OGH
29.08.2013
13Os39/13d
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bitsakos als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl N***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach Paragraphen 146,, 147 Absatz 2,, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. November 2012, GZ 29 Hv 129/12i-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl N***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach Paragraphen 146,, 147 Absatz 2,, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in P***** gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch das Verschweigen des Ankaufs und der Verwendung von Futtermitteln, die nicht aus biologischer Landwirtschaft stammten, zu Handlungen verleitet, die mehrere Förderungsgeber mit einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, nämlich
(1) am 24. März 2010 Verfügungsberechtigte der A***** zur Auszahlung von rund 8.000 Euro an Fördergeldern aus der ÖPUL-Maßnahme „Biologische Wirtschaftsweise“,
(2) vom Februar 2010 bis zum Dezember 2010 Verfügungsberechtigte der T***** GmbH zur Zahlung von Biozuschlägen in der Höhe von etwa 3.500 Euro und
(3) im Jahr 2010 Verfügungsberechtigte der Ti***** eGen zur Zahlung von Biozuschlägen in der Höhe von ca 225 Euro.
Die dagegen aus Ziffer 4,, 5, 5a, 9 (richtig) Litera a und 9 (richtig) Litera b, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Entgegen der Verfahrensrüge (Ziffer 4,) wies das Erstgericht zwei - im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Fundstelle in den Akten bezeichnete (RIS-Justiz RS0124172) - Beweisanträge des Beschwerdeführers ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 19 S 9):
Der Antrag auf „Ausforschung und Einvernahme des Lkw-Fahrer namens 'Bertl' zum Beweis dafür, dass die konventionellen Futtermittel gesondert in Bigbags abgelagert, von den biologischen Futtermitteln getrennt abgeliefert und versorgt wurden, sowie zum Beweis dafür, dass die Futtermittel im Bereich der Gastwirtschaft abgelagert wurden und nicht im Bereich des landwirtschaftlichen Betriebes“ (ON 19 S 9), bezog sich schon im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen die konventionellen - also nicht biologischen - Futtermittel (entgegen den Kriterien für die Auszahlung der Förderungen) tatsächlich an die gegenständlichen Tiere verfüttert hat (US 6), nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände.
Hinzu kommt, dass durch den allfälligen Nachweis einer Abladung jener Futtermittel außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs in Bezug auf die Konstatierung, der Beschwerdeführer habe diese (ebenfalls entgegen den Förderungskriterien) nach dem Abladen innerhalb seines Betriebs gelagert (US 6), keine Aussage getroffen wäre.
Auch der - im Übrigen bloß auf den Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Bezüge an biologischen Futtermitteln basierende - Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Tierfütterung und der Tierhaltung zum Nachweis dafür, dass die „beim Angeklagten angelieferten 11 Tonnen konventionelles Futtermittel im Betrieb des Angeklagten weder benötigt noch verfütterbar gewesen seien“ (ON 19 S 9), ließ keinen Konnex zu schuld- oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen.
Die in diesem Zusammenhang unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion zu lösende Frage, ob der Beschwerdeführer die inkriminierten Futtermittel (tatsächlich) gelagert und verfüttert hat, verlangt keine besondere (dem Gericht nicht eigene) Sachkunde und ist solcherart dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich (Hinterhofer, WK-StPO Paragraph 125, Rz 7).
Im Übrigen ließen beide Beweisanträge nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielten solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 330).
Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Der Mängelrüge (Ziffer 5,) zuwider traf das Erstgericht deutliche (Ziffer 5, erster Fall) Feststellungen dazu, gegen welche Förderungskriterien der Beschwerdeführer verstoßen hat (US 3 bis 5).
Nach den Konstatierungen der Tatrichter hat der Beschwerdeführer die Förderungen (ua) unter Verletzung der Sonderrichtlinie „ÖPUL 2007“ lukriert (US 6). Aus welchem Grund die Urteilsannahme, er habe (schon) im Jahr 1998 mit dem Verband „Biokontrolle Tirol“ zwecks Anerkennung als „Bio-Bauer“ einen Zertifizierungs-Vertrag abgeschlossen (US 4), diesen Feststellungen widersprechen (Ziffer 5, dritter Fall) soll, wird nicht klar.
Gemäß den Urteilskonstatierungen verschwieg der Beschwerdeführer, dass er - entgegen den bezughabenden Förderungsbestimmungen - Futtermittel, die nicht aus biologischer Landwirtschaft stammten, lagerte und verfütterte, und erlangte er durch diese Täuschung die vom Schuldspruch umfassten Förderungen (US 6 f). Inwieweit diese Feststellungen undeutlich (Ziffer 5, erster Fall) sein sollen, bleibt unerfindlich.
Der Tatsachenrüge (Ziffer 5 a,) zuwider setzt sich das Erstgericht mit der (leugnenden) Verantwortung des Beschwerdeführers (US 7 bis 9) und der Aussage des Zeugen Hannes L***** (US 9 f) sehr wohl auseinander (insoweit der Sache nach Ziffer 5, zweiter Fall).
Die vermisste Begründung (der Sache nach Ziffer 5, vierter Fall) der Feststellungen zur Verfütterung nicht aus biologischer Landwirtschaft stammender Futtermittel findet sich auf den US 8 f.
Indem die Beschwerde aus der Aussage des Zeugen L***** und der Verantwortung des Beschwerdeführers anhand eigener Beweiswerterwägungen für diesen günstigere Schlüsse ableitet als die Tatrichter, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen deren Beweiswürdigung (Paragraph 258, Absatz 2, StPO).
Die Rechtsrüge (Ziffer 9, Litera a,) trachtet danach, aus selektiv zitierten Teilbestimmungen EU-rechtlicher Normen die Rechtmäßigkeit des Handelns des Beschwerdeführers abzuleiten und verabsäumt es solcherart, die angestrebte rechtliche Konsequenz methodisch vertretbar aus der Gesamtheit der hier in Rede stehenden Förderungsnormen abzuleiten vergleiche Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 588).
Mit Blick auf Paragraph 290, Absatz eins, zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass das Erstgericht die angesprochene Rechtsfrage zutreffend löste:
Rechtlicher Ausgangspunkt für die Gewährung der gegenständlichen Förderungen ist der am 14. September 1998 zwischen dem Verband „Biokontrolle Tirol“ und dem Beschwerdeführer geschlossene Vertrag, durch den dieser die Berechtigung erlangte, die in seinem landwirtschaftlichen Betrieb hergestellten Produkte als sogenannte Bio-Produkte zu vermarkten (ON 10 S 613 bis 619 [US 4 f]). In diesem Vertrag verpflichtete sich der Beschwerdeführer unter anderem, die Bestimmungen des österreichischen Lebensmittelkodex und der VO (EG) 2092/1991 in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten (Punkt III/1 in Verbindung mit Punkt römisch eins des Vertrags [ON 10 S 613 f; US 5]).
Der österreichische Lebensmittelkodex bestimmt in Kapitel A 8 unter Punkt 1.3, dass zur Tierernährung grundsätzlich Futter zu verwenden ist, das aus biologischer Landwirtschaft stammt. In Bezug auf allenfalls unbedingt notwendige Futterzukäufe wird auf die VO (EG) 2092/1991 verwiesen.
Diese Verordnung wurde mit Artikel 39, Absatz eins, der VO (EG) 834/2007 zum 1. Jänner 2009 aufgehoben, Verweisungen auf die aufgehobene Verordnung gelten seit diesem Zeitpunkt als solche auf die aufhebende Verordnung (Artikel 39, Absatz 2, VO [EG] 834/2007).
Nach Artikel 14, Absatz eins, Litera d, der VO (EG) 834/2007 sind die Tiere mit ökologischen/biologischen Futtermitteln zu füttern. Die dabei - in geringem Ausmaß - erlaubte Beigabe von Futtermitteln aus Produktionseinheiten, die sich in der Umstellung auf ökologischen/biologischen Landbau befinden vergleiche auch Artikel 21, Absatz eins, VO [EG] 889/2008), steht hier nicht in Rede.
Mit Blick auf die oben angeführte Einschränkung des Kapitels A 8 des österreichischen Lebensmittelkodex (Punkt 1.3) und die geänderte EU-rechtliche Normenlage erging (wie das Erstgericht aktenkonform feststellt [US 3 f]) mit Bezug auf die Futtermittelverfügbarkeit in Österreich am 21. Dezember 2007 ein - vom Verband „Biokontrolle Tirol“ seinen Vertragspartnern zur Kenntnis gebrachter (ON 4 S 53) - Erlass des (damaligen) Bundesministers für Gesundheit, Familie und Jugend, GZ BMGFJ-75340/0040-IV/B/7/2007, wonach ab 1. Jänner 2008 Pflanzenfresser zu 100 % mit Futtermitteln aus biologischer Landwirtschaft zu füttern sind (ON 2 S 81).
Die Sonderrichtlinie des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft für das österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL 2007), die spezielle Grundlage der vom Schuldspruch 1 umfassten Förderung war (US 5), verlangt als Förderungsvoraussetzungen (Punkt 2.1.3) ebenfalls unter anderem die Einhaltung der Auflagen der einschlägigen EU-rechtlichen Verordnungen und des österreichischen Lebensmittelkodex, die Anerkennung als Biobetrieb (durch einen entsprechenden Kontrollvertrag) sowie - explizit - den Verzicht auf den Kauf und die Lagerung von (im Sinn der genannten Normen) unzulässigen Betriebsmitteln (ON 7 S 37 und 41).
Das Lukrieren von Fördergeldern aus der ÖPUL-Maßnahme „Biologische Wirtschaftsweise“ und von Biozuschlägen für Produkte von Tieren, denen konventionelle (nicht biologische) Futtermittel verabreicht worden waren, war somit nach der Gesamtheit der insoweit maßgebenden Bestimmungen unzulässig.
Die weitere Rechtsrüge (Ziffer 9, Litera b,) reklamiert für den Beschwerdeführer den Schuldausschließungsgrund des Rechtsirrtums (Paragraph 9, StGB). Die Beschwerde spricht solcherart einen Feststellungsmangel an, indem sie der Sache nach Konstatierungen verlangt, die eine geeignete Basis für die Anwendung des behaupteten Ausnahmesatzes bieten. Prozessordnungskonforme Darstellung eines solchen Mangels verlangt jedoch den (konkreten) Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch die in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse (Paragraph 258, Absatz eins, StPO) indizierten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 600 f), welchem Erfordernis die Rüge nicht entspricht.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 19) selbst keineswegs in Richtung eines Rechtsirrtums verantwortete, er vielmehr die Kenntnis der hier maßgebenden Förderungs-Normen sowie den Ankauf und die Lagerung konventioneller Futtermittel zugestand und bloß abstritt, diese an die von ihm gehaltenen Tiere verfüttert zu haben (ON 19 S 2 f in Verbindung mit ON 5 S 185).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß Paragraph 285 d, Absatz eins, StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (Paragraph 285 i, StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf Paragraph 390 a, Absatz eins, StPO.