Rauchfangkehrers im Zusammenhang mit der Erstellung eines Baubefunds über einen Rauchfang verneint.

[25]                Zu 1 Ob 224/10p wies der Fachsenat darauf hin, dass sich Paragraph 9, Absatz 5, AHG nicht auf eine vertragliche Haftung des Rauchfangkehrers beziehe. In concreto wurde diese auch auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht aus dem Kehrvertrag gestützt, weil der Rauchfangkehrer nicht darauf hingewiesen habe, dass ein Kamin den Anforderungen der Wiener BauO widerspreche und ihm weder ein Hauptbefund (nach der Wiener BauO) noch eine Ausnahmebewilligung für diesen bekannt gewesen sei. Dies ordnete der Senat dem nicht-hoheitlichen Aufgabenbereich des Rauchfangkehrers zu.

[26]                Zu 3 Ob 110/18z ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass eine Haftung des Rauchfangkehrers außerhalb von Amtshaftungsansprüchen aus dem privatrechtlichen Kehrvertrag bestehen könne. Zwar qualifizierte er die vom Rauchfangkehrer nach Paragraph 13, Absatz eins, der Tiroler Feuerpolizeiverordnung 1998 periodisch vorzunehmende Hauptüberprüfung als hoheitliche Aufgabe. Den Vorwurf, der Rauchfangkehrer habe die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass diese Überprüfung bereits mehrere Jahre ausständig sei, ordnete er aber offenbar dem privatrechtlichen Kehrvertrag zu.

[27]                Auch zu 7 Ob 64/19s nahm der Oberste Gerichtshof eine Haftung außerhalb von Amtshaftungsansprüchen aus dem privatrechtlichen Kehrvertrag an. Dieser Entscheidung lag – was aus ihrer Veröffentlichung allerdings nicht ersichtlich ist – unter anderem der Vorwurf zugrunde, der beklagte Rauchfangkehrer habe eine Kehrung nicht ordnungsgemäß vorgenommen, weil er es verabsäumt habe, brennbare Materialien aus dem Rauchfang zu entfernen.

[28]                6. Typische Aufgaben im Rahmen der hoheitlichen Feuerpolizei sind nach der dargelegten – zu unterschiedlichen feuerpolizeilichen Landesgesetzen ergangenen – Judikatur also die Feuerbeschau, die Verhängung von „Heizverboten“ oder die Verständigung der Behörde bei unmittelbar drohender Gefahr; ebenso regelmäßige (wiederkehrende) Überprüfungen nach den jeweiligen Landesgesetzen zu diesen Zwecken. Für die dabei vorgenommenen Tätigkeiten haftet der Rauchfangkehrer nach der Rechtsprechung auch dann nicht persönlich (sondern nur der Rechtsträger nach dem AHG), wenn sich die Verpflichtung zu ihrer Vornahme gegenüber dem Geschädigten aus einem mit ihm geschlossenen privatrechtlichen Vertrag ergibt. Die Verletzung sonstiger aus einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis des Geschädigten mit dem Rauchfangkehrer abgeleiteter Pflichten (wie etwa Aufklärungspflichtverletzungen) begründet demgegenüber keine Amtshaftung, sondern eine persönliche Haftung des Rauchfangkehrers.

[29]                7. Im vorliegenden Fall ist die Salzburger Feuerpolizeiordnung 1973 anzuwenden. Nach deren Paragraph eins, umfasst die (hoheitliche) Aufgabe der Feuerpolizei unter anderem Maßnahmen, die der Verhütung und Bekämpfung von Bränden dienen. Gemäß deren Paragraph 6, Absatz eins, sind (unter anderem) Rauch- und Abgasfänge so zu überprüfen und zu kehren, dass die Entzündung von Ablagerungen vermieden und eine wirksame Ableitung der Verbrennungsgase gewährleistet wird. Die Überprüfung und Kehrung (unter anderem) der Rauch- und Abgasfänge sowie das Ausbrennen von Rauchfängen darf nach Absatz 2, leg cit nur durch einen Rauchfangkehrer erfolgen. Für die Veranlassung der ordnungsgemäßen Überprüfung und Kehrung ist – soweit hier relevant – der über den Kehrgegenstand Verfügungsberechtigte verantwortlich. Bei Kehrgegenständen, deren Überprüfung und Kehrung dem Rauchfangkehrer vorbehalten ist, entledigt er sich dieser Verantwortung nach Paragraph 6, Absatz 3, der Salzburger Feuerpolizeiordnung durch Erteilung des Auftrags an den Rauchfangkehrer, die Kehrgegenstände nach Maßgabe des Kehrplans fortlaufend zu überprüfen und zu kehren (Kehrauftrag). Gemäß Absatz 8, haben die Überprüfung und gegebenenfalls die zur Gefahrenabwehr nach der Überprüfung sofort vorgenommenen Kehrmaßnahmen von (ua) Feuerungs-, Rauch- und Abgasanlagen durch Rauchfangkehrer zu erfolgen, deren Gewerbeberechtigung die Besorgung sicherheitsrelevanter Tätigkeiten im Sinn des Paragraph 120, Absatz eins, zweiter Satz GewO 1994 mitumfasst. Paragraph 7, der Salzburger Feuerpolizeiverordnung regelt die dem Rauchfangkehrer vorbehaltene periodisch vorzunehmende Überprüfung und Kehrung von Kehrgegenständen (einschließlich des Ausbrennens von Rauchfängen), Paragraph 9, die Anzeige von Mängeln hinsichtlich der Brandsicherheit „durch den Rauchfangkehrer oder durch behördliche Organe“.

[30]                8. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts ist die Zulässigkeit des Rechtswegs anhand der Behauptungen der klagenden Partei zu beurteilen. Dabei ist nicht allein der Wortlaut des Begehrens maßgebend, sondern die Natur bzw das Wesen des geltend gemachten Anspruchs (RS0045718; RS0045584). Es kommt nicht darauf an, welche Ansprüche der Kläger aus dem dargestellten Sachverhalt ableiten könnte, sondern nur darauf, welchen Rechtsgrund er tatsächlich in Anspruch genommen hat (RS0045718 [T14]). Auch Feststellungen, die das Gericht aufgrund bereits durchgeführter Beweise getroffen hat, sind dafür ohne Belang (RS0045718 [T8]).

[31]                9. Dies gilt – entgegen dem Standpunkt der Revisionsrekurswerber – auch für die Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit nach Paragraph 9, Absatz 5, AHG. Der Rechtsweg für eine direkte Inanspruchnahme eines Organs ist nur dann zulässig, wenn ein Rechtsgrund durch entsprechende Tatsachen vorgetragen wird, der dessen Inanspruchnahme ungeachtet der Bestimmungen des Paragraph 9, Absatz 5, AHG zuließe. Maßgebend ist dafür nicht eine entsprechende Rechtsbehauptung der klagenden Partei, sondern der geltend gemachte und allein durch das Gericht zu beurteilende Streitgegenstand. Es ist zu prüfen, ob die klagende Partei die beklagte Partei inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch nimmt (RS0050139 [T2, T5]). Für die prozessualen Konsequenzen der Bejahung des in Paragraph 9, Absatz 5, AHG geregelten Prozesshindernisses ist zwar nicht maßgeblich, ob sich dieses bereits aus der Klageerzählung ergibt oder erst im Laufe des Verfahrens offenkundig wird (RS0087676). Maßgeblich ist aber auch nach dieser Judikatur, aus welchem (tatsächlichen) Grund das Organ (nach dem Vorbringen) in Anspruch genommen wird vergleiche auch RS0050139; 1 Ob 140/98i). Die Bestimmungen des AHG können nicht dadurch umgangen werden, dass der Kläger erklärt, seine Schadenersatzansprüche (gegen das Organ) nicht auf dieses Gesetz zu stützen, sondern aus dem bürgerlichen Recht abzuleiten (RS0049976).

[32]                10. Auf Basis dieser Rechtslage kommt dem Revisionsrekurs im Ergebnis Berechtigung zu:

[33]                10.1. Die Kritik der Klägerin, wonach das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Feststellungen falsch interpretiert habe, geht zwar ins Leere, weil diesen für die nach dem Klagevorbringen zu beurteilende Zulässigkeit des Rechtswegs – wie dargelegt – keine Bedeutung zukommt. Dies ist auch dem Berufungsgericht entgegenzuhalten, das bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs ebenfalls nur auf die in erster Instanz getroffenen Feststellungen abstellte. Die Klägerin nimmt in ihrem Rekurs aber auch auf ihr für die Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit maßgebliches erstinstanzliches Vorbringen Bezug.

[34]                10.2. Soweit die Klägerin dort bloße Rechtsbehauptungen zur Frage der Rechtswegzulässigkeit aufstellte, sind diese – wie dargelegt – für die Beurteilung des Streitgegenstands irrelevant, weil die rechtliche Beurteilung allein dem Gericht obliegt und es nur auf das klägerische Sachvorbringen und die – vom Gericht zu beurteilende – Natur und das Wesen des damit geltend gemachten Anspruchs ankommt.

[35]                10.3. Das erstinstanzliche Tatsachenvorbringen der Klägerin zur Haftungsgrundlage ist zwar knapp, lässt aber ausreichend erkennen, dass sie ihren Schaden nicht aus einer Verletzung des dem Rauchfangkehrer gemäß Paragraph 6, Absatz 4, Salzburger Feuerpolizeiordnung erteilten Auftrags ableitet, die Kehrgegenstände nach Maßgabe des Kehrplans fortlaufend zu überprüfen und zu kehren („Kehrauftrag“). Vielmehr stützte sie ihren Anspruch auf eine Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem – neben diesem laufenden „Kehrauftrag“ – abgeschlossenen weitergehenden Werkvertrag. Dessen Gegenstand war nach dem insoweit erkennbaren Klagevorbringen nicht die entsprechend Paragraph 7, der Salzburger Feuerpolizeiordnung periodisch vorzunehmende (hoheitliche) Überprüfung der Brandsicherheit (und auch nicht eine damit zusammenhängende Kehrung zum Zweck einer sofortigen Gefahrenabwehr im Sinn des Paragraph 6, Absatz 8, dieses Gesetzes), sondern eine davon unabhängige Reinigung des Kamins (letztlich durch ein Ausbrennen). Der behauptete Verstoß der Beklagten gegen die ihnen (dem Erstbeklagten als Vertragspartner der Klägerin) dabei obliegenden Pflichten bezog sich also nicht auf eine hoheitliche Aufgabenerfüllung, sondern auf eine Verletzung von daneben bestehenden vertraglichen Pflichten. Einen aus einem weitergehenden privatrechtlichen Kehrvertrag, der neben der hoheitlichen Tätigkeit des Beklagten besteht und nicht nur diese umfasst, abgeleiteten Ersatzanspruch schließt Paragraph 9, Absatz 5, AHG aber nicht aus.

[36]                10.4. Der vorliegende Fall entspricht weitgehend jenem zu 4 Ob 56/01s. Dort wurde der Ersatzanspruch gegen einen Rauchfangkehrer daraus abgeleitet, dass er bei seiner Kehrung eine Versottung bzw Verpechung des Kamins nicht erkannt habe, wodurch es zu einem Brand gekommen sei. Auch in diesem Fall war – wie hier – die Salzburger Feuerpolizeiordnung 1973 anzuwenden. Der vierte Senat nahm kein Prozesshindernis nach Paragraph 9, Absatz 5, AHG an. Auch zu 8 Ob 532/88 wurde in einem vergleichbaren Fall (wenngleich zur damals geltenden Steiermärkischen Kehrordnung) – nämlich ebenfalls zum unsachgemäßen Ausbrennen eines Kamins – der Rechtsweg gegen den Rauchfangkehrer als zulässig angesehen. Zwar wurde die Frage der Rechtswegzulässigkeit in beiden Entscheidungen nicht ausdrücklich thematisiert. Allerdings verwies der Fachsenat für Amtshaftungssachen in seiner zu 1 Ob 224/10p ergangenen Entscheidung bei der Beurteilung dieser Frage ausdrücklich auf diese beiden Entscheidungen und führte diese als „Beispiele“ dafür an, dass außerhalb von Amtshaftungsansprüchen auch eine Haftung des Rauchfangkehrers aus dem privatrechtlichen Kehrvertrag anerkannt sei und sich die immunisierende Wirkung des Paragraph 9, Absatz 5, AHG nicht auf eine solche Haftung beziehe.

[37]                10.5. Die jüngst ergangene Entscheidung des Senats zu 1 Ob 158/23a steht mit der hier vorgenommenen Beurteilung in Einklang. Auch dort wurde die Zulässigkeit des Rechtswegs für Haftungsansprüche gegen einen Rauchfangkehrer danach geprüft, ob die klagende Partei diesen inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch nahm. Dies wurde in der genannten Entscheidung bejaht, weil die Haftung des Rauchfangkehrers auf eine Schadenszufügung bei der hoheitlichen Überprüfung von Rauchfängen auf ihre Brandsicherheit nach Paragraph 32, Oö Luftreinhalte- und Energietechnikgesetz 2002 und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Reinigung gestützt wurde. Demgegenüber leitet die Klägerin die Haftung der Beklagten im vorliegenden Fall gerade nicht aus einer Kehrtätigkeit des Rauchfangkehrers im Zuge einer landesgesetzlich vorgesehenen feuerpolizeilichen Überprüfung ab. Dass nicht jede Kehrtätigkeit eines Rauchfangkehrers zwingend hoheitlicher Natur ist, weil auch Leistungen des Rauchfangkehrers außerhalb periodischer Überprüfungen nach den landesgesetzlichen Feuerpolizeigesetzen denkbar sind, wurde auch zu 1 Ob 158/23a betont.

[38]                11. Zusammengefasst teilt der Oberste Gerichtshof nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche der Rechtsweg gemäß Paragraph 9, Absatz 5, AHG unzulässig sei. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es das Ersturteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufhob und die Klage zurückwies, ist somit zu beheben und diesem Gericht die inhaltliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien aufzutragen.

[39]                12. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf Paragraphen 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat im Zwischenstreit über die Unzulässigkeit des Rechtswegs obsiegt (RS0035955). Von der Hauptsache abgrenzbare Kosten sind nur im Revisionsrekursverfahren angefallen. Da die Verbesserung des Rechtsmittels der Klägerin nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente, weil die – bei richtiger Rechtsansicht – erforderliche Darlegung jener Gründe, aus denen der (richtig) Revisionsrekurs zulässig sei, bereits im ersten Schriftsatz erfolgen hätte können, ist nur dieser zu honorieren. Eine Pauschalgebühr fiel dafür nicht an (6 Ob 146/21w mwN).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00124.23A.1220.000