OGH
12.10.2022
1Ob182/22d
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* M*, vertreten durch Mag. Mathias Burger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, Malta, vertreten durch die BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.487,32 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 8. Juni 2022, GZ 22 R 120/22h-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 22. März 2022, GZ 1 C 1184/21k-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erlitt bei von der Beklagten – einem maltesischen Unternehmen ohne Konzession nach dem österreichischen GSpG – über deren Website veranstalteten Online-Glücksspielen, fast ausschließlich Online-Pokerspiele, zwischen März 2013 bis Jänner 2021 Verluste in Höhe des eingeklagten Betrags.
[2] Die Vorinstanzen gaben der vom Kläger auf die Nichtigkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.
[3] Das Berufungsgericht führte aus, eine Verwaltungsübertretung nach Paragraph 52, Absatz 5, GSpG, die dem Kläger angelastet werden könnte, habe nicht den Zweck, den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch zu beschränken. Paragraph 52, Absatz 5, GSpG diene dem Spielerschutz, nicht dem Schutz der Glücksspielanbieter. Die Rückzahlung von Spielverlusten sei nicht durch Paragraph 1174, Absatz eins, Satz 1 ABGB ausgeschlossen. Aufgrund der Nichtigkeit der Glücksspielverträge wegen fehlender Konzession könne der Kläger seine Spieleinsätze zurückfordern. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof zur Relevanz des Verwaltungsstraftatbestands des Paragraph 52, Absatz 5, GSpG für Rückforderungsansprüche noch nicht geäußert habe.
[4] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO) mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig.
[5] 1. Die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession stellt ein verbotenes Glücksspiel dar. Nach der Rechtsprechung sind jene Spiele im Sinn des Paragraph 1174, Absatz 2, ABGB verboten und damit nichtig im Sinn des Paragraph 879, Absatz eins, ABGB, die den in Paragraph 168, Absatz eins, StGB und Paragraph eins, Absatz eins, GSpG angeführten Charakter haben, bei denen also Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (RS0038378; RS0102178).
[6] Auch der Vertrag, mit dem die Beklagte – konzessionslos – dem Kläger die Teilnahme an Online-Pokerspielen auf ihrer Website ermöglichte, ist nach Paragraph 879, Absatz eins, ABGB nichtig und die Spieleinsätze aus dem verbotenen Glücksspiel können bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden (6 Ob 229/21a ua).
[7] 2. Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des Paragraph 1174, Absatz eins, Satz 1 ABGB oder Paragraph 1432, ABGB entgegenstünde, weil die Leistung „nicht zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Eine uneinheitliche Rechtsprechung liegt daher nicht vor. Auch die in der Revision zitierten Ausführungen von Klausberger/Riss (Glücksspiel- und Kondiktionsausschluss, RdW 2021/542, 676 ff) bieten keine Gründe, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen (so bereits 9 Ob 54/22i).
[8] 3. Dass ein Spieleinsatz in der Regel nicht gegeben wird, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen bzw um den Gewinn zu bezahlen, entspricht nicht nur der ständigen Judikatur, sondern auch der Lehre vergleiche Krejci/Böhler in Rummel/Lukas, ABGB4 Paragraphen 1267 –, 1274, Rz 81; Karner in KBB6, Paragraphen 1267 –, 1274, ABGB Rz 9; Binder/Denk in Schwimann/Kodek, ABGB4 Paragraph 1271, Rz 1a).
[9] Damit ist Paragraph 1174, Absatz eins, Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret Paragraph 52, Absatz 5, GSpG (der eine Strafbarkeit „angesichts der besonderen kriminalitäts- und suchtbezogenen Risiken im Bereich des Remote Gamblings aus ordnungspolitischen Gründen“ anordnet; vergleiche ErläutRV 318 BlgNR 23. GP, 3 [zu Paragraph 52, Absatz 3, GSpG aF]), kommt es daher nicht an vergleiche 9 Ob 54/22i; 7 Ob 102/22h).
[10] 4. Diese Rechtsauffassung entspricht – entgegen den Ausführungen in der Revision – auch dem wesentlichen Verbotszweck, nämlich Vermögensnachteile durch verbotene Spiele zu verhindern.
[11] Dass deutsche Amts und Landesgerichte unter Zugrundelegung der deutschen Rechtslage (Paragraph 817, Satz 2 BGB) allenfalls eine Rückforderung ausgeschlossen haben, bietet keine Grundlage dafür, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur österreichischen Rechtslage abzugehen (so wiederum 9 Ob 54/22i).
[12] 5. Die Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückzuweisen.
[13] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 41 und Paragraph 50, ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00182.22D.1012.000