Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

16.05.2006

Geschäftszahl

1Ob28/06h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** S*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen EUR 4.988,78 sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. November 2005, GZ 4 R 225/05v-19, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 17. September 2005, GZ 3 Cg 35/05i-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte im Anlassverfahren (C 570/02v des BG Rohrbach), den dort Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, ihn ohne vorherige Einwilligung zu Werbezwecken anzurufen, insbesondere um Geschäftsabschlüsse über Bürostühle anzubahnen oder vorzubereiten. Ein derartiger Anruf einer Mitarbeiterin des im Anlassverfahren Beklagten sei in der vom Kläger betriebenen Rechtsanwaltskanzlei erfolgt; dieser Anruf habe gegen Paragraph 101, TKG 1997 verstoßen. Das Bezirksgericht Rohrbach wies dieses Klagebegehren letztlich mit der Begründung ab, es liege keine Wiederholungsgefahr vor. Das Landesgericht Linz bestätigte dieses Urteil, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 4.000 nicht übersteigend und sprach aus, dass die Revision jedenfalls unzulässig sei.

Im gegenständlichen Verfahren begehrte der Kläger aus dem Titel der Amtshaftung EUR 4.988,78 an Ersatz der ihm im Anlassverfahren aufgelaufenen Kosten. Die Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren sei unvertretbar, da sie von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Vorliegen von Wiederholungsgefahr bzw zu deren Wegfall abweiche.

Das Erstgericht wies die Amtshaftungsklage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus,

dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Auch im Fall des aus dem Eigentumsrecht (Paragraph 354, ABGB) resultierenden Unterlassungsanspruchs löst schon das einmalige Zuwiderhandeln die Vermutung der Wiederholungsgefahr aus. Der Beklagte kann aber diese Vermutung entkräften, indem er den Wegfall der Wiederholungsgefahr behauptet und beweist, er werde den Verstoß nicht abermals begehen (4 Ob 64/97h uva). Da der im Anlassverfahren Beklagte den inkriminierten Anruf im Zusammenhang mit der Ausübung seines Gewerbes tätigen ließ und damit die Vermutung gleichartiger Anrufe auch gegenüber Dritten naheliegt, spricht die Erfahrung für das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr. Ein genereller und zwingender Erfahrungssatz, in solchen Fällen werde es gegenüber dem Kläger jedenfalls zu weiteren Verstößen kommen, existiert jedoch nicht. Dem Beklagten muss auch in diesen Fällen die Möglichkeit offen stehen, die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu beseitigen (Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht, 174). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Beurteilung, ob dem Verhalten des Störers gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, er sei ernstlich gewillt, von künftigen gesetzwidrigen Handlungen Abstand zu nehmen, immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt (4 Ob 92/92 uva). Wenngleich daher für die Beurteilung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr im Einzelfall auch mögliche Verstöße gegen dieselbe Gesetzesbestimmung durch Anrufe bei anderen Inhabern von Telefonanschlüssen maßgeblich sein können, liegt allein darin - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts - keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO.

2. Im Amtshaftungsprozess kommt es schon auf der für die Vorinstanzen bedeutsamen ersten Prüfungsstufe nicht auf die Richtigkeit, sondern nur auf die Vertretbarkeit der Rechtsauslegung bzw Rechtsausübung im Zuge hoheitlichen Organverhaltens an. Auf der im Revisionsverfahren relevanten zweiten Prüfungsstufe müsste aber auch noch die durch das Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung des Organverhaltens als vertretbar eine gravierende Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls und insoweit geradezu unvertretbar sein. Die Zulässigkeit der Revision hängt somit nicht davon ab, ob das Berufungsgericht die Vertretbarkeitsfrage richtig gelöst hat. Bedeutsam ist vielmehr nur, ob deren Lösung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruhte (1 Ob 55/04a; 1 Ob 9/03k; 1 Ob 103/02g; Zechner in Fasching/Konecny², IV/1 Paragraph 502, Rz 66).

Eine solche gravierende Fehlbeurteilung vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen:

2.1. Der im Anlassverfahren Beklagte brachte im Verfahren erster Instanz zur Wiederholungsgefahr vor, „dass in keinster Weise ein Zustand" fortdauere, „der dem Kläger keine Sicherung gegen weitere Rechtsverletzungen" biete. Soweit das Erstgericht im Anlassverfahren auf Grund der Aussage des dort Beklagten in diesem Zusammenhang die weitergehende Feststellung traf, der Beklagte habe nach dem Anruf den Namen des Klägers auf „eine rote Liste" jener Kunden gesetzt, die wünschten, nicht mehr zu Werbezwecken telefonisch kontaktiert zu werden, bewegt sich diese Feststellung jedenfalls im Rahmen des Vorbringens und konnte zulässigerweise der Entscheidung zu Grunde gelegt werden (RIS-Justiz RS0040318).

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung darf bei Prüfung der Wiederholungsgefahr „nicht engherzig" vorgegangen werden, sondern genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe. Die Wiederholungsgefahr kann nach herrschender Auffassung nur dann verneint werden, wenn der Beklagte besondere Umstände dartut, die eine Wiederholung seines Verhaltens ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Ist das Verhalten des Beklagten auch nur unklar und zwiespältig, ist die Gewähr für das Unterbleiben künftiger Verstöße nicht gegeben. Das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs durch den Beklagten kann die Wiederholungsgefahr ausschließen (4 Ob 2109/96t uva). Allein die Erklärung des Übermittlers einer Werbebotschaft, keine weiteren Werbungen mehr vorzunehmen, ist grundsätzlich nicht genügend, selbst wenn es bisher nur einmal zu einem Verstoß gekommen war. Maßgebend ist, ob dem Verhalten des Verletzers nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits ausreichende Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen; dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen eine solche Sinnesänderung des Verletzers sprechen (4 Ob 2109/96t; 1 Ob 296/98f mwN; RIS-Justiz RS0012064).

Die Rechtsansicht, das Berufungsgericht im Anlassverfahren habe die Frage der Wiederholungsgefahr im Einklang mit den soeben wiedergegebenen Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beurteilt, weswegen die Lösung dieser Frage vertretbar sei, stellt keine (gravierende) Fehlbeurteilung dar:

2.3. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat der im Anlassverfahren Beklagte im Verfahren niemals eine Haltung eingenommen, die Anhaltspunkte dafür bieten könnte, er fühle sich zu weiteren Telefonanrufen in der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers berechtigt und werde er solche auch tätigen. Zwar vertrat er den Standpunkt, sein (einziger) Anruf stehe infolge des vorherigen Einverständnisses des Klägers im Einklang mit Paragraph 101, TKG, dennoch ließ er keinen Zweifel daran, künftige Anrufe - insbesonders schon wegen der bereits bei diesem Telefonat erfolgten Ankündigung der Klage - nicht mehr in Erwägung gezogen zu haben. Auch daraus kann auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr geschlossen werden.

2.4. Vor diesem Hintergrund trifft die Auffassung, der Verletzer könne den Sinneswandel allein durch das Angebot eines umfassenden vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches dokumentieren, nicht zu (MR 1987, 220; 6 Ob 51/01w). Ein wichtiger (weiterer) Anhaltspunkt, der Beklagte sei ernstlich gewillt, von Störungen Abstand zu nehmen, kann nämlich darin liegen, dass der Verletzer eine Handlung vorgenommen hat, die auch nach außen hin klar erkennen lässt, dass es ihm mit seiner Sinnesänderung, künftig die verpönte Handlung zu unterlassen, ernst ist (ÖBl 1971, 150; ÖBl 1979, 68; ÖBl 1985, 43). Im vorliegenden Fall hat die innere Einstellung des im Anlassverfahren Beklagten, es bei dem einen Telefonat bewenden zu lassen, nicht nur in seiner im Verfahren eingenommenen Haltung, sondern auch in dessen Büroorganisation Niederschlag dadurch gefunden, dass der Name des Klägers in die „rote Liste" jener Kunden aufgenommen wurde, die keine Kontakte zu Werbezwecken mehr wünschten; unstrittig ist es danach zu keinen weiteren Telefonanrufen zu Werbezwecken beim Kläger mehr gekommen. Die Rechtsansicht ist keinesfalls unvertretbar, damit habe der Beklagte ausreichende Umstände dargetan, die - auch aus objektiver Sicht - künftige Werbeanrufe in der Kanzlei des Klägers als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Derartige Anrufe würden ein - rechtlich und wirtschaftlich - sinnloses Verhalten darstellen, das vernünftigerweise nicht zu erwarten ist vergleiche SZ 64/97). Ist aber bereits aus objektiver Sicht ausreichend Gewähr dafür geboten, der Verletzer werde künftig keine weiteren Anrufe tätigen, muss er nicht auch noch einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich unterzeichnen, um seinem „Sinneswandel" Ausdruck zu verleihen. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist in diesen Fällen ein Rechtsanspruch des Klägers auf „titelmäßige Absicherung" zu verneinen.

2.5. Wenngleich es dem im Anlassverfahren Beklagten letztlich nicht gelungen ist, ein zuvor erteiltes Einverständnis des Klägers zur Telefonwerbung unter Beweis zu stellen, und er von der (irrtümlichen) Annahme ausging, der Anruf habe nicht gegen Paragraph 101, TKG 1997 verstoßen, so ergriff er doch - zumindest in seiner Büroorganisation und insofern nach außen in Erscheinung tretende - Maßnahmen zur Verhinderung eines Eingriffs in der Zukunft. Derartige Umstände können den Wegfall der Wiederholungsgefahr indizieren (Wagner aaO 151 mwN). Dem gegenüber vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, gerade die Existenz der „roten Liste" spreche für das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr, denn diese lasse vermuten, der im Anlassverfahren Beklagte habe auch gegenüber nicht verfahrensbeteiligten Dritten bereits eine Vielzahl von Verstößen gegen Paragraph 101, TKG 1997 gesetzt. Dem ist entgegen zu halten, dass allein die Tatsache bereits stattgehabter Verletzungen oder die Möglichkeit neuerlicher Verstöße gegenüber anderen Inhabern von Telefonanschlüssen für die Annahme des Fortbestehens der Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall nicht ausreichen muss; maßgeblich ist die ernstliche und konkrete Besorgnis, der Verletzer werde es gegenüber dem Revisionswerber bei den bisherigen Eingriffen nicht bewenden lassen und zumindest „im Kern" ähnliche Verhaltensweisen setzen vergleiche Wagner aaO 132 mwN, 135).

3. Zusammenfassend stellt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Anlassverfahren, unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des vorliegenden Falls sei dem dort Beklagten der Beweis gelungen, es liege keine konkrete und reale Wiederholungsgefahr vor, kein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung dar, das unvertretbar wäre und keine sorgfältigen Überlegungen erkennen ließe vergleiche SZ 52/56; SZ 65/63; RIS-Justiz RS0049912). Die Meinung der Vorinstanzen, die im Anlassverfahren vertretene Ansicht sei vertretbar, beruht somit nicht auf einer (gravierenden) Fehlbeurteilung.

Dies führt zur Zurückweisung der Revision als unzulässig. An den Ausspruch des Berufungsgerichts nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO ist der Oberste Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, sind ihr die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen (RIS-Justiz RS0035979).