Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

13.12.2012

Geschäftszahl

1Ob148/12i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Alexander Frick, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** F*****, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung der Vaterschaft und Unterhalts, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. März 2012, GZ 1 R 245/11b-109, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 22. Juli 2011, GZ 1 C 91/99b-105, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am 24. 3. 1997 geborene Kläger begehrte mit seiner am 10. 8. 1999 bei Gericht eingebrachten Klage die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten sowie Unterhaltszahlungen ab dem Tag seiner Geburt. Er brachte im Wesentlichen vor, seine Mutter habe während der gesetzlichen Empfängniszeit (Paragraph 163, Absatz eins, ABGB) ausschließlich mit dem Beklagten sowie einem weiteren Mann, dessen Vaterschaft aber genetisch ausgeschlossen sei, geschlechtlich verkehrt, weshalb allein der Beklagte als sein Vater in Frage komme. Der Beklagte bestritt jeglichen Geschlechtsverkehr mit der Mutter. Vater des Klägers könne nur sein (eineiiger) Zwillingsbruder sein, der mit der Mutter Geschlechtsverkehr gehabt habe.

Im ersten Rechtsgang stellte das Erstgericht die Vaterschaft des Beklagten fest und verpflichtete ihn zu Unterhaltszahlungen. Es ging dabei von der Feststellung aus, es sei „innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit vom 28. 5. bis 25. 9. 1996“ zwischen dem Beklagten und der Mutter des Klägers zum (ungeschützten) Geschlechtsverkehr gekommen; dagegen habe sie mit dem Zwillingsbruder des Beklagten „in der gesetzlichen Empfängniszeit“ nicht geschlechtlich verkehrt.

Nachdem das Berufungsgericht in seinem (zweiten) Aufhebungsbeschluss darauf hingewiesen hatte, dass das Erstgericht zu Unrecht von einer gesetzlichen Empfängniszeit zwischen 300 und 180 Tagen vor der Geburt ausgegangen sei, obwohl hier noch die frühere Rechtslage anzuwenden sei, nach der die gesetzliche Empfängnisfrist schon 302 Tage vor der Geburt begonnen habe, weshalb der Zwillingsbruder des Beklagten als Vater in Betracht käme, wenn er im Zeitraum vom 26. bis zum 28. 5. 1996 mit der Mutter des Klägers geschlechtlich verkehrt haben sollte, wies das Erstgericht (anders als noch im zweiten) im dritten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung die Feststellung zugrunde, dass sowohl der Beklagte als auch dessen Zwillingsbruder innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit vom 26. 5. bis 25. 9. 1996 mit der Mutter des Klägers Geschlechtsverkehr gehabt hätten. Die „Wahrscheinlichkeit der leiblichen Vaterschaft“ zum Kläger betrage bei beiden Männern 99,9999 %. Auf beide Männer treffe daher die Vaterschaftsvermutung des Paragraph 163, Absatz eins, Satz 1 ABGB zu. Diese Vermutung könne durch die „relative Unwahrscheinlichkeit“ der Zeugung widerlegt werden, wobei vorausgesetzt werde, dass die Vermutung auf mindestens einen anderen Mann auch zutrifft und die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft der Männer zumindest gleich groß sei. Im vorliegenden Fall sei die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft für beide Männer exakt gleich hoch, womit der Beweis der „relativen Unwahrscheinlichkeit“ der Zeugung durch den Beklagten erbracht sei. Damit seien die Klage auf Feststellung der Vaterschaft sowie konsequenterweise auch das Begehren auf Unterhalt abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Hier sei die vor dem KindRÄG 2001 geltende Fassung des Paragraph 163, Absatz eins, ABGB anzuwenden. In der Lehre werde die Rechtsansicht vertreten, dass bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft eine Vaterschaftsfeststellung nicht in Betracht käme, weil das Herausgreifen gerade dieses eines Beklagten willkürlich wäre. In den Gesetzesmaterialien (zum UeKG) werde ausgeführt, es sei klarzustellen, was rechtens sei, wenn die Wahrscheinlichkeiten der Vaterschaft bei mehreren Männern gleich sind. Solche Fälle kämen in der Praxis zwar kaum vor, weil die Gesamtheit der Beweisergebnisse stets gewisse Unterschiede, meist sogar deutliche Abstufungen der Wahrscheinlichkeiten, erkennen lasse. Dennoch müsse aus rechtssystematischen Gründen und aus Gründen der Vollständigkeit des Falls gleicher Wahrscheinlichkeiten gedacht werden. In einem solchen Fall könne die Vaterschaftsvermutung durch jeden Mann, dessen Vaterschaft nicht wahrscheinlicher als die eines anderen Mannes sei, durch den vorgesehenen Gegenbeweis entkräftet werden. Diese Regelung sei eine Folgerung aus den Denkgesetzen, weil sonst bei gleichgradiger Wahrscheinlichkeit zwei oder mehrere Vermutungen nebeneinander bestehen müssten, was ein logisches Unding wäre. Hier könne es keine Vermutung mehr geben, vielmehr habe der strenge Beweis der Erzeugerschaft in seine Rechte zu treten, auch wenn er kaum je gelingen werde. Dem Kind eine Auswahl unter mehreren Männern zu geben, für deren Vaterschaft eine gleiche Wahrscheinlichkeit spreche, würde dem Gedanken der biologischen Vaterschaft geradezu ins Gesicht schlagen und reine Willkür bedeuten. Der Bericht des Justizausschusses führe dazu aus, es werde sich doch aus den sonstigen Beweismitteln ein Übergewicht der Wahrscheinlichkeit für einen von ihnen ergeben, wenn in Ausnahmefällen, so falls eineiige Zwillinge als Väter eines unehelichen Kindes in Betracht kämen, die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft zweier Männer nach dem Sachverständigengutachten ganz gleich sei. Beim gegebenen Sachverhalt lasse sich jedoch ein Übergewicht der Wahrscheinlichkeit für einen der beiden in Frage kommenden Väter nicht ableiten. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass der Bruder des Beklagten in der empfängniskritischen Zeit keinen Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Klägers gehabt habe. Andere Argumente, die ein Übergewicht der Wahrscheinlichkeit für einen von beiden möglichen Vätern ergeben würde, seien im Verfahren vor dem Erstgericht gar nicht behauptet worden. Sei nun die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten und seines Bruders exakt gleich groß, vermöge das Berufungsgericht in der Klageabweisung eine Fehlbeurteilung nicht zu erkennen. Die Revision sei zuzulassen, weil zur Frage der Vaterschaft „bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Vermutung“ keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass Paragraph 163, ABGB in der zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers (seit 1. 7. 1992) geltenden Fassung anzuwenden ist. Auch mit dem FamErbRÄG 2004 ist insoweit keine Änderung eingetreten, bestimmt doch dessen Art römisch IV Paragraph 7,, dass in gerichtlichen Abstammungsverfahren, die zum Ablauf des 31. 12. 2004 noch anhängig sind, die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind; gleiches gilt für die Wirkung der Entscheidung in diesen Verfahren. Materiell gilt wegen Art römisch IV Paragraph 4, FamErbRÄG die Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers, somit die Fassung des Paragraph 163, ABGB nach der Änderung durch Bundesgesetzblatt 275 aus 1992,, wobei schon das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang darauf hingewiesen hat, dass die damalige gesetzliche Vermutungsfrist den Zeitraum von 302 bis 180 Tagen vor der Entbindung umfasst hat.

2.1. Nach Paragraph 163, Absatz 2, zweiter Halbsatz ABGB kann jeder, auf den die Vermutung nach Absatz eins, zutrifft, diese Vermutung durch den Beweis entkräften, dass seine Vaterschaft unwahrscheinlicher als die eines anderen Mannes ist, für den eine Vermutung nach Absatz eins, gleichfalls gilt. Bereits das Berufungsgericht hat auf die Gesetzesmaterialien hingewiesen, die den entsprechenden Formulierungen im Gesetz vorausgegangen sind. So wurde ausgeführt, dass die gleiche Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft mehrerer Männer in der Praxis kaum vorkomme, weil die Gesamtheit der Beweisergebnisse stets gewisse Unterschiede, meist sogar deutliche Abstufungen der Wahrscheinlichkeiten erkennen lasse (EB RV 6 BlgNR 12. GP 14 zum UeKG BGBl 1970/342). Selbst wenn in Ausnahmefällen, so falls eineiige Zwillinge als Väter eines unehelichen Kindes in Betracht kämen, die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft zweier Männer nach den Sachverständigengutachten ganz gleich sei, werde sich doch aus den sonstigen Beweismitteln ein Übergewicht der Wahrscheinlichkeit für einen von ihnen ergeben (JAB 155 BlgNR 12. GP 2).

2.2. Diese Erwägungen haben die Vorinstanzen nicht ausreichend beachtet, wurde doch - trotz der Amtswegigkeit des Abstammungsverfahrens (Art römisch fünf Ziffer 5, UeKindG) - mit Ausnahme der Ermittlung der genetischen Vaterschaftswahrscheinlichkeit durch ein Sachverständigengutachten, die wegen der genetischen Identität von eineiigen Zwillingen notwendigerweise gleich sein musste, gar nicht versucht, (andere) Umstände festzustellen (s nur 6 Ob 244/73 = SZ 46/119), die allenfalls zu einem unterschiedlichen Grad der Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten bzw seines Zwillingsbruders geführt hätten vergleiche dazu auch BGH NJW-RR 1989, 1223). Das Erstgericht hatte im zweiten Rechtsgang festgestellt, dass der Bruder des Beklagten im Zeitraum zwischen 300 und 180 Tagen vor der Geburt nicht mit der Mutter des Klägers geschlechtlich verkehrt habe, im dritten Rechtsgang - nach dem Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichts, Feststellungen zum Zeitraum von 302 bis 300 Tagen vor der Geburt zu treffen - (ohne erkennbare entscheidende Änderung in den Beweisergebnissen) hingegen die Feststellung getroffen, dass (auch) der Zwillingsbruder des Beklagten im Zeitraum von 302 bis 180 Tagen vor der Geburt Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Klägers gehabt habe. Sollte diese Feststellung so zu verstehen sein, dass der festgestellte Geschlechtsverkehr in den ersten beiden Tagen des nach der damaligen Rechtslage geltenden „empfängniskritischen Zeitraums“ stattgefunden habe vergleiche auch das vom Erstgericht in der Tagsatzung vom 3. 3. 2011 ausdrücklich formulierte Beweisthema), wäre dessen Vaterschaft unwahrscheinlicher, wenn gleichzeitig feststünde, dass im Gegensatz dazu geschlechtlicher Kontakt mit dem Beklagten zu einem Zeitpunkt mit abstrakt höherer Empfängniswahrscheinlichkeit stattgefunden hat. Abhängig vom Reifegrad des Kindes bei der Geburt lässt sich in der Regel nach medizinischen und statistischen Erfahrungswerten feststellen, in welchem Monatszyklus es mit großer Wahrscheinlichkeit zur Empfängnis gekommen ist. So ließe sich auch bei genetisch identischen Männern (eineiigen Zwillingen) unter Umständen eine unterschiedliche Vaterschaftswahrscheinlichkeit feststellen, etwa bei ausschließlichem Geschlechtsverkehr mit einem von ihnen an einem der Zeit, in der der Kläger gezeugt wurde (der BGH, aaO, spricht in diesem Zusammenhang von der „biologischen Empfängniszeit“ im Gegensatz zur „gesetzlichen“), deutlich näher liegenden Tag als mit dem anderen.

2.3. Die Urteile der Vorinstanzen lassen nun aber nicht erkennen, dass versucht worden wäre, die Zeitpunkte der geschlechtlichen Kontakte der beiden Männer mit der Mutter sowie die „biologische Empfängniszeit“ des Klägers näher zu bestimmen, was aber nach dem Vorgesagten grundsätzlich erforderlich gewesen wäre, um alle Möglichkeiten der Ermittlung einer unterschiedlichen Wahrscheinlichkeit auszuschöpfen. Der Erwägung des Berufungsgerichts in diesem Zusammenhang, im erstinstanzlichen Verfahren seien keine anderen Argumente behauptet worden, die ein Übergewicht der Wahrscheinlichkeit für einen von beiden möglichen Vätern ergeben würden, ist entgegenzuhalten, dass die Ermittlung möglichst exakter Tatsachengrundlagen angesichts der Amtswegigkeit des Abstammungsverfahrens nicht den Prozessparteien überlassen werden darf. Darüber hinaus waren konkretere Behauptungen zu den Zeitpunkten des Geschlechtsverkehrs von den Parteien nur mit Einschränkungen zu erwarten, vertrat doch der Kläger den Standpunkt, seine Mutter habe mit dem Bruder des Beklagten niemals Geschlechtsverkehr gehabt, wogegen der Beklagte eigene geschlechtliche Kontakte mit der Mutter abstritt. Von einer Prozesspartei kann nicht mit Recht verlangt werden, bestimmte Zeitpunkte anzugeben, zu denen eine von ihr bestrittene Tatsache allenfalls doch eingetreten sein könnte.

2.4. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren daher vorerst - zweckmäßigerweise durch ergänzende Vernehmungen - den Versuch zu unternehmen haben, seine Feststellung, beide Männer hätten mit der Mutter im Zeitraum von 302 bis 108 Tagen vor der Geburt des Klägers geschlechtlich verkehrt, zeitlich näher einzugrenzen (und, soweit von Bedeutung, die tatsächliche Zeugungszeit zu ermitteln).

3.1. Falls sich neuerlich ergibt, dass beide Männer der Mutter in diesem Zeitraum beigewohnt haben, nicht aber eine höhere Vaterschaftswahrscheinlichkeit eines von beiden, wird sich letztlich die Rechtsfrage stellen, ob die Vaterschaftsvermutung nach Paragraph 163, Absatz eins, ABGB auch durch den Nachweis gleicher Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft eines anderen Mannes beseitigt werden kann. Erweist sich hingegen aufgrund der Verfahrensergänzung die Vaterschaft des Beklagten als wahrscheinlicher, wird dem Feststellungsbegehren und auch dem Unterhaltsbegehren (in dem sich nach Paragraph 140, ABGB ergebenden Umfang) stattzugeben sein. Gleiches gilt selbstverständlich auch, wenn die Tatsacheninstanzen - wie das Erstgericht im zweiten Rechtsgang - zur Feststellung gelangen sollten, der Zwillingsbruder des Beklagten habe mit der Mutter des Klägers (im maßgeblichen Zeitraum) gar nicht geschlechtlich verkehrt.

3.2. Für den Fall einer - wie schon dargelegt auch nach Ergänzung des Verfahrens denkbaren - gleichen Vaterschaftswahrscheinlichkeit haben sich die Vorinstanzen jenen Stimmen aus der Literatur angeschlossen, die eine Entkräftung der Vermutung mit der Begründung bejahen, dass das Herausgreifen eines der beiden Männer willkürlich wäre (so etwa H. Pichler in Rummel² Paragraph 163, ABGB Rz 4, ihm folgend Stabentheiner in Rummel³ aaO; im Ergebnis auch LGZ Wien EFSlg 56.740). Dem hält der Revisionswerber im Wesentlichen den unmissverständlichen Wortlaut des Paragraph 163, Absatz 2, zweiter Halbsatz ABGB (in der 1997 geltenden Fassung) entgegen, der für die Entkräftung der Vaterschaftsvermutung den Beweis verlangte, dass die Vaterschaft des betreffenden Mannes „unwahrscheinlicher“ als die eines anderen ist, für den die Vermutung nach Absatz eins, gleichfalls gilt. Weiters verweist er auf entsprechende Stellungnahmen in der Lehre, die den Beweis gleicher Wahrscheinlichkeit zur Entkräftung der Vermutung nicht ausreichen lassen (Zemen, FamRZ 1973, 358; Faistenberger/Gschnitzer, Familienrecht² 130; W. Kralik, JBl 1965, 299).

3.3. Der erkennende Senat sieht entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten und der Vorinstanzen, die auf eine analoge Anwendung des Paragraph 163, Absatz 2, zweiter Halbsatz ABGB hinausläuft, in der anzuwendenden Fassung dieser Norm keine Gesetzeslücke im Fall gleicher Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft mehrerer Männer. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wäre eine „planwidrige Unvollständigkeit“ des Gesetzes Voraussetzung für einen Analogieschluss (RIS-Justiz RS0098756), es müsste also gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig sein, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspräche (RIS-Justiz RS0008866). Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet hat (F. Bydlinski in Rummel³ Paragraph 7, Rz 2). Es wird auch formuliert, eine Gesetzeslücke liege vor, wenn die aus der konkreten gesetzlichen Regelung hervorleuchtenden Zwecke und Werte die Annahme nahelegen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS-Justiz RS0008866 [T9]). Das ist hier nicht der Fall.

3.4. Aus dem Wortlaut von Paragraph 163, Absatz 2, zweiter Halbsatz ABGB (in der 1997 geltenden Fassung) folgt eindeutig, dass dem mit einer Vaterschaftsklage in Anspruch genommenen Mann der ihm obliegende Beweis, die Vaterschaft eines anderen sei wahrscheinlicher, misslungen ist, wenn er nur die gleiche Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft eines anderen nachweisen kann. Erst der Nachweis einer wenn auch noch so geringfügig höheren Wahrscheinlichkeit bewirkt demnach die Entkräftung der gesetzlichen Vermutung.

3.5. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der in Rede stehenden Norm im Fall der gleich großen Wahrscheinlichkeit, den er keineswegs übersehen hat, die Entkräftung der Vaterschaftsvermutung des (einzigen) Beklagten im Vaterschaftsprozess anordnen hätte wollen. Abgesehen davon, dass das leicht durch eine andere Formulierung (zB wie seinerzeit nach der RV mit den Worten „unwahrscheinlicher oder doch nicht wahrscheinlicher“) klar ausgedrückt werden hätte können, ergibt sich aus dem Bericht des Justizausschusses, der aus dem Gesetzestext nach der Regierungsvorlage die Wortgruppe „oder doch nicht wahrscheinlicher“ strich, nichts dergleichen. Wie dargestellt, kann dem Ausschussbericht nur entnommen werden, dass man die von der Bundesregierung noch vorgeschlagene, eben zitierte Regelung für „überflüssig“ hielt, weil sich ohnehin beim damaligen Stand der Wissenschaft aus den Sachverständigengutachten oder anderen Umständen ein „Übergewicht der Wahrscheinlichkeit für einen“ ergeben werde. Im einleitenden Satz zu Paragraph 163, ABGB wurden Bedenken gegen die von der Regierung „vorgeschlagene Erleichterung des Gegenbeweises“ (die Lehre spricht hier allerdings vom Beweis des Gegenteils: Rechberger in Rechberger, ZPO³ Paragraph 270, Rz 2; ebenso jetzt auch Paragraph 924, zweiter Satz ABGB in der Fassung des GewRÄG) geäußert. Insgesamt sprechen schon diese Erwägungen dafür, dass der Gesetzgeber wie der Justizausschuss des Nationalrats, dessen Vorschlag dann Gesetz wurde, genau die Regelung auch wollte, die er traf.

3.6. Dem kann man nicht mit Erfolg die (klar gegenteiligen) Ausführungen in der Regierungsvorlage (6 BlgNR 12. GP 14) entgegenhalten, die sich eben auf die vom Parlament gerade abgelehnte (weitergehende) Erleichterung des Beweises des Gegenteils bezogen hatten. Auch dass nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (aaO 12 und 14) ein „Grundsatz der biologischen Vaterschaft“ gelten soll, reicht nicht für die Annahme aus, dass nach dem klaren Willen des Gesetzgebers bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft zu Lasten des Kindes der Wortlaut des Gesetzes reduziert werden müsste. Schließlich stellt sich letztlich ja bei zwei als Väter in Betracht kommenden Männern nur die Frage, ob eine Vaterschaftsklage erst bei einer Wahrscheinlichkeit für den Beklagten von 49,9 periodisch % (und darunter) oder schon bei genau 50 % abzuweisen ist. Auch in der ersten Variante kann schwerlich gesagt werden, der zweite Mann, der folgerichtig dann bei seiner minimal überwiegenden Vaterschaftswahrscheinlichkeit als Vater festgestellt werden müsste, entspräche dem Ideal eines „biologischen Vaters“.

3.7. Dass es das Kind bei gleicher Vaterschaftswahrscheinlichkeit im Ergebnis in der Hand hat(te), sich durch Klage gegen einen der Männer seinen Vater „auszusuchen“, ist zwar nicht als ein Vorzug der gesetzlichen Regelung anzusehen, wurde aber vom Gesetzgeber in Kauf genommen. Überdies kann sich (jedenfalls nach Paragraph 163, ABGB aF) ein solches „willkürliches“ Herausgreifen eines Vaters (wie die angeführten Autoren es nannten; in den EB zur RV aaO 14 ist von „reiner Willkür“ die Rede) auch sonst in unterschiedlichen Sachverhalts- und Verfahrenskonstellationen ergeben. De facto wählt zB das Kind auch dann einen Vater aus, wenn die Mutter nur einen von mehreren Konkubenten angibt und dieser, weil er vom Mehrverkehr nichts weiß und sich folglich für den Vater hält, die Vaterschaft anerkennt. Außerdem entspricht die Regelung dem Grundsatz, dem Kind jedenfalls in jenen Fällen einen (unterhaltspflichtigen) Vater zu geben, in denen die durch die Beiwohnung im empfängniskritischen Zeitraum ausgelöste Vaterschaftsvermutung begründet wurde und nicht ausreichend erschüttert werden kann vergleiche bereits Zeiller, ABGB 362 ff).

3.8. Zum selben Ergebnis wie der erkennende Senat gelangte im Übrigen nicht nur der Oberste Gerichtshof in der schon vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung 6 Ob 244/73 (allerdings ohne Erörterung der Frage einer Lücke in einem Fall zweier Männer mit nach den Blutmerkmalen nahezu gleich hoher Vaterschaftswahrscheinlichkeit) in Übereinstimmung mit den vom Kläger genannten Autoren und der (bei Stabentheiner aaO zitierten) ganz überwiegenden älteren Lehre, sondern (wohl) auch Rechberger (aaO Vor Paragraph 266, Rz 6).

4. Demnach ist Paragraph 163, Absatz 2, zweiter Satz ABGB in der Fassung Bundesgesetzblatt 275 aus 1992, nicht analog auf den Fall anzuwenden, dass bei gleicher Vaterschaftswahrscheinlichkeit eines anderen Mannes die gegen ihn sprechende Vermutung entkräftet und daher die Vaterschaftsklage abzuweisen wäre. 

5. Falls auch nach Verfahrensergänzung festgestellt wird, dass im gesetzlichen Vermutungszeitraum sowohl der Beklagte als auch dessen Zwillingsbruder mit der Mutter des Klägers geschlechtlich verkehrt haben, aber keine konkreten Umstände feststellbar sein sollten, die die Vaterschaft des Beklagten unwahrscheinlicher machen würden als die seines Bruders, ist der Klage auf Feststellung der Vaterschaft stattzugeben, womit sich auch das Unterhaltsbegehren dem Grunde nach als berechtigt erwiese.

Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.