Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

24.02.2021

Geschäftszahl

7Ob17/21g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* Rechtsanwälte OG, *, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Frieders Tassul & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 45.283 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2020, GZ 5 R 79/20d-13, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. April 2020, GZ 33 Cg 56/19p-9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.356,96 EUR (darin enthalten 392,83 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]           Die Beklagte ist aufgrund des zwischen ihr und der S* Rechtsanwaltskammer abgeschlossenen Großschadenhaftpflichtversicherungsvertrag für Anwälte der Rechtsanwaltskammer S* (Exzedentenversicherungsvertrag) verpflichtet, für Schäden zwischen 72.674 EUR und 508.710 EUR Deckung zu gewähren. Die Klägerin ist Versicherte.

[2]           Zwischen der Klägerin, einer Rechtsanwaltsgesellschaft im Sinn des Paragraph eins a, Absatz eins, RAO, und der U* AG bestand ein Vermögenschaden-Haftpflichtversicherungsvertrag. Die Versicherungssumme von 1,5 Mio EUR war so aufgeteilt, dass als Basisversicherungssumme zur Abdeckung des Selbstbehalts des Versicherungsvertrags der S* Rechtsanwaltskammer 72.673 EUR zur Verfügung standen, die restliche Versicherungssumme stand als Exzedentenversicherung nach dem Versicherungsvertrag der S* Rechtsanwaltskammer, frühestens nach 508.710 EUR zur Verfügung. Dem Versicherungsvertrag der U* AG lagen die Allgemeinen Bedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV) idF 1992 zugrunde, die auszugsweise lauten:

Artikel eins, Gegenstand der Versicherung

römisch eins.(1) Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung der in der Polizze angegebenen beruflichen Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach dem Gesetz einzutreten hat, begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden (2) verantwortlich gemacht wird.

[…]

Artikel 3, Sachliche Begrenzung der Haftung des Versicherers

(1) Die Versicherungssumme stellt den Höchstbetrag der dem Versicherer – abgesehen vom Kostenpunkte […] – in jedem einzelnen Schadenfalle obliegenden Leistung dar, und zwar mit der Maßgabe, dass nur eine einmalige Leistung der Versicherungssumme in Frage kommt,

a) gegenüber mehreren entschädigungspflichtigen Personen, auf welche sich der Versicherungsschutz erstreckt;

b) bezüglich eines aus mehreren Verstößen erfließenden einheitlichen Schadens, auch wenn diese Verstöße ganz oder teilweise durch Personen begangen wurden, für die der Versicherungsnehmer nach dem Gesetz einzutreten hat,

c) bezüglich sämtlicher Folgen eines Verstoßes. Dabei gilt mehrfaches auf gleichen oder gleichartigen Fehlerquellen beruhendes Tun oder Unterlassen als einheitlicher Verstoß, wenn die betreffenden Angelegenheiten miteinander im rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

[…]

Artikel 5, Versicherungsfall

Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte.

[...]“

[3]           Die Klägerin vertrat im Zusammenhang mit der Insolvenz der A* AG und Av* AG eine Vielzahl von Geschädigten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche. Unter anderem meldete die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 28. 4. 2011 Forderungen der Geschädigten gegenüber der A* GmbH (AeW) an. Dem Schreiben war eine Excel-Tabelle der von der Klägerin vertretenen Anleger angeschlossen, die allerdings unvollständig geblieben war, da die auf den A*-Index Zertifikaten genannten Zweit- und Drittanleger nicht angeführt waren. Die AeW zahlte daher den Zweit- und Drittanlegern zustehende Entschädigungsbeträge von maximal je 20.000 EUR zuzüglich Zinsen nicht aus. Insoweit wird die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes in Anspruch genommen.

[4]           Die Klägerin erstattete mit Schreiben vom 21. 9. 2016 an die U* AG und am 26. 9. 2016 an die Beklagte Schadensmeldungen.

[5]           Die Klägerin begehrt die Zahlung von 45.283 EUR sA an Versicherungsleistung und die Feststellung, dass die Beklagte ihr für sämtliche zukünftigen Schadenersatzansprüche, die von Klienten an sie aufgrund der fehlenden Nennung der Zweit- und Drittanleger im Schreiben vom 28. 4. 2011 und damit der nicht erfolgten Anmeldung deren Ansprüche auf Anlegerentschädigung gemäß Paragraphen 75, ff WAG gegenüber der AeW, herangetragen würden, Deckung bis zum Höchstbetrag von 508.710 EUR zu gewähren habe. Aufgrund der Serienschadenklausel in Artikel 3 Punkt eins Punkt c, AVBV sei von einem einheitlichen Versicherungsfall auszugehen. Das für alle betroffenen Klienten gemeinsame schadenauslösende Ereignis sei das Schreiben vom 28. 4. 2011 gewesen, mit dem die Ansprüche aller von der Klägerin vertretenen Anleger in einem geltend gemacht worden seien und in dem die Nennung der in den A*-Index Zertifikaten aufscheinenden Zweit- und Drittanleger unterblieben sei. Auch wenn unterschiedliche Klienten als Geschädigte betroffen seien, sei der Schaden auf ein Tun oder Unterlassen zurückzuführen, das auf einer gleichartigen Fehlerquelle beruhe, auch der wirtschaftliche Zusammenhang sei gegeben. Die Versicherungssumme bei der U* AG sei ausgeschöpft, die Deckungspflicht der Beklagten komme zum Tragen.

[6]           Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Es liege kein Serienschaden vor. Zu jedem in der Klage angeführten Mandanten bestehe ein gesondertes Mandatsverhältnis. Es sei nicht entscheidend, ob der Fehler der Klägerin in einem oder in mehreren einzelnen Schreiben für die jeweiligen Mandanten unterlaufen sei, weil dieser Umstand von den Mandanten nicht beeinflussbar sei. Es fehle an einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang. Sämtliche behauptete Schadenfälle einzelner Mandanten überstiegen nicht 20.000 EUR und blieben daher unterhalb der Einstiegsgrenze des Exzedentenhaftpflichtversicherungsvertrags bei der Beklagten.

[7]           Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es lägen voneinander unabhängige Mandatsverhältnisse zwischen den einzelnen Anlegern und der Klägerin vor, die gesondert zu bewerten seien, sodass für jeden einzelnen Mandanten die Versicherungssumme der U* AG zur Anwendung gelange. Mehrere voneinander unabhängige Mandanten müssten die Versicherungssumme nicht teilen. Ob die Haftpflichtversicherung schlagend werde oder nicht hänge nicht davon ab, ob die Ansprüche mehrerer Mandanten in einem oder mehreren Anspruchsschreiben geltend gemacht würden. Die Schadenbeträge der Anleger würden jeweils nicht die Grenze von 20.000 EUR überschreiten. Die Exzedentenhaftpflichtversicherung bei der Beklagten komme nicht zum Tragen.

[8]           Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Jede Schlechterfüllung eines einzelnen, selbständigen Mandatsverhältnisses begründe für sich einen Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könne. Es sei nicht entscheidend, ob die Pflichtverletzung auf der gleichen fehlerhaften Vorgehensweise beruhe. Einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer erschließe sich, dass der in Artikel 3 Punkt eins Punkt c, AVBV für alle Haftpflichtfälle aus beruflicher Tätigkeit zugesicherte Deckungsschutz schon bei gleicher oder gleichartiger und nicht erst bei identer Ursache (Fehlerquelle) beschränkt werden solle. Die Eingrenzung, dass die betreffenden Angelegenheiten miteinander im rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, liege aber nicht vor, weil die Klägerin mit jeweils selbstständigen Mandanten betraut worden sei.

[9]           Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zulässig sei, da die Auslegung der Serienschadenklausel in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Bezug auf die fehlerhafte Abwicklung einer Vielzahl gleichgelagerter Mandate aus Großschadenereignissen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe und bislang dazu noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[10]       Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11]       Die Beklagte begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12]       Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[13]       1.1 Unstrittig ist, dass die Beklagte aufgrund des zwischen ihr und der S* Rechtsanwaltskammer abgeschlossenen Versicherungsvertrags der versicherten Klägerin als Exzedentenhaftpflichtversicherung für Schäden zwischen 72.674 EUR und 508.710 EUR Deckung zu gewähren hat.

[14]       1.2 Ein Ergänzungs- oder Exzedentenhaftpflichtversicherungsvertrag liegt vor, wenn die zweite Versicherung (die Beklagte) erst dann haften soll, wenn die erste Versicherung (die U* AG) zur Schadensabwicklung nicht ausreicht (RS0080944).

[15]       1.3 Zu prüfen ist daher, ob die Versicherung bei der U* AG zur Abdeckung des gegenständlichen Schadens ausreicht, wozu die – dem Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der U* AG zugrunde liegende – Serienschadenklausel nach Artikel 3 Punkt eins Punkt c, AVBV auszulegen ist.

[16]       2.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (Paragraphen 914, f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

[17]       2.2 Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; RS0080068).

[18]       3.1 Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gemäß Paragraph 149, VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Der Versicherungsnehmer hat gegenüber dem Versicherer – im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags – einen Befreiungsanspruch, der ihn vor den Folgen der Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten schützen soll (7 Ob 139/18v).

[19]                3.2 Im zu beurteilenden Pflicht-Haftpflichtversicherungsvertrag mit der U* AG ist die rechtsanwaltliche Tätigkeit der Klägerin versichert.

[20]                4.1 In Artikel 5, AVBV ist der Versicherungsfall als der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte, definiert.

[21]       4.2 Die eigentliche Serienschadenklausel wird im zweiten Satz des Artikel 3 Punkt eins Punkt c, AVBV geregelt. Sie bestimmt, dass die Versicherungssumme nur einmal geleistet wird, einerseits für sämtliche Folgen eines Verstoßes und andererseits bei mehreren Verstößen aufgrund mehrfachen auf gleichen oder gleichartigen Fehlerquellen beruhenden Tuns oder Unterlassens, weil dies bei rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang der betreffenden Angelegenheiten als einheitlicher Verstoß gilt. Ihr Zweck ist es, mittels einer Fiktion mehrere Versicherungsfälle unter bestimmten Voraussetzungen als einen Versicherungsfall zu behandeln, um so die vereinbarte Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung zu stellen (7 Ob 70/14s mwN). Sie führt beim Versicherungsnehmer zu einer Schmälerung des Versicherungsschutzes und beim Versicherer trotz mehrerer Verstöße zu einer Begrenzung seiner Eintrittspflicht auf den Höchstbetrag. Sie beschränkt damit als Risikobegrenzungsklausel die Leistungspflicht des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers (Gräfe, Die Serienschadenklausel in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, NJW 2003, 3673 [3674]).

[22]                4.3 Nicht strittig ist, dass die zwar zeitlich zusammenfallenden, aber mehrfachen, weil gegenüber den jeweiligen Mandaten gesondert begangenen Pflichtverletzungen auf „gleichen oder gleichwertigen Fehlerquellen“ beruhten.

[23]                4.4 Im folgenden Halbsatz kommt es sodann zu einer Einschränkung durch die Anforderung, dass „die betreffenden Angelegenheiten“ miteinander im rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehen müsse vergleiche Gräfe/Brügge, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung2 2013 Rn 443; Gräfe aaO [3674] zur vergleichbaren deutschen Bedingungslage).

[24]                4.4.1 Den Begriff „betreffende Angelegenheiten“ bezieht der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer aus dem angesprochenen Adressatenkreis (RS0008901) – hier Rechtsanwälte – nicht abstrakt generell auf sein berufliches Tätigkeitsfeld, sondern auf die jeweiligen Mandatsverhältnisse (Fenyves, Die „Serienschadenklausel“ der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, VersRdSch 6/2015, 31 ff [36 f]; Fuhrer in Festschrift für Ernst A. Kramer, Schadenserie oder Serienschaden? Zur Auslegung der Serienschadenklausel in Haftpflichtversicherungsverträgen, 839; BGH römisch IV ZR 19/03; Gräfe aaO [3674]; vergleiche Gräfe/Brügge aaO Rn 452; aber Wilhelmer Die Serienschadenklausel in der Berufshaftpflichtversicherung – zugleich eine Besprechung von OGH 7 Ob 70/14s, ZFR 2015/133 [257]).

[25]                4.5 Das weiters kumulativ geforderte Vorliegen eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs lässt sich nur kasuistisch erfassen und entzieht sich somit einer von der Revision gewünschten generalisierenden Betrachtung durch den Obersten Gerichtshof. Die Beurteilung ist vielmehr von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

[26]       4.5.1 Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, Satz 1 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt Paragraph 1009, ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn-, Aufklärungs- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenwahrung und zur Rechtsbetreuung (RS0112203). Der Anwalt ist aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags zur sachgemäßen Vertretung seines Klienten verpflichtet (RS0038695 [T3]).

[27]       4.5.2 Die einzelnen Klienten erteilten hier der Klägerin voneinander unabhängig Mandate.  Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass aufgrund der vorliegenden selbstständigen Mandatsverhältnisse – trotz gleichartiger Interessen der unterschiedlichen Mandanten und der gleichen Vorgangsweise der Klägerin in mehreren Fällen – kein rechtlicher Zusammenhang gegeben ist, wird von der Klägerin selbst als richtig bezeichnet und bedarf keines weiteren Eingehens vergleiche auch Fuhrer aaO 839, Wilhelmer aaO [258]; Fenyves aaO [37]; BGH römisch IV ZR 19/03).

[28]       4.5.3 Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist hier gleichfalls zu verneinen: Mag der Versicherungsnehmer einer Rechtsanwalts-Vermögensschadenhaftpflichtversicherung auch bei einer Beauftragung mit einer Vielzahl gleichartiger Mandate nicht jeden einzelnen Fall mit gleichem juristischen und kanzleiinternen Aufwand aufarbeiten müssen, so schuldet er aufgrund der selbstständigen Mandatsverhältnisse jedem einzelnen Mandanten die pflichtgemäße Erfüllung des Bevollmächtigungsvertrags, sodass er auch dem jeweiligen Mandanten aus dem pflichtwidrig erledigten Mandat haftbar wird. Es fehlt aber an einem wirtschaftlichen Zusammenhang der selbstständig erteilten Mandate, wenn dem Versicherungsnehmer aus der – wenngleich von der gleichen Fehlerquelle beeinflussten – Erledigung der jeweiligen Bevollmächtigungsverträge ein Haftungsvorwurf gemacht wird, der zur Schädigung von selbstständigen Vermögensmassen der unterschiedlichen Rechtsinhaber führt vergleiche Gräfe aaO [3675]; Fuhrer aaO 840). Bei Vorliegen mehrerer voneinander unabhängiger Mandatsverhältnissen und Schädigung unterschiedlicher Vermögensmassen reicht das standardisierte Vorgehen des versicherten Rechtsanwalts namens der einzelnen Mandanten ebensowenig wie das Zusammenfassen deren Erklärungen in einem Schriftsatz aus, um einen wirtschaftlichen Konnex herzustellen.

[29]       5. Zusammengefasst folgt daher, dass die Vorinstanzen zutreffend zu dem Ergebnis gelangten, dass die fehlerhafte Vertretung der Klägerin in Bezug auf die jeweils selbstständigen Mandate, die sich auch jeweils nur beim jeweiligen Mandanten vermögensschädigend auswirkte, mangels rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht als ein einheitlicher Verstoß im Sinn des Artikel 3 Punkt eins Punkt c, AVBV anzusehen ist, sodass die mit der U* AG pro Versicherungsfall vereinbarte Versicherungssumme nicht erreicht ist und damit die Exzedentenhaftpflichtversicherung der Beklagten noch nicht zum Tragen kommt.

[30]       6. Der Revision war damit der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2021:E131068