Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

13.07.2016

Geschäftszahl

3Ob116/16d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K*****, vertreten durch Amann – Jehle – Juen Rechtsanwälte Partnerschaft in Rankweil, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wegen Feststellung, Unterlassung und Einwilligung zur Einverleibung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 15. März 2016, GZ 2 R 45/16g-68, womit das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 3. Dezember 2015, GZ 18 C 296/13p-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen stellten fest, dass zugunsten der dem Kläger gehörenden näher bezeichneten Liegenschaft über eine näher bezeichnete Liegenschaft des Beklagten ein Geh- und Fahrrecht besteht, wobei dieses auf ein bestimmtes Grundstück als Zugang bzw zur Zufahrt auf eine bestimmte Liegenschaft beschränkt ist. Darüber hinaus verpflichteten sie den Beklagten, in die Einverleibung der genannten Dienstbarkeit einzuwilligen. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen sei bereits ab dem Jahr 1890 regelmäßig über das fragliche Grundstück zur Liegenschaft des Klägers zugefahren worden. Mangels anderer Feststellungen sei von der Redlichkeit der Ausübenden auszugehen. Das konfessorische Feststellungsbegehren sei nur gegen den Eigentümer des angeblich dienenden Grundstücks, hier also den Beklagten, zu richten. Die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestehe auch dann nicht, wenn ein Baurecht an der dienenden Liegenschaft bestehe und der Bauberechtigte nicht ebenfalls geklagt worden sei. Darüber hinaus beurteilte das Berufungsgericht mehrere vom Beklagten als überschießend gerügte Feststellungen als vom Klagevorbringen gedeckt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung des Feststellungs- und Einverleibungsbegehrens jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Eigentümer und Bauberechtigter bei einer actio confessoria eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) nach Paragraph 14, ZPO bildeten.

Die Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung des Feststellungs- und Einverleibungsbegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) liegt vor, wenn die Gemeinschaftlichkeit der Rechtstatsachen zwangsläufig
– nämlich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift – zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muss (RIS-Justiz RS0035496). Eine notwendige Streitgenosssenschaft besteht immer dort, wo auch die positive Erledigung einer Einzelklage nicht zu einem von weiteren Erfolgen unabhängigen endgültigen Erfolg führen könnte (RIS-Justiz RS0035496 [T3]), wenn sich das Urteil zwangsläufig auf alle Streitgenossen erstrecken muss und eine unterschiedliche Beurteilung für oder gegen die einzelnen Streitgenossen unmöglich ist (RIS-Justiz RS0035496 [T5, T11, T19]) und wenn abweichende Entscheidungen daher zu unlösbaren Verwicklungen führen würden (RIS-Justiz RS0035496 [T4, T6, T7, T13]). Eine einheitliche Streitpartei ist somit anzunehmen, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird, wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können, oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden kann (RIS-Justiz RS0035479).

Die Frage, ob eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, ist nach dem materiellen Recht zu entscheiden und nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0035496 [T13], RS0035479 [T14, T18], RS0035468 [T7]).

Bei dinglichen Ansprüchen folgt aus der Natur des Anspruchs, dass sie nur einheitlich festgestellt werden können (2 Ob 526/95; 7 Ob 293/04w). Zur Geltendmachung eines Anspruchs, der eine Verfügung über eine mehreren Teilhabern gehörende Sache erfordert, müssen daher alle Teilhaber gemeinsam geklagt werden (1 Ob 523/92; 2 Ob 173/10w; RIS-Justiz RS0035468). Aber nur die Personen, die in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen, bilden eine notwendige Streitgenossenschaft (1 Ob 38/93). So bilden etwa die Miteigentümer einer Liegenschaft bei Klagen auf Einräumung einer Grund- oder Hausservitut eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft (RIS-Justiz RS0012106).

Das Baurecht ist als ein in Voraussetzungen und Wirkungen besonders geregeltes dingliches Recht mit dem Eigentumsrecht an Liegenschaften oder Superädifikaten nicht vergleichbar (1 Ob 2133/96z). Die Liegenschaft und das Baurecht stellen zwei als Rechtsobjekte verschiedene unbewegliche Sachen dar. Der Grundeigentümer kann die Liegenschaft weiterhin frei veräußern, belasten und vererben, allerdings nur soweit der Baurechtsvertrag keine Einschränkungen vorsieht. Der Bauberechtigte ist auf Dauer des Baurechts Eigentümer des Bauwerks, er kann über das Baurecht frei verfügen und es auch unabhängig vom Grundstück belasten. Am Grund steht ihm nach Paragraph 6, Absatz 2, BauRG die Rechte eines Nutznießers zu. Diese Nutzungsberechtigung ist dem Fruchtgenussrecht derart ähnlich, dass im Zweifel die bestehenden Regeln zum Fruchtgenuss analog anwendbar sind (RIS-Justiz RS0125005).

Als Feststellungsklage und als Klage auf Einverleibung kann die konfessorische Klage nach herrschender Rechtsprechung nur gegen den Eigentümer des angeblich dienstbaren Grundstücks, nicht aber auch gegen Dritte, demnach auch nicht gegen andere Dienstbarkeitsberechtigte, gerichtet werden (2 Ob 1/14g mwN; RIS-Justiz RS0012094, RS0106908).

Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt, wenn es den Beklagten als Eigentümer des behauptetermaßen dienenden Grundstücks als allein passiv legitimiert ansah. Darin änderte auch die vom Beklagten vermisste Feststellung jener Bestimmung des Baurechtsvertrags nichts, welche regelt, dass der Bauberechtigte die ihm übergebene Liegenschaft nützen dürfe, wie der Baurechtsbesteller diese besessen und benützt habe oder zu besitzen und zu benützen berechtigt gewesen sei. Damit erhält der Bauberechtigte entgegen der Revisionsargumentation keine einem Eigentümer gleiche Stellung; fehlt ihm doch nach wie vor die nur dem Eigentümer zukommende Verfügungsbefugnis über das Eigentum selbst. Der Bauberechtigte ist daher nicht gleich einem Miteigentümer zu behandeln und bildet daher mit diesem auch im Prozess über die von einem Dritten behaupteten Rechte am Grundstück keine notwendige Streitgenossenschaft.

Ein allfälliger Konflikt zwischen dem im Jahr 2008 begründeten Baurecht (und den sich aus dem Baurechtsvertrag ergebenden Pflichten des Beklagten) und der vom Kläger bzw seinen Rechtsvorgängern lange davor ersessenen Servitut wäre in einem Prozess zwischen dem Beklagten und der Bauberechtigten zu klären. Unauflösbare Verwicklungen als Begründung für die Annahme einer einheitlichen Streitpartei von Grundeigentümer und Bauberechtigten sind dagegen nicht zu erkennen vergleiche zur Relativität dinglicher Ansprüche: Rechberger in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund 185 [Rz 113] mwN).

2. Das Gericht darf die bei seiner Beweisaufnahme hervorgekommenen Umstände nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Die sogenannten „überschießenden“ Feststellungen dürfen also nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS-Justiz RS0040318, RS0037972, RS0037964).

Ob „überschießende“ Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen und daher nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen sind, ist – abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz – eine nicht revisible Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0037972 [T15, T16], RS0112213 [T2], RS0040318 [T3]).

Die Beurteilung der vom Beklagten als überschießend und nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legend monierten Feststellungen als vom klägerischen Vorbringen gedeckt ist als jedenfalls vertretbar anzusehen. Daran ändert auch die Einbeziehung in erster Instanz zurückgewiesenen Vorbringens insoweit nichts, als selbst bei Ausklammerung dieses Vorbringens die eingangs des Verfahrens vom Kläger ganz allgemein aufgestellten Behauptungen einen Rahmen bilden, der die kritisierten erstgerichtlichen Feststellungen abzudecken vermag.

Da der Beklagte in seiner Revision keine erheblichen Rechtsfragen iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO aufzuzeigen vermochte, war seine Revision zurückzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht geltend machte.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00116.16D.0713.000