OGH
21.03.2018
7Ob189/17w
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** B*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L***** B*****, vertreten durch Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in Wien, und 2. D***** B*****, wegen Aufkündigung, infolge der ordentlichen Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Juni 2017, GZ 38 R 107/17t-64, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. Februar 2017, GZ 56 C 19/14f-60, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, für eine Zustellung des Urteils des Berufungsgerichts, der Revision und der Revisionsbeantwortung an die zweitbeklagte Partei Sorge zu tragen.
Der Akt ist erst mit einer von der zweitbeklagten Partei erhobenen Revision samt allfälliger Revisionsbeantwortung oder nach ungenütztem Verstreichen der Rechtsmittelfrist wieder in Vorlage zu bringen.
Begründung:
Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin und die Beklagten sind Mieter einer Wohnung, gegen deren gerichtliche Aufkündigung sie Einwendungen erhoben. Dabei und im folgenden Verfahren waren sie vorerst durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten, der jedoch am 16. Dezember 2015 bekanntgab, die Vollmacht zu beiden Beklagten gekündigt zu haben. In der Folge gab am 22. Februar 2016 nur die Erstbeklagte bekannt, durch einen Anwalt vertreten zu sein; der Zweitbeklagte blieb unvertreten. Das ihm am 27. Februar 2017 zugestellte erstinstanzliche Urteil, mit dem die Aufkündigung für rechtswirksam erkannt und dem Räumungsbegehren stattgegeben wurde, ließ er unangefochten. Der nur von der Erstbeklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge. Das Berufungsurteil, mit dem das Ersturteil bestätigt und die ordentliche Revision zugelassen wurde, wurde nur an Klage- und (Erst-)Beklagtenvertreter zugestellt, nicht jedoch an den Zweitbeklagten. Auch die ordentliche Revision der Erstbeklagten und die Revisionsbeantwortung der Klägerin wurden ihm nicht zugestellt.
Die Vorlage der ordentlichen Revision der Erstbeklagten ist verfrüht.
Ist ein Objekt – wie hier – an mehrere Personen als Mitmieter in Bestand gegeben, so ist ein solches Mitmietverhältnis oder Gesamtmietverhältnis ein einheitliches, demnach ungeteiltes Mietverhältnis und besteht nicht etwa aus mehreren konkurrierenden Mietverhältnissen (RIS-Justiz RS0101118 [insb T2, T3, T7, T8]). Mehrere Mitmieter bilden eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach Paragraph 825, ABGB und bilden im Kündigungsprozess eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinn des Paragraph 14, ZPO (RIS-Justiz RS0013160; RS0013416 [T6, T19]), weil sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstreckt (RIS-Justiz RS0013160 [T10]).
Die sachliche Erledigung mehrerer von verschiedenen Streitgenossen erhobener Rechtsmittel hat in einer einheitlichen Entscheidung zu erfolgen (RIS-Justiz RS0035432 [T1]). Sind einzelne Streitgenossen säumig, so erstreckt sich nach Paragraph 14, Satz 2 ZPO zwar die Wirkung der Prozesshandlungen der tätigen Streitgenossen auch auf sie. Die Entscheidung über das Rechtsmittel des einen der einheitlichen Streitgenossen bzw die Entscheidung aus Anlass dieses Rechtsmittels ist aber vor der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den anderen notwendigen Streitgenossen bzw vor dem ungenützten Verstreichen der diesem offenstehenden Rechtsmittelfrist verfrüht (RIS-Justiz RS0035432). Wird – wie hier – eine erstgerichtliche Entscheidung nicht von allen notwendigen Streitgenossen angefochten, ist dennoch die Rechtsmittelentscheidung allen Streitgenossen zuzustellen, weil jedem von ihnen ein Rechtsmittel auch gegen die zweitinstanzliche Entscheidung zusteht vergleiche 5 Ob 1042/92 = RIS-Justiz RS0035401 [zum Verfahren nach Paragraph 26, WEG 1975 bzw Paragraph 52, WEG 2002]).
Das Erstgericht hat daher das Berufungsurteil und die bislang vorliegenden Rechtsmittelschriftsätze dem Zweitbeklagten als notwendigem Streitgenossen zuzustellen und den Akt erst wieder vorzulegen, wenn der Zweitbeklagte eine Revision (und die Klägerin allenfalls eine Revisionsbeantwortung) erstattet haben oder wenn die offenstehende Rechtsmittelfrist ungenützt verstrichen sein wird.
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00189.17W.0321.000