Gericht

OLG Wien

Entscheidungsdatum

19.01.2009

Geschäftszahl

25Kt12/07

Kopf

Beschluss

Kartellrechtssache:

Antragstellerin:  Bundeswettbewerbsbehörde,

Praterstraße 31, 1020 Wien

Antragsgegner:  1.) O***** GmbH,

    *****

  1. 2
    K***** AG,
    *****
  2. 3
    Sch*****
    GmbH,
    *****
  3. 4
    H*****,
    *****
  4. 5
    D*****,
    *****
  5. 3
    bis 5.)
vertreten durch: DLA Piper Weiss-Tessbach,
Rechtsanwälte GmbH,
1010 Wien, Schottenring 14
wegen: Antrag auf Verhängung einer Geldbuße
gemäß Paragraph 142, Ziffer eins, Litera a und Litera d, KartellG 1988
Gewährung von Ratenzahlung

Spruch

Der Antrag der Drittantragsgegnerin, ihr für die über sie mit

Beschluss vom 14.12.2007, 25 Kt 12/07-125, verhängte Geldbuße von 25

Millionen Euro die Bezahlung in sechs gleichen Teilbeträgen von EUR

4.166.666,67, beginnend mit 15.12.2008, die folgenden Teilbeträge

jeweils zum 15. eines Monats in Halbjahresschritten (15.6.2009,

15.12.2009, 15.6.2010, 15.12.2010, 15.6.2011) zu gestatten und den

Vollzug der Geldbuße bis zur Entscheidung über das Ratenansuchen

auszusetzen, wird

a b g e w i e s e n.

Text

Begründung:

Gegen die Drittantragsgegnerin wurde mit Beschluss des Kartellgerichtes vom 14.12.2007, 25 Kt 12/07-125, wegen der Teilnahme an Artikel 81 EG verletzenden Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen der Antragsgegner in Österreich von 1.7.2002 bis Ende 2005 eine Geldbuße von 25 Millionen Euro verhängt („Aufzugskartell"). Die Verhängung der Geldbuße wurde vom Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht mit Beschluss vom 8. Oktober 2008, 15 Ok 5/08, bestätigt, sie ist damit rechtskräftig. Mit Beschluss des Kartellgerichtes vom 26.11.2008 wurde der Drittantragsgegnerin vom Kostenbeamten die Zahlung der Geldstrafe aufgetragen.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2008 ersuchte sie wie aus dem Spruch ersichtlich. Die unverzügliche Zahlung der Geldbuße würde sie unbillig hart treffen, da sie nicht über ausreichende eigene Finanzmittel verfüge, um die Geldbuße innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu bezahlen. Die Geldbuße mache beinahe 30 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens aus. Sie würde mehrere Jahre benötigen, um die Geldbuße bedienen zu können. Es könne nicht der gesamte Cash-flow der Gesellschaft zur Bezahlung der Geldbuße herangezogen werden, da ein gewisser Sockelbetrag zur Abdeckung der laufenden Ausgaben im Unternehmen verbleiben müsse. Bei Beurteilung ihrer Finanzlage sei auch zu berücksichtigen, dass Aufträge für Großprojekte im Regelfall nur zu sehr schlechten Anzahlungskonditionen gewonnen werden könnten. Unternehmer der öffentlichen Hand würden sich Aufträge häufig zur Gänze vorfinanzieren lassen. Die Drittantragsgegnerin sei aber gezwungen, sich für ihre Auslastung und die Absicherung der eigenen Arbeitsplätze um solche Großprojekte zu bemühen, was für sie mit erheblichen Finanzierungsengpässen verbunden sei. Eine weitere besondere Risikoposition stellten die gesetzlich vorzunehmenden Modernisierungsmaßnahmen alter Aufzugsanlagen dar, die bei entsprechender Gefährdungssituation innerhalb von fünf Jahren, spätestens bis zum 31.12.2012, endgültig zu beheben seien. Da die meisten Hausverwaltungen nicht über die notwendigen liquiden Mittel bzw. Rücklagen verfügten, würden auch diese Maßnahmen häufig von der Drittantragsgegnerin vorfinanziert. Zudem sehe sie sich aufgrund der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise mit einer zunehmend sinkenden Auftragsentwicklung konfrontiert. In nächster Zeit sei vermehrt mit Zahlungsausfällen von Kunden zu rechnen. Mit der beantragten Ratenzahlung würde die Geldstrafe an ihre tatsächliche Vermögenslage angepasst. Ihre ebenfalls bebußten Tochtergesellschaften H***** GmbH und D***** AG (= Viert- und Fünftantragsgegnerinnen) hätten die über sie verhängte Geldbuße unter Ausschöpfung sämtlicher bestehender Reserven bezahlt. Die Drittantragsgegnerin könne daher auch nicht mehr auf allfällige Reserven dieser beiden Tochtergesellschaften zurückgreifen. Die Zahlung der ersten Rate sei veranlasst worden.

Die Antragstellerin und der Bundeskartellanwalt sprachen sich gegen die Gewährung der Ratenzahlung aus. Ein Zahlungsaufschub sei gesetzlich nicht vorgesehen. Sowohl die Drittantragsgegnerin als auch ihre Konzernmutter, deren Finanzkraft mitzuberücksichtigen sei, seien wirtschaftlich potent. Die Geldbuße betrage lediglich ca. 4 % des Betriebsergebnisses 2007 der Drittantragsgegnerin. Aus ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2007 ergebe sich trotz Berücksichtigung der verhängten Geldbuße ein Bilanzgewinn von annähernd zwei Millionen Euro. Die wirtschaftliche Lage des Schweizer „Mutterkonzerns" sei zufolge von Presseaussendungen als hervorragend anzusehen. Die Kapitalrücklagen und der Gewinn seien ausreichend, um die Geldbuße unverzüglich zu begleichen. Die Gewährung einer Ratenzahlung wäre zudem gegenüber den anderen Antragsgegnern, die ihre Geldbuße bereits bezahlt hätten, aber auch gegenüber dem - durch die Absprachen vermutlich selbst geschädigten - Bund sowie gegenüber den Steuerzahlern unbillig, die einem wirtschaftlich äußerst solventen Unternehmen bzw. internationalen Konzern auf diese Weise einen zinsenlosen Kredit gewähren würden.

Rechtliche Beurteilung

Nach Einsichtnahme ... ist Folgendes festzustellen:

Der Bemessung der Geldbuße gegenüber der Drittantragsgegnerin lagen für das Jahr 2005 (= letztes Jahr der festgestellten Zuwiderhandlungen) in Österreich erzielte Umsatzerlöse von 79,96 Millionen Euro zugrunde (ON 125 Seite 151).

Die Drittantragsgegnerin erzielte in der Zeit vom 18.4. bis 31.12. 2007 Umsatzerlöse von 89,52 Millionen Euro (G+V-Rechnung in Beil. ./114). Ihre Jahresbilanz (Beil. ./114, S 2) weist nach Berücksichtigung der Geldbuße („Sonstige Verbindlichkeiten", s. Anhang Beilage III/6 in Beil. ./114) einen Bilanzgewinn von EUR 1,966.893,63 aus.

Der Konzerngewinn betrug 2007 vor Abzug der (europäischen und österreichischen) Kartellbußen 571 Mio CHF, nach Abzug der Bußen 278 Mio CHF (Tätigkeitsbericht 2007).

Im Geschäftsjahr 2008 steigerte der Konzern im ersten Quartal den Umsatz um 4,9 % auf 3,338 Milliarden CHF, den Auftragseingang um 5,7 % auf 3,599 Milliarden CHF und den Gewinn um 44,3 % auf 166 Millionen CHF. Der Quartalsgewinn war deutlich höher als erwartet, Analysten hatten demgegenüber einen Gewinn von 117 Millionen CHF in Aussicht gestellt. Auf Basis dessen erwartete der Konzern-Chairman A***** im April 2008 einen Konzerngewinn für 2008 von 630 Millionen CHF vergleiche Wirtschaftsblatt vom 23.4.2008).

Die Gewinnprognosen wurden im Quartalsbericht per 30.9.2008 bestätigt. Nach dem Quartalsabschluss zum 30.9.2008 konnte der Konzerngewinn für die ersten drei Quartale 2008 um 17,3 % auf 475 Millionen CHF gesteigert werden. Der konsolidierte Auftragseingang ist - offenkundig trotz der allgemeinen Finanz- und Wirtschaftskrise - um 7,5 % auf 11,04 Milliarden CHF gestiegen. Selbst unter Berücksichtigung der 2007 verbuchten EU-Kartellbuße von 234 Millionen CHF betrug die Gewinnzunahme nach einer Mitteilung des Unternehmens 177,8 % (s. NZZ-online vom *****; in Detail auch „Cash" vom *****). Die vorgebrachte zunehmend sinkende Auftragsentwicklung sowie vermehrte Zahlungsausfälle von Kunden der Drittantragsgegnerin können danach nicht festgestellt werden. Eine allfällige Notwendigkeit zu Vorfinanzierungen von Projekten tritt neben all dem in den Hintergrund.

Rechtlich folgt daraus:

1. Zur Zulässigkeit des Ratengesuches

Gemäß Paragraph 87, Absatz 2, KartellG 2005 sind die Paragraphen 142 bis 143 c KartellG 1988 auf Sachverhalte, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes verwirklicht worden sind, weiterhin anzuwenden. Gemäß Paragraph 143, a KartellG 1988 (nunmehr: Paragraph 32, KartellG 2005) ist die Geldbuße nach den Bestimmungen über die Eintreibung von gerichtlichen Geldstrafen einzubringen.

Die „Einbringung der Geldbuße" umfasst - wie sich etwa aus Paragraph 9, GEG oder Paragraph 409 a, Absatz eins, StPO ergibt - auch die Beurteilung eines Ratenansuchens.

Die Einbringung von Geldstrafen aller Art, die von den Gerichten verhängt worden sind, unterliegt den Bestimmungen des gerichtlichen Einbringungsgesetzes (Paragraph eins, Ziffer 2, GEG).

Die für Ratenzahlungsgesuche vorgesehene Bestimmungen des Paragraph 9, Absatz eins bis 4 GEG gelten nicht für Geldstrafen, sodass eine Stundung oder Ratengewährung weder im Exekutionsverfahren noch im Justizverwaltungsverfahren nach Paragraph 9, GEG möglich ist (siehe Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 326 mN der Rspr). Die Behandlung eines Ratenzahlungsansuchens bezüglich gerichtlicher Geldstrafen ist aber im römisch XXIII. Hauptstück der StPO (Paragraph 409 a,) geregelt. Wenn zur Einbringung kartellgerichtlicher Geldbußen auf die Eintreibung von gerichtlichen Geldstrafen verwiesen wird, hat dafür daher die Bestimmung des Paragraph 409 a, StPO Anwendung zu finden (ebenso KG vom 23.2.2006, 25 Kt 30/05; vom 1.2.2006, 25 Kt 34, 253/05; Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartellG, Paragraph 32, Rz 5; Solé, aaO, Rz 326).

2. Zur Begründetheit des Ratengesuches

Gemäß Paragraph 409 a, Absatz eins, StPO hat der Vorsitzende dann, wenn die unverzügliche Zahlung einer Geldstrafe oder eines Geldbetrages nach Paragraph 20, StGB den Zahlungspflichtigen unbillig hart träfe, auf Antrag durch Beschluss einen angemessenen Aufschub zu gewähren.

Gemäß Paragraph 409 a, Absatz 4, StPO darf die Entrichtung einer Geldstrafe oder eines Geldbetrages in Teilbeträgen nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Zahlungspflichtige mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.

Im vorliegenden Fall kann von einer solchen Unbilligkeit bei unverzüglicher Zahlung keinesfalls ausgegangen werden: Wenn die Drittantragsgegnerin vorbringt, die Geldbuße nicht innerhalb der Zahlungsfrist aus eigener Finanzkraft bezahlen zu können, so ist ihr zunächst entgegen zu halten, dass auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schon bei Bemessung der Geldbuße Bedacht zu nehmen war und der vom Kartellgericht gewählte Ansatz vom Kartellobergericht mit Beschluss vom 8. Oktober 2008, 16 Ok 5/08, ausdrücklich gebilligt wurde (s. ON 155, Seite 34). Auf den Umstand, dass dabei auch die Ergebnisse der Konzernmutter zu berücksichtigen sind, hat auch das Kartellobergericht hingewiesen, wenn es ausführte, dass bei der Bemessung der Geldbuße die allgemeinen Berechnungsvorschriften des Paragraph 2 a, KartellG 1988 anzuwenden sind und folglich miteinander im Sinne des Paragraph 41, KartellG 1988 (nunmehr Paragraph 7, KartellG 2005) verbundene Unternehmen als ein einziges Unternehmen gelten (s. ON 155 Seite 31, Punkt 3.1).

Die Gewährung einer Ratenzahlung würde danach voraussetzen, dass sich die Finanzkraft der Drittantragsgegnerin und ihrer Konzernmutter seit der Verhängung der Geldbuße - mit der ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ja bereits berücksichtigt worden war - signifikant negativ entwickelt hätte. Demgegenüber weist schon der Jahresabschluss der Drittantragsgegnerin für das Geschäftsjahr 2007 selbst nach Abzug der Geldbuße noch einen Bilanzgewinn von knapp zwei Millionen Euro auf, sodass schon danach der Argumentation der Drittantragsgegnerin der Boden entzogen ist. Berücksichtigt man überdies, dass der Konzerngewinn nach dem Tätigkeitsbericht für 2007 selbst nach Abzug der Kartellbuße 278 Millionen CHF betrug, für 2008 auf Konzernebene von der dargestellten markanten Zunahme der Auftragseingänge und des Umsatzes auszugehen ist und das Unternehmen auch für 2008 mit einem Konzerngewinn von über 630 Millionen CHF rechnet, so ist die Argumentation der Drittantragsstellerin um so weniger nachvollziehbar.

Hinzu kommt, dass ihr die mögliche Notwendigkeit der Zahlung der Geldbuße von 25 Millionen Euro jedenfalls mit dem diese verhängende Beschluss des Kartellgerichtes vom 14.12.2007 (ON 125) bekannt sein musste, sodass sie nach den Regeln der unternehmerischen Sorgfalt dafür entsprechend Vorsorge zu tragen hatte (und, wie die Passivierung der Geldbuße in der Jahresbilanz 2007 zeigt, auch getragen hat).

Soweit die Drittantragsgegnerin in ihrem gleichzeitig eingebrachten Berichtigungsantrag gemäß Paragraph 7, GEG (ON 162) auch der Ansicht ist, die ihr gemäß Paragraph 6, GEG gewährte Zahlungsfrist von 14 Tagen sei jedenfalls zu kurz, da sie für weitaus niedrigere Geldbeträge vorgesehen sei, und verstoße damit gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz, so sei auf diese Überlegung auch hier, bei Prüfung einer Unbilligkeit der unverzüglichen Zahlung des Gesamtbetrages, Bedacht genommen. Da aber die finanzielle Leistungskraft eines Unternehmens schon bei der Bemessung der Geldbuße selbst berücksichtigt wird und Umständen, die einer sofortigen Zahlung des Gesamtbetrages entgegenstehen, mit der Möglichkeit einer Ratenzahlung zu begegnen ist, erschiene es gleichheitswidrig, die Länge der Zahlungsfrist nach der Höhe der Geldbuße zu staffeln. Der Annahme, die 14-tägige Frist des Paragraph 6, GEG sei unbillig kurz, kann danach nicht näher getreten werden. Danach sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die unverzügliche Zahlung der Geldbuße die Drittantragsgegnerin unbillig hart treffen könnte.

Demgegenüber könnte sie - da ihrem gleichzeitig eingebrachten, mit dem Ratenzahlungsersuchen in Zusammenhang stehenden Berichtigungsantrag gemäß Paragraph 7, GEG jedenfalls aufschiebende Wirkung zukommt (Paragraph 7, Absatz 2, GEG) - durch ein Hinauszögern der Zahlung der gesetzlich unverzinsten Geldbuße einen beträchtlichen Zinsgewinn lukrieren (ein Hinausschieben der noch offenen Zahlung um nur drei Monate brächte bei einer Verzinsung von 4% pa. einen Zinsvorteil von rd. EUR 208.000,--). Eine Ratenzahlung würde ihr danach ausschließlich unberechtigte Vorteile bringen. Nach all dem war das Ratengesuch abzuweisen.

Damit lagen auch keine Gründe vor, die die Aussetzung des Vollzugs der Geldbuße rechtfertigen könnten.

Oberlandesgericht Wien