OGH
22.04.2022
4Ob70/22f
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* S*, vertreten durch Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei B* Limited, *, Malta, vertreten durch die BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 129.730 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2022, GZ 16 R 5/22f-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. November 2021, GZ 54 Cg 53/21t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.449,98 EUR (darin 408,33 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erlitt bei von der Beklagten – einem maltesischen Unternehmen ohne Konzession nach dem österreichischen GSpG – über deren Website veranstalteten Online-Glücksspielen zwischen August 2008 und November 2020 Verluste in Höhe des eingeklagten Betrags.
[2] Die Vorinstanzen gaben dem (unter anderem) auf Bereicherungsrecht gestützten Klagebegehren statt. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nicht unionsrechtswidrig. Die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession sei damit verbotenes Glücksspiel. Dieses sei nach Paragraph 879, ABGB nichtig, was die Möglichkeit zur bereicherungsrechtlichen Rückforderung erlittener Spielverluste eröffne. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols in der bis 30. 12. 2010 geltenden Fassung zu.
[3] Die Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig.
[4] 1. Die Beklagte stützt die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels zum einen – korrespondierend zur Zulässigkeitsbegründung des Berufungsgerichts und ungeachtet ihres gegenteiligen Hinweises, dass sie diesen Ansatz „in der gegenständlichen Revision jedoch nicht weiterverfolgt“, – auf die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols zur Rechtslage bis Dezember 2010. Zum anderen argumentiert sie damit, dass sie den Tatbestand des Paragraph 168, StGB nicht erfüllt habe. Daraus folge, dass auch die Nichtigkeit der Glücksspielverträge nach Paragraph 879, Absatz eins, ABGB nicht eintrete, „weil die zivilrechtliche Nichtigkeit an der Strafbarkeit nach Paragraph 168, StGB“ anknüpfe.
[5] 2. Darauf lässt sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
[6] 2.1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112921 [T5]).
[7] 2.2. Der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs hat in einem vergleichbaren Parallelverfahren mit seiner Entscheidung vom 2. 2. 2022 zu 6 Ob 229/21a klargestellt, dass das Konzessions- bzw Monopolsystem des GSpG (auch) bis Dezember 2010 nicht unionsrechtswidrig (gewesen) ist. Dieser Ansicht haben sich weitere Senate angeschlossen (1 Ob 22/22z; 1 Ob 37/22f; 2 Ob 17/22x; 4 Ob 229/21m; 4 Ob 49/22t). Weiters führte der 6. Senat in der zitierten Entscheidung aus, dass die zivilrechtliche Unerlaubtheit des Spiels eine Strafbarkeit iSd Paragraph 168, StGB nicht voraussetzt (idS auch 6 Ob 207/21s; 1 Ob 22/22z; 1 Ob 37/22f; vergleiche bereits RS0102178).
[8] 2.3. Die im Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfragen sind damit hinreichend (im Sinne des klägerischen Standpunkts) geklärt. Die Revision, die keine zusätzlichen, nicht bereits zu 6 Ob 229/21a behandelten Argumente enthält, war daher zurückzuweisen.
[9] 3. Für die Einholung des angeregten Vorabentscheidungsersuchens bestand kein Raum. Die Beklagte argumentiert dabei wegen des Sitzerfordernisses mit der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols, lässt aber außer Acht, dass die Konzessionserfordernisse abseits des Sitzerfordernisses aufrecht geblieben sind vergleiche ebenfalls 6 Ob 229/21a zur wörtlich identen Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens).
[10] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 41 und Paragraph 50, ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00070.22F.0422.000