Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

04.09.2008

Geschäftszahl

2Ob181/08v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Dr. Thomas S*****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei R*****, wegen der Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Sicherungsinteresse 1.211.845 EUR sA, Revisionsrekursinteresse 1.081.800 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. Juni 2008, GZ 18 R 113/08h-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 8. Mai 2008, GZ 4 C 695/08x-2, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (im Folgenden als Antragsteller bezeichnet) führt als Einzelkaufmann nach deutschem Recht die eingetragene Firma TS *****, unter der sie bei nationalen und internationalen Projekten als Ingenieur, Berater und Vermittler, insbesondere für Unternehmen aus der Eisenbahnbranche tätig ist. Die Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge als Antragsgegnerin bezeichnet) ist eine Gesellschaft nach türkischem Recht und produziert Güterwaggons. Der Antragsteller beantragte beim Erstgericht die Erlassung der einstweiligen Verfügung, zur Sicherung seiner Ansprüche gegen die Antragsgegnerin in Höhe von 1.211.845 EUR werde der Antragsgegnerin jede Verfügung über ihre aus dem mit der G***** Austria GmbH am 31. 10. 2007 geschlossenen Liefervertrag resultierenden Forderungen (insbesondere deren Einziehung oder Übertragung an ein drittes Unternehmen) bis zu einem Betrag von 1.211.845 EUR verboten und der G***** Austria GmbH bis zu einem Betrag von 1.211.845 EUR verboten, ihre Verbindlichkeiten aus dem mit der Antragsgegnerin am 31. 10. 2007 geschlossenen Liefervertrag zu bezahlen oder sonstige Verfügungen der Antragsgegnerin über diese Forderung zuzulassen bzw an solchen Verfügungen mitzuwirken, die die Exekutionsführung vereiteln oder erheblich erschweren könnten.

Der Antragsteller brachte im Wesentlichen vor, die Streitteile hätten am 5. 7. 2007 einen „Marktschutzvertrag" abgeschlossen, der den Antragsteller zum Alleinvertreter der Antragsgegnerin ua in der Europäischen Union mache und der vorsehe, dass ihm mangels besonderer Vereinbarungen im Einzelfall eine Provision von 3 % des Gesamtauftragsvolumens jedes zwischen der Antragsgegnerin und Kunden aus dem Vertragsgebiet geschlossenen Vertrags zustehe. Am 31. 10. 2007 habe die Antragsgegnerin mit der G***** Austria GmbH über Vermittlung des Antragstellers einen Vertrag über die Lieferung von 200 Tankwagen zu einem Gesamtkaufpreis von 13.800.000 EUR abgeschlossen. Darüber hinaus sei der Käuferin in diesem Vertrag ein Optionsrecht über den Bezug weiterer 300 Tankwaggons zu einem Preis von je 69.000 EUR eingeräumt worden. Das Optionsrecht sei noch nicht ausgeübt worden. Weiters habe die Antragsgegnerin über Vermittlung des Antragstellers einen Vertrag mit der G***** Germany GmbH über die Lieferung von bis zu 240 Drehgestellrahmen mit einem Gesamtauftragswert von 1,5 Mio EUR abgeschlossen. Die Antragsgegnerin habe sich darüber hinaus verpflichtet, einmalig 50.000 EUR an Lizenzgebühr für die Zurverfügungstellung von - ihr in der Folge auch tatsächlich übergebenen - Konstruktionszeichnungen über Drehgestelle an den Antragsteller zu bezahlen. Schließlich hätten die Streitteile weiters vereinbart, dass der Antragsteller Konstruktionszeichnungen für die an die G***** Austria GmbH zu liefernden Waggons um einen Werklohn von 100.000 EUR erstelle. Der Antragsteller habe diese Konstruktionszeichnungen in der Folge vertragsgemäß geliefert. Die Antragsgegnerin habe in der Folge lediglich 19.955 EUR als erste Rate des Zeichnungshonorars bezahlt. Im Übrigen seien die Rechnungen des Antragstellers von der Antragsgegnerin plötzlich als zu hoch beanstandet und deren Bezahlung verweigert worden. Ein gemeinsames Gespräch zwischen Vertretern des Antragstellers und der Antragsgegnerin habe keine Einigung erbracht, sondern die Antragsgegnerin habe den Marktschutzvertrag letztlich gekündigt. Von den Provisionsansprüchen des Antragstellers aus dem Vertrag der Antragsgegnerin mit der G***** Austria GmbH seien bislang zumindest 414.000 EUR fällig, weiters seien die durch die Ausübung des Optionsrechts der G***** Austria GmbH bedingten Provisionsansprüche des Antragstellers von weiteren 621.000 EUR gemäß Paragraph 378, Absatz 2, EO sicherungsfähig. Die Provisionsansprüche aus diesem Lieferungsvertrag betrügen daher 1.035.000 EUR. Der gesamte Anspruch betrage daher

1.211.845 EUR, die sich zusammensetzen aus 1.035.000 EUR aus dem Lieferungsvertrag der Antragsgegnerin mit der G***** Austria GmbH,

46.800 EUR an Provisionsansprüchen aus dem Lieferungsvertrag der Antragsgegnerin mit der G***** Germany GmbH, 50.000 EUR an Lizenzanspruch für die Zurverfügungstellung der Konstruktionszeichnungen und schließlich 80.045 EUR an restlichem Werklohnanspruch für die Erstellung von Konstruktionszeichnungen der an die G***** Austria GmbH zu liefernden Waggons.

Das Erstgericht wies das gesamte Sicherungsbegehren ohne Anhörung der Antragsgegnerin ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers teilweise Folge und erließ die begehrte einstweilige Verfügung bis zu einem Betrag von 130.045 EUR, bestätigte aber die Abweisung des Sicherungsbegehrens durch das Erstgericht im darüber hinausgehenden Betrag von 1.081.800 EUR. Rechtlich führte das Rekursgericht aus, der Antragsteller habe zu den Provisionsansprüchen von 414.000 EUR (betreffend die Lieferung von Güterwaggons an die G***** Austria GmbH) sowie von 46.800 EUR (für die Vermittlung der Lieferung von bis zu 240 Drehgestellrahmen an die G***** Germany GmbH) die Gefährdung nicht bescheinigt. Zum Provisionsanspruch von 621.000 EUR (betreffend die Option der G***** Austria GmbH für die Lieferung von bis zu 300 weiteren Waggons) verneinte das Rekursgericht die Sicherungsfähigkeit, weil bloße Anwartschaften, aus denen noch kein klagbarer Anspruch erwachsen sei, nicht sicherungsfähig seien. Lediglich hinsichtlich der Ansprüche auf 50.000 EUR an Lizenzgebühren und 80.045 EUR an restlichem Werklohn sei dem Antragsteller die Bescheinigung der Ansprüche wie auch der objektiven Gefährdung gelungen, weshalb lediglich in diesem Umfang von insgesamt 130.045 EUR die begehrte einstweilige Verfügung zu erlassen gewesen sei. Im Übrigen erweise sich aber die Abweisung des Sicherungsbegehrens durch das Erstgericht als berechtigt.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, Rechtsfragen im Sinne des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO seien nicht zu beantworten gewesen.

Gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung vollinhaltlich stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist unzulässig. Gemäß Paragraph 402, Absatz eins, EO ist der Revisionsrekurs unter anderem dann, wenn das Verfahren einen Beschluss über einen Antrag einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat, nicht deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz die angefochtene Entscheidung zur Gänze bestätigte. Das gilt jedoch gemäß Paragraph 402, Absatz 2, EO nicht für einen Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn der Antragsgegner zu diesem Antrag noch nicht einvernommen wurde.

Aufgrund dieser Rechtslage entspricht es der ständigen Rechtsprechung

des Obersten Gerichtshofs, dass der Revisionsrekurs gegen die

Bestätigung der ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei

erfolgten Abweisung eines Sicherungsantrags gemäß den §§ 78 und 402

Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig ist (1 Ob

2347/96w; 1 Ob 529/95; 6 Ob 579/95; 7 Ob 520/95; SZ 66/143). Das

trifft auch auf jenen Teil der Entscheidung des Gerichts zweiter

Instanz zu, womit die vom Erstgericht - ohne Anhörung des

Antragsgegners - ausgesprochene Abweisung eines Teils des

Sicherungsbegehrens bestätigt wurde. Anderes gilt nur dann, wenn der

bestätigende und der abändernde Teil des rekursgerichtlichen

Beschlusses - bei richtiger rechtlicher Beurteilung - in einem

unlösbaren Sachzusammenhang stehen, sodass die Zulässigkeit von deren

Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann. Letztere

Voraussetzung ist aber regelmäßig dann nicht erfüllt, wenn jeder der

geltend gemachten Sicherungsansprüche ein gesondertes rechtliches

Schicksal haben kann (1 Ob 616/92 = JBl 1993, 459; 1 Ob 65/97h = SZ

70/48 = RIS-Justiz RS0107345; vgl auch RS0044257 [T13, T50, T53, T61,

T63]).

Im vorliegenden Fall macht der Antragsteller verschiedene Zahlungsansprüche (teils unbedingte, teils bedingte Provisionsansprüche aus verschiedenen Verträgen, Lizenzgebühren, Werklohn) geltend. Die Ansprüche, hinsichtlich derer die einstweilige Verfügung erlassen wurde, und diejenigen, hinsichtlich derer der Sicherungsantrag abgewiesen wurde, stehen auch nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, sodass sie nicht gemäß Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer eins, JN zusammenzurechnen sind (RIS-Justiz RS0042766, vergleiche dazu RS0044257 [T50]). Jeder einzelne dieser Ansprüche hat - wie sich auch schon aus der Entscheidung des Rekursgerichts ergibt - ein eigenes rechtliches Schicksal, das auf den Erfolg oder Misserfolg des Sicherungsbegehrens hinsichtlich der jeweils anderen Ansprüche keinen Einfluss hat.

Nach der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher der Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den abweislichen Teil der angefochtenen Entscheidung jedenfalls unzulässig, weshalb das Rechtsmittel zurückzuweisen war.