Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

27.05.2021

Geschäftszahl

4Ob61/21f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin K* KG, *, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die Beklagten 1. M* GmbH, 2. A* GmbH, *, 3. W* F*, alle vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2021, GZ 4 R 141/20i-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]           Die Klägerin ist Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“.

[2]                  Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin von „Österreich“ (Kaufausgabe) und „oe24“ (Gratisausgabe). Der Drittbeklagte ist Geschäftsführer der Erstbeklagten und Herausgeber ihrer Druckwerke. Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin und Fernsehveranstalterin des Senders „oe24.TV“, der über Internet, Kabel, Satellit oder terrestrisch empfangen werden kann. Die politische Talkshow „FELLNER! LIVE“ wird dort täglich ausgestrahlt; im deutschen Sprachraum gibt es keine vergleichbare Sendung dieser Frequenz. Im September 2019 lag (je nach Zielgruppe) der Marktanteil von „FELLNER! LIVE“ bei maximal 0,51 %.

[3]           In Deutschland erreichten die fünf größten politischen Talkshows in ARD und ZDF („Markus Lanz“, „Anne Will“, „Maybrit Illner“, „Hart aber fair“, „Maischberger“) Zuschauermarktanteile von 9 % bis 13,3 %.

[4]           Am 13. 9. 2019 erschien in der Zeitung der Erstbeklagten auf Seite 4 nach der Überschrift „Die neue Show der Radio-Legenden“ samt Fotos von Rudi Klausnitzer und Wolfgang Fellner folgender Artikel:

[5]           Die Klägerin begehrte, den Beklagten die Unterlassung zu gebieten, im geschäftlichen Verkehr die wörtliche und/oder sinngleiche Behauptung zu verbreiten und/oder zu veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, dass „FELLNER! LIVE“ „die derzeit erfolgreichste Talk Show im TV“ sei. Der Leser verstehe die Spitzenstellungswerbung dahingehend, dass „FELLNER! LIVE“ eine größere Reichweite als alle anderen Talkshows habe. Dies sei in Hinblick auf höhere Reichweiten etwa von deutschen Talkshows falsch.

[6]           Die Beklagten bestritten (unter anderem) die vorgebrachte Bedeutung der beanstandeten Äußerung. Es handle sich um eine bloß nebensächliche Aussage im Zusammenhang mit der Ankündigung einer neuen Radio-„Morgen-Show“, die auch offen lasse, an welchen Maßstäben sich der „Erfolg“ orientiere. Im gegebenen Kontext liege keine tatsächliche Angabe, sondern ein bloßes Werturteil vor.

[7]           Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze und dem Veröffentlichungsbegehren teilweise statt. Es führte zur Irreführungseignung aus, für den wirtschaftlichen Erfolg und die Werbewirksamkeit einer Fernsehsendung komme es in erster Linie auf die Reichweite an. Maßgeblich für die Beurteilung des Erfolgs von „FELLNER! LIVE“ seien daher die Reichweitenangaben im Teletest, auf deren Grundlage eine objektive Überprüfung der Angabe „erfolgreichste Talk-Show im TV“ vorgenommen werden könne. Nach allgemeiner Lebenserfahrung verfolge der typische österreichische TV-Konsument nicht nur österreichische Sendungen, sondern auch erfolgreiche TV-Formate aus Deutschland. Die Aussage, „die derzeit erfolgreichste Talkshow im TV“ zu sein, erwecke den Eindruck, als sei die Sendung „FELLNER! LIVE“ im gesamten deutschen Sprachraum erfolgreicher als die Sendungen anderer Fernsehveranstalter. Eine solche Spitzenstellung liege nach den Reichweiten aber nicht vor. Die Aussage sei auch nicht marktschreierisch.

[8]           Das Berufungsgericht wies die gesamte Klage ab, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Der Irreführungspunkt müsse sich im Begehren widerspiegeln, was hier nicht der Fall sei. Das bloße Verbot der Behauptung, „FELLNER! LIVE“ sei die derzeit erfolgreichste Talkshow im TV, lasse nicht erkennen, worin die Irreführung liege, also welcher von der Wirklichkeit abweichende irreführende Eindruck damit erweckt werde. Im beanstandeten Artikel gehe es nicht um Reichweiten-Werbung für einen TV-Sender, sondern darum, Interesse am neuen Radio-Programm zu wecken und die beiden Protagonisten und deren Vorzüge in bestes Licht zu stellen. Der Durchschnittsleser entnehme der beanstandeten Aussage keine ernst zu nehmende Tatsachenbehauptung dahingehend, dass der Superlativ „erfolgreichste“ die Reichweite der erwähnten Talkshow betreffe und diese den Reichweiten von gleichartigen Formaten in Österreich und im deutschsprachigen Raum als überlegen ausweise. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs enthalte die Aussage nicht die Tatsachenbehauptung, die im Artikel erwähnte TV-Talkshow habe eine Reichweiten-Spitzenstellung.

[9]           Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, nach der Rechtsprechung genüge es, die Untersagung der falschen Behauptung zu begehren, ohne den richtigen Sachverhalt in das Klagebegehren aufzunehmen. Im Übrigen hätten nicht einmal die Beklagten diesen Einwand erhoben. Dasselbe treffe auf den Einwand zu, die beanstandete Äußerung sei von den Lesern gar nicht ernst genommen worden. Die beanstandete Äußerung sei aber schon deshalb eine überprüfbare Tatsachenbehauptung und keine bloß reklamehafte Übertreibung, weil im Artikel zahlreiche Fakten präsentiert worden seien (Werdegang der Protagonisten, Magazingründungen, Umfragewerte). Dazu verwies die Revisionswerberin auf die Entscheidung 4 Ob 80/07d. Jedenfalls sei aber nach der Unklarheitenregel im Zweifel stets eine ernstgemeinte Tatsachenbehauptung anzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

[10]       Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig.

[11]       1. Werbung mit einer Spitzenstellung ist ein Sonderfall vergleichender Werbung und am Tatbestand des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 2, UWG (irreführende Geschäftspraktik in Form einer unrichtigen Angabe über die wesentlichen Merkmale des Produkts) zu prüfen, weil gemäß Paragraph 2 a, Absatz eins, UWG vergleichende Werbung ua dann zulässig ist, wenn sie nicht gegen Paragraph 2, UWG verstößt (4 Ob 33/13a: Heumilch – die reinste Milch; RS0124071).

[12]       2. Die Frage, ob eine bestimmte Werbeaussage eine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung oder nur eine rein subjektive, jeder objektiven Nachprüfung entzogene Meinungskundgebung ist, ist immer nach dem Gesamteindruck der Ankündigung – unter Berücksichtigung ihres Gegenstands, ihrer Form, des Zusammenhangs, in den sie gestellt wird, sowie aller sonstigen Umstände, die für das angesprochene Publikum maßgebend sein können – zu beurteilen (RS0078340).

[13]       3. Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0107771).

[14]       4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Textpassage werde bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des Artikels (Bewerbung einer neuen Radiosendung) vom Publikum nicht als ernst zu nehmende Tatsachenbehauptung über die Spitzenstellung einer Fernsehsendung, gemessen an ihrer Reichweite, aufgefasst, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung. Ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten „Erfolg“ der Sendung und deren Reichweite wird im Text nicht hergestellt. Im Übrigen lässt sich der Erfolg einer Fernseh-Talkshow nicht einfach an deren Reichweite messen, sondern es sind auch Kriterien wie Prominenz der Besucher, Anzahl der Berichte über die Sendung in anderen Medien uä einzubeziehen. Festgestellt wurde auch, dass es im deutschen Sprachraum kein gleichartiges Sendeformat in vergleichbarer Frequenz gibt, womit auch insoweit ein auf Tatsachen beruhendes „Ranking“ ausscheidet.

[15]       5. Der Sachverhalt der Entscheidung 4 Ob 80/07d unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden deutlich. Die dortige Beklagte behauptete nämlich mehrfach unter Hinweis auf die Media-Analyse 2005 eine Spitzenstellung. Der Senat sah darin keine reklamehaften Übertreibungen, weil sich sowohl die Aussage „OÖ's erfolgreichste Wochenzeitung“ als auch die Formulierung „Die R***** ist spitze“ eindeutig auf die in der Media-Analyse 2005 ermittelten Reichweiten bezogen, weshalb die angesprochenen Kreise beide Aussagen ohne jeden Zweifel als überprüfbare Tatsachenbehauptungen ansehen mussten.

[16]       Im vorliegenden Fall stellen die Beklagten diesen Bezug zu einer Analyse oder einem sonstigen Ranking, das objektiv überprüfbar wäre, nicht her. Die von der Revision aufgezeigten „Fakten“ (Werdegang der Protagonisten, Magazingründungen und Umfragewerte) sind damit nicht vergleichbar, weil sie weitgehend nicht in objektiv überprüfbarer Weise aufgezeigt werden.

[17]       6. Der Hinweis der Revisionswerberin auf verschiedene Entscheidungen des Senats im Zusammenhang mit früheren Spitzenstellungsbehauptungen der Beklagten ist nicht zielführend, weil in den in diesen Entscheidungen beanstandeten Aussagen jeweils auf die Österreichische Auflagenkontrolle (4 Ob 177/07v, 4 Ob 132/10f) bzw auf die Media Analyse (4 Ob 25/20k, 4 Ob 104/20b, 4 Ob 159/20s) Bezug genommen, ein ausdrücklicher Vergleich zu anderen Tageszeitungen hergestellt (4 Ob 184/08z, 4 Ob 80/15s) oder konkret nachprüfbare Aussagen getätigt wurden („Schon 1 Mio Leser“, 4 Ob 207/08g; „1,7 Mio Leser“, 4 Ob 118/10x). Selbst die Aussagen „Nr. 1 in Wien“ (4 Ob 38/19w) sowie „Die Nr. 1 bei News“ (4 Ob 212/20k) waren noch als konkrete Tatsachenbehauptungen zu beurteilen, weil dort der Ankündigung jeweils ein überprüfbarer Tatsachenkern (Auflagen- bzw Leserzahlen der direkten Mitbewerber) zugrundelag.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2021:E132131