Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

08.04.2010

Geschäftszahl

13Os24/10v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Yulian F***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 2, Abs 4 erster Fall und Abs 5 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 28. Oktober 2009, GZ 12 Hv 61/09p-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Yulian F***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 2, Abs 4 erster Fall und Abs 5 erster Fall FPG in der Fassung vor BGBl I 2009/122 schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit vom Juli 2007 bis zum 6. März 2008 gewerbsmäßig und als (führendes) Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise von mindestens 36 Fremden aus der Ukraine in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, vornehmlich Italien, sowie die zu diesem Zweck erfolgte Durchreise durch Ungarn und Österreich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gefördert, indem er mehrere Personen mit insgesamt zumindest sieben Schlepperfahrten beauftragte, sie dafür bezahlte, die Fahrten organisierte und zur Durchführung der Schleppungen wiederholt einen auf ihn zugelassenen Pkw zur Verfügung stellte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen undifferenziert aus Z 5, 5a und (nominell verfehlt) 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Indem die Rüge den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z 4 und Z 5 StPO) als undeutlich, unvollständig, mit sich selbst im Widerspruch und offenbar unzureichend begründet bezeichnet, orientiert sie sich nicht an den Kriterien der solcherart angesprochenen Nichtigkeitsgründe:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn - nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 13 Abs 3 zweiter Satz, § 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419, 421, 437 f, 444).

Demgegenüber beschränkt sich die Beschwerde darauf, die eingehende, mängelfreie Beweiswürdigung des Erstgerichts (US 8 bis 16) dadurch anzugreifen, dass sie aus den Ergebnissen der umfangreichen Telefonüberwachung sowie dem Aussageverhalten des Belastungszeugen Anton R***** anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet und unsubstantiiert eine Druckausübung von ermittelnden Polizeibeamten auf Zeugen behauptet, womit sie sich einer meritorischen Erledigung entzieht.

Das Wesen der Tatsachenrüge (Z 5a) besteht darin, aus den Ergebnissen des Erkenntnisverfahrens - durch exakten Hinweis auf konkrete Aktenstellen (13 Os 183/08y) - erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen abzuleiten. Mit der urteilsfremden Interpretation des Aussageverhaltens des Zeugen R***** und der aus einer Aussagepassage im Zusammenhalt mit spekulativen Überlegungen hergeleiteten Hypothese, Zeugen seien anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung unter Druck gesetzt worden, gelingt dies der Beschwerde nicht.

Mit dem Vorbringen, die Tathandlungen seien (nicht den Qualifikationsnormen des § 114 Abs 4 erster Fall und Abs 5 erster Fall FPG, sondern nur) der Bestimmung des § 114 Abs 2 FPG zu unterstellen (der Sache nach Z 10), entfernt sich die Rüge von den Urteilsfeststellungen, wonach der Beschwerdeführer in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Schleppungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 7 f), und er überdies als - führendes - Mitglied einer entsprechend ausgerichteten kriminellen Organisation agierte (US 3, 8), und verfehlt solcherart den in den Konstatierungen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO - ebenso wie die angemeldete, im kollegialgerichtlichen Verfahren aber nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.