Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

21.01.2009

Geschäftszahl

15Os175/08m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. Andreas M***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen Paragraph 7, MedienG, AZ 092 Hv 83/07k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 18. Februar 2008, AZ 18 Bs 10/08i, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Antragstellervertreters Dr. Müller und des Antragsgegnerinnenvertreters Dr. Ebert zu Recht erkannt:

Spruch

Im Medienrechtsverfahren des Antragstellers Dr. Andreas M***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen Paragraph 7, MedienG, AZ 092 Hv 83/07k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Februar 2008, AZ 18 Bs 10/08i, Paragraph 7, Absatz eins und Absatz 2, Ziffer 2, MedienG.

Text

Gründe:

Der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. Andreas M***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG als Medieninhaberin wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (Paragraph 7, MedienG), AZ 92 Hv 83/07k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, lagen in der periodischen Druckschrift „Kronen Zeitung" am 12., 13., 14. und 20. Februar 2007 veröffentlichte Artikel zu Grunde, die sich auf das Schicksal von Elisabeth, Katharina und Viktoria M***** bezogen. Diese Kinder hatten nach der Scheidung der Eltern im Haushalt der Mutter gelebt, die nunmehr im Verdacht stand, sie gröblich vernachlässigt und von der Außenwelt isoliert zu haben.

Der Vater der Kinder, Dr. Andreas M*****, begehrte Entschädigungen nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG, wobei er seinen Anspruch insbesondere auf folgende Textstellen stützte:

1./ Ausgabe vom 12. Februar 2007: Die Jüngste hat ihn - den Weg zurück ins Leben - gemeistert: Sie darf zum Vater, einem Richter. „Er hat immer um seine Kinder gekämpft" weiß ihre Therapeutin: „Trotz 60 Eingaben bei Gericht aber vergeblich"… „Er hat alles Menschenmögliche getan, ist jedoch am Jugendamt gescheitert" … sowie die Veröffentlichung eines Lichtbildes, das die Kinder im Kleinkindalter zeigt, und mit dem Text Als die Mädchen noch beim Vater waren, war ihre Welt in Ordnung versehen ist;

2./ Ausgabe vom 13. Februar 2007: Zwei Richterinnen haben nur die Aussagen der depressiven Mutter und des positiven Gutachtens beurteilt, was der Vater als Richter offenbar akzeptiert habe … „Er hat … nur neun Mal ein Besuchsrecht für seine Jüngste beantragt, die ihm weniger böse war als ihre älteren Schwestern";

3./ Ausgabe vom 14. Februar 2007: Gegen einen wird es keine Erhebungen geben, den Vater! Er muss sich selbst die Frage beantworten: Warum habe ich so lange zugesehen? Warum habe ich nicht genug unternommen? ... Einer schweigt - der Vater der Mädchen, Richter beim Linzer Oberlandesgericht. Je deutlicher wird, wie lange die drei Mädchen unter furchtbaren Bedingungen leben mussten, umso mehr stellt sich die Frage: Der Vater ist Richter. Gerade bei ihm, gerade in einer solchen Position muss doch mehr drinnen sein als zu warten, hoffen - und letztlich zu versagen ...? Es scheint Tatsache, dass er den ersten Obsorgeantrag erst 2005 gestellt hat. Davor:

Zugegeben, zahllose Eingaben bei Gericht und eine schier unglaubliche Naivität …. Und dem Vater, er soll ein netter und besonnener Mann sein, dem habe die Mutter immer glaubhaft versichert, dass die Kinder nicht da seien oder krank seien. Aha. Kind krank, das ist Weiberkram. Da geht der Vater wieder, weil kranke Kinder sind keine Männersache… sowie den Abdruck eines Fotos, das - unter Abdeckung der Gesichter - ihn und seine Kinder in der Wohnung der Großmutter zeigt und mit dem Begleittext Der Vater soll seine Töchter am Zaun besucht haben. Öfter! Warum hat er nicht gemerkt, wie schlecht sie beisammen waren? versehen ist;

4./ Ausgabe vom 20. Februar 2007: Der Richter hatte zwar damals ein Besuchsrecht für seine Geiseltöchter beantragt, aber dann nur die Jüngste sehen wollen … . Bisher ist nämlich schleierhaft, was der angesehene Jurist von der Geisel- und Dunkelhaft seiner drei Töchter in G***** mitbekommen hat: „Er stand vor versperrten Türen, ausgewechselten Schlössern", schildern Nachbarn ihre Beobachtungen; wie der Richter über den Gartenzaun hinweg mit der Jüngsten, Viktoria

(15) sprechen konnte, obwohl ihm ein Kollege 2005 ein Besuchsrecht zugesprochen hatte: „Es war herzergreifend, wie er einmal seinem Kind eine Katze zum Streicheln hinübergereicht hat", erinnert sich ein Anrainer.

Mit Urteil vom 29. August 2007 (ON 8) verpflichtete die Einzelrichterin die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG als Medieninhaberin der Tageszeitung „Kronen Zeitung" nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG zur Bezahlung von Entschädigungsbeträgen an den Antragsteller und gemäß Paragraph 8 a, Absatz 6, MedienG zur Urteilsveröffentlichung. Zum Bedeutungsinhalt der Veröffentlichungen traf sie folgende Feststellungen:

Die Leser der Kronen Zeitung verstehen die inkriminierten Textstellen in der Ausgabe vom 12. Februar 2007 im Gesamtkontext der veröffentlichten Artikel dahin, dass dem Antragsteller im Zusammenhang mit den geschilderten Ereignissen eine eher hilflose Stellung zukommt und er - trotz seiner Richterstellung - der behördlichen Untätigkeit bzw den pflegschaftsgerichtlichen Entscheidungen mehr oder weniger ausgeliefert war. Bei den Rezipienten wird Mitleid mit dem Vater erweckt, der um seine Kinder kämpfte und nur über den Zaun mit den Mädchen sprechen durfte, aber schließlich sein jüngstes Kind zu sich nehmen durfte. Die Veröffentlichung in der Ausgabe der Kronen Zeitung vom 13. Februar 2007 wird vom Leserkreis dahin verstanden, dass sich Dr. Andreas M***** ausschließlich um sein Besuchsrecht, nicht aber um die Versorgung seiner Kinder gekümmert hat. Ferner kommen die Leser zu dem Schluss, dass die Beziehung des Antragstellers zu seinen Töchtern eine geteilte war, wobei er seiner jüngeren Tochter näher stand und sich daher vornehmlich um diese gekümmert hatte.

Die beiden Artikel in der Ausgabe der Kronen Zeitung vom 14. Februar 2007 und das dazugehörige Foto werden vom Leserkreis im Gesamtkontext so aufgefasst, dass dem Vater zwar in rechtlicher Hinsicht kein Vorwurf gemacht werden kann, er jedoch menschlich versagt hat und gerade in seiner Funktion als Richter am Oberlandesgericht mehr hätte tun müssen. Dr. Andreas M***** war blauäugig; durch das Ergreifen falscher Mittel, nämlich das Verfassen von Eingaben an das Gericht, trägt er Mitschuld an der Misere seiner Töchter. Stattdessen hätte er besser nachsehen oder mit den Nachbarn Rücksprache halten sollen. Insgesamt wird dem Leser suggeriert, der Vater kümmerte sich nicht um die Situation seiner Töchter, nicht zuletzt, weil er mit kranken Kindern nichts zu tun haben wollte.

Die Veröffentlichung in der Ausgabe der Kronen Zeitung vom 20. Februar 2007 wird vom Leserkreis so verstanden, dass der Antragsteller für die Situation seiner Töchter mitverantwortlich war. Er wollte aber - trotz Besuchsrechts - nur mit seiner jüngsten Tochter in Kontakt treten. Die Bemühungen des Antragstellers, Kontakt mit seinen Töchtern herzustellen, beschränkten sich auf Besuche am Gartenzaun.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die Erstrichterin, dass der höchstpersönliche Lebensbereich des Antragstellers in den gegenständlichen Veröffentlichungen verletzt worden ist, weil über Inhalte des nicht öffentlichen Pflegschaftsverfahrens und die Rolle des Antragstellers in diesem Verfahren sowie über dessen Beziehung zu seinen Kindern und sein Verhalten im engsten Familienkreis, einschließlich seiner Besuchskontakte zu den Kindern, berichtet worden ist. Diese Veröffentlichungen sind geeignet, den Antragsteller in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des Paragraph 7, Absatz 2, Ziffer 2, MedienG sah das Erstgericht als nicht erfüllt an, weil ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben nicht vorliege. Ein in Bezug auf den staatlichen Bereich, nämlich das Handeln der Organwalter in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit gerechtfertigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit umfasse nicht die Verbreitung privater Details über den Antragsteller und dessen Beziehung zu seinen Töchtern. Diese Informationen stünden mit dem als kritikwürdig aufgezeigten Verhalten der Jugendwohlfahrtbehörden in keinem Zusammenhang. Die Frage, ob die Veröffentlichungen wahr sind, könne demnach dahingestellt bleiben.

Mit Urteil vom 18. Februar 2008, AZ 18 Bs 10/08i (ON 21 der Hv-Akten), gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit Folge, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Anträge des Antragstellers Dr. Andreas M***** auf Zuerkennung von Entschädigungen nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG und Urteilsveröffentlichung nach Paragraph 8 a, Absatz 6, MedienG ab. In Ansehung der Berichterstattung vom 12. Februar 2007 verneinte es einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers mit der Begründung, soweit das Familienleben - auch gezwungenermaßen - in der Öffentlichkeit stattfinde, wäre es nicht dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuzählen. Dies würde fallbezogen auf den Bericht über einen Besuch des Antragstellers bei seinen Kindern, anlässlich dessen er über den Gartenzaun hinweg mit seinen Töchtern reden musste, weil er den Garten nicht betreten durfte, ebenso zutreffen wie auf die Tatsache, dass der Antragsteller um seine Kinder kämpfte, seine jüngste Tochter schließlich zu ihm zurück durfte und er 60 Eingaben bei Gericht einbrachte. Wer die Obsorge für ein Kind habe, sei ebenso wie das Verhalten in einem - wenn auch nicht öffentlichen - Gerichtsverfahren eine regelmäßig auch in die Öffentlichkeit tretende Tatsache.

In Ansehung der Berichterstattung vom 13. Februar 2007 ging das Oberlandesgericht zwar davon aus, dass durch die Erörterung des Verhältnisses des Antragstellers zu seinen Kindern dessen höchstpersönlicher Lebensbereich, nämlich das Leben in der Familie, berührt und der Antragsteller - wenn auch „milde" - bloßgestellt worden sei, sprach dem Antragsteller aber dennoch den Anspruch auf eine Entschädigung nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG unter Hinweis auf Artikel 10, MRK ab. Im gegenständlichen Fall sei in den Medien ein mögliches Versagen des Jugendamtes und des Pflegschaftsgerichts breit diskutiert worden. Die mediale Beurteilung des Verhaltens der Behörden im Rahmen der Meinungsfreiheit hätte aber zwangsläufig auch einen - zumindest ansatzweisen - Bericht über das Verhalten der beteiligten Parteien mit sich gebracht, weil nur unter Berücksichtigung dieser Parameter eine verständige Beurteilung der Vorfälle möglich gewesen wäre. Demnach wäre eine Berichterstattung darüber, wie weit der Vater (Antragsteller) im Behördenverfahren mitgewirkt habe und wie sehr - trotz seiner Eingaben und Darstellungen - die Behörden eine notwendige Nachschau oder sonstige Reaktion unterlassen hätten, durchaus erforderlich gewesen. Gegenständlich käme dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Meinungsfreiheit mehr Gewicht zu als dem Recht des Antragstellers auf Schutz seines höchstpersönlichen Lebensbereiches, zumal dieser bloß an seinen „äußeren Grenzen" erörtert worden wäre. Angesichts der unfassbaren Vorfälle mitten in zivilisierter Umgebung und dem nicht nachvollziehbaren Versagen von Behörden würde Gleiches für den Artikel vom 14. Februar gelten, zumal das Leben des Antragstellers in seiner Familie nicht im engsten Privatbereich sondern an dessen Rand, nämlich - bloß - in der Außenwirkung zu Behörden und zudem in einer Art und Weise erörtert worden wäre, die den Tatbestand des Paragraph 7, Absatz eins, MedienG gerade noch verwirklicht hätte. Da nicht in den Kernbereich des höchstpersönlichen Lebensbereiches eingegriffen worden wäre, sei auf Basis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit eine Berichterstattung der inkriminierten Art noch zulässig gewesen.

Dies würde auch auf den Artikel vom 20. Februar 2007 zutreffen, weil darin im Wesentlichen nur das, was bislang bereits berichtet wurde, zusammengefasst und im Zusammenhalt mit einer TV-Diskussion zum gegenständlichen Thema neu aufbereitet worden wäre. Weder die Schilderung, dass der Antragsteller vor versperrten Türen mit ausgewechselten Schlössern stand, noch dass er mit seiner jüngsten Tochter nur über den Gartenzaun hinweg sprechen konnte und es nach Ansicht einer Nachbarin herzergreifend war, wie er seinem Kind eine Katze zum Streicheln hinüber reichte, würde den höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers in einer Weise darstellen, die es notwendig machen würde, die Meinungsfreiheit derart einzuschränken, dass ein Bericht dieser Art unzulässig wäre.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1./ Wird in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich eines Menschen in einer Weise erörtert oder dargestellt die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen, so hat der Betroffene nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG gegen den Medieninhaber einen Anspruch auf Entschädigung.

Diese Bestimmung schützt nicht das gesamte private Leben eines Menschen; Der höchstpersönliche Lebensbereich - ein Begriff, der sich nach dem Bericht des Justizausschusses mit jenem des Privat- und Familienlebens nach Artikel 8, MRK deckt (AB zum Mediengesetz 743 BlgNR

15. GP 6; Hanusch, Kommentar zum MedienG Paragraph 7, Rz 3) - umfasst vielmehr nur solche Angelegenheiten, deren Kenntnisnahme durch Außenstehende die persönliche Integrität im besonderen Maß berührt. Dazu gehören vor allem das Leben in der Familie, die Gesundheitssphäre und das Sexualleben, aber auch Kontakte mit engsten Vertrauten (Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG2 Paragraph 7, Rz 6 f und 9). Dem höchstpersönlichen Lebensbereich sind nicht nur im häuslichen Bereich zu Tage tretende Umstände und sich dort zutragende Ereignisse zuzurechnen; Er umfasst vielmehr auch Gegebenheiten der sogenannten „Privatöffentlichkeit", dh privates Handeln in öffentlichen Räumen, das aber doch in abgegrenzten Bereichen stattfindet, die eine gewisse Vertraulichkeit vermitteln und die bei objektiver Betrachtung nicht für die Anteilnahme einer unbegrenzten Öffentlichkeit bestimmt sind. Auch in der räumlichen Öffentlichkeit besteht diesfalls ein Anspruch auf Respektierung der Privatsphäre vergleiche EGMR 24. 6. 2004, von Hannover gegen Deutschland, MR 2004, 246; OLG Wien, 17 Bs 227/07t, MR 2007, 306; Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG2 Paragraph 7, Rz 10; Rami in WK2 Paragraph 7, Rz 5; Litzka/Strebinger, MedienG Paragraph 7, Rz 4; Höhne, Entscheidungsanmerkung in MR 2008, 138 ff; gegenteilig OLG Wien, 18 Bs 86/08s, MR 2008, 136 unter Berufung auf Zöchbauer [Entscheidungsanmerkungen in MR 2007, 307 ff, 2008, 70 f und 2008, 138]).

Zudem verlieren Tatsachen des höchstpersönlichen Lebensbereiches diesen Charakter nicht allein dadurch, dass sie zum Gegenstand eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens werden oder in einem solchen erörtert werden.

Voraussetzung für einen Anspruch nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG ist weiters, dass die Erörterung oder Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereichs in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den Betroffenen in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

Auf eine tatsächlich eingetretene Ansehensminderung oder Gefährdung des Rufes des Betroffenen kommt es nicht an; bloßstellend kann auch eine Veröffentlichung privater Angelegenheiten sein, die weder subjektiv noch objektiv die Gefahr einer negativ abwertenden Einschätzung durch die Umwelt nach sich zieht. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht liegt schon darin, dass der Einzelne gezwungen wird, sich mit öffentlicher Neugierde, unerwünschter Anteilnahme oder ungebetenem Mitleid in einer Angelegenheit seiner Intimsphäre auseinanderzusetzen vergleiche OLG Wien 17 Bs 134/05p, MR 2005, 422). Entscheidend ist letztlich, inwieweit durch die Preisgabe höchstpersönlicher Umstände und Tatsachen die Möglichkeit des Einzelnen, über das der Umwelt eröffnete Persönlichkeitsbild selbst zu bestimmen, beschnitten wird.

Schließlich kann auch das Erscheinungsbild und der Ton einer Publikation eine Rolle spielen: Während bei Angelegenheiten der intimsten Sphäre jede Informationsteilhabe durch Außenstehende eine Verletzung der persönlichen Integrität bedeutet, somit die mediale Indiskretion als solche bloßstellend wirkt, ist in den übrigen Fällen bei der Prüfung der Bloßstellungseignung nach Art eines beweglichen Systems der betroffene private Bereich stets im Verhältnis zur Darstellung zu beurteilen. Je reißerischer die Textierung und Aufmachung einer solchen ist, je eher sie darauf abzielt, beim Rezipienten eine bestimmte Bewertung hervorzurufen, desto eher ist sie im Vergleich zu einer reinen Sachinformation als bloßstellend anzusehen (zum Ganzen: Berka aaO Rz 16 ff).

2./ Diese Auslegungskriterien verfehlend verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 18. Februar 2008 das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 7, Absatz eins, MedienG.

Denn entgegen der in Bezug auf die Berichterstattung in der Ausgabe der Kronen Zeitung vom 12. Februar 2007 geäußerten Rechtsansicht des Berufungsgerichts betrifft die - gemäß den Feststellungen des Erstgerichts - Details umfassende Schilderung der Besuche des Antragstellers bei seinen Kindern dessen höchstpersönlichen Lebensbereich, nämlich sein Leben in der Familie, und zwar grundsätzlich unbeschadet des Umstandes, dass sich der Antragsteller dabei im öffentlichen Raum, nämlich auf der Straße, aufgehalten hat. Gleiches gilt in Ansehung des in derselben Ausgabe thematisierten intensiven Kampfes des Antragstellers um die Obsorge für seine Töchter und die Tatsache, dass die jüngste Tochter schließlich „zu ihm zurück durfte". Der Beurteilung durch das Oberlandesgericht zuwider ist nämlich auch die Frage der Obsorge für ein Kind grundsätzlich dem Familienleben und damit dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Der Umstand, dass die Obsorgeberechtigung und -verpflichtung auch - in einer vom Berufungsgericht nicht näher bezeichneten Weise - „in der Öffentlichkeit" zu Tage tritt, vermag daran ebenso wenig zu ändern, wie jener, dass der Antragsteller diesbezüglich durch zahlreiche Eingaben im Pflegschaftsverfahren außerhalb des häuslichen Bereiches tätig wurde.

Da es sich dabei aber um Angelegenheiten handelt, die nicht der engsten Intimsphäre zuzuordnen sind, wäre bei der Prüfung der zur Tatbestandsverwirklichung nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG erforderlichen Bloßstellungseignung - im Sinn des oben beschriebenen beweglichen Systems - die Art und Weise der medialen Erörterung oder Darstellung zu berücksichtigen gewesen.

Indem das Oberlandesgericht aber ohne eine solche Prüfung - allein auf Grundlage der verfehlten Rechtsansicht, ein in der Öffentlichkeit stattfindendes Familienleben bzw eine in die Öffentlichkeit tretende Tatsache könne per se nicht in den Schutzbereich fallen - eine Zuordnung zum höchstpersönlichen Lebensbereich verneinte, hat es Paragraph 7, Absatz eins, MedienG verletzt.

3./ Was die Veröffentlichungen vom 13., 14. und 20. Februar betrifft, ging das Oberlandesgericht zwar von einem Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers aus, wies einen Anspruch nach Paragraph 7, Absatz eins, MedienG aber mit dem Argument ab, die Berichterstattung sei „von einem derart gewichtigen öffentlichen Interesse, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit insbesondere angesichts des spektakulären Straffalles überwiegt" (US 15). Richtig ist, dass das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Artikel 8, Absatz eins, MRK (und damit auch die dieses Grundrecht auf einfachgesetzlicher Stufe konkretisierende Norm des Paragraph 7, MedienG) mitunter in einem Spannungsverhältnis zu der nach Artikel 10, Absatz eins, MRK garantierten Freiheit der Meinungsäußerung steht. Während Paragraph 7, Absatz eins, MedienG entsprechend dem Gesetzesvorbehalt des Artikel 10, Absatz 2, MRK das Recht auf freie Meinungsäußerung beschränkt, trägt der Gesetzgeber mit Paragraph 7, Absatz 2, MedienG diesem Grundrecht wieder Rechnung, und zwar durch die Normierung von Ausschlussgründen, bei deren Vorliegen der Anspruch auf Entschädigung nicht besteht (zum Vorrang des Gesetzgebers bei der Abgrenzung und Abwägung kollidierender Grundrechte vergleiche Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG2 Präambel Rz 28).

Fallbezogen ist der Ausschlussgrund der Ziffer 2, des Paragraph 7, Absatz 2, MedienG von Bedeutung, nämlich dass die Veröffentlichung wahr ist - ein Interesse an unwahren Informationen aus dem Privatleben eines anderen wäre nicht schützenswert - und in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben steht.

Das Erstgericht verneinte das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes schon im Hinblick auf den mangelnden unmittelbaren Zusammenhang zwischen den in der vorliegenden Art und Weise berichteten Umständen und Tatsachen aus dem Privatleben des Antragstellers und dem öffentlichen Leben und hat folgerichtig von der Durchführung eines Beweisverfahrens zur Wahrheit dieser Umstände und Tatsachen abgesehen und dementsprechende Urteilsfeststellungen nicht getroffen. Stimmt nun das Berufungsgericht der Beurteilung des Erstgerichts nicht zu, weil es offenbar die konkrete Berichterstattung über das Verhalten des Antragstellers im Hinblick auf die öffentliche Kontrolle der Tätigkeit von Jugendamt und Pflegschaftsgericht für zulässig hält, so hätte es auf Grund der fehlenden Feststellungen zur - im Übrigen vom Antragsteller auch nicht zugestandenen (S 34) - Wahrheit der Berichterstattung nach Aufhebung des erstrichterlichen Urteils in dem seiner Ansicht nach fehlerhaften Umfang die Medienrechtssache insofern zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverweisen oder nach Beweiswiederholung eigene Feststellungen treffen müssen. Die vom Oberlandesgericht unter einem ausgesprochene, der Sache nach auf einem unmittelbaren Zusammenhang der Veröffentlichungen mit dem öffentlichen Leben gestützte Abweisung der auf die Berichterstattung vom 13., 14. und 20. Februar 2007 gegründeten Entschädigungs- und Urteilsveröffentlichungsanträge des Antragstellers steht demnach mit Paragraph 7, Absatz 2, Ziffer 2, MedienG nicht im Einklang.

Da das Urteil des Oberlandesgerichts Wien der Antragsgegnerin, die die Stellung der Beschuldigten inne hat, zum Vorteil gereicht, war der Feststellung dieser Gesetzesverletzungen vom Obersten Gerichtshof keine konkrete Wirkung zuzuerkennen. Zu einer Antragstellung gemäß Artikel 140, B-VG - wie sie der Antragsteller in seiner Äußerung anregt - sieht sich der Oberste Gerichtshof mangels Vorliegens einer unsachlichen Differenzierung nicht veranlasst.