Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

09.08.2006

Geschäftszahl

4Ob131/06b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Gamze G*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Kesiban C*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Mai 2006, GZ 45 R 230/06s-159, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen haben dem Kindesvater ein vorläufiges Besuchsrecht zu seiner Tochter, die seit Jahren mit der Kindesmutter und deren nunmehrigen Ehemann im gemeinsamen Haushalt lebt, im Beisein einer Sozialarbeiterin des Jugendamts bewilligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Kindesmutter vermag in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG aufzuzeigen. Das in Paragraph 148, Absatz eins, ABGB normierte Recht des minderjährigen Kindes und des mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteils, miteinander persönlich zu verkehren (Besuchsrecht), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und ein allgemein anzuerkennendes, unter dem Schutz des Artikel 8, EMRK stehendes Menschenrecht (RIS-Justiz RS0047754; zuletzt 6 Ob 171/05y mwN). Der obsorgeberechtigte Elternteil ist dem Kind gegenüber zu dessen Wohl verpflichtet, es unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf die Besuche des nicht obsorgeberechtigten Elternteils vorzubereiten und die Kontakte mit ihm sodann unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten (6 Ob 171/05y mwN). Die Unterbindung des Kontakts zu dem getrennt lebenden Elternteil ist nur in Ausnahmefällen aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig. Nur bei massiver Gefährdung des Kindeswohls hat in einem - selbst unverschuldeten - Konfliktfall der Besuchsrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten. Liegen derartige schwerwiegende Gründe vor, kann das Besuchsrecht immer nur vorübergehend oder bis auf weiteres (grundsätzlich jedoch nicht für immer) untersagt werden (RIS-Justiz RS0047955, RS0047950). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt, eingeschränkt oder sogar entzogen werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr daher keine Bedeutung iSd Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097114, RS0087024). Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht haben sich die Vorinstanzen ausführlich - wenn auch nicht mit dem von der Kindesmutter angestrebten Ergebnis - mit den von ihr gegen die Gewährung des Besuchsrechts für den Kindesvater vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt. Hiebei sind sie von den zweifellos vorrangigen Interessen des Kindes (RIS-Justiz RS0047777; zuletzt 6 Ob 171/05y) ausgegangen. Nach den Ergebnissen des Pflegschaftsverfahrens (insbesondere des kinderpsychologischen Gutachtens) liegt es im Interesse des Kindes, möglichst bald, wenngleich behutsam über seine Abstammung aufgeklärt zu werden und die Chance zum Aufbau einer Beziehung zum Kindesvater zu erlangen.