Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

24.11.2011

Geschäftszahl

1Ob183/11k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wolfgang R***** und 2. Martina R*****, beide vertreten durch Dr. Peter-Leo Kirste, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 29.203,14 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. April 2011, GZ 4 R 25/11s-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. Dezember 2010, GZ 12 Cg 59/10i-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Die Revision ist entgegen dem nach Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

2. Die Kläger sind seit 1996 Eigentümer einer Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Wohnhaus. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beklagten Partei vom 9. 11. 1982 wurde den Voreigentümern der Kläger die Genehmigung der Unterschreitung des Mindestabstands des zu errichtenden Wohnhauses zur nordöstlichen Bauplatzgrenze auf 2,6 m anstatt 4 m erteilt. Mit Bescheid vom 15. 3. 1988 wurde festgestellt, dass die Bauwerke auf der Liegenschaft den konsensgemäßen Zustand darstellen. Nachdem die Nachbarn der Kläger die Baubehörde Ende September 1997 darauf hingewiesen hatten, dass der genehmigte Mindestabstand von 2,6 m weiter unterschritten worden sei, stellten die Kläger Ende 1997 ein Ansuchen um Ausnahmegenehmigung gemäß Paragraph 25, Absatz 8, Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (kurz: Sbg BGG) von den Bestimmungen des Paragraph 25, Absatz 3, Sbg BGG zur Unterschreitung des Nachbarabstands zur nördlichen Bauplatzgrenze. Dies wurde ihnen mit (erstinstanzlichem) Bescheid vom 7. 12. 1999 bewilligt. Aufgrund dieses Bescheids durfte der Nachbarabstand, so wie in der Natur tatsächlich gegeben, auf 2,21 m an der engsten Stelle unterschritten werden. Grundlage für diesen Bescheid war unter anderem eine von den Klägern in Auftrag gegebene Neuvermessung durch einen Geometer im Jahr 1997, durch welche die zusätzliche Abstandsunterschreitung im Ausmaß von maximal 0,39 m an der engsten Stelle festgestellt wurde. Für die Neuvermessung stellte der Geometer den Klägern (am 5. 3. 1998) eine Rechnung. Die Kläger wussten von der tatsächlichen Unterschreitung des Abstands jedenfalls seit dem Jahr 1997 bzw 1998. Die Kläger hatten (im Verwaltungsverfahren) Kosten für Vermessungsarbeiten sowie für ihre anwaltliche Vertretung und Gebühren zu tragen. Zuletzt fielen Kosten aufgrund der Honorarnote ihres damaligen Rechtsvertreters vom 30. 4. 2003 an.

3. Die Kläger begehren mit der am 16. 4. 2010 eingebrachten Klage Schadenersatz nach dem AHG, weil die Bescheide vom 9. 11. 1982 und vom 15. 3. 1988 infolge der erkennbaren widerrechtlichen Abstandsunterschreitung rechtswidrig seien. Ihnen seien dadurch im Verfahren auf nachträgliche Genehmigung der Unterschreitung Kosten für notwendige Vermessungsarbeiten, Gebühren, Vertretungskosten etc erwachsen. Diese Aufwendungen seien erst festgestanden, nachdem ihnen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs Zl 2003/06/0077 am 19. 4. 2007 zugestellt worden sei, sodass die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe.

Die Beklagte wandte insbesondere Verjährung ein. Spätestens seit der Neuvermessung im Jahr 1998 hätten die Kläger Kenntnis von Schädiger und Schaden gehabt. Die bereits eingetretenen und aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden bildeten verjährungsrechtlich eine Einheit. Sämtliche Ansprüche seien aufgrund der Verjährungsfrist von drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden bekannt geworden sei, bzw zehn Jahre nach Entstehen des Schadens gemäß Paragraph 6, Absatz eins, AHG verjährt.

4. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Begründend führte das Berufungsgericht aus, die Kläger hätten durch die im Jahr 1997 erfolgte Vermessung des Geometers gewusst, dass die mit dem Bescheid aus dem Jahr 1988 genehmigte Ausführung des Wohnhausbaus nicht dem Bescheid aus 1982 entsprochen habe und das Wohnhaus somit konsenslos errichtet worden sei. 1997 hätten die Kläger Kenntnis von Schaden und Schädiger gehabt. Dass ihnen damals der Gesamtschaden noch nicht bekannt gewesen sei, ändere nichts am Beginn des Laufs der Verjährungsfrist. Der erste Teilschaden sei bereits im Jahr 1997 bzw durch die Rechnungslegung des Geometers am 5. 3. 1998 eingetreten. Mit der Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs sei für die Kläger lediglich der Schaden der Höhe nach endgültig festgestanden, nicht aber, ob ihnen überhaupt ein Schaden entstanden sei. Die (subjektive) Ungewissheit, ob die Behörde den Angaben der Kläger, beim Ankauf des Hauses nichts vom konsenslosen Zustand gewusst zu haben, Glauben schenken werde, könne den Beginn der Verjährung nicht hinausschieben, weil es auf die Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger ankomme. Damit sei nicht nur die dreijährige Verjährungsfrist, sondern auch die absolute Verjährungsfrist des Paragraph 6, Absatz eins, AHG abgelaufen.

5. Die Kläger begehren ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Ende 1997 eingeleiteten und rechtskonform geführten Verfahren auf nachträgliche Genehmigung der Abstandsunterschreitung. Schadensauslösender Grund seien die rechtswidrig erlassenen Bescheide vom 15. 3. 1988 und vom 9. 11. 1982.

Rechtliche Beurteilung

Beim Antrag der Kläger auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß Paragraph 25, Absatz 8, Sbg BGG handelt es sich um kein Rechtsmittel nach Paragraph 2, Absatz 2, AHG vergleiche 1 Ob 38/90 = SZ 64/126; Mader in Schwimann, ABGB³ römisch VII, Paragraph 2, AHG Rz 9), womit die Kläger auch nicht argumentieren.

Nach der Sonderregelung des Paragraph 6, Absatz eins, AHG verjähren Ersatzansprüche nach Paragraph eins, AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Für den Beginn des Fristenlaufs stellen die Verjährungsbestimmungen des AHG nicht auf das schädigende Ereignis und die Kenntnis des Schädigers, sondern auf die Entstehung (= Wirksamkeit) des Schadens und bei der dreijährigen Verjährungsfrist auf dessen Kenntnis ab. Die in Paragraph 6, Absatz eins, AHG vorgesehene dreijährige Verjährung beginnt zwar nicht vor dem tatsächlichen Schadenseintritt zu laufen, mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber auch schon dann in Lauf gesetzt, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann oder ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Entwickeln sich nun aus einer einzigen schädigenden Verhaltensweise fortlaufend gleichartige schädliche Folgen, die im überschaubaren Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, so handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, der schon durch die erste schädliche Auswirkung entstand. In solchen Fällen sind die Wirkungen des schädigenden Ereignisses bekannt, auch wenn erst ein Teil von ihnen eingetreten ist; die Verjährungsfrist beginnt daher ab Kenntnis der ersten schädigenden Auswirkung zu laufen. Die schon eingetretenen und aus demselben Schadensereignis voraussehbaren zukünftigen Schäden (Teil[-folge-]schäden) bilden verjährungsrechtlich eine Einheit. Sie lösen verjährungsrechtlich keinen gesonderten Fristenlauf aus. Der drohenden Verjährung des Feststellungsanspruchs für solche Folgeschäden ist wie nach Paragraph 1489, erster Satz ABGB mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (1 Ob 155/97v = SZ 71/5 mwN).

Die Kläger waren seit dem Jahr 1997/1998 in Kenntnis der zusätzlichen Abstandsunterschreitung zum Nachbargrundstück. Ihr „Erst- oder Primärschaden“ trat jedenfalls durch die Begleichung der im März 1998 vom beauftragten Geometer gelegten Gebührennote ein. Bei den weiteren im Verfahren gemäß Paragraph 25, Absatz 8, Sbg BGG erwachsenen Aufwendungen, die die Kläger gleichfalls im vorliegenden Verfahren begehren, handelt es sich um aus diesem Verfahren vorhersehbare Folgeschäden, deren drohender Verjährung mit einer Feststellungsklage begegnet werden hätte müssen.

Zwar kann im Regelfall von einer Kenntnis des Schadens erst nach Abschluss eines behördlichen Verfahrens ausgegangen werden, sofern nämlich erst mit dessen Ergebnis feststeht, ob dem Geschädigten überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dies gilt aber nur dann, wenn bis zum Vorliegen des endgültigen Verfahrensergebnisses Ungewissheit über die Entstehung eines Schadens besteht. Ausreichende Kenntnis vom Schaden kann allerdings im Einzelfall auch gegeben sein, wenn - wie hier - bereits vorher „gesicherte Verfahrensergebnisse“ vorliegen oder der Geschädigte erdrückende Beweise ignoriert (1 Ob 221/05i mwN).

Für die Kläger bestand keine Ungewissheit darüber, ob ihnen überhaupt ein Schaden entstanden ist. Durch ihren Antrag von Ende 1997 auf Erteilung der Ausnahmebewilligung gemäß Paragraph 25, Absatz 8, Sbg BGG und die im März 1998 erwachsenen Kosten für den Geometer waren sie in Kenntnis des „Primärschadens“, der den Lauf der Verjährungsfrist auslöste vergleiche 3 Ob 70/03w = SZ 2003/154). Im gegenständlichen Fall stand der Schaden der Kläger nicht erst durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs fest, sondern sie hatten bereits im Jahr 1998 - zu Beginn des behördlichen Verfahrens - ausreichende Kenntnis vom Schaden (ihren Verfahrenskosten). Zutreffend gingen die Vorinstanzen daher davon aus, dass nicht nur die dreijährige, sondern auch die zehnjährige Verjährungsfrist des Paragraph 6, Absatz eins, AHG vor Klagseinbringung im April 2010 abgelaufen war.

6. Der Beklagten wurde der Freistellungsbeschluss des Berufungsgerichts am 28. 6. 2011 zugestellt. Sie brachte (im ERV) ihre Revisionsbeantwortung am 24. 8. 2011 entgegen Paragraph 507 a, Absatz 3, Ziffer eins, ZPO beim Erstgericht ein. Die Rechtsmittelgegenschrift langte erst am 2. 9. 2011, also nach Ablauf der vierwöchigen Frist des Paragraph 507 a, Absatz eins, ZPO unter Berücksichtigung der Hemmung nach Paragraph 222, Absatz eins, ZPO beim Berufungsgericht ein. Die Zeit der Übersendung ist aufgrund der Einbringung beim unzuständigen Gericht einzurechnen (RIS-Justiz RS0041584 [T3]), weshalb die Revisionsbeantwortung als verspätet zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0043688 [T1]).