Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

28.09.2011

Geschäftszahl

7Ob150/11a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** B*****, vertreten durch Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Ö***** Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, *****, vertreten durch Dr. Eva Krassnigg, Rechtsanwältin in Wien, wegen 36.000 EUR (sA), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Juni 2011, GZ 3 R 71/10y-53, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht mit der Begründung bestätigt, der Bandscheibenvorfall des Klägers sei maßgeblich auf die pathologisch abgenützte Lendenwirbelsäule zurückzuführen gewesen. Es sei somit eine Krankheitserscheinung, die bereits vor dem Unfall bestanden habe, verschlimmert worden, sodass nach Punkt 18.5. der dem Versicherungsvertrag der Streitteile zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1999) die Versicherungsdeckung - so wie in dem vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 135/09t entschiedenen Fall - ausgeschlossen sei.

Der Revisionswerber wendet gegen den Ausspruch des Berufungsgerichts, die ordentliche Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig, vor allem ein, die Interpretation des Begriffs „Krankheitserscheinung“ in der genannten Klausel durch das Berufungsgericht widerspreche höchstgerichtlicher Judikatur. Dies ist unrichtig:

Wie der Oberste Gerichtshof in der erwähnten Entscheidung ausgeführt hat, versteht ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer (RIS-Justiz RS0008901; RS0050063) unter dem Begriff Krankheitserscheinungen zwanglos jedenfalls (auch) degenerative Veränderungen der Bandscheiben, die - wie auch hier - über das normale altersbedingte Ausmaß hinausgehen. Es besteht dadurch ein von der Norm abweichender Zustand, der grundsätzlich Beschwerden verursacht und damit im Alltag als krankhaft bezeichnet wird. Ob der Einzelne die degenerativen Veränderungen auch tatsächlich schmerzhaft wahrnimmt und für behandlungsbedürftig hält, ist dabei nicht von Bedeutung (RIS-Justiz RS0125367). Der vorliegende Fall ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers mit dem zu 7 Ob 135/09t EvBl 2010/40, 276 = Ertl ecolex 2010, 924 (Rechtsprechungsübersicht) entschiedenen nicht nur betreffend die Bedingungslage, sondern auch hinsichtlich des zu beurteilenden Sachverhalts ganz vergleichbar. Auch dort war dem den Versicherer wegen eines Bandscheibenvorfalls aus einer Unfallversicherung in Anspruch nehmenden Versicherungsnehmer eine degenerative Veränderung an den Bandscheiben vor dem Unfallereignis unbekannt; gelegentliche „banale Kreuzschmerzen“ veranlassten ihn nicht, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Hier wie dort wurde die degenerative Veränderung also nicht wahrgenommen und die Behandlungsbedürftigkeit nicht erkannt. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht der genannten Entscheidung gefolgt. Keine Rede kann demnach davon sein, dass es bei der Interpretation des Begriffs Krankheitserscheinungen von oberstgerichtlicher Judikatur abgewichen wäre.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt weiters darin, dass das Berufungsgericht auf die erstmals in der Berufung aufgeworfene Frage der Inhaltskontrolle der Bandscheibenvorfälle betreffenden Klausel der AUVB 1999 unter Hinweis auf das Neuerungsverbot (Paragraph 482, Absatz eins, ZPO) nicht weiter eingegangen ist, keine relevante Mangelhaftigkeit. Richtig ist zwar, dass dann, wenn eine Prozesspartei ihren Prozessstandpunkt auf eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen stützt, die bereits nach den Tatumständen, die nach dem Verfahrensstand keines weiteren Parteivorbringens und keines Beweises bedürfen, bedenklich erscheint, das Gericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung auch ohne ausdrücklich darauf gerichtete Einwendung die Gültigkeit der betreffenden Vertragsbestimmung nach Paragraph 864 a, ABGB zu prüfen hat (RIS-Justiz RS0014662). Bedenkliche Tatumstände in diesem Sinn sind im vorliegenden Fall aber nicht zu erkennen. Andernfalls wären ja schon im Verfahren 7 Ob 135/09t vom Obersten Gerichtshof diesbezüglich Bedenken zu äußern gewesen.

Eine Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erforderte, vermag der Revisionswerber auch sonst nicht aufzuzeigen. Sein demnach unzulässiges außerordentliches Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).