Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

29.08.2017

Geschäftszahl

5Ob4/17z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der 1. zu AZ 16 Msch 5/13k des Bezirksgerichts Innsbruck antragstellenden Partei T* GmbH, *, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der 2. zu AZ 26 Msch 7/13b des Bezirksgerichts Innsbruck antragstellenden Partei Verlassenschaft nach Dr. H*, vertreten durch Dr. T*, als Verlassenschaftskurator, vertreten durch Dr. Richard Leitner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen sämtliche Mit und Wohnungseigentümer des Hauses *, EZ 601 KG * W*, darunter die Antragsgegnerin N*, vertreten durch Prader, Ortner, Fuchs, Wenzl Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Paragraphen 52, Absatz eins, Ziffer eins,, 9 Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 56, Absatz eins, WEG über die Revisionsrekurse beider antragstellenden Parteien gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. August 2016, GZ 1 R 171/16b, 1 R 172/16z, 1 R 278/15m39, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 19. März 2015, GZ 16 Msch 5/13k18 in der Fassung des Berichtigungs und Ergänzungsbeschlusses vom 24. November 2015, GZ 16 Msch 5/13k29, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden – hinsichtlich der Erstantragstellerin als unzulässig – zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Gegenstand der verbundenen Verfahren sind Anträge auf Nutzwert(Neu)Festsetzung betreffend den Tiefgarageneinstellplatz „Doppelparker in der Tiefgarage in römisch II. Untergeschoß, ehemals zu Top 17 gehörend“, der Zubehörwohnungseigentum zu dem ehemals der Erstantragstellerin gehörenden Wohnungseigentumsobjekt Büro Top 9 (vormals BLNr 10) sein soll bzw betreffend den „Tiefgarageneinstellplatz im Ausmaß von 11,50 m2“, der als Zubehör zu den mit seinen 63/3248 Anteile verbundenen Wohnungseigentumsobjekt Top 23 (BLNr 23) der Zweitantragstellerin gehören soll.

Der Stadtmagistrat Innsbruck gab den Anträgen mit Entscheidungen vom 20. 8. und 9. 9. 2013 jeweils statt. Die Antragsgegnerin als Mit- und Wohnungseigentümerin rief dagegen das Gericht an.

Das Erstgericht setzte letztlich – nach Berichtigung bzw Ergänzung seines Sachbeschlusses – in Übereinstimmung mit der Schlichtungsstelle gesonderte Nutzwerte für die Abstellplätze fest.

Das Rekursgericht gab – neben anderen hier nicht gegenständlichen Entscheidungen – mit dem angefochtenen Sachbeschluss dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin Folge und wies die Anträge auf Neufestsetzung der Nutzwerte ab. Die Antragsteller strebten die in Paragraph 56, Absatz eins, WEG geregelte Verselbständigung ihres Zubehörwohnungseigentums an. Dies setze voraus, dass Zubehörwohnungseigentum an den genannten KfzAbstellplätzen wirksam begründet worden sei. Zusätzlich zu der von Paragraph 2, Absatz 3, WEG vorausgesetzten Abgrenzung der Bodenfläche und der ausdrücklichen Widmung sei aus Gründen der grundbücherlichen Zuordnung des Abstellplatzes schon bisher in der Lehre eine feststehende Bezeichnung mit Zahlen und/oder Buchstaben gefordert worden. Hier sei auf die mit 1. 1. 2015 in Kraft getretene und nach Paragraph 58 c, WEG auch auf dieses Verfahren schon anwendbare Bestimmung des Paragraph 5, Absatz 3, WEG in der Fassung der WRN 2015 Bedacht zu nehmen. Danach erstrecke sich die Eintragung des Wohnungseigentums an einem Wohnungseigentumsobjekt auch auf dessen Zubehörobjekte nach Paragraph 2, Absatz 3, WEG, soweit sich deren Zuordnung zum Wohnungseigentumsobjekt aus dem Wohnungseigentumsvertrag (Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer eins,) oder der gerichtlichen Entscheidung (Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 2 bis 4) jeweils im Zusammenhalt mit der Nutzwertermittlung oder festsetzung eindeutig ergibt. Aus den Materialien sei abzuleiten, dass die Eintragung von Wohnungseigentum nach dieser Bestimmung nur dann automatisch auf das Zubehör im Sinn des Paragraph 2, Absatz 3, WEG bezogen werden soll, sofern und soweit sich die Zuordnung der Zubehörobjekte zum (Haupt)Objekt aus den im Grundbuch einliegenden Urkunden (vor allem aus dem Wohnungseigentumsvertrag bzw aus der diesem zugrunde liegenden Nutzwertermittlung) eindeutig ergebe. Eine in diesem Sinn eindeutige Zuordnung sei hier weder beim Abstellplatz der Erstantragstellerin (der nach der Bezeichnung vorher zu einer anderen Topnummer gehört habe) noch bei dem der Zweitantragstellerin (der nur nach seiner Quadratmeterzahl determiniert sei) gegeben, womit eine Neufestsetzung der Nutzwerte nach Paragraph 5, Absatz 3, WEG ausgeschlossen sei. Da die Frage der konkreten Zuordenbarkeit von Zubehör aufgrund relevanter Urkunden im Sinn der Rechtslage nach der WRN 2015 über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Die ordentlichen Revisionsrekurse der beiden Antragsteller wollen auf eine Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus.

Die Antragsgegnerin beantragt den Revisionsrekurs der Erstantragstellerin mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, dem der Zweitantragstellerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erstantragstellerin ist unzulässig, weil sie ihre Parteistellung noch im Verfahren erster Instanz verloren hat. Der Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin, der keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts (Paragraph 71, Absatz eins, AußStrG) nicht zulässig, weil die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage einerseits durch die eindeutige Gesetzeslage und andererseits durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt ist.

1.1. Der Oberste Gerichtshof wies bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Rückstellungsentscheidung vom 4. 4. 2017 darauf hin, dass im Nutzwert(Neu)Festsetzungsverfahren gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer eins, WEG sämtlichen bücherlichen Miteigentümern der Liegenschaft Parteistellung zukommt, wobei auf den Grundbuchstand im Zeitraum des erstinstanzlichen Verfahrens abzustellen ist (RISJustiz RS0083324; RS0083019). Da die Parteistellung des Wohnungseigentümers an das aufrechte bücherliche Eigentum geknüpft sei, scheidet der frühere Eigentümer aus dem Verfahren aus und tritt der Erwerber ein (RISJustiz RS0083019 [T2]; RS0126080). Durch die Veräußerung des Miteigentumsanteils von Wohnungseigentum verliert der Veräußerer nicht nur die Legitimation zur Antragstellung, sondern seine Parteistellung sowohl im materiellen, als auch im formellen Sinn (RISJustiz RS0083185; RS0083100; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG Paragraph 2, Rz 177; Lovrek, Einige Fragen zur Parteistellung im Verfahren nach Paragraph 37, MRG, wobl 2012, 279 [283]). Diesfalls ist der Außerstreitrichter verpflichtet, von Amts wegen dem Erwerber des Miteigentumsanteils der Antragstellerin die Möglichkeit zu geben, den Antrag aufrechtzuerhalten (RISJustiz RS0083185; 5 Ob 59/11d), zumal Paragraph 234, ZPO im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht anzuwenden ist (RISJustiz RS0005786 [T3]). Da im hier zu beurteilenden Fall bislang nicht berücksichtigt worden war, dass die Erstantragstellerin ihr Eigentumsrecht vor Beschlussfassung erster Instanz aufgrund der Einverleibung des Eigentumsrechts der T* GmbH ob der Miteigentumsanteile der Erstantragstellerin CLNr 10 bereits am 29. 10. 2014 verloren hatte, wurde dem Erstgericht die Zustellung sämtlicher Sachbeschlüsse der Vorinstanzen sowie der Rechtsmittelschriften an die T* GmbH mit der Aufforderung aufgetragen, dieser Gelegenheit zu geben, den Antrag der Erstantragstellerin aufrechtzuerhalten.

1.2. Das Erstgericht stellte diese Entscheidung des erkennenden Senats samt den Entscheidungen der Vorinstanzen und den Rechtsmittelschriftsätzen in Entsprechung dieses Auftrags an die T* GmbH zu und setzte ihr eine vierwöchige Frist zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung. Die Zustellung dieser Aufforderung an die T* GmbH erfolgte am 24. 5. 2017, die gesetzte Frist ist verstrichen, ohne dass die T* GmbH erklärt hätte, den Antrag aufrechterhalten zu wollen. Einen Revisionsrekurs erhob sie nicht.

1.3. Der von der Erstantragstellerin erhobene Revisionsrekurs ist somit als unzulässig zurückzuweisen, weil sie ihre Parteistellung bereits vor Beschlussfassung erster Instanz verloren hat und eine Erklärung ihrer Rechtsnachfolgerin T* GmbH, den Antrag aufrechtzuerhalten, nicht abgegeben wurde.

1.4. Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung hat die Antragsgegnerin selbst zu tragen; sie hat zwar die Zurückweisung des Revisionsrekurses der Antragstellerin mangels erheblicher Rechtsfrage beantragt, nicht aber auf den Verlust der Parteistellung hingewiesen vergleiche RIS-Justiz RS0035962 [T6]).

1.5. Dass die Antragsgegnerin N* seit 19. 5. 2017 (TZ 3054/2017 des Bezirksgerichts Innsbruck)
– somit erst nach Einbringung ihrer Revisionsrekursbeantwortungen – nicht mehr Mit- und Wohnungseigentümerin ist, ändert nichts daran, dass sie sowohl im Verfahren erster Instanz als auch anlässlich ihrer Rekurserhebung jedenfalls Parteistellung hatte und über die Revisionsrekurse der Antragsteller – schon im Hinblick auf die im Nutzwert-(Neu-)Festsetzungsverfahren geltende strenge Offizialmaxime (RIS-Justiz RS0082872; RS0083252) jedenfalls zu entscheiden ist.

2.1. In Bezug auf die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage liegt mittlerweile eine ausführlich begründete Entscheidung des erkennenden Senats vor (5 Ob 162/16h = bbl 2017/102). Dort vertrat der erkennende Senat unter Hinweis auf den Wortlaut des Paragraph 5, Absatz 3, WEG 2002, die – vom Rekursgericht hier bereits zitierten – Erläuterungen zur Regierungsvorlage und das einhellige Schrifttum die Auffassung, dass Voraussetzung der Erstreckung der Eintragung des Wohnungseigentums auf das Zubehörobjekt dessen eindeutige Zuordnung zum Hauptobjekt durch eine eindeutige Darstellung im Titel für die Wohnungseigentumsbegründung oder in der Urkunde über die Nutzwertermittlung oder festsetzung sei (unter Hinweis auf Wieger in Illedits/ReichRohrwig, Wohnrecht² Paragraph 5, WEG Rz 20; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet und Wohnrecht23 Paragraph 5, WEG Rz 13; Prader WEG4.03 Paragraph 5, Anmerkung 8; Stabentheiner, Wohnrechtsnovelle 2015, wobl 2015, 2 [4]; derselbe, Jahrbuch Wohnrecht 2015, 7 [21], derselbe, Tausche Kellerteil gegen Heiztherme – die Wohnrechtsnovelle 2015, ÖJZ 2015/7 [58]; Prader/Walzel von Wiesentreu, verfassungsrechtliche Implikationen der Sanierung des Zubehörwohnungseigentums, immolex 2015, 6; Kothbauer Zbl 2015/8 Anmerkung zu 5 Ob 108/14i), sodass pauschale Hinweise (auf die Art des Zubehörs) ohne weitere Individualisierung nicht genügen. Diese Objekte seien in irgendeiner Form planlich oder sonst vielmehr zu spezifizieren, somit gemäß dem sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz eindeutig zu umschreiben (Stabentheiner, wobl 2015, 2 [4]). Die Notwendigkeit der planlichen Darstellung oder sonst konkreten Beschreibung sei im Gesetz derart eindeutig gelöst, dass überhaupt nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen sei und Zweifel bei der Auslegung gar nicht entstehen könnten.

2.2. Das Rekursgericht orientierte sich bei seiner rechtlichen Beurteilung am Gesetzeswortlaut des Paragraph 5, Absatz 3, WEG unter Berücksichtigung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage und gelangte zu dem unter 2.1. dargestellten, mittlerweile auch vom erkennenden (Fach)Senat vertretenen Auslegungsergebnis. Die ausführlich begründete Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wurde
– soweit ersichtlich – im Schrifttum nicht kritisiert. Es kann daher vom Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden (RISJustiz RS0103384).

2.3. Die Ausführungen im Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin sind nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Sie gesteht selbst ausdrücklich zu, die Zubehörobjekte (darunter auch der angeblich ihrem Wohnungseigentumsobjekt zugeordnete Tiefgaragenabstell-
platz) seien nicht eigens bezeichnet worden. Sie meint aber, aus der Zuweisung eines Zubehörobjekts zum Hauptobjekt allein ergebe sich bereits, dass das Zubehör dem Hauptobjekt untergeordnet sei und zu diesem gehöre. Dies impliziere, dass die Bezeichnung Zubehörobjekte der Benennung des Hauptobjekts, dem sie untergeordnet sind, zu folgen habe, sofern sich aus dem Wohnungseigentumsvertrag oder Nutzwertgutachten nicht etwas anderes ergibt. Dabei übersieht die Zweitantragstellerin, dass es nach Paragraph 5, Absatz 3, WEG nicht nur um eine Unterordnung eines Zubehörobjekts unter das Hauptobjekt geht, sondern das Gesetz die eindeutige Zuordnung zum Wohnungseigentumsobjekt aus dem Wohnungseigentumsvertrag oder der gerichtlichen Entscheidung jeweils im Zusammenhang mit der Nutzwertermittlung oder festsetzung verlangt. Gerade im Zusammenhang mit Tiefgarageneinstellplätzen kann nicht davon die Rede sein, dass sich die Zuordnung zum Hauptobjekt (etwa wie bei einem Balkon oder einer Terrasse) aus der räumlichen Lage zwingend ergäbe. Der sachenrechtliche Spezialitätsgrundsatz erfordert es aber, dass dingliche Rechte nur an eindeutig umschriebenen Objekten begründet werden können (Stabentheiner, Tausche Kellerabteil gegen Heiztherme – Wohnrechtsnovelle 2015, ÖJZ 2015, 53 [59]). Eine Behauptung, die Bezeichnung der Zubehörobjekte folge – offenbar nicht nur bei der konkreten Wohnungseigentumsanlage, sondern ganz allgemein – der Benennung des Hauptobjekts, stellte die Zweitantragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren im Übrigen gar nicht auf, sie widerspricht daher dem auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltenden Neuerungsverbot (RISJustiz RS0070485 [T2]). Hier steht dieser Behauptung überdies der bereits vom Rekursgericht zutreffend hervorgehobene Umstand entgegen, dass etwa die zwei Tiefgarageneinstellplätze, hinsichtlich derer die Erstantragstellerin die Zubehöreigenschaft behauptete, als „ehemals zu Top 17 gehörig“ (und keineswegs als „Nr 9“, da zu Top 9 gehörig) bezeichnet wurden. Eine allgemeine Übung, Kellerabteile oder Tiefgaragenabstellplätze entsprechend der Topnummer des Objekts zu bezeichnen, zu dem sie gehören, ist im Gegensatz zur Meinung der Zweitantragstellerin keineswegs als allgemeinkundig anzusehen.

2.4. Der Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin war somit mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen. Da die Antragsgegnerin nicht auf seine Unzulässigkeit hingewiesen hat, hat sie die Kosten ihrer diesbezüglichen Revisionsrekursbeantwortung ebenfalls selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035979).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2019:E119521