Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

29.01.2019

Geschäftszahl

2Ob238/17i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** K*****, vertreten durch Mag. Paul Wolf, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die beklagten Parteien 1. J***** H*****, vertreten durch Gloyer Dürnberger Mayerhofer Rechtsanwälte GmbH in Linz, der Nebenintervenienten auf Seiten der erstbeklagten Partei K***** GmbH und K***** GmbH, *****, beide vertreten durch Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien und Graz, 2. W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, 3. M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Andrej Mlecka, Rechtsanwalt in Wien, der Nebenintervenientin auf Seiten der drittbeklagten Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Florian Steinwendtner, Rechtsanwalt in Neulengbach, 4. Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, der Nebenintervenienten auf Seiten der viertbeklagten Partei (a) H***** A*****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, (b) G***** GmbH, *****, vertreten durch Mecenovic Rechtsanwalt GmbH in Graz, (c) P***** GmbH, *****, vertreten durch preslmayr.legal Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 110.250 EUR sA und Feststellung (Streitwert 8.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. November 2017, GZ 15 R 76/17g-140, mit welchem das über die Begehren gegen die dritt- und die viertbeklagte Partei ergangene Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Februar 2017, GZ 29 Cg 44/14z-118, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

A. Die Einschränkung des gegen die dritt- und die viertbeklagte Partei erhobenen Begehrens auf Zahlung von 60.000 EUR samt Zinsen wird zur Kenntnis genommen. Die Urteile der Vorinstanzen sind in der Abweisung eines Begehrens von 50.250 EUR samt Zinsen wirkungslos.

B. Soweit sich die außerordentliche Revision gegen die Bestätigung der Abweisung des gegen die viertbeklagte Partei erhobenen Begehrens richtet, wird ihr Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in diesem Punkt aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insofern weitere Verfahrenskosten.

C. Soweit sich die außerordentliche Revision gegen die Abweisung des gegen die drittbeklagte Partei erhobenen Begehrens richtet, wird sie gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde am 28. 6. 2011 bei einem Arbeitsunfall auf einer Tunnelbaustelle durch einen auf der Schiene eingesetzten Zweiwegebagger schwer verletzt. Bauherr war die Viertbeklagte als Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen, einer der in einer ARGE zusammengeschlossenen Werkunternehmer war der Arbeitgeber des Klägers. Der Bagger wurde von einem dritten Unternehmen beigestellt und war bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert; der Erstbeklagte war der Fahrer des Baggers. Da er nicht über die eisenbahnrechtlichen Befugnisse zum Führen eines Triebfahrzeugs verfügte, war ihm von der Viertbeklagten ein Kleinwagenführer (KL-Führer) beizustellen. Die Viertbeklagte hatte damit die Nebenintervenientin auf Seiten der Drittbeklagten beauftragt, diese hatte den Auftrag an die Drittbeklagte weitergegeben. Die Drittbeklagte entsandte zu diesem Zweck einen ihrer Arbeitnehmer.

Der Kläger nahm beim Aushub für Kabelführungen und Signalfundamente Vermessungsarbeiten vor, wofür er immer wieder von der Baugrube aus die Gleise betreten musste, auf denen der Bagger fuhr. Die Kommunikation zwischen dem Baggerfahrer und den vermessenden Arbeitnehmern war vom Arbeitgeber nicht vorgegeben, sie erfolgte aufgrund informeller Absprachen mit Handzeichen. Der Bagger musste aufgrund der konkreten Gegebenheiten teilweise auch rückwärts fahren, um Aushubmaterial abzuladen. Dafür war er mit einer Rückfahrkamera ausgestattet. Der KL-Führer hatte ihm die allgemeine Genehmigung zu Richtungswechseln erteilt. Er stand in Funkverbindung mit dem Baggerfahrer; wo er sich zum Zeitpunkt des Unfalls befand (ob er also eine drohende Gefahr wahrnehmen konnte), konnten die Vorinstanzen nicht feststellen. Da sich auch die Baugrube im Gefahrenbereich des Baggers befand, war für das Betreten der Baugrube keine (zusätzliche) Freigabe durch den KL-Führer erforderlich.

Der Unfall ereignete sich, weil der Baggerfahrer sein Fahrzeug aufgrund eines Missverständnisses rückwärts in Bewegung setzte, obwohl der Kläger das Betreten der Gleise angezeigt hatte. Keiner der beiden bemerkte die Gefahr, obwohl es für beide durch einen Blick in Richtung Bagger bzw in den Bildschirm der Rückfahrkamera möglich gewesen wäre. Der Kläger wurde vom Bagger angefahren und schwer verletzt. Die Vorinstanzen konnten nicht feststellen, dass der Unfall hätte verhindert werden können, wenn die Viertbeklagte (weitere) Überwachungsmaßnahmen zur Einhaltung ihrer umfangreichen Sicherheitsbestimmungen gesetzt hätte.

Im Revisionsverfahren strittig sind die Schadenersatzbegehren des Klägers gegen die Dritt- und die Viertbeklagte. Das Verfahren gegen den Erstbeklagten ruht, das Begehren gegen die Zweitbeklagte ist rechtskräftig abgewiesen, weil der Bagger auf der Schiene und daher nicht als Kraftfahrzeug im Sinn des KHVG verwendet wurde vergleiche – denselben Unfall betreffend – 2 Ob 73/17z).

Der Kläger begehrte zunächst von allen Beklagten unter Anrechnung eines Mitverschuldens von einem Viertel Schadenersatz von 110.250 EUR (aufgegliedert in Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Heilungskosten, Pflegehilfe, Verdienstentgang) sowie die Feststellung von deren Haftung für Spät- und Dauerfolgen im Ausmaß von drei Vierteln. In Bezug auf die Dritt- und die Viertbeklagte brachte er, soweit im Revisionsverfahren noch relevant, vor, dass deren Leute, insbesondere den KL-Führer ein Verschulden am Unfall treffe. Der KL-Führer sei sowohl der Dritt- als auch der Viertbeklagten zuzurechnen.

Die Drittbeklagte bestreitet ein Verschulden des bei ihr beschäftigten KL-Führers; zudem gebe es keinen Grund, ihr dessen allfälliges Fehlverhalten zuzurechnen.

Die Viertbeklagte wendet ein, dass sie als Infrastrukturunternehmen zwar Bauherr gewesen sei, den Bagger aber nicht betrieben habe. Der Kläger habe das Gleis entgegen den eisenbahnrechtlichen Vorschriften betreten, ohne vorher – über die örtliche Bauaufsicht – die Zustimmung des örtlichen betrieblichen Koordinators einzuholen. Hingegen sei der KL-Führer nicht befugt, das Betreten der Gleise freizugeben; dieser habe allerdings jeden Richtungswechsel des Baggers zu genehmigen gehabt. Die Leute der Viertbeklagten treffe kein Verschulden, insbesondere kein Organisationsverschulden. Die Viertbeklagte hafte auch nicht nach dem EKHG. Diese Haftung treffe nur das Eisenbahnverkehrsunternehmen, hier also jenes Unternehmen, das den Bagger zur Verfügung gestellt habe. Es bestehe kein Gefahrenzusammenhang zwischen dem auf die Infrastruktur beschränkten Eisenbahnbetrieb der Viertbeklagten und dem Unfall. Zudem liege ein unabwendbares Ereignis vor, weil der Unfall durch das Verhalten des Klägers ausgelöst worden sei. Die Viertbeklagte habe jede notwendige Sorgfalt eingehalten. Einer Haftung der Viertbeklagten stehe auch Paragraph 333, ASVG entgegen. Die Viertbeklagte habe mit ihren Auftragnehmern auf der Baustelle zusammengewirkt. Die von der Viertbeklagten eingesetzte örtliche Bauaufsicht sei (auch) gegenüber den auf der Baustelle tätigen Arbeitern weisungsbefugt gewesen. Zudem habe der Kläger aus eisenbahnrechtlichen Gründen auch alle den Bahnbetrieb betreffenden Weisungen der Viertbeklagten befolgen müssen. In Bezug auf Heilungskosten und Verdienstentgang fehle wegen kongruenter Leistungen der Sozialversicherung die Aktivlegitimation, den Kläger treffe ein überwiegendes Verschulden von vier Fünfteln, beim Feststellungsbegehren sei das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies das gegen die Dritt- und die Viertbeklagte erhobene Begehren ab.

Die Drittbeklagte hafte schon deswegen nicht, weil den KL-Führer kein Verschulden treffe. Insbesondere habe dieser dem Baggerfahrer einen selbständigen Richtungswechsel erlauben dürfen, da jede andere Vorgangsweise praxisfern gewesen wäre. Auf die Zurechnung eines allfälligen Fehlverhaltens des KL-Führers an die Drittbeklagte komme es daher nicht an. Die Viertbeklagte habe für eine Unterweisung der auf der Baustelle beschäftigten Arbeiter gesorgt. Dass der Unfall verhindert worden wäre, wenn sie auch die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften überwacht hätte, habe nicht festgestellt werden können; daher scheitere die Haftung am Nachweis der Kausalität.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Den KL-Führer treffe kein Verschulden. Er habe sich nicht zwingend im Führerstand aufhalten müssen und auch einen selbständigen Richtungswechsel erlauben dürfen. Die Unklarheit, wo er sich unmittelbar vor dem Unfall befunden und ob er daher eine Möglichkeit zu dessen Verhinderung gehabt habe, gehe zu Lasten der Klägerin. Auf Zurechnungsfragen komme es daher nicht an. Die Kausalität eines allfälligen Fehlverhaltens auf Seiten der Viertbeklagten sei nicht erwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich eine außerordentliche Revision des Klägers.

Eingangs dieser Revision schränkt der Kläger sein Leistungsbegehren gegen die Dritt- und die Viertbeklagte auf Zahlung von 60.000 EUR samt Zinsen ein. Inhaltlich stützt er sich nun in erster Linie auf die Haftung der Dritt- und der Viertbeklagten nach dem EKHG. Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen hafteten danach als Betriebsunternehmen solidarisch. Diese Haftung treffe sowohl die Dritt- als auch die Viertbeklagte. Die Drittbeklagte hafte weiters wegen des ihr zurechenbaren Fehlverhaltens und der nicht ausreichenden Unterweisung des KL-Führers.

Der Senat stellte der Viertbeklagten und den auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten die Revisionsbeantwortung frei. Die Viertbeklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Nebenintervenienten beteiligten sich nicht am Verfahren.

Rechtliche Beurteilung

A. Im Hinblick auf die im Revisionsschriftsatz vorgenommene Klageeinschränkung, die auch im Rechtsmittelverfahren zulässig ist (RIS-Justiz RS0039644 [T1]; 3 Ob 7/16z) war gemäß Paragraph 483, Absatz 3, in Verbindung mit Paragraph 513, ZPO auszusprechen, dass die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Klageeinschränkung wirkungslos sind (3 Ob 143/18b mwN).

B. Soweit sich die außerordentliche Revision gegen die Bestätigung der Abweisung des gegen die Viertbeklagte erhobenen Begehrens richtet, ist sie zulässig, weil die Haftung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens nach dem EKHG einer Klarstellung bedarf. Sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Die Viertbeklagte haftet – vorbehaltlich der Anwendung von Paragraph 333, ASVG (unten 2.) – nach dem EKHG.

1.1. Die Gefährdungshaftung für einen Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn trifft nach Paragraph 5, EKHG den Betriebsunternehmer. Diesem ist nach Paragraph 19, Absatz 2, EKHG auch das Verschulden jener Personen zuzurechnen, die mit seinem Willen beim Betrieb der Eisenbahn tätig waren. Für den Begriff der Eisenbahn verweist Paragraph 2, EKHG auf das Eisenbahngesetz in der jeweils geltenden Fassung. Dort wurde der Eisenbahnbetrieb aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben (RL 91/440/EWG, nunmehr RL 2012/34/EU) mit den Paragraphen eins a und 1b EisbG in den Infrastruktur- und den Verkehrsbetrieb aufgespalten. Eisenbahnunternehmen sind daher jetzt Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU).

1.2. Der Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 18/16k ausführlich zu den haftungsrechtlichen Folgen dieser Aufspaltung Stellung genommen: Jedenfalls dann, wenn sich eine im Zusammenwirken dieser Unternehmen begründete Betriebsgefahr verwirklicht hat, haften sie als „mehrere Betriebsunternehmer“ iSv Paragraph 5, Absatz 2, EKHG solidarisch. Nur wenn die Gefahr ausnahmsweise nicht auf einem Zusammenwirken von EIU und EVU beruhte, haftet bloß jenes Unternehmen, dessen Betrieb die Gefahr (allein) zuzurechnen ist (ebenso Reiter, Die Gefährdungshaftung der regulierten Eisenbahn, ZVR 2014/78, 148 [151 f]; ders in Koziol, Die Haftung von Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen im Rechtsvergleich [2019] 138; Schauer in Schwimann/Kodek4 Paragraph 5, EKHG Rz 7; vergleiche auch Koziol/Apathy/Koch, Österreichisches Haftpflichtrecht III3 [2014] A2 Rz 37). Zum selben Ergebnis gelangt – bei vergleichbarer Rechtslage – die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (römisch VI ZR 69/03, NJW-RR 2004, 959; vergleiche dazu Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess27 Kap 26 Rn 14 f; Filthaut, Haftpflichtgesetz9 [2015] Paragraph eins, Rn 56; Magnus/Wurmnest in Koziol, Haftung 29 f). Solidarhaftung besteht daher schon dann, wenn sich die Gefahr der schienengebundenen Fortbewegung verwirklicht (2 Ob 69/17m).

1.3. An dieser Rechtsprechung ist trotz der dogmatischen Zweifel von Koziol (in Koziol, Haftung 281 ff; ders, Trennung des Infrastruktur- vom Verkehrsunternehmen und Reformbedürftigkeit des EKHG, ZVR 2018, 500 ff) festzuhalten.

(a) Zwar trifft zu, dass die Gefährdungshaftung des EIU in einem rechtspolitischen Spannungsverhältnis zur Wegehalterhaftung steht, die nach Paragraph 1319 a, ABGB auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Allerdings beruht die besondere Gefährlichkeit der Eisenbahn – wie auch Koziol zugesteht (ZVR 2018, 504) – (auch) auf der Schienengebundenheit der Fortbewegung, die ein Ausweichen unmöglich macht. Damit ist der Zusammenhang zwischen dem Betrieb im engeren Sinn und der Infrastruktur deutlich enger als im Straßenverkehr. Zudem sind Eisenbahnunfälle faktisch in höherem Ausmaß (auch) auf Mängel in der Infrastruktur (Schienen, Signalanlagen, Fehler von Fahrdienstleitern) zurückzuführen als solche im Straßenverkehr, und für den Geschädigten ist oft nur schwer erkennbar, ob die konkrete Gefahr (ganz oder überwiegend) vom EIU oder vom EVU ausgegangen ist. Auf dieser Grundlage sieht auch Koziol eine Gefährdungshaftung des EIU als „erwägenswert“ an, wenngleich er eine klare gesetzliche Regelung und eine Abstimmung mit der Wegehalterhaftung fordert (Koziol, ZVR 2018, 504; ähnlich ders in Koziol, Haftung 296: Es sei „naheliegend die Bemühungen um die Begründung einer Gefährdungshaftung des Infrastrukturunternehmens noch nicht aufzugeben“).

(b) Auf dieser Grundlage hat es schon aus Gründen der Rechtssicherheit dabei zu bleiben, dass Unfälle, die sich bei der schienengebundenen Fortbewegung einer Eisenbahn ereignen, im Regelfall sowohl dem EIU als auch dem EVU zuzurechnen sind und daher deren Solidarhaftung begründen. Eine besondere von der Infrastruktur ausgehende Gefährlichkeit (etwa eine „Gleiserhöhung“, vergleiche 2 Ob 18/16k) ist für die Haftung des EIU nicht erforderlich. Die endgültige Schadenstragung ist eine Frage des Gesamtschuldnerregresses, bei dem das besondere, allenfalls auch vertraglich geregelte Verhältnis zwischen EIU und EVU entscheidet. Hingegen stehen EIU und EVU dem Geschädigten als Einheit gegenüber; sie können sich ihm gegenüber nicht darauf berufen, dass eines von ihnen den strittigen Schaden im Innenverhältnis überwiegend oder sogar allein tragen müsste (2 Ob 69/17m mwN). Anders gewendet: Die Aufspaltung des Eisenbahnbetriebs führt nicht dazu, dass der Geschädigte nun das Risiko der Klage gegen das „richtige“ Unternehmen tragen müsste.

1.4. Im Rahmen der Haftung nach dem EKHG (einschließlich der erweiterten Verschuldenshaftung nach Paragraph 19, Absatz 2, EKHG) hat sich die Viertbeklagte das (unstrittige) Fehlverhalten des erstbeklagten Baggerfahrers zurechnen zu lassen.

(a) Der Senat hat sich in der Entscheidung 2 Ob 69/17m der Auffassung Reiters (ZVR 2014, 152) angeschlossen, dass ein Fehlverhalten einer Person, die beim Betrieb des EIU oder EVU tätig war, auch dem jeweils anderen Unternehmen zuzurechnen ist (so nun auch Schauer in Schwimann/Kodek4 Paragraph 5, EKHG Rz 7). Eine bei isolierter Betrachtung mögliche Haftungsbefreiung nach Paragraph 9, EKHG scheitert daher, wenn in der Sphäre eines Mitbetriebsunternehmers ein (insofern relevanter) Mangel vorliegt. Denn auch hier darf die Aufspaltung des Eisenbahnbetriebs nicht zu einer Schlechterstellung von geschädigten Dritten führen. Wem die Person tatsächlich zuzurechnen ist, hat wiederum (nur) Bedeutung für den Regress zwischen EIU und EVU.

(b) Die wechselseitige Zurechnung gilt auch für die (erweiterte) Verschuldenshaftung nach Paragraph 19, Absatz 2, EKHG (2 Ob 69/17m): EIU und EVU – und damit auch deren Mitarbeiter – werden jeweils mit Willen des anderen Unternehmens beim (gemeinsamen) Betrieb der Eisenbahn tätig. Damit ist aber auch ein Fehlverhalten dieser Mitarbeiter beiden Unternehmen zuzurechnen. Welches davon den Schaden letztlich zu tragen hat, ergibt sich wieder aus dem (allenfalls auch vertraglich geregelten) Innenverhältnis.

1.5. Aus diesen Gründen ist die Haftung der Viertbeklagten nach Paragraph 5, EKHG und Paragraph 1295, ABGB in Verbindung mit Paragraph 19, Absatz 2, EKHG grundsätzlich zu bejahen.

2. Ob Paragraph 333, ASVG dieser Haftung entgegensteht, kann nicht abschließend beurteilt werden.

2.1. Für den Haftungsausschluss nach Paragraph 333, Absatz eins, ASVG kommt es nicht auf die konkrete Gestaltung eines Vertragsverhältnisses an. Es ist nicht einmal erforderlich, dass ein solches überhaupt besteht (2 Ob 114/08s mwN; RIS-Justiz RS0084231); entscheidend ist nur das Tätigwerden in der Sphäre des Unternehmers (9 ObA 56/07m; RIS-Justiz RS0085208). Auch wenn einander zwei Unternehmer als Vertragskontrahenten gegenüberstehen, kann es daher zum Haftungsausschluss kommen, wenn der Verletzte die Sphäre seines eigenen Betriebs verlässt und sich in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmens, wenn auch unter Umständen nur kurzfristig, einordnet. Der Verletzte muss bei Verrichtung dieser Tätigkeit in den fremden Betrieb eingegliedert sein; ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit ist dabei nicht erforderlich (2 Ob 24/05a mwN; RIS-Justiz RS0021534, RS0084172).

2.2. Das gilt insbesondere dann, wenn mehrere Unternehmen zur Erzielung eines Arbeitserfolgs zusammenwirken. Werden dabei Arbeitnehmer eines Unternehmens in den Betrieb eines anderen derart eingegliedert, dass sie dessen Weisungen zu befolgen haben, so ist das andere Unternehmen als bevollmächtigter Vertreter des Arbeitgebers iSd Paragraph 333, Absatz 4, ASVG anzusehen (2 Ob 209/17z mwN; RIS-Justiz RS0085019). Das kann auch bei der Zusammenarbeit von Werkunternehmer und Werkbesteller zutreffen. Eine solche Konstellation liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn ein Werkbesteller Arbeitnehmern des Werkunternehmers Weisungen erteilt, um Gefahren aufgrund der faktischen Berührung mit seinem (sonstigen) Betrieb (RIS-Justiz RS0085199) oder Störungen des Betriebsablaufs abzuwenden (2 Ob 24/15s mwN). Vielmehr muss sich diese Weisungsbefugnis tatsächlich auf das Erzielen des gemeinsam angestrebten Erfolgs beziehen (2 Ob 209/17z).

2.3. Die Viertbeklagte hat insofern vorgebracht, dass der angestrebte Erfolg nur im Zusammenwirken zwischen ihr bzw ihren Beauftragten und den auf der Baustelle tätigen Unternehmen erzielt werden konnte. Ihre Beauftragten hätten zu diesem Zweck (ua) dem Kläger Weisungen in Bezug auf seine Vermessungsarbeiten erteilt. Sollte das zutreffen, der Kläger die Vermessungsarbeiten unter Leitung eines Beauftragten der Viertbeklagten vorgenommen haben, wäre Paragraph 333, Absatz 4, ASVG nach dem oben Gesagten anwendbar. Hingegen wäre eine Weisungsbefugnis bloß in Bezug auf Sicherheitsfragen oder den ungestörten Betriebsablauf irrelevant. Da konkrete Feststellungen zu diesem Vorbringen der Viertbeklagten fehlen, kann die Anwendung von Paragraph 333, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 4, ASVG noch nicht abschließend beurteilt werden.

2.4. Die Anwendung der letztgenannten Bestimmungen ist nicht durch Paragraph 333, Absatz 3, ASVG ausgeschlossen.

(a) Zwar trifft die Viertbeklagte aufgrund gesetzlicher Bestimmung (Paragraphen eins,, 5 EKHG) eine erhöhte Haftpflicht. Aus der Regelung, dass die Haftung mit der Höhe einer bestehenden Versicherungssumme begrenzt ist, wird jedoch abgeleitet, dass Paragraph 333, Absatz 3, ASVG bei fehlender Versicherungspflicht nicht anwendbar ist (Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek4 Paragraph 333, ASVG Rz 58 mwN; RIS-Justiz RS0085140 [T2]). Das war nach früherer Rechtslage ganz allgemein bei der Eisenbahn der Fall (2 Ob 64/94; so noch Neumayr/Huber aaO).

(b) Nach geltendem Recht setzt die Erteilung einer Verkehrsgenehmigung (Paragraph 15 b, Absatz eins, Ziffer 4, EisbG) und einer Verkehrskonzession (Paragraph 16 b, Absatz eins, Ziffer 4, EisbG) das Bestehen einer „ausreichenden“ Haftpflichtversicherung voraus. Damit besteht für Eisenbahnverkehrsunternehmen Versicherungspflicht (Reiter in Koziol, Haftung 110; Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3 [2015] Paragraph 15 b, Rz 2), sodass Paragraph 333, Absatz 3, ASVG insofern anwendbar ist. Ein vergleichbares Erfordernis gilt jedoch – anders als von Koziol (in Koziol, Haftung 292; ebenso ders, ZVR 2018, 504) angenommen – für Infrastrukturunternehmen nicht. Denn eine Haftpflichtversicherung ist weder als Voraussetzung für die Erteilung einer Konzession zum Bau und Betrieb von Hauptbahnen iSv Paragraph 14, Absatz eins, Ziffer 2, EisbG vorgesehen, noch enthält das Bundesbahngesetz für die – keiner solchen Konzession bedürfende (Paragraph 51, Bundesbahngesetz) – Viertbeklagte eine entsprechende Anordnung. Damit ist Paragraph 333, Absatz 3, ASVG in Bezug auf die Viertbeklagte nicht anwendbar.

3. Im Ergebnis ist daher die Haftung der Viertbeklagten nach dem EKHG zu bejahen (oben 1.). Mangels ausreichender Feststellungen kann aber noch nicht beurteilt werden, ob sich die Viertbeklagte erfolgreich auf das Dienstgeberhaftungsprivileg nach Paragraph 333, ASVG berufen kann (oben 2.3.). Das führt zur Aufhebung in die erste Instanz.

3.1. Das Erstgericht wird Feststellungen zur Behauptung der Viertbeklagten zu treffen haben, sie habe dem Kläger (durch Beauftragte) Weisungen zur Vornahme seiner Vermessungsarbeiten erteilt und so eine Eingliederung in ihren Betrieb bewirkt. Gelingt der Viertbeklagten dieser Beweis, wäre das Begehren abzuweisen. Ob insofern eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich ist oder die vorliegenden Beweise ausreichen, obliegt der Beurteilung der Vorinstanzen.

3.2. Sind die Voraussetzungen für die Anwendung von Paragraph 333, ASVG nicht erweisbar, wäre in einem weiteren Schritt mit dem Kläger die durch die Klageeinschränkung entstandene Unschlüssigkeit seines Begehrens zu erörtern: Werden – wie hier – aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, dann muss jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des Paragraph 226, ZPO zu entsprechen (RIS-Justiz RS0031014 [T29]). Die Aufteilung eines geringeren pauschal begehrten Betrags – hier aufgrund der Klageeinschränkung – auf die jeweiligen Einzelforderungen kann nicht dem Gericht überlassen werden (RIS-Justiz RS0025188 [T4]). Denn ohne Aufschlüsselung dieses Betrags wäre es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen (RIS-Justiz RS0031014 [T31]). Der Kläger wird daher klarzustellen haben, wie sich der nun pauschal begehrte Betrag auf die einzelnen Schadenspositionen aufteilt.

3.3. In einem allfälligen weiteren Verfahren wäre die Beurteilung des Erstgerichts, dass den Kläger (nur) das ohnehin zugestandene Mitverschulden von einem Viertel trifft, unbedenklich; dies insbesondere wegen der durch die Gefährlichkeit des Baggers begründeten erhöhten Sorgfaltsanforderungen für dessen Fahrer. Zu prüfen bliebe daher nur die Höhe der Ansprüche und das Vorliegen kongruenter Leistungen des Sozialversicherungsträgers.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

C. Soweit sich die außerordentliche Revision gegen die Abweisung des gegen die Drittbeklagte erhobenen Begehrens richtet, ist sie nicht zulässig.

Die Revision zeigt nicht auf, aus welchen Gründen die Drittbeklagte für ein (von den Vorinstanzen ohnehin verneintes) Fehlverhalten des KL-Führers einstehen müsste. Eine vertragliche Beziehung besteht zwischen den Parteien nicht. Weshalb (auch) die Drittbeklagte als Eisenbahnunternehmen zu qualifizieren wäre, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Auch andere Gründe für eine allfällige Zurechnung werden nicht genannt. Eine unzureichende Einschulung des KL-Führers, die für den Unfall kausal gewesen wäre, ist ebenfalls nicht erkennbar. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen bzw unbekämpft gebliebenen Feststellungen war dieser ohnehin befugt, für einen bestimmten Bereich eine Fahrgenehmigung bis auf Widerruf zu erteilen, und er musste auch keine weitere Freigabe für das Betreten von Gleisen erteilen, wenn sich die Arbeiter ohnehin schon im Gefahrenbereich (Baugrube) befanden. Damit zeigt der Kläger aber nicht auf, welche relevante Belehrung durch Verantwortliche der Drittbeklagten unterblieben wäre.

Die gegen die Abweisung des gegen die Drittbeklagte erhobenen Begehrens gerichtete Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00238.17I.0129.000