Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

25.06.2014

Geschäftszahl

3Ob86/14i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder J*****, und S*****, beide vertreten durch die Mutter E*****, in Unterhaltssachen vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau, Körnermarkt 1, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters Walter E*****, vertreten durch Dr. Josef Cudlin, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems als Rekursgericht vom 11. November 2013, GZ 2 R 80/13x-188, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 11. April 2013, GZ 17 PU 6/10k-180, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten haben:

„Der Antrag des Vaters vom 19. März 2013 auf Unterhaltsanpassung ab 1. Mai 2009 wird für die Monate Mai 2009 bis einschließlich Dezember 2009 abgewiesen und im Übrigen zurückgewiesen.“

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist der Vater der minderjährigen ehelichen Kinder J*****, und S*****, die sich in der Alleinobsorge der Mutter befinden. Er wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 31. Dezember 2009 verpflichtet, seinen Kindern für die Monate Dezember 2008 bis April 2009 und ab Juni 2009 je 345 EUR (an die Tochter) und je 300 EUR (an den Sohn) sowie für Mai 2009 200 EUR (an die Tochter) und 174 EUR (an den Sohn) an Unterhalt zu leisten (ON 26).

Aufgrund dieses Unterhaltsbeschlusses bewilligte das Erstgericht den Kindern am 23. März 2010 die Gehaltsexekution zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands für den Zeitraum Dezember 2008 bis März 2010 von 5.375 EUR (Tochter) und 4.674 EUR (Sohn) sowie des jeweils laufenden Unterhalts ab April 2010.

Ein vom Vater im Jahr 2011 geführtes Oppositionsverfahren endete am 22. März 2011 mit einem pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich, wonach der (anwaltlich vertretene) Vater in Abänderung des genannten Unterhaltsbeschlusses ab November 2010 den (durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen) Kindern einen monatlichen Unterhalt von je 220 EUR zu bezahlen hat (ON 89, ON 154).

Im Pflegschaftsverfahren wurde am 16. Mai 2012 in einem zwischen den Eltern abgeschlossenen Vergleich, ua in Abänderung des Unterhaltsbeschlusses vereinbart, dass der Vater für den Zeitraum von 1. Dezember 2008 bis 31. Oktober 2010 monatlich je 220 EUR an Kindesunterhalt zu bezahlen hat (ON 150).

Am 26. Juni 2012 verpflichtete sich der Vater mit vom Jugendwohlfahrtsträger protokollierter Unterhaltsvereinbarung gegenüber diesem, zum Unterhalt seiner Tochter in Abänderung des Vergleichs vom 22. März 2011 ab 1. Juli 2012 einen Unterhalt von monatlich 250 EUR zu leisten (ON 156).

Am 6. Februar 2013 brachte der (anwaltlich vertretene) Vater beim Erstgericht eine (weitere) Oppositionsklage ein; diese gründet sich darauf, dass der Unterhaltsanspruch beider Kinder, zu dessen Hereinbringung Gehaltsexekution gegen ihn bewilligt wurde, hinsichtlich der bis 31. Dezember 2012 fällig gewordenen Beträge durch Zahlung der durch die Vergleiche festgesetzten Unterhaltsbeiträge erloschen sei.

Mit seinem am 19. März 2013 beim Erstgericht eingebrachten Antrag auf „Unterhaltsanpassung“ strebt der (unvertretene) Vater die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung für beide Kinder ab Mai 2009 auf detailliert genannte Beträge an. Er begründet dies damit, dass die aliquotierte monatliche Bemessungsgrundlage (nur) für Mai 2009 1.316,10 EUR, für Juni 2009 bis Dezember 2011 je 970 EUR und für Dezember 2011 bis „Dato“ 1.000 EUR ausmache; ihn treffe eine weitere Sorgepflicht für eine namentlich genannte Frau in Form einer monatlichen Leibrente von 177 EUR (2009), 179 EUR (2010), 181 EUR (2011), 184 EUR (2012) und 186 EUR (2013); weiters erinnerte er das Gericht an seine angeborenen gesundheitlichen Einschränkungen, die diesem bereits bekannt sein müssten (ON 173).

Die Kinder, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, sprachen sich gegen den Antrag aus (ON 175).

Das Erstgericht wies den Antrag auf „Unterhaltsanpassung“ ab 1. Mai 2009 zurück, weil wegen des anhängigen Exekutionsverfahrens nur eine Oppositionsklage zulässig sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung des Herabsetzungsantrags und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Es verwies in der Sache darauf, dass die vom Vater zur Herabsetzung des Unterhalts geltend gemachten Umstände bereits bei Abschluss der Vergleiche bekannt gewesen seien, sodass nicht ersichtlich sei, dass er darüber geirrt habe. In zeitlicher Hinsicht bestehe zwar für die Monate Mai 2009 bis Dezember 2012 Deckung zwischen beiden Rechtsbehelfen; der unterschiedliche Einwendungsgegenstand (Zahlung/geringere Bemessungsgrundlage, weitere Sorgepflicht, gesundheitliche Einschränkung) rechtfertige aber eine Zurückweisung aus Überlegungen zum Streitgegenstand selbst vor dem 31. Dezember 2012 nicht. Allerdings könne nach Erhebung einer Oppositionsklage nicht zusätzlich eine auf einen neuen Rechtsgrund gestützte Feststellungsklage eingebracht werden, weil damit die Eventualmaxime umgangen würde. Daher sei angesichts des weiter anhängigen Exekutions- und Oppositionsverfahrens der Herabsetzungsantrag zurückzuweisen. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zugelassen, weil die Frage, ob (im Allgemeinen) ab Einleitung des Exekutionsverfahrens ein Wahlrecht zwischen einem (idente Zeiträume) betreffenden außerstreitigen Herabsetzungsantrag und der Oppositionsklage besteht, bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet worden sei.

Mit seinem Revisionsrekurs macht der Vater im Wesentlichen geltend, der Streitgegenstand im Oppositionsprozess und jener im Außerstreitverfahren sei ein gänzlich unterschiedlicher. Es sei auch rechtlich nicht möglich, das im Pflegschaftsverfahren gestellte Begehren zum Gegenstand des anhängigen Oppositionsprozesses zu machen, weil dem die dort geltende Eventualmaxime und die Unzulässigkeit einer Klageänderung entgegen stehe. Die unterschiedliche Zeiträume betreffenden Begehren könnten auch nicht einheitlich zum Gegenstand einer Oppositionsklage gemacht werden. Dem Begehren auf Unterhaltsherabsetzung lägen nicht ausschließlich Umstände zugrunde, die nach dem Abschluss der Unterhaltsvergleiche entstanden seien, sodass dafür die Oppositionsklage nicht zur Verfügung stehe.

Die Kinder beteiligten sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Zurückweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrags teilweise unrichtig ist.

1. Der Unterhaltsschuldner kann im Zuge einer Exekution, die zur Hereinbringung eines titulierten Unterhalts geführt wird, das gänzliche oder teilweise Erlöschen des Unterhaltsanspruchs (wegen geänderter Verhältnisse) mit Oppositionsklage geltend machen (RIS-Justiz RS0000824; RS0000960 [T5]). Im Rahmen eines derartigen Oppositionsprozesses ist der Unterhalt nach den geänderten Verhältnissen - sowohl für die Vergangenheit (RIS-Justiz RS0000870 [T1], RS0000960 [T7]) als auch für die Zukunft - neu zu bemessen (3 Ob 190/13g mwN).

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung geht weiters im Sinne der sogenannten „Kombinationstheorie“ davon aus, dass mit der Oppositionsklage alles erreicht wird, was auch mit einer negativen Feststellungsklage erreichbar ist (RIS-Justiz RS0001652 ua). Ab Exekutionsbewilligung ist daher nur mehr die Oppositionsklage zur Feststellung des Erlöschens oder der Hemmung des Anspruchs zulässig (3 Ob 190/13g mwN; RIS-Justiz RS0001715 [T8]). Wurde im Zuge eines Exekutionsverfahrens eine Oppositionsklage erhoben, so kann nicht später zusätzlich eine auf einen neuen Rechtsgrund gestützte Feststellungsklage eingebracht werden, weil damit die Eventualmaxime umgangen würde (RIS-Justiz RS0001715). Nichts anderes gilt für einen im Außerstreitverfahren eingebrachten (nachträglichen) Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts, weil ein solcher inhaltlich einer negativen Feststellungsklage entspricht (so auch Gischthaler in EF-Z 2011/121, 195 [Anm zu 4 Ob 17/11w]).

2. Obwohl sich die Gründe unterscheiden, auf die sich beide erhobenen Rechtsbehelfe stützen, und sich die davon betroffenen Zeiträume nicht zur Gänze decken (aber beide Zeiträume von der Exekutionsbewilligung erfasst sind), stand dem Vater zur Geltendmachung auch der im Herabsetzungsantrag herangezogenen Tatsachen für das teilweise Erlöschen der betriebenen Unterhaltsforderungen nur die bereits erhobene Oppositionsklage zur Verfügung; die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass er dazu bei Einbringung der Oppositionsklage (ca sechs Wochen vor seinem Antrag) noch nicht imstande gewesen wäre. Das vom Rekursgericht angesprochene Wahlrecht zwischen streitigem und außerstreitigem Rechtsweg ist deshalb bei der vorliegenden Konstellation jedenfalls zu verneinen.

3.1. Allerdings ist, wie der Revisionsrekurs auch aufzeigt, zu berücksichtigen, dass der Vater nur mit abstrakt tauglichen Oppositionsgründen auf die Oppositionsklage verwiesen werden darf. Gründe, die schon nach dem Vorbringen vor dem in Exekution gezogenen Titel eingetreten sind, bilden aber keinen tauglichen Oppositionsgrund. Solche Gründe können im außerstreitigen Verfahren geltend gemacht werden:

3.2. Die Exekutionsbewilligung betrifft den Beschluss vom 31. Dezember 2012. Nach der Aktenlage führten die vorgesehenen Einschränkungen der Exekution wegen der Vergleiche vom 22. März 2011 und 16. Mai 2012 nicht zur beschlussmäßigen Einschränkung der Exekution und damit zu einer Änderung von betriebenem Anspruch und Titel. Daher ist der Beschluss vom 31. Dezember 2012 als betriebener Titel anzusehen (und die späteren Vergleiche als ohnehin geltend gemachte Oppositionsgründe). Tatsachen davor, hier also für die Monate Mai bis Dezember 2009, stellen daher jedenfalls keine tauglichen Oppositionsgründe dar. Für diesen Zeitraum ist daher eine auf die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs gestützte Zurückweisung nicht gerechtfertigt.

3.3. In der Sache ist bei der Entscheidung über den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2009 zu bedenken, dass (auch dieser Zeitraum) durch den vor dem Pflegschaftsgericht geschlossenen Unterhaltsvergleich vom 16. Mai 2012 erledigt wurde. Daher ist zu prüfen, inwieweit im Nachhinein bereits bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs bekannte Umstände eine Unterhaltsherabsetzung rechtfertigen können. Liegt ein Vortitel in Form eines Vergleichs vor, ist eine rückwirkende Unterhaltsänderung lediglich bis zum Zeitpunkt des Vortitels zurück, nicht aber darüber hinaus - außer durch Anfechtung des Vergleichs - möglich (Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 410 Anmerkung 11; 5 Ob 241/10t).

Der Berücksichtigung der vom Vater für die Monate Mai bis Dezember 2009 geltend gemachten geänderten Verhältnisse steht daher die Bereinigungswirkung des Vergleichs entgegen, worauf auch schon das Rekursgericht zutreffend in seiner Begründung hingewiesen hat (S 8). Bei einer solchen meritorischen Behandlung durch das Rekursgericht kann der Oberste Gerichtshof in der Sache entscheiden (RIS-Justiz RS0007037 [T10]), hier im Sinne einer Abweisung für den angeführten Zeitraum vergleiche RIS-Justiz RS0037242).

4. Im Übrigen, also für die Zeit ab 1. Jänner 2010, hat es aber aus den aufgezeigten Gründen bei der Zurückweisung zu bleiben. Dem Revisionsrekurs ist dazu noch Folgendes entgegen zu halten.

4.1. Es trifft nicht zu, dass die unterschiedliche Zeiträume betreffenden Begehren nicht einheitlich zum Gegenstand einer Oppositionsklage gemacht werden könnten. Denn für den in beiden Verfahren relevierten Zeitraum hätte ein Eventualbegehren und für den Zeitraum ab Jänner 2013 ein weiteres Hauptbegehren jeweils auf teilweises Erlöschen gestellt werden können (und müssen).

4.2. Es ist auch das Argument verfehlt, der (gemeint: nachträglichen) Geltendmachung der Herabsetzungsgründe im anhängigen Oppositionsprozess stehe die Eventualmaxime und die Unzulässigkeit einer Klageänderung entgegen. Es wäre ja Sache des säumigen unterhaltspflichtigen Vaters gewesen, der Eventualmaxime bei Erhebung der Oppositionsklage durch Geltendmachung aller Einwendungen, die auf das (teilweise) Erlöschen des betriebenen Anspruchs abzielen, zu entsprechen; diesfalls wäre die angesprochene Problematik gar nicht entstanden. Gerade die Missachtung der Eventualmaxime im Oppositionsprozess rechtfertigt die nachträgliche Geltendmachung der Herabsetzungsgründe in einem anderen Verfahren nicht.

Im Übrigen sind Klageänderungen im Laufe eines Oppositionsverfahrens keineswegs unzulässig. Erst während des Verfahrens erster Instanz entstandene oder dem Kläger erst bekannt gewordene Einwendungstatsachen sind durch Klageänderung geltend zu machen (RIS-Justiz RS0113437).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00086.14I.0625.000